Zweierlei Bilder

Simeons seltsamer Segen

Predigttext: Lukas 2,33-40
Kirche / Ort:
Datum: 25.12.2008
Kirchenjahr: 1. Sonntag nach dem Christfest
Autor/in: Dr. Martin Luther

Vorbemerkung der Redaktion Heidelberger Predigt-Forum

Im Heidelberger Predigt-Forum sind schon mehrere Predigten von Martin Luther aus der K. Aland-Ausgabe "Luther Deutsch" (Bd. 8, Die Predigten, 2.Aufl., Stuttgart 1965) zitiert. Homiletisch können sie uns Heutigen gewiss noch Einiges lehren. Auffällig ist zB, dass Martin Luther ohne Umschweife in die Auslegung des Predigttextes einsteigt, seine Predigten einen klaren Aufbau haben und didaktisch angelegt sind. Der zum 1.Sonntag nach dem Christfest aus der o.g. Aland-Ausgabe hier zitierten Predigt (a.a.O., S.56-61) liegt die Perikope Lukas 2,33-40 zu Grunde, heutige Perikopenangrenzung: Lukas 2,(22-24)25-38(39-40). Haupt- und Zwischenüberschriften wurden vom Herausgeber und Schriftleiter des Heidelberger Predigt-Forums gesetzt. Warum nicht einmal nach den vielen Weihnachtsgottesdiensten eine Predigt von Martin Luther (oder Teile daraus) vorlesen, vielleicht mit verschiedenen Sprechern/Sprecherinnen? Teilen Sie mir Ihre Erfahrungen mit, wenn Sie diesem Vorschlag gefolgt sind? Ich freue mich darüber. Mit guten Wünschen grüßt Sie freundlich Heinz Janssen redaktion@predigtforum.de

Predigttext: Lukas 2,33-40 (Übersetzung Martin Luther, unrevidierte Fassung 1545)

33 Und sein Vater und Mutter wunderten sich des, das von ihm geredet ward. 34 Und Simeon segnete sie und sprach zu Maria, seiner Mutter: Siehe, dieser wird gesetzt zu einem Fall und Auferstehen vieler in Israel und zu einem Zeichen, dem widersprochen wird 35 (und es wird ein Schwert durch deine Seele dringen), auf daß vieler Herzen Gedanken offenbar werden. 36 Und es war eine Prophetin, Hanna, eine Tochter Phanuels, vom Geschlecht Asser; die war wohl betaget und hatte gelebt sieben Jahre mit ihrem Manne nach ihrer Jungfrauschaft 37 und war nun eine Witwe bei vierundachtzig Jahren; die kam nimmer vom Tempel, dienete GOtt mit Fasten und Beten Tag und Nacht: 38 Dieselbige trat auch hinzu zu derselbigen Stunde und preisete den HErrn und redete von ihm zu allen, die da auf die Erlösung zu Jerusalem warteten. 39 Und da sie es alles vollendet hatten nach dem Gesetz des HErrn, kehrten sie wieder nach Galiläa zu ihrer Stadt Nazareth. 40 Aber das Kind wuchs und ward stark im Geist, voller Weisheit; und GOttes Gnade war bei ihm.

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Predigt

Josephs und Marias Verwunderung und Simeons Erkenntnis

Man hat aber dies Evangelium deshalb auf den heutigen Sonntag gelegt, weil hier steht: Joseph und Maria haben sich des verwundert, daß von dem Kindlein geredet war. Der Altvater Simeon tritt hinzu und kann altershalber kaum den Weg vor sich sehen, dennoch sieht er so scharf, daß er dies Kindlein erkennt und rühmt, es sei aller Welt Heiland und Licht. Alle Kaiser, Könige und Fürsten, sagt er, sind eitel Finsternis, aber dies Kindlein ist aller Welt Licht. Alle Welt steckt im Tode und Verdammnis, aber durch dies Kindlein wird die Welt selig werden. In Summa: dies Kindlein ist der, von dem alle Propheten geweissagt haben.

Simeons unglaubliche Rede

Die andern, die solches im Tempel auch gehört haben, Werdens als eine Narrenrede verachtet und gedacht haben, Simeon sei trunken oder das Alter mache ihn toll, darum rede er als ein alter schwachsinniger Mann. Wie könne dies Kindlein der ganzen Welt Heiland und Licht sein, welches arm ist und nichts hat als geringe Windeln, und seine Mutter hat kaum einen Groschen im Beutel? So werden die andern Leute die Rede des alten Simeon verachtet und in den Wind geschlagen haben. Aber Maria und Joseph verwundern sich darüber nicht aus Unglauben, sondern aus mächtigem Glauben und hohem Verständnis.

Denn das ist des Glaubens eigentliche Art: je fester einer eine Sache glaubt, desto mehr verwundert er sich und desto fröhlicher wird er darüber. Wo ers aber umgekehrt nicht glaubt, so nimmt er sich dessen nicht an und hat weder Freude noch Lust dazu. Zum Beispiel: Wenn dies in meinem Herzen gewiß würde und ich ohne allen Zweifel glaubte, daß das Kindlein Jesus, von der Jungfrau Maria geboren, sei mein nächster Freund, mein Bruder, ja mein Fleisch und Blut, und seine Gerechtigkeit, sein Leben sei mein Leben, wie wir diese Tage über von der Geburt Christi gehört haben – wenn ich solches, sage ich, von Herzen glaubte, so würde ich mich so darüber verwundem und freuen, daß ich mich nicht genug freuen und verwundern, noch genug an dies Kindlein denken könnte.

Aus dem rechten Glauben folgen Freude, Verwunderung und Änderung

Aber wo findest du einen, der es recht glaubt und zu Herzen nimmt? Wir könnens alle zumal nachsprechen, aber daß wirs nicht glauben, des sind wir bald zu überführen, denn es folgt keine Freude, keine Verwunderung, keine Änderung bei uns. Wenn man das einen Glauben nennen will, so ists wahrlich ein kalter und halb erstorbener Glaube, sonst würden wir nicht erschrecken noch zornig werden, sondern fröhlich und zuversichtlich sein. Denn ein Christ ist ein fröhlicher, zuversichtlicher, seliger Mensch, der weder nach dem Teufel noch nach allem Unglück fragt. Denn er weiß, daß er durch Christus über solches alles ein Herr ist.

Nicht nur Petrus und Paulus – auch mir gilt die Verheißung des Glaubens

Solches predigen wir täglich, und viele unter uns lassen sich leider dünken, sie könntens allzugut. Aber wollte Gott, wir lernten es von ganzem Herzen und wären sicher, daß es wahr sei, daß wir durch Christus zu Herren über alles gemacht sind. Von Petrus und Paulus kann sich ein jeder leicht denken, daß sie an der Erbschaft Christi teilhaben und mit ihm in Ewigkeit leben. Aber daß ich das auch von mir und du von dir so kräftig glaubte, wie wir glauben sollten, da fehlt es dran, weil wirs in uns noch nicht sehen, nicht fühlen noch empfinden. Wir denken so: Petrus, Paulus ist ein Herr und Fürst über Himmel und Erde. Aber ob ich auch ein Herr und Fürst über Himmel und Erde sei, das weiß ich nicht. Was heißt das aber geglaubt? Weil ich von mir nicht glaube, daß ich durch Christus ein Herr und Fürst über Himmel und Erde gworden bin, so glaube ich solches auch gewiß nicht von Petrus und Paulus. Ebenso weil ich nicht glaube, dass mir durch Christus die himmlische Erbschaft geschenkt ist, so glaube ich auch nicht, daß Christus mir zugut Mensch geworden und geboren ist und daß ich in Christus getauft bin.

Christsein ist nicht auf das zeitliche, vergängliche, sondern auf das zukünftige, ewige Leben ausgerichtet

Denn wo solcher Glaube da wäre, der es für sicher hielte, daß wir arme Sünder in ein ewiges Leben und Gerechtigkeitkeit gesetzt sind, das sollte ja zum wenigsten mit einem Fünklein gefühlt werden, von dem das Herz fröhlich und mutig würde, daß wir in Anfechtung und Verfolgung so verzagt wären, sondern beiden, Teufel und Welt, noch dazu trotzten und sagten: Es sei Sünde, Tod, Teufel, Welt, Papst, Kaiser so böse und zornig sie immer wollen, was frage ich danach? Nimmt mir der Papst und der Kaiser das Leben, so müssen sie viel mehr daran setzen und haben größern Verlust als ich. Sie nehmen mir die Hülse und Schale, aber den Kern und Schatz, daß ich durch Christus von Sünden ledig gemacht und dem ewigen Tod und Zorn Gottes entlaufen bin, können sie mir nicht nehmen. Wenn mir nur dies Kindlein bleibt, so fahre das andere dahin, was ich nicht behalten kann. Denn ein Christ ist nicht auf dies zeitliche und vergängliche Leben ausgerichtet, wie die Welt das ist, sondern auf das zukünftige, ewige Leben.

Also sollten wir uns über das verwundern, was wir von Christus hören und getrost und unverzagt sein. Daß wir aber noch so erschrecken und uns fürchten, dass ist ein Zeichen dafür, daß wir nicht fest genug geglaubt haben das uns durch Christus das ewige Leben und Himmelreich erworben und geschenkt ist. Wohlan, wers kann, der kanns, wers nicht kann, der lerne es. Es werden doch etliche sein, die sich verwundern und über das überschwängliche Gute freuen können, durch Christus uns erworben und geschenkt. Denen ist diese Predigt eine ewige Speise, von der sie nimmermehr genug haben können, wie Petrus (i. Petr. 1,12) sagt, daß auch die Engel Lust haben, daß sie es anschauen sollen. Aber ein verdrossener, fauler Geist fragt nichts da¬nach, sondern kehrt sich zu dem fleischlichen Trost. Wenn er seinen Gott Mammon, Wein, Korn, Essen und Trinken hat, so meint er, er habe alles.

Viele werden sich an Jesus halten, andere werden Anstoß an ihm nehmen

Nun wollen wir auch die Weissagung Simeons besehen:»Und Simeon segnete sie und sprach zu Maria, seiner Mutter: Siehe, dieser wird gesetzt zu einem Fall und Auf¬stehen vieler in Israel«. Dies ist auch ein seltsamer Segen. Nachdem der alte Simeon gesagt hat, dies Kindlein werde ein trefflicher, mächtiger Mann werden, ein Heiland, bereitet zum Heil der ganzen Christenheit, und ein Licht zum seligen Schein der Heiden, über welch hohe Worte Joseph und Maria sich verwundert haben, spricht er nun weiter: Dies Kindlein werde auch ein Fall und Aufstehen vieler in Israel sein. Das ist, es werden sich an dem Herrn Christus viele, nicht allein aus den Heiden, sondern auch aus dem Volk Israel stoßen und ärgern, daß sie an ihm anlaufen und fallen; umgekehrt werden sich viele auch an ihm bessern und aufstehen. Das ist nun des Kindleins, unsers lieben Herrn Christus, besonderer Name: so soll es ihm gehen, so soll er auf der Welt gehalten werden, daß viele an ihm anlaufen und fallen, dagegen auch viele sich an ihn halten und an ihm aufstehen sollen.

Dies ist ein sehr nötiger Unterricht, daß wir Christus nicht allein so ansehen sollen,daß er den Juden ein Ärgernis und den Griechen eine Torheit ist (1. Kor. 1, 23), sondern auch, daß er ein Aufstehen vieler in Israel ist. Darüber dürfen wir unsnicht bekümmern, daß der große Haufe an ihm zu Fall kommt und sein Evangelium aufs schändlichste mißbraucht; wie wir jetzt vor Augen haben, daß Bauern und Bürger sich an dem Herrn Christus leider so bessern, daß sie tun, was sie gelüstet. In der Welt wirds nimmermehr anders werden: Wo dieser König mit seinem Wort und Reich ist, da wird der meiste Teil sich ärgern und fallen. Daran mußt du dich gewöhnen und es so gehen lassen, wo du ein Christ bleiben willst, und daneben auf das kleine Häuflein sehen und dich dazu halten, das nicht fällt sondern an diesem König festhält und aufsteht. Wenn es nun so zugeht, daß die Leute häufig dahinpurzeln und fallen, so lasse es gehen, denn so gehts recht wie Simeon hier sagt.

Fallen und aufstehen – zwei Bilder des Christseins

Willst du nun ein Christ sein, so schicke dich so drein und sei des nur gewiß, daß dein Herr Jesus Christus, du, deine Lehre und all dein Tun der Welt nicht gefallen werden. Denn hier hörst du, daß dein Herr Christus selbst denen die Gottes Volk sind, ein Stein des Anlaufens und ein Fels des Ärgernisses sei, daran sich alle ärgern, stoßen und darüber fallen, die da groß, gewaltig, klug und heilig sein wollen. Willst du nun auch von diesen und ihrem Anhang für einen Narren, Ketzer und Verführer – denn anderes wird nicht draus – gehalten sein, so nimm diesen Herrn und König an und sei ein Christ. Wo nicht, so kannst du ihn außer Acht lassen und dich immer zum Teufel hin bewegen, dann wird die Welt dich loben und ehren. Wer ein Christ sein und nach diesem Leben ewig lebewill, der muß so in dieser Welt mit seinem Herrn Christus den anderen ein Ärgernis und Fall sein und für ein Teufelskind, Ketzer Verführer und Narren gehalten werden. Das ist das erste Bild.

Das andere Stück aber ist wieder ein schönes Bild, daß Simeon sagt, er sei nicht allein zum Fall gesetzt, sondern auch zum Aufstehen vieler in Israel. Die sinds nun, die diesen König annehmen, an ihm aufstehen und ihren Leib und Leben, wenns die Not erfordert um seinetwillen lassen. Die fallen ab von ihrem weltlichen Wesen, eigener Weisheit, Gewalt, Gerechtigkeit und Heiligkeit. Denn sie wissen, daß sie sich selbst durch ihre Weisheit, Werk und Verdienst nicht helfen können. Soll ihnen aber geholfen werden, so müsse es allein der tun, von dem geschrieben steht, daß er der Welt Heiland und Licht sei. Darum ist ihnen Christus ein erwünschter Mann, und sie richten sich an ihm auf und werden durch ihn selig.

So zeigt nun dies Kindlein zweierlei Bilder: ein ärgerliches Bild und ein schönes, tröstliches Bild. Etlichen ist es ein Fall, wie ein Stock in den Weg gelegt, über den sie fallen; etlichen ist es ein Aufstehen, wie ein Fels am Wege, daran man sich lehnt und aufrichtet. Die stolzen, hoff artigen und klugen Heiligen laufen mit dem Kopf wider ihn, prallen zurück, lästern und fluchen ihm. Aber die Toren, Narren und armen Sünder stehen an ihm auf und glauben an ihn. Was liegt, das steht an ihm auf. Was steht, das fällt an ihm. Was verloren und verdorben ist, wird durch ihn selig. Was närrisch ist, wird weise, was sündhaftig ist, wird gerecht und heilig. Des lerne dich trösten, es will mit diesem Kinde doch nicht anders werden, Amen.

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