Was bei den Menschen unmöglich ist, das ist bei Gott möglich – Jahreslosung 2009
Schon jetzt können wir unsere Gegenwart im Vertrauen auf Gott und seine Möglichkeiten gestalten und verändern
Predigttext: Lukas 18,27 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)
Was bei den Menschen unmöglich ist, das ist bei Gott möglich.Predigt
Liebe Brüder und Schwestern!
Das biblische Wort, das uns durch das heute begonnene Jahr 2009 geleiten möchte, stammt aus dem 18. Kapitel des Evangeliums nach Lukas. Es ist wieder ein von Jesus selbst gesprochenes Wort und lautet: Was bei den Menschen unmöglich ist, das ist bei Gott möglich.
Wünsche und ihre Erfüllbarkeit
Sie werden den Werbespruch eines großen Baumarkts kennen: „Geht nicht, gibt’s nicht!“ Er suggeriert, dass man dort keine unerfüllten Wünsche mehr haben kann, dass man alles bekommt, was man haben möchte, und in der Qualität, wie man es haben möchte. Ja, und wir alle wissen, dass es entgegen diesem Werbeslogan dann doch immer unerfüllbare Wünsche gibt. Wo immer der Satz vom Menschenmöglichen gesprochen wird – „wir werden alles Menschenmögliche versuchen“ oder noch schlimmer: „Wir haben alles Menschenmögliche versucht“ – dann spüren wir schmerzlich die Grenzen, die menschlichem Handeln gesetzt sind. „Wir tun alles, was zu tun irgend möglich ist.“ Oder: „Da hilft nur noch Beten!“ Wir alle wissen, wie sehr Menschen manchmal in dem Wahn, alles sei machbar, in einer Zeit des Machertums am Ende ihrer Möglichkeiten angekommen sind, hilflos sind und nicht mehr weiter wissen. Auch Amerika, das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, hat sich als ein Land erwiesen, in dem die Bäume nicht in den Himmel wachsen und in dem Menschen zum Teil sehr bitter ihre Grenzen kennen lernen mussten.
Die Möglichkeiten des Menschen und ihre Grenzen
Die Jahreslosung lenkt unseren Blick zunächst auf unsere Möglichkeiten, dann jedoch auch gleich auf unsere Grenzen. Bei dem Nachdenken über meine eigenen Möglichkeiten im neuen Jahr wandern meine Gedanken wieder ins alte Jahr. Sie bleiben bei einigen verpassten Möglichkeiten im alten Jahr hängen. Glücklicherweise ging es dabei nicht um ganz große, ganz existentielle Dinge. Aber mir stehen Situationen vor Augen, da konnte ich nicht über meinen eigenen Schatten springen, obwohl es angebracht gewesen wäre. Ich habe die Chance verpasst, das Richtige zu tun. Vielleicht geht es Ihnen ähnlich, wenn Sie zurückschauen. Da will man eigentlich etwas tun, und dann macht man es doch nicht. Die Jahreslosung fordert uns zum Nachdenken darüber auf, was unser Handeln und menschliches Handeln insgesamt bewirken kann und soll. Sie will uns lehren, bewusst mit unseren Begrenzungen zu leben. So hat unsere badische Landeskirche schon im Advent 1999, als die Wissenschaft die Genmanipulationen und das Klonen als neue Möglichkeiten feierte, in ihren Leitsätzen den Satz formuliert: „Wir wollen nicht alles machen, was machbar ist“.
Die Möglichkeiten Gottes
Aus dem Nachdenken und der Selbstbeschränkung wird, wenn wir weiter über die Jahreslosung nachsinnen, der Horizont weit; er öffnet sich zu der Erkenntnis der Möglichkeiten Gottes und zu einer Verheißung, die wir im Glauben ergreifen und begreifen können: Was bei den Menschen unmöglich ist, das ist bei Gott möglich.
Gerade jetzt nach dem Weihnachtsfest lenkt die Losung unseren Blick auf die Unmöglichkeit menschlichen Vorstellungsvermögens, dass der allmächtige Gott Mensch geworden ist, dass er arm und schutzbedürftig als kleines Kind ganz unscheinbar, geradezu unwahrscheinlich in diese Welt kam, die keinen anderen Platz für ihn hatte als eine leere Futterkrippe. Schauen wir nun auf den biblischen Kontext, in dem unsere Jahreslosung steht, so müssen wir feststellen, dass sie dem Bericht des Lukas über die Begegnung Jesu mit dem reichen jungen Mann entnommen ist, der in der Bibel unter der Überschrift steht „Die Gefahr des Reichtums“. Und dann haben wir erneut und vielleicht sogar mehr Anlass zu vertieftem Nachdenken.
Was fehlt mir noch?
Der junge Mann entspricht eigentlich einer Idealvorstellung dieser unserer Welt: Er ist vermögend und dabei auch noch ein moralisch hoch stehendes Mitglied der Gemeinschaft. Aber all diese Dinge machen den Mann nicht glücklich. Er fragt Jesus ganz gezielt, was ihm noch fehlt: „Was muss ich tun, damit ich das ewige Leben ererbe?“ Jesus antwortet nicht gerade im Sinne des jungen Mannes. Er weist ihn auf die Gebote der zweiten Tafel hin. Aber der junge Mann hat sein Leben lang alle Gebote gehalten. Lukas schreibt (Lukas 18,22): Als Jesus das hörte, sprach er zu ihm: Es fehlt dir noch eines. Verkaufe alles, was du hast, und gib’s den Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben, und komm und folge mir nach! – Das macht den jungen Mann traurig, denn von seinem Besitz möchte er sich nicht trennen. Lukas fährt fort (Lukas 18,24-27): Als aber Jesus sah, dass er traurig geworden war, sprach er: Wie schwer kommen die Reichen in das Reich Gottes! Denn es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, als dass ein Reicher in das Reich Gottes komme. Da sprachen, die das hörten: Wer kann dann selig werden? Er aber sprach: Was bei den Menschen unmöglich ist, das ist bei Gott möglich.
Liebe Gemeinde! Aus der Bergpredigt Jesu (Matthäus 6, 20 f.) kennen wir die Worte: Sammelt euch aber Schätze im Himmel, wo sie weder Motten noch Rost fressen und wo die Diebe nicht einbrechen und stehlen. Denn wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz. – Doch wohl kein Mensch auf dieser Welt möchte gar keine Dinge haben, an denen sein Herz hängt. Jeder hat sein Hobby, seine Neigungen. Wer könnte schon von sich sagen, mit seinem Herzen stets ganz und gar auf Gott ausgerichtet zu sein? Selbst der beste Christ ist dazu nicht in der Lage. Wir sind viel zu schwach, viel zu viel Ablenkung gibt es in unserem Leben. Wenn von uns gefordert würde, alles an die Armen zu verschenken, was wir besitzen, die gesamten Lebensbezüge aufzugeben, um predigend durch die Lande zu ziehen – das wäre wohl auch nicht unser Ding. Das ahnen auch die Umstehenden in der Geschichte mit dem reichen jungen Mann. Betroffen, ratlos, ja resignierend fragen sie: „Wer kann dann selig werden?“ Auch in meinem Nachdenken über das vergangene Jahr stelle ich fest: Es war mir genauso unmöglich wie dem jungen reichen Mann, das zu tun, was von Gott her geboten gewesen wäre. Können wir dann selig werden, das ewige Leben erlangen, liebe Gemeinde?
Hoffnung und Zukunft trotz aller Ungewissheiten und Gefahren
Aber die biblische Geschichte endet nicht in der Ratlosigkeit und Trostlosigkeit. Wenn Jesus auf die Möglichkeiten Gottes hinweist, dann klingt das für mich nicht nur so, als ob es Gott möglich wäre, dem reichen jungen Mann das ewige Leben zu schenken. Für mich klingt es so, als ob Gott das auch tun wird. Ist das nicht merkwürdig, dass uns gerade jetzt mitten in dieser schweren Finanz- und Wirtschaftskrise diese Jahreslosung mitgegeben wird? Es ist geradezu erstaunlich, wenn man weiß, dass Jahreslosungen für drei Jahre im voraus beschlossen werden.
Die nahe Zukunft wird zur Zeit recht düster gemalt. Das schürt Ängste in der Bevölkerung. Das verunsichert. Wie endet dieser Tanz um das goldene Kalb? Von wem kann man Hilfe erwarten? Wer kennt das richtige Rezept, um die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen? Ein weiterer Unsicherheitsfaktor ist die zunehmende Klimaerwärmung, die zu weltweiten Veränderungen führen wird. An vielen Orten schmilzt das Eis und der Meeresspiegel steigt. Umsiedelungen werden notwendig, wenn küstennahe Regionen überschwemmt werden. Erdbeben und Vulkanausbrüche ziehen schlimme Folgen nach sich. Wir erinnern uns an den Tsunami an Weihnachten 2004 an der Küste Thailands. Für die nächsten Jahre und Jahrzehnte ist die Verknappung der Ölreserven und des Süßwassers abzusehen. Welche Konflikte und Kriege sich daraus ergeben, ist nicht abzusehen. Aber all dies ist nichts Neues. Schon zu der Zeit, als Lukas sein Evangelium geschrieben hat, gab es Angst und Ratlosigkeit unter den Menschen angesichts der kriegerischen Auseinandersetzungen und Katastrophen, die sich ereigneten. Gewiss wird es Stimmen gegeben haben, die sagten. „So kann es nicht weiter gehen. Das ist der Anfang vom Ende!”
Wenn Lukas Jesus die Worte in den Mund legt „Was bei den Menschen unmöglich ist, das ist bei Gott möglich“, dann wollte er damit deutlich machen, dass all die Ängste da ihre Macht und Wirkung verlieren, wo man über sie hinweg schaut. Wo man aufblickt und dabei den erblickt, der all unsere Erfahrung übertrifft. Der uns stark macht, unsere Ängste zu überwinden. Der uns das Bild einer guten Zukunft einprägt, mit dem wir schon jetzt unsere Gegenwart gestalten und verändern können. Das Bild vom Reich Gottes, in dem Frieden und Gerechtigkeit wohnen, mag uns ermutigen, miteinander achtsam umzugehen. Inmitten einer sich ständig verändernden und stets gefährdeten Welt kommt er in seinen Worten, die nicht vergehen, in unserer Ratlosigkeit auf uns zu. Worte, die uns trösten in schwierigen Zeiten. Worte, die uns aufrichten und stark machen angesichts der Stürme um uns herum. Worte, die uns und unserer Welt Hoffnung und Zukunft geben trotz aller Ungewissheiten und Gefahren.
Gnade
Anno Domini 2009. Jedes Jahr ist ein Jahr des Herrn. Ein Jahr, in dem er sich uns gnädig zuwenden will. Die Jahreslosung hat eine klare Botschaft: Gnade. Bei Gott gelten ganz andere Maßstäbe als unser gesunder Menschenverstand, unsere Erfahrung und unsere geistlichen Traditionen. Gott kennt unsere Grenzen. Gerade das, was wir nicht für möglich halten, kann er tun. Gerade dort eingreifen, wo wir nicht mehr weiter wissen. Gerade dort helfen, wo wir am Ende unserer Möglichkeiten sind. Umgekehrt heißt das aber auch: Wir sollten uns nicht zu viel einbilden auf uns und unsere Möglichkeiten. Durch fromme Leistungen, Taten, Erkenntnisse jedenfalls kommen wir dem Himmel kein Stückchen näher.
Gott vertrauen und seinen Möglichkeiten
Was bei den Menschen unmöglich ist, das ist bei Gott möglich – welch eine Jahreslosung, liebe Gemeinde! Wir müssen alle unsere Möglichkeiten erkennen, aber wir müssen auch akzeptieren, dass uns manches nicht möglich ist, dass wir an Grenzen kommen. Und gleichzeitig geht es darum, Gott zu vertrauen, auf ihn zu hoffen. Er kann das Unmögliche möglich machen. „Geht nicht, gibt’s nicht!“ – das ist tatsächlich so bei Gott. Und in diesem Sinne kann auch unser Glaube Berge versetzen. Mit meinem Gott kann ich über Mauern springen – darauf vertraut der Betende des 18.Psalms (V.30)! Darauf können wir uns verlassen. Daran können wir unser Leben fest machen. Unter diese Verheißung können wir alle unsere Wege stellen. Aus dieser Verheißung heraus alle 365 Tage des neuen Jahrs zu leben, bedeutet immer wieder in den offenen Himmel zu sehen.
Was bei den Menschen unmöglich ist, das ist bei Gott möglich – das ist das Evangelium für das Jahr 2009. Wenn wir uns zu Beginn des Jahres gute Wünsche zusprechen, so wünschen wir Möglichkeiten gelingenden Lebens. Viele solche Möglichkeiten möge das neue Jahr eröffnen. Wenn wir uns ein gesegnetes neues Jahr zusprechen, dann wünschen wir auch, dass Gott da, wo es nötig ist, das uns Unmögliche möglich macht.
Amen.