Stern, auf den ich schaue
Wir brauchen Zeichen auf den Wegen des Lebens
Predigttext: Matthäus 2,1-12 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)
1 Als Jesus geboren war in Bethlehem in Judäa zur Zeit des Königs Herodes, siehe, da kamen Weise aus dem Morgenland nach Jerusalem und sprachen: 2 Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern gesehen im Morgenland und sind gekommen, ihn anzubeten. 3 Als das der König Herodes hörte, erschrak er und mit ihm ganz Jerusalem, 4 und er ließ zusammenkommen alle Hohenpriester und Schriftgelehrten des Volkes und erforschte von ihnen, wo der Christus geboren werden sollte. 5 Und sie sagten ihm: In Bethlehem in Judäa; denn so steht geschrieben durch den Propheten : 6 »Und du, Bethlehem im jüdischen Lande, bist keineswegs die kleinste unter den Städten in Juda; denn aus dir wird kommen der Fürst, der mein Volk Israel weiden soll.« 7 Da rief Herodes die Weisen heimlich zu sich und erkundete genau von ihnen, wann der Stern erschienen wäre, 8 und schickte sie nach Bethlehem und sprach: Zieht hin und forscht fleißig nach dem Kindlein; und wenn ihr's findet, so sagt mir's wieder, daß auch ich komme und es anbete. 9 Als sie nun den König gehört hatten, zogen sie hin. Und siehe, der Stern, den sie im Morgenland gesehen hatten, ging vor ihnen her, bis er über dem Ort stand, wo das Kindlein war. 10 Als sie den Stern sahen, wurden sie hoch erfreut 11 und gingen in das Haus und fanden das Kindlein mit Maria, seiner Mutter, und fielen nieder und beteten es an und taten ihre Schätze auf und schenkten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe. 12 Und Gott befahl ihnen im Traum, nicht wieder zu Herodes zurückzukehren; und sie zogen auf einem andern Weg wieder in ihr Land.Zum Predigttext
Die Hauptaussage des Matthäus-Evangeliums ist: Jesus erfüllt die alttestamentliche Verheißungen. Für die frühe Christenheit ist der at. Schriftenkanon die Bibel. Die Auslegung ist besonders auf diesem Hintergrund bedeutsam. Vers 1: „Beth-Laechaem“ = Brothaus vgl. Rut 1,1; Sitz der Familie Davids „Herodes“ =der heldenhafte, durch die Gunst des Antonius 40 v.u.Z. zum jüdischen König ernannt, eroberte 37 Jerusalem, 4 v.u.Z. gestorben – Herodes steht für das Ego, das die Macht behalten und alles kontrollieren will. „Siehe“: Zeichen der Überraschung „Magier“: urspr. persische Priesterkaste, später Wahrsager, Astrologen „Morgenland“: von Osten, Land der aufgehenden Sonne „Jerusalem“: Hauptstadt, wo die Magier nähere Auskunft erwarten. Das Zeichen, der Stern, ist deutungsbedürftig Vers 2: „der neugeborene König der Juden“ = der Messias, Erlöser der Welt (Jes 32,1; Jer 23,5), „sein Stern“, Stern aus Jakob im Bileamspruch Num 24,17 bezog sich ursprünglich auf David – Herrscher aus Jakob, wurde aber bald messianisch gedeutet (LXX, Targume). Die Huldigung dieses Königs durch die Heiden und ihre Repräsentanten ist wichtiges Zeichen der Endzeit (Gen 49,10;Jer 3,17) Vers 3: Das „Erschrecken“ des Herodes ist begreiflich. Aber warum erschrickt mit ihm das ganze Jerusalem? Mt stellt hier schon die Verstockung des damaligen Jerusalem in Gegensatz zu der Offenheit der Heiden. Vers 4: Herodes kennt das Gesetz, die Schrift, nicht und muß Gutachten der Sachkundigen einholen Vers 6: Mi 5,1.3 nicht genau zitiert, Mi: „Das Haus Ephrata, das kleinste unter den tausenden, der zum Herrscher wird“, Mt: „das Land Juda, keineswegs das kleinste unter den Herrschern, der Herzog“, Mt will wohl die Bezüge deutlicher machen. Bethlehem ist wohl äußerlich das kleinste, aber doch ist es der Geburtsort des Messias und daher nicht an Bedeutung klein. Vers 7: „heimlich“ – wie Saul, als er David nach dem Leben trachtete (1Sam 23,9 oder wie Pharaos Handeln an Israel Ex 1,10-16;oder wie Mose Ex 2) Vers 8: Herodes wird als Lügner vorgestellt, er will das Kind nicht anbeten, sondern umbringen Vers 9: „Siehe“ wie V.1, Überraschung, der Stern taucht wieder auf und zieht vor ihnen her, über dem gesuchten Ort bleibt er stehen, seine Dienstaufgabe als Führer hat er erfüllt Vers 10: „hocherfreut“ – große Freude ist Zeichen des neuen Zeitalters Vers 11: sie gingen in das „Haus“, anders Lk 2,7: Stall, und fanden das Kindlein mit Maria, seiner Mutter, Josef wird nicht erwähnt, fielen nieder und beteten es an: für einen orthodoxen Juden undenkbar, einen Menschen, geschweige denn ein Kind, anzubeten. Aber hier ist die altt. Verheißung erfüllt, wonach IHN die Völker anbeten werden: Ps 2,12;67,4f., „...schenkten ihm...“, wörtlich: „opferten ihm die Gaben..“ nach Ps 72,10ff. Aus den „Königen“ in Ps 72,11 entstand die Legende, daß es sich um Könige handelte und aufgrund der drei Gaben, Gold, Weihrauch und Myrrhe, daß es sich um drei Könige handeln müßte. Auch Gold, Weihrauch und Myrrhe wird schon im AT erwähnt: Gold und Weihrauch in Jes 60,6, alle drei Begriffe in Ex 30,23;33,22.28 als Gaben beim Bau der Stiftshütte. Diese Opfergaben bringen aber in der Weihnachtsgeschichte bei Mt die Heiden und nicht das untreu und blind gewordene Volk Gottes. Vers 12: „...im Traum“ – der Traum als Ort der göttlichen Weisung s. Mt 1,20;2,13; 27,19; Hiob 33,14-18....Die Magier gehorchen Gott mehr als Herodes und wagen die Gefahren eines anderen Rückweges. „..in ihr Land...“ um dort die großen Taten Gottes zu bezeugen, wie einst Naaman 2Kön 5,17. Gerade in die Weihnachtsgeschichten kann der/die Ausleger/in gut die Hörer/innen mit einbeziehen. Es geht ja nicht darum, das Einst als Mär nachzuerzählen, sondern die uralte Geschichte für heutiges Erleben transparent zu machen. Durch die ganze Perikope verläuft der Gegensatz zwischen dem gottlosen Lügner Herodes, der dem Kind nach dem Leben trachtet, aus Angst, seine Macht zu verlieren und andererseits den suchenden Weisen, die in der Anbetung zum Ziel ihres Weges kommen, geführt von dem Stern. Der Stern wird Menschen zum Licht auf ihrem Lebensweg. Sie werden fortan die Größe nicht mehr an Königshöfen suchen, sondern sie können auch im Stall ihren Gott finden. Die Magier kommen als Fremde an, aus einem anderen Kulturkreis, die religiöse Elite des Ostens.Aber ihre Sehnsucht führt sie zum Heiland, der freilich ganz anders ist, als man gemeinhin einen königlichen Erlöser, einen Messias, erwarten würde. Das Ziel ihres Weges ist die Begegnung mit dem Gottessohn. An der Krippe verwandelt sich die Suche in Anbetung und dankbare Freude. Die Hingabe ist durch die drei Gaben versinnbildlicht. Gold, Weihrauch und Myrrhe sind Sinnbilder für das Ewige (Gold), für die Anbetung (Weihrauch) und Myrrhe ist Hauptbestandteil des für die Salbung der Hohenpriester und Könige bestimmten Salböls. Die Magier übergeben also alles, was ihnen heilig und kostbar und auserlesen ist. Der ganze Reichtum des Orients wird dem neugeborenen zu Füßen gelegt. Und doch sind die Anbetenden die in Wahrheit Beschenkten. Sie sind angekommen am Ziel ihrer Sehnsuchtsreise und Jesus verwandelt alles, was es an Not und Qual auch in einem königlichen Leben gibt, indem alles Sinn bekommt. Die Weisen haben das Licht in der Finsternis gefunden, und von nun an werden sie nicht mehr mit solchen Leuten wie Herodes gemeinsame Sache machen können. Sie gehen auf einem anderen Weg zurück. So werden auch wir nach der Begegnung mit dem göttlichen Kind die Wege des Lichtes gehen. Unser Herz ist zum Ort der Epiphanie Gottes geworden, allerdings verletzlich und verdunkelbar, wie ja der weitere Weg des Kindes von Bethlehem zeigt.Predigt
Liebe Gemeinde!
„Stern, auf den ich schaue…“ dieses Lied wurde gern in den Seniorenkreisen der Gemeinden gesungen. In der Gesangbuchausgabe von 1994 ist es wieder mit drin. Stern, auf den ich schaue, der mir hilft, den richtigen Weg zu finden. Es scheint so zu sein, daß Menschen solche Zeichen brauchen auf den Wegen des Lebens. Das Leben geht offensichtlich nicht von allein. In der alten Weihnachtsgeschichte ist das halbe Volk Israel unterwegs, wegen der Volkszählung, wie Lukas schreibt. Dann sind in Bethlehem alle die unterwegs, die das Kind in der Krippe sehen wollen, und ehe sich Maria, Josef und das Kind wieder auf den Weg machen, kommen beim Evangelisten Matthäus noch die Weisen aus dem Morgenland, geführt von einem Stern, um den neugeborenen König zu sehen, ihm zu huldigen, ihm ihre Gaben zu bringen.
Es ist bis heute so geblieben: Die Advents- und Weihnachtszeit bringt Menschen auf die Beine. Und wir wünschen allerseits „Ruhige und besinnliche Feiertage“! Aber gerade in dieser Zeit sind Menschen unruhig, umgetrieben auf der Suche nach dem Sinn des Ganzen. Und mancher hofft, durch das richtige Geschenk hinter den Sinn zu kommen. Daß Weihnachten ein Geschenk Gottes an die Menschen ist, und daß wir versuchen, untereinander Geschenke zu machen, ist schon die richtige Erkenntnis und Umsetzung der Weihnachtsbotschaft gewesen. Aber die Gottesgeburt auf diese Seite zu beschränken, verkürzt die Botschaft und läßt uns leer zurück. Am Epiphaniasfest – Erscheinung Gottes bei den Menschen – erfahren die Weisen, wie und wo ihre Sehnsucht erfüllt wird, nämlich in der Anbetung des Kindes. Nach einem langen Weg, geleitet von ihrem guten Stern, über den Umweg Hauptstadt, kommen sie in einem Stall an und beugen ihre Knie vor einem Kind armer Leute!
Das Wunder der Menschwerdung Gottes erfaßt auch Menschen, die von ihrer Lebenssituation, von ihrem Herkommen her eigentlich für solche Erkenntnis nicht prädestiniert sind. Das entgrenzende Wirken Jesu wird uns mit diesen Weisen aus dem Morgenland farbig vor Augen gemalt. Vieles, was diese Weisen ausmacht, können wir bei uns wiederentdecken: Der Weg, der nicht so ohne weiteres klar ist, mit seinen Um- und Abwegen, das Zeichen, der Stern, das gedeutet werden muß, die guten Mächte, die Engel, unter deren Führung wir geborgen sein können, und das Erreichen des Zieles, das so noch gar nicht vorausgedacht werden konnte.
Der Glaube an dieses Kindlein gefährdete die Macht des Königs Herodes und gefährdet bis heute die Macht der Herrschenden. Darum haben immer wieder durch die Jahrhunderte Menschen dem Kindlein nach dem Leben getrachtet, deswegen wurde es ja auch 30 Jahre später hingerichtet. Das alles geht den Anbetenden durchs Herz. Deshalb auch ist Anbetung Jesu eine Absage des Anbetens aller anderen Herrscher. „Mystik und Widerstand“ (Titel eines Buches von D.Sölle) gehören zusammen, und auch deshalb waren Mystiker den Herrschenden nie ganz geheuer. Die Weisen, von denen wir nicht wissen, ob es drei waren, nur weil sie drei Gaben hatten, ziehen auf einem anderen Weg wieder in ihr Land. Nicht nur ihr Weg ist jetzt ein anderer, sie selbst sind auch andere geworden. Sie können nun nicht mehr mit den Herrschenden paktieren. Sie werden wohl nun nicht mehr am Königshof nachfragen, wenn sie einen Großen suchen. Sie wissen jetzt, Gott kann überall sein, und Anbetung und Hingabe kann auch im Stall erfolgen.
Wir sind wieder unterwegs, weg vom Stall in unsere Welt. Aber das Leuchten und die Erfahrung des Weihnachten 2008 begleiten uns auf den Wegen des Jahres 2009.
Amen.