Taufe – Unter geöffnetem Himmel

Auch die Praxis der Kindertaufe hat guten Sinn - Nur ganz selten findet ein Mensch seinen Durchbruch zum Glauben allein

Predigttext: Matthäus 3,13-17
Kirche / Ort: Hartum bei Minden
Datum: 11.01.2009
Kirchenjahr: 1. Sonntag nach Epiphanias
Autor/in: Pfarrer i.R. Hartmut Frische

Zum Autor der Predigt und zu seinem neuen Buch - Hinweis der Redaktion des Heidelberger Predigt-Forums

Das Heidelberger Predigt-Forum freut sich über die weitere Mitarbeit von Hartmut Frische auch in der Zeit seines inzwischen begonnenen "Ruhestandes". Aber das "i.R." bedeutet für den leidenschaftlichen Theologen nicht ein Sich-zur-Ruhe-setzen. Hartmut Frische, 1946 in Berlin geboren, in Hagen/Westfalen aufgewachsen und zuletzt als Gemeindepfarrer in Hartum bei Minden tätig, will sich weiterhin der theologischen Arbeit widmen, wobei ihm besonders die Auslegung der Bibel am Herzen liegt. Eine neue Frucht seines Bibelstudiums liegt seit dem vorigen Jahr der Öffentlichkeit vor, ein Buch mit dem Titel: Visionen, die aufblicken lassen – Eröffnet aus der Offenbarung des Johannes (Freimund Verlag, Neuendettelsau 2008). Hartmut Frische befasst sich in seinem der Evangelischen Kirchengemeinde Hartum gewidmeten Buch (333 Seiten, mit 14 Farbabbildungen) mit den Visionen/Bildern jenes biblischen Buches, das oft - wegen der besonderen Auslegungsschwierigkeiten - als "Buch mit sieben Siegeln" bezeichnet wird, der Offenbarung/Apokalypse des Johannes. Dieser neuen Veröffentlichung des Autors gingen bereits andere Veröffentlichungen voraus (z.B. "Die Botschaft von Patmos. Prophetische Bilder der Offenbarung", 2002), die ebenfalls der Offenbarung des Johannes nach-denken.

Zum Aufbau des Buches

Nach einem Vorwort von Bischof Dr. Hans Christian Knuth (S.9f.) und einer Einführung des Autors über die Eigenart biblischer Prophetie und prophetischer Bilder bzw. Visionen (Kap. 1, S.13-30) werden in dreizehn Kapiteln (S.31-311) ausgewählte Bilder der Offenbarung vorgestellt (u.a. Die sieben goldenen Leuchter, Das Lamm, Die hundertvierundvierzigtausend Versiegelten, Das Wasser des Lebens, Der Taumelbecher der Völker, Der himmlische Thron), wobei im zweiten Kapitel („Die Trompete“) ein Text aus dem Ersten Korintherbrief (1.Kor 14,8) und im achten Kapitel („Der Ton in des Töpfers Hand“) ein Text aus dem Römerbrief (Röm 9,19-24) aus konzeptionellen Überlegungen (S.29) zu Grunde gelegt werden. Allen Kapiteln ist je ein Bild aus der „Bamberger Apokalypse“ vorangestellt (die kunstvollen, wunderbaren und inspirierenden Bilder, als Illustration für eine Ausgabe der Offenbarung des Johannes gemalt, sind das Opus von Mönchen auf der Insel Reichenau/ Bodensee, Anfang 11.Jh.). Ein Bibelstellenregister (S.312-320), ein Personen- und Sachregister (S.321-325), ein Verzeichnis von Literatur in Auswahl (S.326-330, allerdings wäre es angebracht gewesen, das Buch von Heinrich Langenberg zu erwähnen, in dem sämtliche Bilder der Offenbarung erklärt werden: Die Bildsprache der Apokalypse, 1951, in 3.Auf. 1999 erschienen; außerdem hätte bei dem Hinweis auf den wichtigen Kommentar von Eduard Lohse Erwähnung verdient, dass dieser Kommentar bereits in 15.Aufl. (!), 1993, erschienen ist) und ein Dank (S.332-333) beschließen das Buch.

Zur Fragestellung und Intention des Autors

Wie der Autor selbst hervorhebt, „sind die einzelnen Kapitel weithin in sich abgeschlossene Einheiten“, wodurch inhaltliche Überschneidungen nicht ganz zu vermeiden seien (S.28). Die Texte lassen z.T. erkennen, dass sie über einen längeren Zeitraum hinweg - wohl auch für Predigtvorbereitungen - entstanden und mehrfach überarbeitet wurden (s. z.B. die seit der Drucklegung des Buches, 2008, mindestens acht Jahre zurückweisende Formulierung S.39 "Auch im gerade zu Ende gegangenen Jahrhundert..."). Es geht dem Autor u.a. darum zu „zeigen, wie biblische Bilder zu Visionen werden, an denen wir uns heute orientieren können“ (S.29), und er betont: „Seelsorgerliche Zuspitzungen und Verkündigungselemente sind bewusst gewollt“ (S.28). Die Bedeutung der Visionen des Sehers Johannes fasst Hartmut Frische so zusammen: „Das Nachdenken über die Visionen des Buches der Offenbarung…eröffnet uns heute wesentliche Perspektiven für unser Leben und für unseren Glauben. Es sind Visionen, die aufblicken lassen“ (S.28f.).

Impulse

Hartmut Frische bleibt auch in seinem neuen Buch nicht bei dem von ihm ermittelten Befund stehen, was die biblischen Texte damals aussagen wollten, sondern fragt danach, welche Orientierung und Impulse die für unser Empfinden meist fremdartigen Visionen des Sehers von Patmos unserer Kirche heute in ihren Herausforderungen geben können. Hartmut Frische zeigt in seiner meditativ geprägten Auslegung der Visionen des Johannes (vgl. S.28) ein intensives Gespür für die Bildersprache der Bibel. Er zeigt Verbindungslinien zur Verkündigung der alttestamentlichen Propheten auf, deren Botschaft durch aussagekräftige Bilder gekennzeichnet ist, und leitet an, dem Fremdartigen in der biblischen Tradition neue Aufmerksamkeit zu schenken. Dabei fragt der Autor, wie die prophetische Dimension der Visionen des Johannes von Patmos die Verkündigung/Predigt unserer Kirche heute so bestimmen kann, dass dadurch Kraft und Wegweisung für die Zukunft der Gemeinde Jesu Christi, für ihren Aufbau und ihre Stärkung, geschöpft werden können. Was der Seher Johannes geschaut hatte, sind keineswegs nur "schöne" Bilder, in ihnen spiegeln sich z.T. die Bedrängnisse der christlichen Gemeinden gegen Ende des 1.Jh.n.Chr., aber bei der von Hartmut Frische empfohlenen Beachtung ihres Eingebundenseins in den gesamtbliblischen Zusammenhang, besonders in die prophetische Tradition, werden sie zu "Visionen, die aufblicken lassen", auch und gerade in schwierigen Zeiten. Der Autor gefällt sich gerade nicht in der Beschreibung von Krisenszenarien, zu der die Schreckensbilder besonders in dem letzten Buch der Bibel verleiten könnten (und schon oft dazu verleitet haben), sondern ermutigt, in Krisen die Hoffnung nicht aufzugeben, war doch für den Seher Johannes bereits "eine Tür aufgetan im Himmel", die ihn tiefer sehen (Offenbarung 4,1) und "im Horizont des machtvollen Heilshandelns Gottes" (U. Schnelle, Einl. NT, 2.Aufl., S.608) die Stimme des auferstandenen Christus vernehmen ließ "Fürchte dich nicht..." (Offenbarung 1,17f.). In diesem Sinn ist Hartmut Frisches Buch ein einladendes Buch, einladend, mit dem Autor den Dialog zu suchen und eine eigene Position zu finden, und einladend, sich dem Buch der Offenbarung des Johannes (neu) zuzuwenden.

Zielgruppen

Zu empfehlen sind Hartmut Frisches allgemeinverständliche Auslegungen u.a. allen, die sich um das Verständnis der Bibel bemühen, in ihr lebenspraktische Hilfe suchen und ihre Zusammenhänge tiefer erfassen möchten. Z.B. für Bibelgesprächskreise in unseren Gemeinden eignen sie sich als Begleitbuch bei der Lektüre der Johannesoffenbarung, aber die vierzehn jeweils weithin in sich geschlossenen Kapitel können auch als persönliche Meditationshilfen etwa in vierzehnphasigen Zeitrhytmen gelesen werden. Nicht zuletzt bieten sie Hilfen für Kirchenälteste bei der Entwicklung von (an biblischen Bildern orientierten) Leitbildern für den Weg der Gemeinde Jesu Christi in die Zukunft. Heinz Janssen Herausgeber und Schriftleiter des Heidelberger Predigt-Forums

Predigttext: Matthäus 3,13-17 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)

(V.13) Zu der Zeit kam Jesus aus Galiläa an den Jordan zu Johannes, dass er sich von ihm taufen ließe. (V.14) Aber Johannes wehrte ihm und sprach: ich bedarf dessen, dass ich von dir getauft werde, und du kommst zu mir? (V.15) Jesus aber antwortete und sprach zu ihm: Lass es jetzt geschehen! Denn so gebührt es uns, alle Gerechtigkeit zu erfüllen. Da ließ er’s geschehen. (V.16) Und als Jesus getauft war, stieg er alsbald herauf aus dem Wasser. Und siehe, da tat sich ihm der Himmel auf, und er sah den Geist Gottes wie eine Taube herab fahren und über sich kommen. (V.179 Und siehe, eine Stimme vom Himmel herab sprach: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe. Erklärungen zum Predigttext Die Wichtigkeit dieser Geschichte von der Taufe Jesu zeigt sich schon darin, dass die ersten drei Evangelien sie gleich an den Anfang des öffentlichen Auftretens und der Wirksamkeit Jesu stellen, direkt vor die Erzählung von der Versuchung Jesu. Das Johannesevangelium überliefert die Szene, wie sich der Geist Gottes, einer Taube gleich, auf Jesus herab senkt und wie Johannes der Täufer den Unterschied zwischen seiner Taufe mit Wasser und der Taufe mit dem Heiligen Geist durch Jesus beschreibt. Julius Schniewind bemerkt zu diesem Ereignis: „Die Tatsache war der Christenheit schwierig: wie kommt Jesus der Sündlose, zur ‚Bußtaufe der Sündenvergebung’ … Jesus, der Sohn Gottes, stellt sich zu den Sündern, die der Umkehr bedürfen“ (Das Evangelium nach Markus, NTD 1, Göttingen 1963, 10. Auflage, S. 46f.). Schniewind fügt dann hinzu: „Indem Jesus hier ‚die Himmel zerrissen’ sieht, öffnet sich ihm der Blick in die ‚neue Welt Gottes’, dem kommenden Äon, aus deren zukünftiger Wirklichkeit heraus alle seine Worte und Wunder geschehen“ (S.47). Joachim Jeremias fasst den Sinn der Taufe Jesu in dem Satz zusammen: „Als Jesus sich der Johannestaufe unterzog, um sich dem eschatologischen Gottesvolk einzugliedern, das der Täufer sammelte, erlebte er seine Berufung“ (Neutestamentliche Theologie, 1.Teil: Die Verkündigung Jesu, Göttingen 1973, 2. Auflage, S. 56). Was Karl Barth im letzten Teil seiner Kirchlichen Dogmatik zur Taufe geschrieben hat, sollte nicht vergessen werden! Unter vielem anderen stellt Karl Barth den Zusammenhang zwischen dieser Geschichte und Luk 12,50 heraus. „Wie das Geschehen am Jordan und das auf Golgatha als Anfang und Ziel zusammenhängen, zeigt das Logion Luk 12,50, in welchem das Ziel des Amtes Jesu in seinem Sterben seinerseits als eine Taufe bezeichnet wird“ (Kirchliche Dogmatik, IV,4, Das christliche Leben (Fragment), Die Taufe als Begründung des christlichen Lebens, Zürich 1967, S.17). Lukas 12,50 steht: Aber ich muß mich zuvor taufen lassen mit einer Taufe, und wie ist mir so bange, bis sie vollbracht ist!

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Predigt

Liebe Gemeinde!

Kindertaufe

Ein junges Ehepaar bat mich um ein Gespräch. Es sollte um die Taufe ihres ersten Kindes gehen. Der Vater arbeitete als Ingenieur und war als Kind zusammen mit seinem Vater aus der Kirche ausgetreten. Seine Familie hatte sich einer engeren christlichen Gemeinschaft angeschlossen. Die Säuglingstaufe war ihm suspekt. Die Mutter selbst arbeitete als Hebamme, Kinder lagen ihr besonders am Herzen, und sie wollte sehr gerne, dass auch ihr eigenes Kind getauft würde. Wir haben uns lange miteinander über das Für und Wider der Kindertaufe unterhalten. Der Vater legte ausführlich seine Bedenken dar und lenkte erst ein, als ich ihm erklärte: Nur ganz selten findet ein Mensch seinen Durchbruch zum Glauben allein. Ich habe von solchen Menschen gelesen, aber es gibt sie selten. In den allermeisten Fällen hat ein Mensch es nötig, dass jemand anderes vor ihm und für ihn glaubt: Auch Du bist von Gott berufen, nicht nur als Geschöpf, sondern auch als Kind Gottes zu leben. Gott ist für Dich da. Sei auch Du für Ihn da. Wenn das so ist, dann ist es angemessen, dass die Eltern selbst die ersten sind, die vor ihrem Kind und für ihr Kind glauben: Gott wird ihren Sohn und ihre Tochter zu seinem Kind und Erben machen. Wir haben dann im Gottesdienst unserer Gemeinde das Kind dieser Eltern getauft.

Die frühe Christenheit hat die Kindertaufe in ihren Gemeinden eingeführt, weil Eltern ihre Kinder von vorne herein in der christlichen Gemeinde mit dabei haben wollten. Eltern nahmen ihre Kinder von klein an in ihren Glauben, in ihr Beten und auf ihren Gehorsamsweg mit Gott hinein. Viele Eltern tun dies auch heute noch. Und jeder Konfirmand, jede Konfirmandin, jeder Erwachsene darf sich klar machen, inwieweit die Eltern ihren Glauben vorgelebt haben, sodass die Kinder eine lebendige Anschauung vom Christsein hatten.

Den eigenen Weg finden

Dennoch darf nicht übersehen werden, dass es für unsere Sicht bei keinem Kind von vorne herein klar ist, ob es zu Gott gehört oder nicht. Eltern sollen von Herzen glauben, dass ihr Kind berufen ist, als Kind Gottes zu leben, aber sie müssen aushalten, dass jedes Kind seinen Weg zu Gott erst finden muss. Dazu hat Gott die ganze Freiheit, seinen Weg mit jedem von uns zu gehen, wie und wann Gott will. Wegstrecken weg von Gott gehören bei jedem Menschen mit dazu. Es wird heute sehr viele Eltern geben, die zu schnell bei ihren Kindern alles klar haben wollten und die dann erleben mussten, dass ihre Kinder Wege in die Gottesferne oder auch Wege in die Verlorenheit gingen. Und es gibt viele Söhne und Töchter, die, obwohl sie getauft und konfirmiert sind, rein gar nichts vom Christsein ihrer Eltern mitbekommen haben. Einmal fragte ich einen Vater im Taufgespräch: „Wissen Sie, ob Ihre Eltern Christen sind?“ Und er antwortete: „Da müssen Sie sie schon selbst fragen“.

Ursprung der Taufe

Liebe Gemeinde, es tut immer wieder gut, wegzuschauen von unseren Erfahrungen mit der Taufe, weg von der kirchlichen Praxis und weg von den leidvollen Diskussionen um die Kindertaufe hin zu dem Ort, an dem Gott selbst die Taufe eingesetzt hat. Der Ursprung der Taufe liegt nicht bei den Aussagen der Katechismen, nicht bei der Theologie der Reformatoren, ja, nicht einmal beim Taufbefehl Jesu am Ende des Matthäusevangeliums. Der Ursprung der Taufe liegt in der Taufe Jesu. Hier möchte ich Sie mitnehmen zu jenem Johannes dem Täufer, der als Einsiedler am Jordan lebte. Als Johannes der Täufer damals unten im Tal des Jordans predigte, brach dort eine Volksbewegung aus. Hunderte liefen von Jerusalem den zwei Tage langen Fußmarsch durch die brennende Sonne der Wüste Juda an Jericho vorbei zum Jordan. Die Lauen und Lässigen, die Bequemen und Unentschiedenen blieben zurück. Aber viele wollten wissen, wie es um sie stand und suchten echtes Leben mit Gott.

Zweierlei hielt Johannes den Menschen im jüdischen Volk damals vor: Einmal: Die Gebote Gottes gelten. Gott hat sie euch gegeben, damit ihr sie haltet. Er wird euch darüber zur Rechenschaft ziehen, ob ihr euer Leben in eingefahrenen Gleisen lebt und darüber träge und stumpf werdet oder ob ihr euer kostbares, einmaliges Leben im Vertrauen auf Gott und im Gehorsam zu ihm Gestalt werden lasst. Gott ist der Richter, dem ihr nichts vormachen könnt. Und zum anderen: Das Reich Gottes ist nahe herbei gekommen. Mit Worten und Werten von heute ausgedrückt: Der Horizont eures Lebens ist, dass Gott seine allumfassende Herrschaft durchsetzt, sein Reich baut. Die Menschen damals hörten zu, ließen es sich zu Herzen gehen, was sie hörten, und spürten, wie weit weg von Gott sie lebten. Ihnen bot Johannes der Täufer an, in den Jordan zu steigen, ganz unterzutauchen und von ganzem Herzen zu glauben, dass Gott barmherzig ist. Gott tut nichts lieber, als mit einem Menschen neu anzufangen. Hunderte, tausende kamen zu Johannes. Sie hörten ihm zu und ließen sich taufen. So wird in den Evangelien die Wassertaufe des Johannes, das Zeichen der Bußbewegung des Vorläufers Jesu, beschrieben.

Freude über Neuanfang

Dann erzählen unsere Evangelien von dem Größeren, von der Taufe mit dem Heiligen Geist und mit Feuer. Unter dem Volk, das von Jerusalem zum Jordan pilgert, ist eines Tages Jesus von Nazareth. Er will nicht besser sein als die anderen Menschen. Wo es um Buße und Erneuerung geht, da gehört er hin. Ganz demütig geht er zu Johannes, hört ihm zu und spürt den glühenden, göttlichen Atem in der Rede des Täufers. Er freut sich über die vielen Menschen, die umkehren, neu anfangen wollen und auf den Beginn des Gottesreiches warten. Jesus stellt sich mit unter die Sünden seines Volkes. Demütig lässt er sich untertauchen. Jetzt geschieht etwas Besonderes. Die Menschen rechts und links bekommen es wohl gar nicht mit. Nur Johannes, der sich zunächst gegen diese Taufe wehrte, erlebt es mit. Jesus hat eine Vision, und er hört eine Stimme. Als er aus dem Jordan steigt, sieht er, dass sich der Himmel auftut. Der Geist Gottes kommt wie eine Taube auf ihn herab, und eine Stimme ist zu hören: „Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe“. Was Jesus bisher nur vor seinen Eltern im Tempel mit kindlicher Naivität ausgesagt hat – „Wißt ihr nicht, daß ich sein muß in dem, was meines Vaters ist?“ (Lukas 2,49) –,, das wird ihm jetzt vom Himmel her zugesagt. Gottes Geist kommt auf ihn, nicht mit der Gewalt eines Adlers, er setzt sich nicht mit Waffengewalt durch, sondern so sanft wie sich eine Taube niederlässt, ergreift Gottes Geist von ihm Besitz. Nicht umsonst sind die Friedfertigkeit und die Reinheit der Taube sprichwörtlich.

Vom Geist Gottes erfüllt leben – Verheißung der Taufe

Jesus von Nazareth wird mit dem Geist Gottes erfüllt, sodass er immer und überall Wahrheit beim Namen nennen und Gutes vom Bösen scheiden kann. Jesus hört, wie Gott selbst ihn seinen geliebten Sohn nennt. Gott beruft ihn zu seinem Stellvertreter auf Erden. Dies geschieht hier. Nun muss und kann er seinen Weg gehen mit seiner Botschaft, mit seinen Heilungszeichen und mit dem ihm auferlegten Leiden. Das Wasser des Jordans, Johannes der Täufer und die vielen Menschen rücken für ihn nun beiseite. Jetzt steht Jesus unter dem geöffneten Himmel. Gott hat ihn angerufen, an die Spitze seines Volkes, des Gottesvolkes, gestellt und von seinem Denken, Fühlen und Wollen Besitz ergriffen.

Liebe Gemeinde, die Taufe Jesu ist etwas Besonderes. Sie ist das Urbild jeder christlichen Taufe. Selbst Martin Luther sagt: „Wasser tut’s freilich nicht“ (EG 855.4). Der äußere Ablauf unserer Tauffeiern ist eine Sache. Was Gott an dem Menschen tut, wie er ihn verwandelt und beauftragt, jeden ganz persönlich, das ist genauso wichtig wie der äußerliche Verlauf und viel mehr. Lassen Sie uns bei jeder Taufe den Jesus vor Augen haben, der in das Jordanwasser hinein stieg, weil er nicht besser sein wollte als die Menschen neben ihm, und der aus dem Wasser heraus stieg als einer, der vom Geist Gottes berührt wurde und nun seinen ihm von Gott aufgetragenen Weg ging. Drei Dinge wollen wir festhalten: Taufe ist Geisttaufe; Leidenstaufe und Christustaufe.

Nicht nur auf Jesus kam der Geist Gottes wie eine Taube herab. Nicht nur er wurde von Gott beim Namen gerufen, geliebt und erfüllt. Auch uns ist verheißen, dass der Geist Gottes in seiner stillen, schönen Art kommen, unser Leben reinigen, unsre Gedanken klären, unsere Liebe unüberwindlich machen, unseren Mund öffnen und unser Handeln ausrichten wird.

Die Geschichte von der Taufe Jesu steht in einem inneren Zusammenhang mit dem Wort Jesu aus Lukas 12,49f: „Ich bin gekommen, ein Feuer anzuzünden auf Erden; was wollte ich lieber, als dass es schon brennte! Aber ich muss mich zuvor taufen lassen mit einer Taufe, und wie ist mir so bange, bis sie vollendet ist“. Oft habe ich bei der Taufe eines Kindes gesagt: „Ein Mensch wird geboren, um zu sterben, und ein Mensch wird getauft, um zu leben“. In der Nachfolge Jesu gerät ein Mensch auf Wege des Leidens wie Jesus selbst. Was werden wir erwachsenen Menschen und unsere Kinder noch zu leiden haben? Wenn wir Menschen bei den Leiden, die uns treffen, nicht auf den Kreuzesweg Jesu schauen können, wird alles noch viel schwerer. Genauso wie Eisen im Feuer geläutert wird, prüft Gott unseren Glauben.

Die Taufe ist ein äußerlicher Vorgang. Aber hinter diesem sichtbaren Zeichen steht, was Gott im Verborgenen an einem Menschen tut. Ich muss an dieser Stelle an den Fisch denken, der ein altkirchliches Christussymbol ist und zum Geheimzeichen der Christen wurde. Man hatte den Fisch als Zeichen genommen, weil im Griechischen die Anfangsbuchstaben der großen Titel Jesu: Jesus, Christus, Gottes Sohn, Heiland, das Wort Ichthys (= Fisch) ergeben. Wenn sich nun während der Verfolgungszeiten im römischen Reich zwei Menschen in einem trafen, miteinander ins Gespräch kamen und dann heraus bekommen wollten, ob der andere ein Christ / eine Christin sei, malte der eine Mensch die eine Hälfte des Fischleibes auf den Tisch. Wenn nun der andere die zweite Hälfte dazu malte, hatten die beiden sich gegenseitig als Christenmenschen zu erkennen gegeben.

Christliches Zeugnis geschieht auch heute oft im Stillen. Aber wir brauchen außerdem das öffentliche und wahrnehmbare christliche Bekenntnis, wobei dieses von lautstarkem und aufdringlichem Reden zu unterscheiden ist, welches fehl am Platz ist. Ich wünsche Ihnen, liebe Gemeinde, die Kunst, dass Sie in Ihrer Familie, unter Ihren Berufskollegen/ Berufskolleginnen oder Ihren Nachbarn das in der jeweiligen Situation nötige Zeugnis für Jesus geben können und so mitten in dieser Welt im Alltag leben, was Ihnen durch die Taufe geschenkt worden ist.

Amen.

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