Die Ostersonne geht langsam auf

Mitten in der Welt, in schweren Erfahrungen, beginnt etwas ganz Neues

Predigttext: Lukas 24,13-35
Kirche / Ort: Schlosskapelle / 32429 Minden-Haddenhausen
Datum: 13.04.2009
Kirchenjahr: Ostermontag
Autor/in: Pfarrer em Hartmut Frische
Predigtext: Lukas 24,13-35 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984) Und siehe, zwei von ihnen gingen an demselben Tage in ebnen Ort, der lag von Jerusalem bei zwei Stunden Wegs; des Name heißt Emmaus. Und sie redeten miteinander von allen diesen Geschichten. Und es geschah, da sie so redeten and besprachen sich miteinander, da nahte sich Jesus selbst und ging mit ihnen. Aber ihre Augen wurden gehalten, dass sie ihn nickt erkannten. Er sprach aber zu ihnen: Was sind das für Reden, die ihr zwischen euch handelt unterwegs? Da blieben sie traurig stehen. Und der eine, mit Namen Kleopas, antwortete und sprach zu ihm: Bist du allein unter den Fremdlingen zu Jerusalem, der nicht wisse, was in diesen Tagen darin geschehen ist? Und er sprach tu ihnen: Was denn? Sie aber sprachen zu ihm: Das von Jesus von Nazareth, welcher war ein Prophet, mächtig von Taten und Worten vor Gott und dem Volk; wie ihn unsre Hohenpriester und Obersten überantwortet haben zur Verdammnis des Todes und gekreuzigt. Wir aber hofften, er sei es, der Israel erlösen würde. Und über das alles ist heute der dritte Tag, dass solches geschehen ist. Auch haben uns erschreckt etliche Frauen aus unserer Mitte; die sind frühe bei dem Grabe gewesen, haben seinen Leib nicht gefunden, kommen und sagen, sie haben eine Erscheinung von Engeln gesehen, welche sagen, er lebe. Und etliche unter uns gingen hin zum Grabe und fandens so, wie die Frauen sagten; aber ihn sahen sie nicht. Und er sprach zu ihnen: O ihr Toren und trägen Herzens, zu glauben alle dem, was die Propheten geredet haben! Mußte nicht Christus solches leiden und zu seiner Herrlichkeit eingehen? Und fing an bei Mose und allen Propheten und legte ihnen in der ganzen Schrift aus, was darin von ihm gesagt war. Und sie kamen nahe zu dem Orte, da sie hingingen. Und er stellte sich, als wollte er weitergehen. Und sie. nötigten ihn und sprachen: Bleibe bei uns; denn es will Abend werden, und der Tag hat sich geneigt. Und er ging hinein, bei ihnen zu bleiben. Und es geschah, da er mit ihnen zu Tische saß, nahm er das Brot, dankte, brachs und gabs ihnen. Da wurden ihre Augen geöffnet, und sie erkannten ihn. Und er verschwand vor ihnen. Und sie sprachen untereinander: Brannte nicht unser Herz in uns, da er mit uns redete auf dem Wege, als er uns die Schrift öffnete? Und sie standen auf zu derselben Stunde, kehrten wieder nach Jerusalem und fanden die Elf versammelt und die bei ihnen waren, welche sprachen: Der Herr ist wahrhaftig auferstanden und Simon erschienen. Und sie erzählten ihnen, was auf dem Wege geschehen war und wie, er von ihnen erkannt wäre, als er das Brot brach.

Vorbemerkungen

„Die Geschichte könnte ihrem Stil nach in der Genesis stehen“, hat Hermann Gunkel zu Luk 24,13-35 gesagt (zitiert in H. Graß: Ostergeschehen und Osterberichte). So wunderschön ist sie erzählt. Viele von uns haben sie irgendwann am Osterfest zum ersten Mal erzählt bekommen. Tief in uns ist das Wundervolle dieser Geschichte von der Erscheinung des Auferstandenen auf dem Wege nach Emmaus gespeichert. Aber es ist nicht selbstverständlich, dass dieses Besondere heute vor den erwachsenen Teilnehmenden eines Ostergottesdienstes erneut zum Klingen kommt. Da ist es hilfreich, dass Bibelausleger herausarbeiten, wie in den Ostergeschichten das Licht mit dem Dunkel ringt. Joachim Jeremias schreibt: „Die älteste Überlieferungsschicht ist ...dadurch gekennzeichnet, dass sie noch die Erinnerung an das Überwältigende, Rätselhafte und Geheimnisvolle der Vorgänge bewahrt: geöffnete Augen beim Brotbrechen, das Aufstrahlen himmlischen Lichtglanzes, eine Gestalt im Morgengrauen, das unvermutete Erscheinen im geschlossenen Raum“. (Neutestamentliche Theologie. Erster Teil: Die Verkündigung Jesu, Gütersloh 1973, 2. Auflage, S. 288). Otto Michel stellt in einer seiner Osterpredigten heraus: „Die Nachricht vom leeren Grab hat sie zunächst nicht glücklich gemacht, sondern im Gegenteil stark belastet“. (Aufsehen auf Jesus, fünfzehn biblische Auslegungen für den Christen heute, Metzingen 1969, 2. Auflage, S. 74) Otto Weber betont in seiner Meditation zum Text: „Jesu Handeln trifft nicht auf einen dafür disponierten, ihm gleichsam auf halbem Wege entgegenkommenden Menschen, sondern auf den Hilflosen, Unwürdigen oder auch Widersprechenden“. Und dann noch pointierter: „Dabei ist es von besonderer Wichtigkeit, dass die beiden Anhänger Jesu im Grunde am Kreuz Anstoß nehmen (V.19-21)“. (Predigtmeditationen, Göttingen 1967, S. 221f) Helmut Gollwitzer unterstreicht: „Was der Auferstandene tut, ist von einer unfassbaren Schlichtheit und Alltäglichkeit. Als sei nichts wichtigeres denkbar, treibt er mit den Seinen Bibelauslegung“. Dies ist „offenbar seine vordringlichste Sorge..., dass das Alte Testament für seine Gemeinde ein geöffnetes Buch werde“. (Die Freude Gottes, Einführung in das Lukasevangelium, Berlin-Dahlem und Gelnhausen, 8. Auflage, S. 275) Der Gedanke, der mir selbst beim erneuten Lesen und Meditieren des Textes kam, war: Die beiden Jünger haben gerade das für sie schrecklichste Erlebnis hinter sich. Sie sind voller Trauer. Von diesem Erlebnis berichten sie dem fremden Wanderer ausführlich. Und zugleich wird erzählt, wie sie das Schönste und Wundervollste erleben, das Menschen erleben können. Von hier her möchte ich über Luk 24,13-35 predigen: Was sind die schrecklichsten Erlebnisse im eigenen Leben? Ostern bleiben sie nicht außen vor, weder bei uns, noch bei den Hörenden unserer Predigt. Und wo handelt der lebendige Gott wunderbar an uns? So werden die Ostereignisse neu für uns lebendig. Lieder: „Herr, bleibe bei uns“ (Kanon, EG 483), „Er ist erstanden, Halleluja“ (Osterlied aus Afrika, EG 116)

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Predigt

Liebe Gemeinde!

Mitgehen

„Herr, bleibe bei uns, denn es will Abend werden, und der Tag hat sich geneiget“, so haben wir gerade gesungen. Diese Bitte der Emmausjünger ist auch Grundlage des Abendliedes: „Bleib bei mir Herr! Der Abend bricht herein“, und sie steht hinter der Bitte um den Segen: „Bleibe bei uns, Herr,… Bleibe bei uns am Abend des Tages, bleibe bei uns am Abend des Lebens, bleibe bei uns am Abend der Welt“. Dreimal hallt die Bitte „Herr, bleibe bei uns!“ in unserem Gesangbuch wieder. In der Ostergeschichte von den Emmausjüngern bitten so zwei junge Männer, die das erstaunlichste Ereignis ihres Lebens unmittelbar vor sich haben, ja, die mitten drin stecken. Zugleich hatten sie die schrecklichste Erfahrung ihres Lebens hinter sich. Man muss es ihnen angesehen haben, wie sie von den Ereignissen der letzten Tage erschüttert waren. Am Nachmittag eines Frühlingstages gehen sie bedrückt von Jerusalem fort. Diese beiden jungen Männer waren miteinander auf dem Weg von Jerusalem nach Emmaus. Von dem einen wissen wir Genaueres: Er hieß Kleopas, und sein Sohn Simeon wurde wahrscheinlich der zweite Bischof der Urgemeinde in Jerusalem, später am Ende des ersten Jahrhunderts. Während sie so gehen, gesellt sich ein dritter Mann zu ihnen. Es ist Jesus, der sich aber noch nicht zu erkennen gibt. Ein katholischer Priester zeigte mir eine Ikone. Sie zeigt Menas, den Abt eines Klosters in Ägypten. Neben ihm ist Jesus, der dem Mönch seinen Arm um die Schulter legt. Überschrieben ist diese Ikone mit den Worten: „Der Mitgeher“. Mena geht nicht allein. Er hat einen, der neben ihm geht. Er hat einen Begleiter. Mitgehen ist nicht nur eine Sache der Beine, sondern auch eine Sache des Herzens. Für den Priester ist diese Ikone das Leitmotiv seines Lebens.

Auf einmal war alles anders

Es hat einmal jemand gesagt: Mütterlich ist es, ein Kind in die Arme zu nehmen und zu sagen „Komm zu mir!“ Väterlich ist es, das Kind an die Hand zu nehmen und zu sagen „Komm mit mir!“ So geht Jesus hier mit den beiden jungen Männern. Ganz einfühlsam fragt der fremde Wanderer „Worüber unterhaltet ihr euch auf eurem Weg?“ In kurzer Zeit hat er die beiden Männer so weit, dass sie reden und erzählen. Sie lenken nicht ab. Sie haben nicht verdrängt, was ihnen so auf der Seele lastet. Sie weisen den Fremden nicht ab. Sie schütten ihr Herz aus. Jesus ist der Zuhörende. Zwei Menschen öffnen sich. Was waren sie beeindruckt von den Predigten Jesu, des jungen Lehrers aus Galiläa! Wie haben sie über seine Taten gestaunt! Und dann hatte er sie persönlich in seinen Jüngerkreis berufen. Ganz intensiv haben sie die Gemeinschaft mit ihm wochen- und monatelang erlebt. Jeden Tag hatten sie mitbekommen, wie sich das Volk für Jesus begeisterte. Sie hofften, dieser von Gott gesandte Mann müsste das Volk Israel von der lästigen Römerherrschaft befreien. Bald würde dies so sein. Und sie mitten drin. Sie und viele, viele andere hatten Jesus vertraut und auf ihn mit allen Fasern ihres Lebens gehofft. Und dann war alles so schnell gegangen. Jesus wurde gefangen genommen und verurteilt, verspottet und ausgepeitscht, gekreuzigt und begraben. Wie furchtbar war das alles! Bis ins Mark hinein waren sie enttäuscht. Man spürte es ihnen ab, dass sie innerlich noch ganz zerrissen waren. Die beiden Jünger erzählen und erzählen. Bis hin zu den skurrilsten Nachrichten der letzten Stunden. Da kommen doch tatsächlich Frauen und erzählen, sie seien am Grab gewesen, es sei leer und Jesus lebe. Auch noch mit solchen Märchen muss man sich beschäftigen. Jedes Kind weiß doch, dass das nicht geschehen sein kann. Das ist doch unmöglich!

Vor Jahren besuchte mich eine junge Witwe. Vor anderthalb Jahren war ihr Mann wenige Monate nach ihrer Hochzeit an Krebs gestorben. Ganz lange hat sie erzählt. Zum Schluss sagte sie: „Normalerweise liegt dies alles wie ein fest verschnürtes Paket in mir! Was ich dir jetzt erzählt habe, verberge ich vor den meisten Menschen. Aber jetzt habe ich es aufgeschnürt und ausgepackt“. Wie viele Menschen mögen jetzt das Osterfest erleben oder sogar den Ostergottesdienst mit feiern, und tief in sich haben sie so ein fest verschnürtes Paket! Hätten sie nur jemanden, bei dem sie es auspacken können! Äußerlich Lammbraten und Schokoladeneier, Osterfeuer, Bratwurst und Flaschenbier und innerlich, tief drinnen, ist alles wund.

Die Ostersonnne geht langsam auf

Als die beiden Jünger auf dem Weg nach Emmaus sich ausgesprochen haben, da beginnt Jesus zu reden. Noch wissen die beiden nicht, dass es Jesus ist. Die Ostersonnne geht langsam auf. Der Auferstandene ist dir viel näher als du denkst. Nein, er redet nicht so lange wie die traurigen, verzweifelten Menschen. Aber energisch ergreift er das Wort. Er sagt, was er sagen möchte, nicht häppchenweise, mit Zucker bestreut. Er redet nicht in homöopathischen Dosen. Er greift in die Vollen. Er mutet diesen traurigen jungen Männern etwas zu. Angst, sie zu überfordern, hat er nicht. Überraschenderweise fängt er mit einem Tadel an: „O ihr törichten Menschen! Ihr seid auch wirklich schwer von Begriff! Warum rafft ihr euch nicht endlich auf und glaubt, was ihr schön längst hättet verstehen können! Wie tranig seid ihr!“ Und dann unterrichtet Jesus die beiden Jünger darin, was schon lange in der Heiligen Schrift angekündigt war. Ausdrücklich ist von allen Propheten und der ganzen Schrift die Rede. Hier überblickt einer die ganze Verheißungsgeschichte. Hier haben wir einen begnadeten Ausleger der Heiligen Schrift vor uns. Es war doch vorher bestimmt: Der Messias musste leiden, sterben und auferstehen. Wenn sie sich die Worte der Schrift zu Herzen genommen hätten, dann stünden sie jetzt nicht so traurig und verzweifelt da. Es ist doch sonnenklar, wie Christus auf seinem Weg zur Herrlichkeit gefangen genommen und gekreuzigt werden musste! Der Mitgeher öffnet seine Bibel und wird zum Offenbarer. Was gerade in Jerusalem geschehen ist, entspricht den Worten der Propheten und dem Willen Gottes.

Erkennen

Lange reden diese drei Männer miteinander. Inzwischen kommen sie in Emmaus an. Sollen sie sich nun verabschieden und trennen? Nein, diesen Menschen liegt die Gastfreundschaft im Blut. Die beiden Jünger können die Begegnung mit dem seltsam freimütigen Fremden nicht abbrechen. Manchmal muss man einfach weiter machen und das Eisen solange schmieden, wie es heiß ist. So bitten sie, nötigen sie ihn: „Bleibe bei uns, denn es will Abend werden und der Tag hat sich geneigt. Sei unser Gast!“ Gemeinsam gehen sie in das Haus. Das Abendessen wird hergerichtet. Drei Männer gehen miteinander in die Küche und holen, was sie brauchen. Sie setzen sich zu Tisch. Dann ergreift der Fremde das Brot, als sei er der Hausvater. Er nimmt es. Er betet das Dankgebet darüber. Es ist alles so schlicht und so selbstverständlich. Er bricht das Brot, und er verteilt es unter den Jüngern. Da erkennen die beiden Jünger, dass dieser Fremde Jesus ist, der als der Lebendige mit ihnen gegangen und bei ihnen eingekehrt ist. Jetzt werden ihnen die Augen geöffnet, und da ist die Erscheinung Jesu zu Ende. Er verschwindet. Nun sagen die beiden Jünger zueinander: „Hat es uns nicht ganz tief berührt, als er mit uns redete? Begann da nicht in uns ein Feuer zu lodern, als er uns umfassend und immer weiter die Schrift auslegte? Waren wir nicht Feuer und Flamme, als er uns die Ereignisse der letzten Tage deutete? Wurde nicht in uns ein Erstaunen erweckt, als er uns zeigte, wie das alles aus der Bibel zu verstehen ist? Das war doch immer so, wenn Jesus redete“. Noch waren sie verletzt von dem schrecklichsten Ereignis ihres Lebens. Aber jetzt war das schönste und großartigste Ereignis ihres Lebens angebrochen, und sie kamen aus dem Staunen nicht heraus.

Erinnern

Sicher, die Ostergeschichte von den Emmausjüngern kennen die meisten von Ihnen von Kindheit an, auch ich. Aber als ich vor einigen Tagen neu diese Geschichte las und darüber nachdachte, musste ich an meine Tante denken, die vor anderthalb Jahren mit 92 Jahren gestorben ist und deren Geburtstag heute am 13. April ist. Sie hat vier Kinder: Der Jüngste lebt in Südafrika, der zweitjüngste in der Schweiz, die eine Tochter arbeitet in Köln, und die älteste Tochter Johanna hat im Jahr 1974 einen Südafrikaner geheiratet und mit ihm in Durban gelebt. Ihr war es gegeben, dass sie als Weiße sehr liebevoll und unerschrocken mit den schwarzen Menschen dort umgehen konnte, schon vor der Wende dort. Sie wurde von diesen Menschen so geliebt, dass man sie „Mama!“ nannte. Ich habe zu Haus einen Stoß Briefe von ihr an diese schwarzen Menschen. Einmal hat sie ganz spontan auf einer Beerdigung eines jugendlichen Kämpfers des ANC, der Partei Nelson Mandelas, vor den vielen Kämpfern mit ihren Gewehren gepredigt.

Vor elf Jahren wurde Johanna in Durben ermordet. Es war in ihrer Wohngegend üblich, dass farbige Gelegenheitsarbeiter vorbei kamen und Arbeiten im Garten annahmen. Offensichtlich hatte meine Cousine einen solchen Gelegenheitsarbeiter zu sich ins Haus gebeten und ihn zum Essen eingeladen. Und dann war sie erdrosselt aufgefunden worden. Eins der schrecklichsten Erlebnisse in unserer größeren Familie. Meine Vettern aus Südafrika und der Schweiz mussten zu ihrer Mutter nach Bad Kissingen fahren und ihr mitteilen: „Johanna ist tot, Deine älteste Tochter ist heimgegangen, so und so ist es passiert“. Sie flogen nach Südafrika zur Beerdigung. Viele waren gekommen. Auch die Schwarzen, die zu dieser Frau „Mama!“ gesagt hatten. Alle waren erschüttert. Dann erlebten die Schwarzen meine Tante, die Mutter der „Mama“. Sie feierten einen Gottesdienst im Namen Jesu, des Gekreuzigten. Das Neue Testament weiß: Er trägt noch heute die Wundmale der Kreuzigung an seinem Leibe, aber er ist auferweckt, lebt und ist in den Himmel gefahren. Er hat dem Tode und dem Teufel die Macht genommen. Er wird einmal alle Tränen von unseren Augen abwischen, und alles Leid und alles Geschrei und aller Schmerz wird nicht mehr sein. Miteinander hat man dort in Durban das Evangelium gepredigt, auf das Evangelium gehört und die Lieder der Hoffnung gesungen. Sie hatten das Schrecklichste, was man sich vorstellen kann, erlebt, und sie waren zugleich mit wehem Herzen von dem Schönsten und Größten, was auf dieser Erde passiert ist, erfüllt. Das ist etwas Geheimnisvolles. Aber genau das wird an Ostern gefeiert. Paul Gerhard singt: „Ich hang und bleib auch hangen an Christus als ein Glied; wo mein Haupt durch ist gangen, da nimmt er mich auch mit. Er reißet durch den Tod, durch Welt, durch Sünd, durch Not, er reißet durch die Höll, ich bin stets sein Gesell“. (EG 112,6)

Neues beginnt

In einem Ostergottesdienst muss Raum sein, dass ganz still an die traurigsten Pakete in unserem Leben gerührt wird. Und in einer christlichen Gemeinde muss Platz sein dafür, dass Menschen zusammen sitzen oder zusammengehen und so von dem Schlimmsten in ihrem Leben erzählen. Aber dann dürfen und sollen wir Jesus den Auferstandenen zu uns reden lassen und zu uns herein bitten. „Bleibe bei uns, denn es will Abend werden und der Tag hat sich geneigt.“ Und dann will er sich uns neu zu erkennen geben und offenbaren. Als die beiden Jünger wieder alleine sind, spät am Abend, machen sie sich wieder auf, stolpern eilig durch die dunkle Nacht zurück nach Jerusalem, suchen die elf anderen Jünger, klopfen an, setzen sich mit zu ihnen. An Schlaf ist jetzt nicht zu denken. So aufregend ist das alles. Und dann erzählen sich diese jungen Männer in der ersten Nacht nach der Auferweckung Jesu vom leeren Grab, von den Berichten der Frauen und von den Begegnungen mit dem lebendigen Herrn. Petrus hatte ihn gesehen, und die Emmausjünger waren ihm begegnet. Und die Frauen mit ihren Geschichten haben recht gehabt. So lange und so viel hatte Jesus ihnen erzählt. Da war es ihnen wie Schuppen von den Augen gefallen. Jesus hatte sich ihnen geoffenbart. Die anderen Jünger würden ihn bald auch sehen. Jetzt hatte mitten in der Welt etwas ganz Neues begonnen. Alles war noch taufrisch. Sie waren die ersten, die gesehen und gehört haben, dass Jesus lebt. Dass Jesus, ihr Herr und Meister, gekreuzigt worden war und gestorben ist, hat einen ganz tiefen Sinn. Wo sollten wir sonst mit unserer Schuld hin? Wer würde uns sonst an den Abgründen des Lebens zur Seite stehen? Wer könnte uns sonst halten, wenn es in uns tönt: Mein Leben ist verpfuscht!? Aber Jesus ist nun als der Lebendige für seine Jünger da. Er führt seinen Jüngerkreis und seine Gemeinde. Inzwischen hat er seine Kirche zweitausend Jahre lang durch die Wirren der Geschichte geführt. Er wird einst alles vollenden, was er angefangen hat. Und wir dürfen dabei sein.

Amen.

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