Welcher Stimme folge ich?
Die Schwachen stärken, die Kranken heilen, die Verwundeten verbinden, die Verirrten zurück holen, die Verlorenen suchen ihr nicht; das Starke aber tretet ihr nieder mit Gewalt
Der Predigttext im Kontext der Agende (I.), aus exegetischer Sicht (II.) und im Hinblick auf die Gemeinde (III.)
I. Der Psalmvers „Du Gott voll Güte und Erbarmen (Ps 33, 5b.12a), der dem Sonntag „Miserikordias Domini“ seinen Namen gegeben hat, findet seine Auslegung im Bild vom guten Hirten, das den Gottesdienst in den Lesungstexten sowie Wochenlied und –psalm durchzieht. Das schillernde Bild, das darin vom guten Hirten vor den Augen der Gemeinde entsteht, verwehrt zum einen jede Hirtenromantik, da sowohl die Gefährdung der Herde wie auch des Hirten deutlich akzentuiert werden. Zum anderen erklärt es den im allgemeinen Sprachgebrauch fremd gewordenen Begriff der Barmherzigkeit als enge, gegenseitige Vertrautheit, die das Verhältnis Jesu zum Vater wie auch des Hirten zu seiner Herde zu lebendiger Gegenwart werden lässt, die zudem immer auch noch Zukunft verheißt und hat. II. Der Predigttext ist in seiner Auswahl ein Konzentrat der Hirtenrede Jesu, die Johannes 10, 1-39 umfasst. Im Hinblick auf die größer und gefährlicher werdende Menge seiner Gegner – die Heilung des Blindgeborenen in Joh 9 hat den Tötungsbeschluss der Gegner Jesu zur Folge – ist das Gleichnis vom guten Hirten mit seiner Deutung eine weitere Selbstoffenbarung Jesu, in der er sich in Abgrenzung zu den falschen Hirten als der eine gute, einzig von Gott legitimierte Hirte ausweist. Um die Erkenntnis und um die Anerkenntnis Jesu als des einen guten Hirten, der – wie es bei beim Propheten Ezechiel verheißen ist - das Verlorene wieder sucht, das Verirrte zurückbringt und das Verwundete verbindet (Ez 34, 16) geht es. Sieht man in der Hirtenrede mit der neueren Exegese eine literarische Einheit, erschließt sich allein dadurch die Bedeutung des Predigttextes für unsere Gegenwart, weil der Bedeutung des Textes nicht „hinter“ ihm, sondern „vor“ ihm, in der Welt, liegt. In der eigenen Welt also soll dem Hörer mittels des Textes eine „Bleibe“ geschaffen werden. (vgl. H. Thyen, S. 480) Das Konzentrat des Wochenspruchs liefert mir in seiner Zusammenfügung drei Hauptaspekte, denen es unter exegetischen wie homiletischen Gesichtspunkten nachzugehen lohnt.Christus spricht: Ich bin der gute Hirte.
Die Einzigartigkeit und Exklusivität Jesu als des guten Hirten erfährt seine Betonung im Rückbezug auf die atl. Vorbilder sowie in Abgrenzung von den falschen Hirten, den Dieben, Räubern und Lohnhirten. Im Gegensatz zu denen, die ihre eigenen Interessen und Bedürfnisse zum Maßstab ihres Handelns machen und damit durchaus das Leben der Schafe riskieren, geht es dem guten Hirten allein um die Herde. Für die Schafe ist er sogar bereit das eigene Leben zu riskieren, mehr noch: es voller Hingabe für die Seinen hinzugeben.Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie.
Das besondere der Beziehung zwischen dem Hirten und seiner Herde ist in der hebräischen wie griechischen Bedeutung des gegenseitigen „Kennens“ begründet. Das gegenseitige Kennen und Miteinander- Vertrautsein des Vaters mit dem Sohne (V 29.30) findet seine Entsprechung im Verhältnis des Hirten zu seinen Schafen. Es ist ein liebendes Erkennen, zu dem Verantwortlichkeit, Respekt vor dem anderen und Geschwisterlichkeit im Umgang miteinander gehören. Daraus erwächst zunächst der Zugang zueinander, ein wechselseitiges Miteinander- Vertrautsein und schließlich ein unbedingtes Vertrauen entwickelt, dass sich gerade auch angesichts drohender Gefahren und in Krisen bewährt. Weil der gute Hirte sowohl die eigenen wie auch die anderen Schafe „kennt“, durch Christus alle Menschen gemeint und erwählt sind, können sie seine Stimme hören und verstehen.Und sie folgen mir; und ich gebe ihnen das ewige Leben.
Das Miteinander- Vertrautsein der Schafe mit ihrem Hirten gibt ihnen Anteil an der Lebenskraft Gottes, der selbst angesichts des Bösen oder des Todes keine Grenzen gesetzt sind. Das ewige Leben ist zu verstehen als Fülle des Lebens, als im Leben und Sterben, im Scheitern und Gelingen tragendes Grundvertrauen in Gott, die Welt und in sich selbst. III. Wenn die Schafzucht auch nicht zur Lebenswirklichkeit der Gemeinde gehört, so sind Schafherden auf der Weide in unserem ländlichen Raum doch Teil der Erlebenswirklichkeit. Mit großem Interesse lernen Kinder bei offenen Hoftagen oder Bauernmärkten das Handwerk des Schäfers kennen, sind begeistert von den Lämmern und Hirtenhunde, erstaunt über Größe und Eigenwilligkeit ausgewachsener Schafe. Aber nicht nur Kinder sind fasziniert. Das Bild vom guten Hirten und seiner Herde hat den Glauben und das Leben von Generationen geprägt, steht es doch für die Fürsorge, die Begleitung Gottes, die Geborgenheit und Beheimatung des Menschen in seinem Leben und seiner Welt. Das Bild der ihren Hirten kennenden und ihm folgenden Herde regt aber auch an zum Widerspruch. Niemand möchte in einer Herde zum Mitläufer werden oder gar darin untergehen. Wo findet die Sehnsucht nach Individualität und nach Autonomie, nach Selbständigkeit und Selbstbestimmung ihr Recht und ihren Raum? Dass beide so gegensätzlichen Empfindungen einander nicht ausschließen, sondern gleichberechtigt sind, erschließt sich in Jesus, dem guten Hirten, der als Mensch gewordener Sohn Gottes für die Rettung aller Menschen zu einem Leben in Fülle steht. Die Gemeinde ist eingeladen, dem Worte Jesu zu vertrauen und sich ihm mit dem eigenen Leben anzuvertrauen. Literaturhinweise: Rudolf Bultmann, Theologie des Neuen Testaments, 8. Aufl. Tübingen 1980.- Hartwig Thyen, Das Johannesevangelium, Handbuch zum NT 6, Tübingen 2005.- Jürgen Rennert, HINTERFRAGT in: Dialog mit der Bibel. Malerei und Grafik aus der DDR zu biblischen Themen, Stuttgart 1986, S. 78.- Annette Armbrüster, Wolfgang Armbrüster, Psalmmeditation zu Psalm 23 in: Liturgische Texte, der Gottesdienst, Teil 3, S. 97. Lieder: „Weißt Du, wieviel Sternlein stehen“ (EG 511) „Es kennt der Herr die Seinen“ (EG 358) „Vertraut den neuen Wegen“ (EG 395)Predigt
Liebe Gemeinde!
Christus spricht: Ich bin der gute Hirte.
Ein vertrautes Bild, ein Bild, das Geborgenheit vermittelt, durchzieht den heutigen Gottesdienst in seinen Lesungen, Gebeten und Liedern. Das „Bild vom guten Hirten“, der für seine Schafe sorgt, sie leitet und schützt, soll das Ausmalen, was sich hinter dem Namen des heutigen Sonntags verbirgt: Misericordias Domini – übersetzt heißt das: Erbarmen Gottes. Während der Begriff Erbarmen in unserem heutigen Wortschatz kaum mehr eine Rolle spielt, und wir uns wohl alle schwer täten, ihn zu erklären, geschweige denn mit Inhalt zu füllen – ist das Bild des guten Hirten nach wie vor einprägsam und tragend, vermittelt es doch Geborgenheit und Harmonie. Ich erinnere mich noch gut und gerne an meine Kindheit. Oft fuhren wir damals am Sonntagnachmittag über Land zu meiner Großmutter nach Bückeburg. Wir Kinder blickten ganz gespannt aus dem Fenster, ob nicht irgendwo eine Schafherde zu sehen sei: „Schafe zur Linken, tut Freude uns winken“ sagten die Eltern dann, und wir freuten uns wirklich. Dabei war es relativ egal, ob die Schafherde rechts oder links war, es war einfach ein schönes Bild, die Schafe da so friedlich grasen zu sehen, die Hunde um sie her springen. Etwas ganz besonderes war es, wenn auch noch ein Hirte dabei war. Für uns Kinder war das Bild einer Schafherde der Inbegriff von Schutz und Geborgenheit, von einer heilen und friedlichen Welt.
Und das ist es geblieben, auch als wir älter wurden, auch als wir es im eigenen Leben merkten: die Welt ist nicht heil und auch nicht friedlich, und weder Geborgenheit noch Schutz sind selbstverständlich, selbst in einer Schafherde nicht, wie ich es mittlerweile mit den Schafen erfahren musste, die auf dem Anwesen meiner Schwiegereltern leben. Es ist nur eine kleine Herde – aber immerhin. Jedes Schaf hat seinen eigenen Namen und wenn man sie näher kennen lernt auch seinen eigenen Willen. Die eine liebt die Freiheit über alles und ist eine Meisterin im Überwinden von Zäunen, ein anderes versteht sich darauf, Gemüsebeete als Ernährungsquelle zu erschließen und wiederum ein anderes ist eher träge. Als Fremde ist es fast unmöglich, die Herde von einer Wiese auf die andere, geschweige denn in einen Stall zu bugsieren. Wenn man nicht aufpasst, wird man sogar gestoßen oder weggedrängelt. Da brauchen die Schafe einen vertrauten Menschen, dessen Stimme und Bewegungen sie kennen, dann folgen sie. Dann gehen sie mit. Und umgekehrt: Wer eine Schafherde hat, der braucht viel Zeit und Geduld, viel Verständnis und Liebe nicht nur für die Herde insgesamt, sondern für jedes einzelne Schaf. Sollte das Bild vom Hirten und der Herde doch nur ein schöner Traum sein, der weder der Wirklichkeit unserer Welt noch der des eigenen Lebens standhält?
Vertiefen wir unseren Blick auf das Bild, das uns Jesus mit seiner Hirtenrede vor Augen stellt, und nehmen wir die vielen Details wahr, die den guten Hirten und seine Herde umgeben. Ihn und seine Herde umgibt nur auf den ersten Blick eine heitere, heile Idylle. Noch stehen die Schafe in sicher in ihrem Pferch. Das Gatter ist geschlossen und wird sogar von einem Torhüter bewacht. So kann keines der Schafe verloren gehen und niemand kann ihnen etwas anhaben. Im Halbdunkel des anbrechenden Morgens nähert sich eine Gestalt. Es ist an der Zeit, das Tor zu öffnen. Der Hirte – er wird seine Schafe sicher zur saftigen Weide führen und sie dort behüten wie seinen Augapfel. Doch halt! Ist es tatsächlich der richtige, der gute Hirte, der da kommt? Könnte es nicht auch ein Dieb sein, der schnell über den Zaun springt, um eines der Schafe zu stehlen und dann zu schlachten oder gar ein Räuber, der um an die Schafe zu kommen, erst einmal den Torhüter niederschlägt? Vielleicht ist es auch der Mietling, ein Lohnhüter also, der eben seinen Job machen will wie jeden Tag. Obwohl er täglich seinen Lohn bekommt, lohnt es sich für ihn nicht, seine Kräfte über Gebühr zu strapazieren, geschweige denn die Gesundheit oder gar das eigene Leben einer Gefahr auszusetzen. Dem hungrigen Wolf, der eines der Schafe reißen will, weicht man lieber aus, selbst wenn man dann eigentlich schadenersatzpflichtig wäre. Was ist schon ein Schafsleben? Nutzvieh sind sie, weil und wenn sie satt machen, wenn und weil sie Geld bringen, Mittel zum Zweck sind sie, wenn und weil sie mir zu Anerkennung und Wohlstand verhelfen. Fremd ist uns solches Denken nicht, wenn es uns auch befremdet. Genauso reagieren denn auch die Schafe auf die fremden Gestalten, die ihnen so wenig vertraut, geschweige denn vertrauenswürdig erscheinen. Instinktiv möchten sie sich abwenden, die Flucht ergreifen, in alle Himmelsrichtungen auseinander laufen – weil sie spüren: hier geht es nicht um uns, geschweige denn den Einzelnen, hier sollen wir einer Idee, einem Interesse, einem Zweck, untergeordnet und dienstbar gemacht werden, der weder gut ist noch gut tut.
Nein, niemand will als dummes Schaf blind und willenlos einer Leitfigur hinterher trotten. Wohin das führt, lehrt nicht allein die vergangene Geschichte. Vorsicht scheint geboten immer da und überall dann, wenn fundamentalistische Gedanken sich regen – sei das im religiösen, sei das im politischen Bereich und gewissenlose Führer sich die Sehnsucht anderer nach einer heilen Welt zunutze machen. Wie real diese Bedrohung und Gefährdung gerade jetzt in den Zeiten der Wirtschaftskrise ist, habe ich mit Erschrecken am Wochenende in unserer Tageszeitung gelesen. Günter Wallraff befürchtet: „Es könnte die große Stunde der telegenen Populisten und Heilsversprecher kommen, die das angerichtete Desaster nutzen, um demokratische Strukturen zu beseitigen.“ Es sei besorgniserregend „wenn dumpfe und halbkriminelle Führer der NPD in manchen ländlichen Gegenden bereits die Jugendszene beherrschen“ (Neue Westfälische vom 17. 4. 2009, „Wallraff warnt vor Zusammenbruch durch die Krise v. Yuriko Wahl) Vor solchen falschen Hirten kann man nur warnen, wie Jesus es in unserem Predigttext tut und dabei durchaus um noch viel härteren Worte weiß, die Gott selbst im Buch des Propheten Hesekiel findet: Wehe den Hirten Israels, die sich selbst weiden! Schimpft Gott da – Sollen die Hirten nicht die Herde weiden? Aber ihr eßt das Fett und kleidet euch mit der Wolle und schlachtet das Gemästete, aber die Schafe wollt ihr nicht weiden. Das Schwache stärkt ihr nicht, und das Kranke heilt ihr nicht, das Verwundete verbindet ihr nicht, das Verirrte holt ihr nicht zurück, und das Verlorene sucht ihr nicht; das Starke aber tretet ihr nieder mit Gewalt.
So hart die Kritik an den falschen Hirten, so genau wird in dieser Kritik das Bild des einzig richtigen, des guten Hirten Jesu gezeichnet. Dem guten Hirten liegt seine Herde, jedes einzelne Schaf, im wahrsten Sinne des Wortes am Herzen. Mit seinem ganzen Leben setzt er sich dafür ein, das Schwache zu stärken, das Kranke zu heilen, das Verwundete zu verbinden, das Verirrte zurück zu holen, das Verlorene zurück zu holen und das Starke zur Stärke zu fördern. Wo ich seine Stimme höre, in ihm den Sohn Gottes erkenne, der es gut mit mir meint, da kann ich mich nur vertrauensvoll ihm zuwenden und voller Gewissheit die Worte mir zu eigen machen, die 1934 – also vor 75 Jahren – die Verfasser der Theologischen Erklärung von Barmen in deren 1. These gefunden haben: „Jesus Christus, wie er uns in der Heiligen Schrift bezeugt wird, ist das eine Wort Gottes, das wir zu hören, dem wir im Leben und im Sterben zu vertrauen und zu gehorchen haben.“
Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie.
Dieses Bekenntnis der Kirche als der Herde des guten Hirten Jesu Christi, will aber kein Allgemeines bleiben. Geborgen in unserer Welt soll sich nicht allein die Herde in ihrer weltweiten Gesamtheit fühlen, sondern jeder einzelne ganz so wie er ist: mit seinen je eigenen Neigungen und Vorlieben, aber auch mit seinen Kanten, Problemen oder Ängsten – sei er noch so schwach oder verletzt, noch so verloren oder verirrt, noch so gescheitert oder schuldig. Jesus als der Gute Hirte kennt jedes seiner Schafe, in dem was ihn ausmacht, in dem was ihm fehlt, in dem was es braucht und in dem, was ihm gut tut. Jedes Empfinden und jedes Befinden, jede Angst und jede Not stößt bei ihm auf offene Augen und Ohren, mehr noch – auf ein offenes Herz. Was ihm da alles zu sagen wäre, gerade ihm, der unser aller gute Hirte sein will! Hinterfragen wir ihn – so wie es der Ostberliner Schriftsteller Jürgen Rennert getan hat:
HINTERFRAGT
Der Herr ist mein Hirte, ich Schaf,
mir wird nichts mangeln, mir fehlt was.
Er weidet mich auf einer grünen Aue, ich sitze auf dem Trockenen,
und führet mich zum frischen Wasser, mir stinkt’s.
Er erquicket meine Seele, ich leide.
Er führet mich auf rechter Straße, wo geht das hin,
um seines Namens willen, mein Gott, wer kennt den noch.
Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, irgendwie muß es ja mal aufwärts gehen,
fürchte ich kein Unglück, am Ende holt’s jeden,
dein Stecken und Stab trösten mich, helfen kann einem da keiner.
Du bereitest vor mir einen Tisch, mich übersieht man,
im Angesicht meiner Feinde, man haßt mich.
Du salbest mein Haupt mit Öl, wer nimmt mich schon ernst,
und schenkest mir voll ein, ich komme immer zu kurz.
Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang, nichts als Ärger,
und ich werde bleiben im Hause des Herrn immerdar, wenn ich nur wüßte, wohin ich gehöre.
Was hier als banges, ja resigniertes Hinterfragen der Zusagen Gottes erklingt, wir dürften es auch umgekehrt lesen: als ehrliches Aussprechen des je eigenen Befindens, das unbedingt einer Antwort bedarf, um sich heimisch fühlen zu können im eigenen Leben, in der Welt, in der Gemeinschaft untereinander und mit Gott. Dass und wie sehr unser persönliches Ergehen im Leben und im Sterben Jesus zu Herzen geht und zu seinem Herzensanliegen wird, ist in dem kleinen Wort Kennen enthalten, das in seiner hebräischen wie griechischen Bedeutung weit mehr umfasst als den Namen oder das Gesicht eines anderen zu kennen. Hören wir noch einmal auf Jesu Stimme (Joh 10, 14. 15): Ich bin der gute Hirte und kenne die Meinen, und die Meinen kennen mich, wie mich mein Vater kennt, und ich kenne den Vater. Und ich lasse mein Leben für die Schafe. In eine Gemeinschaft der Geborgenheit – selbst in einer nicht nur heilen und friedlichen Welt nimmt uns Jesus hinein, denn kennen – das heißt für ihn: Mit einem jeden von euch bin ich so vertraut, wie mit Gott, meinem Vater.
Und sie folgen mir; und ich gebe ihnen das ewige Leben.
Jedem von euch gilt meine bedingungslose Hinwendung und Zuwendung, damit ich weiß, was euch fehlt, was ihr braucht, was euch Not tut, was euch gut tut. So wichtig und wertvoll ist mir ein jeder von euch, dass ich für euch sogar Niederlage und Angst, Ohnmacht und Einsamkeit, Spott und Verachtung, Schmerzen und Tod auf mich nehme, um auch und gerade dann euch nahe zu sein. Warum ich das tue? Weil ich dieselbe Zuwendung und Nähe von Gott, meinem Vater erfahre. Wie er bei mir war und für mich war – im Leben und im Sterben – bin ich bei jedem von euch. Denn sein Wille ist es, dass auch euch selbst der Tod nichts anhaben kann, sondern ihr jetzt und dann, mitten in dieser Welt und nach dieser Welt ein erfülltes Leben habt, in dem ihr euch geborgen fühlen könnt. So wünsche ich uns allen, dass wir mit demselben Recht, mit dem wir das Bild vom guten Hirten „hinterfragt“ haben, uns auch in der Antwort zweier Menschen wieder finden, die – mitten in unserer nicht immer heilen und friedlichen Welt trotzdem vertrauensvoll bekennen und beten:
Gott sorgt für mich
niemals bin ich verlassen.
Gott befreit mich von der Lebensangst
und erlaubt mir ein Dasein ohne Hast,
stärkt meine Seele und zeigt mir den guten Weg.
Gott will für mich Gott sein.
Auch in dunklen Zeiten habe ich keine Angst vor dem Letzten,
denn du bist bei mir,
deine Gegenwart und Geleit geben mir einen Schutz.
Du läßt mich teilhaben an der Fülle des Lebens,
obwohl es Gründe gibt, verzweifelt zu sein.
Du empfängst mich zärtlich
und nimmst mich überschwenglich auf.
Ich lebe im Vorschein von Güte und Erbarmen
und wohne im Vertrauen zu dir.
Amen.