Drüben am Horizont berühren sich Himmel und Erde

Es ist eine uralte Sehnsucht der Menschen, die Welt in guten Händen zu wissen

Predigttext: Lukas 24,44-53
Kirche / Ort: Aachen
Datum: 21.05.2009
Kirchenjahr: Christi Himmelfahrt
Autor/in: Pfarrer Manfred Wussow
Predigttext: Lukas 24,44-53 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984) 44 Er sprach aber zu ihnen: Das sind meine Worte, die ich zu euch gesagt habe, als ich noch bei euch war: Es muß alles erfüllt werden, was von mir geschrieben steht im Gesetz des Mose, in den Propheten und in den Psalmen. 45 Da öffnete er ihnen das Verständnis, so daß sie die Schrift verstanden, 46 und sprach zu ihnen: So steht's geschrieben, daß Christus leiden wird und auferstehen von den Toten am dritten Tage; 47 und daß gepredigt wird in seinem Namen Buße zur Vergebung der Sünden unter allen Völkern. Fangt an in Jerusalem, 48 und seid dafür Zeugen. 49 Und siehe, ich will auf euch herabsenden, was mein Vater verheißen hat. Ihr aber sollt in der Stadt bleiben, bis ihr ausgerüstet werdet mit Kraft aus der Höhe. 50 Er führte sie aber hinaus bis nach Betanien und hob die Hände auf und segnete sie. 51 Und es geschah, als er sie segnete, schied er von ihnen und fuhr auf gen Himmel. 52 Sie aber beteten ihn an und kehrten zurück nach Jerusalem mit großer Freude 53 und waren allezeit im Tempel und priesen Gott.

Exegetisch-homiletische Vorüberlegungen

Endet das Evangelium mit einer „kleinen“ Himmelfahrt, bekommt sie am Anfang der Apostelgeschichte – in Verbindung mit der Pfingstgeschichte – ein besonderes Gewicht. Ein Scharnier im lukanischen Doppelwerk. Literarkritische und traditionsgeschichtliche Feinheiten tragen homiletisch nichts aus. Wesentlich ist jedoch die Verbindung – und Auslegung – mit Ostern. Im Kirchenjahr hat Himmelfahrt 40 Tage nach Ostern seinen „Sitz im Leben“, Pfingsten nach 50 Tagen. Ein besonderes Augenmerk liegt – wie in der voran gehenden Emmausgeschichte – auf der „geöffneten Schrift“. Jesus wird am Ende als Interpret seiner Worte, „die ich zu euch gesagt habe, als ich noch bei euch war“ vorgestellt. Zentral ist die Botschaft, „dass Christus leiden wird und auferstehen von den Toten am dritten Tag und dass gepredigt wird in seinem Namen Buße und Vergebung der Sünden unter allen Völkern“. Für die Verkündigung in seinem Namen wird den Jüngern der Geist verheißen, hier auch „Kraft aus der Höhe“ genannt. Buße und Vergebung der Sünden wurzeln in Leiden und Auferstehung Jesu, konzentrieren das Evangelium. Die von Lukas nur mit wenigen Strichen gezeichnete „Himmelfahrt“ Jesu wird als Segenshandlung beschrieben. Der Blick haftet an aufgehobenen Händen. Das Geschehen selbst bleibt in der Schwebe (es geschieht, als er sie segnete). Nicht Trauer, sondern Anbetung und große (!‘) Freude eint die Jünger. Wir finden sie „allezeit“ im Tempel. Ein wichtiger Hinweis, der die Bedeutung dieses Ortes auch für die junge Kirche unterstreicht. Aber: bleiben die Jünger weisungsgemäß erst einmal in Jerusalem, werden sie schon bald – an diesem Ort - die ganze Welt ansprechen (Apg. 2). Aus „fangt an in Jerusalem und seid dafür Zeugen“ in Lk. 24,47f. wird: „und werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an das Ende der Erde.“ (Apg. 1,8). Auftrag und Geistverleihung sind untrennbar verbunden. Für Lukas hat der Geist im ganzen Evangelium überhaupt eine besondere Bedeutung. Vgl. u.a. Lk. 1,35. Der Himmelfahrtstag hat für viele Menschen keine Bedeutung mehr. Sprachlich ist es überhaupt kaum noch möglich, das Gefeierte und zu Feiernde verständlich zu machen. Auf dem alten Fest liegt der „Vatertag“. Homiletisch ist es reizvoll, einmal mehr vom „Himmel“ zu sprechen. Als Lesung sei Eph 1, 17-23 empfohlen.

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Predigt

Himmelfahrt

Ich weiß noch, wie bunt ich mir als Kind die Himmelfahrt Jesu vorstellte. Eine richtige majestätische „Auffahrt“. Keine kleinen Schritte, keine mühsamen Treppenstufen. Die Jünger haben verdutzte Gesichter, stehen mit halboffenen Mündern und zugekniffenen ‚Augen da. Ich war natürlich klüger als sie. Dass Jesus die Kurve kratzte, beunruhigte mich nicht weiter. Der Himmel ist eben so weit weg und so unendlich groß. Im Religionsunterricht lernte ich dann später das Lied: „Jesus Christus herrscht als König, alles wird ihm untertänig“. Ich sah dann im Himmel einen Thron und Jesus darauf sitzen. Die Vorstellung gefiel mir. Sie machte mich auch groß. So ein König – toll! Da sollte doch die ganze Welt einmal erstarren. Wer alles auf Knien rutschen sollte, wusste ich auch. Wie gut, dass ich nie darüber geredet habe – peinlich?

Es ist eine uralte Sehnsucht der Menschen, die Welt in guten Händen zu wissen, sie in gute Hände zu legen. Als ob Lukas das geahnt hat, zur Himmelfahrt sagt er – nichts. Er erzählt aber, sparsam mit Worten, dass Jesus seine Hände aufhebt und die Jünger segnet. Mitten drin – ich kann mir das alles nicht vorstellen – sieht Lukas Jesus „auffahren“. Gen Himmel. So klar die Richtung auch ist, ich sehe die „aufgehobenen Hände“. Es ist ein schönes Bild. Aufgehobene Hände hängen nicht nach unten, hängen nicht durch, halten sich nicht raus, aufgehobene Hände fassen etwas, legen sich auf etwas, bergen etwas. Oder überreichen etwas. Hier kommt es einem Vermächtnis gleich: Jesus vertraut seinen Jüngern das Evangelium an. Er legt ihnen zum letzten Mal die Schrift aus. Er segnet sie. Das ist ein ganz anderes Bild von Himmelfahrt als das übliche, dadurch aber keineswegs vertrautere. Ob der Himmel womöglich auch etwas mit aufgehobenen Händen zu tun hat?

Blicke in den Himmel

Mit dem Himmel verbinden sich ganz viele und ganz unterschiedliche Vorstellungen. Schon Kindern erzählen wir, dass der Himmel „da oben“ ist. Wir liegen auf einer Wiese, umgeben von duftenden Blumen. So weit können wir gar nicht schauen! Eine Weite ohnegleichen, und doch: Drüben am Horizont berühren sich Himmel und Erde, gehen fast schon ineinander über. Ich könnte glatt hinlaufen. Wenn er dann noch blau ist, der Himmel – wir sind dann fast schon im Paradies. Mit unseren Kindern. Warum eigentlich habe ich schon lange nicht mehr auf einer Wiese gelegen und den Himmel getrunken? Eine besondere Faszination geht von dem nächtlichen Himmel aus. Wer schon einmal das Glück hatte, durch ein Fernrohr zu schauen, kommt aus dem Staunen nicht heraus. Sterne, unzählig – geradezu in Straßenformation. Erhaben, gleichmütig, den Jahrtausenden trotzend. Dass der Kosmos lebt und so seine eigene Geschichte hat Sterne gar erlöschen, könnte ich im Lehrbuch nachlesen, aber jetzt schaue ich nur. Wie klein doch meine Welt ist? Sie putzt sich mit künstlichen Lichtern heraus, ist aufdringlich laut und kann doch das Elend nicht verbergen. Dass die Erde ein leuchtender Stern ist, könnte ich von der Venus aus gut sehen, aber warum muss ich erst so weit gehen?

Verliebte aber wissen wohl am meisten vom Himmel. Entschuldigung, ihr Naturwissenschaftlicher/innen und Hobbyastronomen/innen: Für euch ist der Himmel wie ein großes Labor, wie eine Formelsammlung, eine intellektuelle Herausforderung – mit schwarzen Löchern seid ihr glücklich und zufrieden, aber den Verliebten hängt der Himmel voller Geigen. Ich frage mich zwar auch, wie das kommt, weiß auch nicht so genau, was ich sagen soll, aber: so modern die Zeiten geworden sind, Verliebte wissen, dass Gott im Himmel ist – und sie jetzt auch. Die Erdenschwere löst sich förmlich auf, ohne ihren alltäglichen Reiz zu verlieren. Das muss wohl daran liegen, dass der Himmel da hinten – schaut mal nach – die Erde küsst. So unfassbar der Himmel vor unseren Augen ist, so groß und großartig sind seine Bilder. Die Beispiele, die ich erzählt habe, sind nur Annäherungen und Hinweise. Wenn Eltern mit ihren Kindern auf der Wiese den Wolken folgen, der nächtliche Sternenhimmel meine kleine Welt in die Arme nimmt und himmlische Geigen ein Liebeslied anstimmen, dann hat unsere Sehnsucht einen Ort.

Eine Hand für den Himmel

Lukas wusste noch nicht, dass wir einmal einen Festtag haben werden, der „Himmelfahrt“ heißt. Schon der Name verführt dazu, im Kopf einen Film ablaufen zu lassen. Dabei ist der Himmel doch die Heimat Gottes. Nicht irgendein Ort. Für ihn gibt es keine Land-, keine Himmelskarte. Fassbar, lokalisierbar ist der Himmel nicht, weil Gott sich unseren kartografischen Bemühungen entzieht, ihn festzulegen. Die unendliche Weite und Schönheit des Himmels spricht aber für ihn. Darum ist es auch so reizvoll, in Bildern vom Himmel zu reden, von ihm zu träumen, sich in ihm zu verlieren.

‚Als Jesus seine Hände aufhebt, um seine Jünger zu segnen, legt er ihnen sozusagen den Himmel auf – auf die Köpfe, Herzen, ja, auch in ihre Hände. Je mehr ich darüber nachdenke, ich komme aus dem Staunen nicht heraus. Jesus kann den Himmel in die Hand nehmen und teilen. Er hat ein Händchen für den Himmel … – Wie Schuppen fällt es mir von den Augen: Darum legt Jesus noch einmal die Schrift aus, Darum öffnet er seinen Jüngern das Verständnis. Darum macht er sie zu seinen Zeugen. Er gibt uns – den Himmel. „So steht‘s geschrieben, dass Christus leiden wird und auferstehen von den Toten am dritten Tage, und dass gepredigt wird in seinem Namen Buße zur Vergebung der Sünden untern allen Völkern.“ Das ist auch die wohl schönste Kurzformel des Glaubens, ein Bekenntnis, das Leben eröffnet.

Ich habe Menschen kennengelernt, die auf ihrem Lebensweg die Kurve hinbekommen haben, so manchen ging der Himmel auf. Himmelfahrt für kleine Leute. Das ist ein Festtag! Was Jesus gesagt, was er gelebt hat, finde ich in meine leeren Hände gelegt. Kraftvoll, liebevoll, zärtlich. Langsam verstehe ich, warum Lukas die Himmelfahrt Jesu als eine Segensgeschichte erzählt. Ich weiß noch, wie bunt ich mir als Kind die Himmelfahrt Jesu vorstellte. Eine richtige majestätische „Auffahrt“. Keine kleinen Schritte, keine mühsamen Treppenstufen. Diese Geschichte muss ich mir jetzt anders vorstellen. Und die Jünger? Sie priesen Gott. Das ist das letzte Wort – im Evangelium nach Lukas.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.

Kyrie

Herr,

auf der Erde liegen viele Steine.
Auf vielen Seelen auch.
Viele Steine legen wir dazu.
Herr, erbarme dich

Christus,
wir schauen zum Himmel.
Sehnen uns nach Wärme und Licht.
Unsere engen Herzen werden weit.
Christus, erbarme dich

Herr,
du bist uns vorausgegangen.
Wo du zu Hause bist, gibt es viele Wohnungen.
Unsere Namen hast du schon an die Türen geschrieben.
Herr, erbarme dich

Fürbitten

Im Evangelium haben wir gehört, dass Jesus in den Himmel aufgenommen wurde. Für viele Menschen ist der Himmel weit weg. Er ist für sie undurchdringlich und unnahbar. Wir bitten:

Für die Menschen, die einsam und verlassen sind, keine Freunde und Gefährten haben, mit ihrem Leben nicht zurechtkommen. Wir rufen zu dir: Lass den Himmel über sie aufgehen.

Für die Menschen, denen der Himmel voller Geigen hängt, denen die Zeit stehen bleibt, die trunken sind vor Freude. Wir rufen zu dir: Lass den Himmel über sie aufgehen.

Für die Menschen, die den Himmel auf Erden versprechen, sich auf Illusionen einlassen, der Realität entfliehen. Wir rufen zu dir: Lass den Himmel über sie aufgehen.

Für die Menschen, die Vater und Mutter werden, Kinder auf ihrem Weg begleiten, sich der Straßenkinder annehmen. Wir rufen zu dir: Lass den Himmel über sie aufgehen.

Für die Menschen, die sterben müssen, die ihres Lebens müde sind, die Angst vor jedem Sonnenaufgang haben. Wir rufen zu dir: Lass den Himmel über sie aufgehen.

Jesus hat sich zur Rechten Gottes gesetzt. Er ist der Herr. Sein ist die Erde, sein der Himmel. Er lässt uns nicht los. Wir sind auf dem Weg zu ihm.

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