Dem Innen ein wahrhaftes Außen geben

Tätiger Glaube, in das Dunkel hineinleuchten und sich für andere einsetzen, soli Deo Gloria / allein Gott zur Ehre

Predigttext: Matthäus 5,13-16
Kirche / Ort: Betsaal im Schloss Salem, 88682 Salem
Datum: 02.08.2009
Kirchenjahr: 8. Sonntag nach Trinitatis
Autor/in: Pfarrvikar Dr. Christof Ellsiepen
Predigttext: Matthäus 5, 13-16 (Eigene Übersetzung, Dr. Christof Ellsiepen) 13 Ihr seid das Salz der Erde: Wenn nun das Salz fad wird, womit soll man salzen? Zu nichts taugt es mehr, außer dass es weggeworfen und von den Menschen zertreten wird. 14 Ihr seid das Licht der Welt. Eine Stadt, die oben auf einem Berg liegt, kann nicht verborgen bleiben: 15 Auch zündet man nicht eine Öllampe an und stellt sie unter den Eimer, sondern auf den Lampenständer. Und sie leuchtet allen im Haus. 16 So leuchte euer Licht den Menschen, dass sie eure guten Taten sehen und euren Vater im Himmel verehren.

Exegetische Beobachtungen zum Predigttext

Die Bildworte vom Salz, von der Bergstadt und vom Licht (vgl. G. Strecker, Die Bergpredigt, 2.Aufl., Göttingen 1985, 50-55) bilden nach den Seligpreisungen die zweite Einleitung in die Bergpredigt. Kompositorisch schließen sie durch den Wechsel zur direkten Anrede („Ihr seid...“) an die letzte Seligpreisung an (Mt 5, 11f) und bereiten inhaltlich die Frage nach dem Selbstverständnis der Christen vor, das im Folgenden (Mt 5, 17ff) mit der Stellung zur Tora und der Frage nach der „besseren Gerechtigkeit“ (Mt 5, 20) entfaltet wird. V13 Das Wort vom Salz findet sich in einer unpersönlichen Form auch in den anderen Evangelien (Lk 14,34f; Mk 9,49f). Der Verlust seiner Eigenschaften als „salzloses“ (Mk) oder „dummes“ (Mt, Lk) Salz gehört in allen drei Kontexten zum festen Bestand des Wortes. Dem steht die prinzipielle Unmöglichkeit gegenüber, dass reines Salz seine Eigenschaften verliert. Als Nahrungszusatz ist Salz lebenswichtig und genoss in der Antike hohes Ansehen („weißes Gold“). In biblischen Zeiten gewann man Salz hauptsächlich aus dem Toten Meer. Es bestand nur zu etwa einem Drittel aus Kochsalz, so dass es sein konnte, dass bei Feuchtigkeit nur das Natriumchlorid sich auflöste und die anderen Bestandteile übrig blieben (J. Leonhardt-Balzer, in: Kompendium der Gleichnisse Jesu, hg. v. Ruben Zimmermann, Gütersloh 2007, 201). Matthäus gestaltet das ihm vorliegende Logion als Anrede an das versammelte Volk bzw. an die Leser. Als Salz der Erde werden die Angesprochenen als Christen in der gesamten Menschheit ihre Wirkung entfalten. Dieser Zuspruch ist anspruchsvoll. Das macht die folgende Gerichtsdrohung („wegwerfen“) deutlich. V14 Das ebenfalls durch matthäische Redaktion als persönliche Anrede gestaltete Wort vom Licht der Welt ist seinerseits verbunden mit zwei Bildworten, dem von der Bergstadt und dem von der Öllampe. Die Bildlichkeit der Stadt auf dem Berge spricht für sich. Sie ist weithin sichtbar und kann sich nicht verbergen. Dass die Rede Jesu, in der das Wort steht, von Matthäus auf einem Berg lokalisiert wird, gibt dem Wort seine eigene Bedeutung: Wie die Stadt auf dem Berg, so werden auch die von der Bergpredigt Angesprochenen weithin sichtbar sein. Sie sollen sich nicht verbergen. Traditionsgeschichtliche Linien zum Zion als endzeitlichem Friedensort und Licht für die Völker (Jes 2, 2-5; Mi 4, 1-3, vgl. J.Jeremias: Die Gleichnisse Jesu, 11.Aufl., Göttingen 1998, 215), wie es auch die Perikopenordnung vorschlägt, scheinen für diese Deutung entbehrlich. V15 ist überlagert von dem an Luthers Übersetzung abgeleiteten Sprichwort, das eigene Licht nicht unter den Scheffel (Getreidehohlmaß) zu stellen im Sinne von übergroßer Bescheidenheit. Demgegenüber knüpft das bei allen Synoptikern bekannte Bild (Mk 4,21; Lk 8,16; 11,33, EvThom 33,2f) zunächst an eine Alltagserfahrung an (vgl. K. Dronsch, in: Kompendium, s.o., 133-138): Niemand stellt eine Öllampe (lychnos) unter ein als Getreidemaß dienenden Eimer (ca. 8,5 l). Denn dann würde sie bald ausgehen. Vielmehr setzt jeder sie auf einen Lampenständer (lychnia), um den Lichtschein möglichst gut auszunutzen und „allen im Hause“ zu leuchten. Es geht also im Bild um die Zweckmäßigkeit des Einsatzes einer Lampe. Im übertragenen Sinne wird die Wirksamkeit der Christen in der Welt zum Thema gemacht, nicht – wie das Sprichwort suggeriert – ihre Selbstdarstellung. V16 hat durch Luthers Übersetzung als Anrede in der 2. Person Plural („Also laßt euer Licht leuchten vor den Leuten“, 1545) das Verständnis als Außendarstellung vor dem Forum der Öffentlichkeit im Sinne des Sprichworts befördert. Demgegenüber ist der Imperativ Singular zu betonen: „Es leuchte euer Licht“. Dies ist ein performativer Zuspruch, sprachlich und inhaltlich vergleichbar mit dem „Es werde Licht“ aus Gen 1,3 LXX, dem nichts Normatives anhaftet. Inhaltlich entspricht dem innerhalb der Bergpredigt die Ermahnung, die eigene Frömmigkeit nicht auszuüben, um vor den Leuten etwas zu gelten (Mt 6,1). Der Finalsatz („dass sie eure guten Werke sehen“) zielt nicht auf die Ehre der Angesprochenen vor den anderen Menschen, sondern auf die durch die guten Taten der Jesus-Anhänger veranlasste Dankbarkeit der Menschen gegenüber Gott (vgl. Strecker, s.o., 54).

Homiletische Überlegungen

Mit den drei Bildworten wird den von der Bergpredigt Angesprochenen die Erkennbarkeit, die Öffentlichkeit und die Ausstrahlungskraft christlichen Lebens für andere zugesagt. Schon in den Bildern selbst wird jedoch deutlich, dass dieser Zuspruch mit dem Anspruch einhergeht, als Christ erkennbar zu bleiben, als Gemeinschaft sich nicht in den Untergrund zu flüchten oder die eigene Ausstrahlung und Wirksamkeit nicht zu vernachlässigen. Der Zielgedanke der Perikope scheint mir, dass die Ehre Gottes nicht nur einfach ein Motiv christlicher Lebensführung ist, sondern erst im Spiegel der anderen Menschen aufleuchtet, die den tätigen Glauben der Christen sehen und Gott dafür preisen und ehren. Gute Taten der Christen – so sehr sie in sich selbst ihren Wert haben – haben so zugleich den Effekt, in der Menschheit den Glauben an Gott zu wecken. Lied (vor der Predigt): "Selig seid ihr, wenn ihr einfach lebt" (EG 667)

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Predigt

Liebe Gemeinde!

Soli Deo Gloria

Wenn Sie in Leipzig durchs Musikerviertel gehen und an der Johann-Sebastian-Bach-Straße vorbeikommen, wird Ihnen auf einmal ein riesiges Graffiti an einer Gartenmauer ins Auge springen. Man muss auf die andere Straßenseite gehen, um den Schriftzug zu erkennen: In großen Buchstaben steht dort: Soli Deo Gloria. Als Sprayerkunst eher ungewöhnlich. Hier wohnen die Thomaner, Mitglieder des berühmten Knabenchors. Sie haben sich den Leitspruch des großen Thomaskantors Bach zueigen gemacht: Soli Deo Gloria – Allein Gott zur Ehre. Bach selbst pflegte damit seine Kompositionen zu unterschreiben. Er stellte sein gesamtes Schaffen unter das Ziel, damit Gott allein zu ehren, ihm die Ehre zu geben. Ein hoher Anspruch. In der Wirklichkeit spielen ja viele Faktoren hinein, die uns zum Musikmachen bewegen. Da ist die Gemeinschaft. Musizieren verbindet. Nicht nur beim Hock nach der Probe, sondern auch während des Musizierens. Jeder, der einmal in einem Chor oder in einem Orchester gesungen oder gespielt hat, weiß um die besonderen Momente, wenn viele einzelne so zusammenstimmen, dass ein Ganzes daraus wird. Auch die Hörer merken das und schätzen das besondere Erlebnis, wenn Musiker über sich selbst hinausspielen. Singen und Musik bringt uns seelischen Ausgleich. Sie befreit uns, wenn wir uns auf sie einlassen. So vieles verbinden wir mit Musik. Und doch versichert uns Bach, sie geschehe allein Gott zur Ehre – soli Deo gloria!

Auf einen Berg war Jesus gestiegen und sprach zu denen, die ihm folgen wollten: Hören wir Worte aus dem Beginn der Bergpredigt, Matthäus 5, die Verse 13-16:

(Lesung des Predigttextes)

In drei Bildern gesprochen…

Salz der Erde. Stadt auf dem Berge. Licht der Welt. Drei Bilder dafür, wie Jesus sich seine Nachfolger vorstellt.

Salz. Wenn es rein ist, hat es einen unverwechselbaren Geschmack. Heute sind wir reines Kochsalz gewöhnt, zu Schleuderpreisen kaufen wir es im Discounter. Die Antike verehrte Salz als das weiße Gold. Karawanen zogen wochenlang durch die Wüste: Salz war auf den Kamelrücken. Die Qualität war nicht immer hervorragend. Andere Salze waren beigemischt. Wenn zu wenig Kochsalz in der Mischung war, wurde es unbrauchbar. Aber auch damals gab es schon das reine Salz. Und dieses reine Salz kann seinen Geschmack, seine Schärfe, nicht verlieren. Es ist einfach Salz: Alles, womit es in Berührung kommt, wird – salzig.

Eine Stadt auf dem Berge. Wir haben ja hier in der Gegend ein gutes Beispiel, das Schloss Heiligenberg. Egal, woher ich komme und in das Salemer Tal hinein fahre, dort oben liegt strahlend das Schloss. Es ist weithin sichtbar, kann einem nicht verborgen bleiben.

Eine Öllampe. Kein Mensch wird sie unter einen Eimer stellen. Denn dann geht sie gleich wieder aus. Zur Zeit Jesu war die Öllampe die normale Lichtquelle. Und jeder stellte sie selbstverständlich auf einen Lampenständer, um möglichst viel Licht im Raum zu haben.

…was Nachfolge Jesu bedeutet

Ihr seid das Salz der Erde. Sagt Jesus zu den um ihn Versammelten. Er sagt damit: Seid als Salz der Erde salzig, kräftig, würzig. Womit soll man salzen, wenn das Salz selbst nichts mehr taugt. Seid als Salz der Erde erkennbar für die Menschen der Erde. Seid als meine Jünger erkennbar. Werdet nicht fad, verleugnet nicht euren Meister, wenn ihr in Verfolgung geratet. Wenn man euch fragt: Bist du nicht auch einer von denen? Dann bleibt bei dem, was für euch das Wichtigste ist, bleibt mit mir in Gott verbunden, folgt meinen Worten, bleibt Salz der Erde.

Ihr seid das Licht der Welt. Sagt Jesus. Von überall soll man euch sehen können. Wie eine Bergstadt seid offenbar und weithin sichtbar. Geht als Gemeinschaft nicht in den Untergrund. Wie eine Lampe auf dem Leuchter leuchte euer Licht für die Welt. Versteckt euch nicht und erstickt nicht das Licht Gottes in euch. Nein, es soll leuchten euer Licht. Eure guten Taten sind das Licht. Lasst sie nicht ausgehen. Denn die Welt braucht das Licht eures Hungerns und Dürstens nach der Gerechtigkeit. Eures Eintretens für den Frieden. Eurer Gewaltlosigkeit. Eurer Barmherzigkeit und eures reinen Herzens. Ihr seid das Salz der Erde. Ihr seid wie eine Stadt auf dem Berge. Ihr seid das Licht der Welt. Das Wort ist gesprochen für alle, die sich von ihm ansprechen lassen.

Besinnung auf das Wesentliche

Wir werden – Gott sei dank – heute nicht um unseres Glaubens willen verfolgt. Das ist keineswegs selbstverständlich, wie manche aus der jüngeren Vergangenheit der DDR berichten können, oder wie es heute auch noch in anderen Ländern ist: Im Irak, in der Türkei wurden Christen im großen Maßstab vertrieben. Und die im Land geblieben sind, sind Einschüchterungen und zum Teil tätlicher Gewalt ausgesetzt. Für Christen in einer solchen Situation bedeutet erkennbar zu bleiben eine erhebliche Gefahr. Für uns hier in Mitteleuropa kommt die Gefahr nicht von außen. Unser Salz, an dem wir erkennbar wären, wird eher fad durch zu langes Lagern oder unwirksam durch Mangel an Berührung. Tradition hat ihren guten Sinn, wenn ich mich in ihr auskenne, wenn ich das Lebendige wiederentdecke, was in ihr steckt. Wenn ich in den Worten spüre, was Menschen dazu gebracht hat, sie niederzuschreiben, warum sie für diese Menschen Worte des Lebens waren. Lassen wir uns vom Leben in diesen überlieferten Worten berühren, dann werden sie kräftig und würzig und unverkennbar. Überall in unserer Kirche suchen Gruppen und Gemeinden nach dem evangelischen Profil. Besinnen sich zurück auf das Wesentliche, auf die Glaubenswurzeln unserer Kirche.

Evangelische Öffentlichkeit

Wichtig und wesentlich evangelisch ist es, dass diese Suche, was es für uns bedeuten kann, Salz der Erde zu sein, nicht im Verborgenen stattfindet. Nicht hinter verschlossenen Kirchentüren, sondern im offen Raum der Öffentlichkeit. Wie eine Stadt auf dem Berge nicht verborgen bleiben kann, so sollte es uns kein Bedürfnis sein, uns zu verstecken. Mit unserer Meinung hinter dem Berg zu halten. Oder zu denken, mit dieser Kirche ist eh nichts mehr zu machen. Die Bergstadt steht dagegen. Sie ist da. Sichtbar. Öffentlich. Als Orientierungspunkt, als Vorbild für viele.

Ausstrahlungskraft entdecken

Gegenseitig werden wir uns ermutigen. Werden unser inneres Licht nicht auslöschen, sondern füreinander leuchten. Damit nicht einer sein Licht unter den Scheffel stellt und es ausgehen lässt. Der Volksmund hat aus dem Jesuswort ja etwas ganz anderes gemacht. Sein Licht nicht unter den Scheffel stellen, meint im Sprichwort, vor anderen zu bescheiden von den eigenen Leistungen zu reden. Aber nach dem Wort Jesu geht es hier nicht um die Selbstdarstellung vor anderen. Wichtig ist, was einer tut und wie das auf andere ausstrahlt. Lasst euer Licht leuchten für die Menschen: Wie eine Lampe auf dem Leuchter allen im Hause leuchtet, so leuchte das Licht eurer guten Taten für alle. Dies Wort vom Licht der Welt ist also keine Aufforderung zu kirchlichem Marketing nach dem Motto: Tu Gutes und sprich darüber. Es geht nicht um die Außendarstellung, sondern um die Taten selbst. Das Licht ist kein Scheinwerfer, der etwas anderes beleuchten würde. Das Licht der Welt ist die Ausstrahlungskraft, die in uns selbst liegt durch das, was wir sind und tun. Und diese Ausstrahlung gilt es nicht ausgehen zu lassen, nicht zu ersticken in gesellschaftlichen Rollen, nicht zu verbergen hinter Masken unserer selbst. Dem, was mich bewegt, Taten folgen lassen. Dem Innen ein wahrhaftes Außen geben: Das heißt, sein Licht nicht unter den Scheffel stellen.

Eine Ermutigung

Salz der Erde sein und sich auf das Wesentliche besinnen, Bergstadt sein und christliche Überzeugungen in der öffentlichen Auseinandersetzung nicht zurückhalten, Licht der Welt sein und den Glauben tätig sein lassen, in das Dunkel hineinleuchten und sich für andere einsetzen. Wollen wir das? Bequem ist es eben nicht. Eine Ermutigung gibt uns Matthäus mit auf den Weg: So leuchte euer Licht den Menschen, dass sie eure guten Taten sehen und euren Vater im Himmel verehren. Man könnte sagen: Wenn ihr tut, wie ihr glaubt, so wird das ansteckend sein für Gott. Die Musik Bachs etwa mag uns anstecken, Gott zu danken. Was gibt es Schöneres, als wenn andere unsretwillen Gott danken und ihm die Ehre geben. In diesem Sinne lohnt sich das Wagnis. Soli Deo gloria. Allein Gott zur Ehre.

Amen.

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