“Schaut die Lilien auf dem Feld an…”

Unser menschliches Sorgen hat Grenzen

Predigttext: Matthäus 6,25-34
Kirche / Ort: Offenbarungskirche / Berlin Friedrichshain
Datum: 20.09.2009
Kirchenjahr: 15. Sonntag nach Trinitatis
Autor/in: Pfarrer Mag.theol.Ulrich Hutter-Wolandt
Predigttext: Matthäus 6,25-34 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984) 25 Darum sage ich euch: Sorgt nicht um euer Leben, was ihr essen und trinken werdet; auch nicht um euren Leib, was ihr anziehen werdet. Ist nicht das Leben mehr als die Nahrung und der Leib mehr als die Kleidung? 26 Seht die Vögel unter dem Himmel an: sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen; und euer himmlischer Vater ernährt sie doch. Seid ihr denn nicht viel mehr als sie? 27 Wer ist unter euch, der seines Lebens Länge eine Spanne zusetzen könnte, wie sehr er sich auch darum sorgt? 28 Und warum sorgt ihr euch um die Kleidung? Schaut die Lilien auf dem Feld an, wie sie wachsen: sie arbeiten nicht, auch spinnen sie nicht. 29 Ich sage euch, daß auch Salomo in aller seiner Herrlichkeit nicht gekleidet gewesen ist wie eine von ihnen. 30 Wenn nun Gott das Gras auf dem Feld so kleidet, das doch heute steht und morgen in den Ofen geworfen wird: sollte er das nicht viel mehr für euch tun, ihr Kleingläubigen? 31 Darum sollt ihr nicht sorgen und sagen: Was werden wir essen? Was werden wir trinken? Womit werden wir uns kleiden? 32 Nach dem allen trachten die Heiden. Denn euer himmlischer Vater weiß, daß ihr all dessen bedürft. 33 Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch das alles zufallen. 34 Darum sorgt nicht für morgen, denn der morgige Tag wird für das Seine sorgen. Es ist genug, daß jeder Tag seine eigene Plage hat.

Exegetisch-homiletische Erwägungen

Den vorliegenden Text hat Mt in der Q-Überlieferung vorgefunden, wie ein Vergleich mit Lk 12,22–31 zeigt. Doch auch der Q-Text ist nicht einheitlich, denn die Verse V. 27 und 28a sind spätere Einfügungen, die einen weisheitlichen Aspekt in den Text einbringen. V. 34 ist ein vormatthäischer Zusatz; formgeschichtlich gehört der Text zu den Weisheitsworten Jesu. Wer sind die Adressaten dieser Spruchreihe, und was ist die Intention Jesu bei dieser Verbotsreihe? Die meisten Exegeten sind der Ansicht, dass dieser Text zur ursprünglichen Verkündigung Jesu gehört. Jesu wollte deutlich machen, dass sich die Menschen nicht von der Sorge beherrschen lassen sollen, sondern sich in den Dienst des Reiches Gottes stellen lassen. In den Versen V. 25b.c.26.28b–32b wird das Verbot des Sorgens ausgesprochen und mit dem Hinweis auf die Vögel des Himmels und der Lilien des Feldes begründet. Beide dienen nicht als Vorbilder fürs Nichtstun, sondern als Zeugen für Gottes Fürsorge. Wenn Gott sich schon diesem so schnell vergänglichen Teil seiner Schöpfung annimmt, um wie viel mehr dann seinem Ebenbild, dem Menschen? Die Beispiele, die Jesus in seiner Verkündigung aufgreift, sind dem Alltagsleben entnommen: säen und ernten als Arbeit des Mannes, arbeiten und spinnen als Arbeit der Frau, die in der Regel zu Hause geschieht. Die Sprüche richten sich an Kleinbauern in Galiläa, die am Rand des Existenzminimums leben. Jesu Botschaft ist positiv gedacht: gegen die Angst der kleinen Leute, gegen die Resignation und Mutlosigkeit spricht er von Gottes fürsorglichem Handeln. Er macht Mut, will Glauben wecken und aus der Enge der Existenzangst befreien. Die weisheitlichen Zusätze, die sich schon in der Q-Fassung finden – d.h. auch Q wurde redaktionell bearbeitet – in V. 25d und 27 belegen den Gedanken der generellen Sinnlosigkeit des Sorgens. Kern dieser Verse ist nicht mehr Gott als fürsorglicher Vater und Schöpfer der Welt, sondern der Gedanke der Vergeblichkeit allen menschlichen Mühens. Dem wird die Ausrichtung des Lebens auf die Basileia gegenübergestellt (V. 33). Damit wendet sich dieser Spruch konkret an charismatische Wandermissionare, die ganz von der Botschaft der Basileia erfüllt sind und in endzeitlicher Armut und von der Gastfreundschaft anderer leben. Mt hat diese Sprüche aus Q in seiner redaktionell bearbeiteten Bergpredigt Jesu eingefügt und verknüpft diese Sprüche mit der Kritik am Besitz (6,19–24). Durch die mt Komposition wird die Frage der Entscheidung zwischen Gott und Mammon (V. 24) auch zum übergeordneten Thema der Spruchreihe. Mt betont gegenüber der Ausrichtung auf irdisches Gut die Bedeutung des Schöpfungshandelns Gottes. Dieser ist der „himmlische Vater“ und sorgt für „alle“ Dinge. Mt tritt in V. 33 mit der Einfügung „und seine Gerechtigkeit“ theologisch eigenständig hervor. Mit diesem zentralen theologischen Begriff macht Mt die Perspektive menschlichen Handelns deutlich, die Priorität vor allem anderen hat: die Praxis der Gerechtigkeit, wie sie in der Bergpredigt entfaltet ist und wie sie dem Reich Gottes entspricht. Innerhalb der Bergpredigt muss der Abschnitt Mt 6,19–7,11 zusammenhängend betrachtet werden, da es in ihm um Fragen des Gemeindelebens geht. Bezüge zu den Antithesen der Bergpredigt (vgl. z.B. Mt 5,47; 6,32) und zum Vaterunser (vgl. Mt 6,7f; 6,32) sind deutlich. Das Verbot der Sorge um Nahrung und Kleidung wurde schon immer auch als Auslegung der vierten Bitte des Vaterunsers verstanden. Wer sind die Adressaten der Worte? Eine differenzierte Deutung der matthäischen Gemeindesituation unter Aufnahme der sozialgeschichtlichen Forschungsergebnisse bietet Ulrich Luz in seiner Monographie „Die Jesusgeschichte des Matthäus (1993). Die Gemeinde, für die Mt sein Evangelium verfasst, hat eine enge Verbindung zu urchristlichen Wandermissionaren, mit denen sie so selbstverständlich solidarisch ist, dass z.B. die Aussendungsrede Jesu in Mt 10 die Jünger sowohl als Wandernde wie als Sesshafte ansprechen kann. Ähnlich ist es in dem vorliegenden Abschnitt, in dem ebenfalls beide Lebensformen in der Gemeinde zu finden sind. Der Gedanke von Besitz und Besitzverzicht zählt auch an anderen Stellen bei Mt zu den wichtigen Themen (vgl. 13,22; 13,44–46; 16,26 und vor allem 19,16–30). Keiner kann sich der Entscheidung entziehen, entweder Gott zu dienen oder dem Mammon (Mt 6,24). Dieser Predigttext wirkt unterschiedlich auf die Hörer und Hörerinnen. Was die einen vielleicht als persönlichen Trost empfinden, das kommt bei den anderen nur als eine weltferne und unrealistische Sicht an. Die Predigt sollte diese Ambivalenzen zulassen und nach Möglichkeit ansprechen. Wenn es aber die Intention Jesu war, mit dem Beispiel der Vögel und der Lilien auf die Fürsorge Gottes für die Menschen hinzuweisen, dann sollte dies auch das erste Ziel der Predigt bleiben: Ermutigung der „Kleingläubigen“, Einladung der Mühseligen und Beladenen, Vertrauen zum „Vater im Himmel“. Der Prediger sollte sich davor hüten, alle möglichen Probleme, die die Hörer und Hörerinnen beschäftigen könnten, aufzuzählen. Vielmehr scheint hier die Konzentration auf wenige Beispiele sinnvoller. Es muss, wie es Ernst Lange 1969 in seiner Predigtmeditation zu diesem Text vorbildlich getan hat, die spezifische homiletische Situation der Gemeinde bedacht werden. Lieder: „Die güldne Sonne“ (EG 449, bes. Str. 4), „Nun danket all und bringet Ehr“ (EG 322), „Danke für diesen guten Morgen“ (EG 334), „Du meine Seele, singe“ (EG 302), („Erd und Himmel sollen singen“ (EG 499), „Singt das Lied der Freude über Gott (EG 305) Literatur: S. u. H.K.Berg, Bergpredigt. Biblische Texte verfremdet. Bd.8, München – Stuttgart 1988, 78-86 (gute Texte, Gedichte, Bilder und Karikaturen der Gegenwart zu Mt 6, 25-34!).- H.D.Betz, Kosmogonie und Ethik in der Bergpredigt, in: ders, Studien zur Bergpredigt, Tübingen 1985, 78-110.- P. Hoffmann, Jesu „Verbot des Sorgens“ und seine Nachgeschichte in der synoptischen Überlieferung, in: D.A. Koch u.a. (Hg.), Jesu Rede von Gott und ihre Nachgeschichte im frühen Christentum. Festschrift W. Marxsen, Gütersloh 1989, 116-141.- E. Lange, Bibelarbeit zu Matthäus 6,24–35, in: Predigtstudien I/2, Stuttgart 1973, 190-203.- U. Luz, Das Evangelium nach Matthäus, EKK I, 1, Neukirchen-Vluyn 2002 (5. völlig neubearb, Aufl.), 471-487 (Lit.!).- L. Schottroff/W. Stegemann, Jesus von Nazareth, Hoffnung der Armen, Stuttgart 1981.- S. Schulz, Q, die Spruchquelle der Evangelisten, Zürich 1972.- G. Strecker, Die Bergpredigt. Ein exegetischer Kommentar, Göttingen 1985 (2. Aufl.), 140-146.- P. Stuhlmacher, Predigt Mt 6, 19-34, in: Bergpredigt. Revolution der Welt durch Gott? 13 Predigten in der Stiftskirche Tübingen, Stuttgart 1973, 99-105.- G. Theißen/A. Merz ; Jörg Zink, Sorget nicht, in: V. Hochgrebe (Hg.), Provokation Bergpredigt, Stuttgart 1982, 91-104.

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Predigt

Liebe Gemeinde!

In der Bergpredigt stehen Worte, die uns immer wieder neu treffen, uns überraschen und vielleicht auch manchmal zu Widerspruch herausfordern. Hören wir Worte aus dem Matthäusevangelium Kap 6, 25-34 (Lesung des Predigttextes in einer zeitgemäßen Übersetzung, da die Evangeliumslesung, die gleichzeitig Predigttext ist, nach M.Luther erfolgte. Übersetzung z.B. nach U.Luz, Mt-Kommentar, bzw. G.Strecker, Bergpredigt).

Beim Hören des heutigen Predigtextes sind wir ganz Ohr, es geht um unsere Sorgen. Jesus spricht die Menschen in seiner Bergpredigt unmittelbar an: „Sorget nicht!“ Und ich denke, es sind viele in diesem Gottesdienst, die beim Hören dieser beiden Worte sehr nachdenklich werden. Wie gehe ich mit meinen persönlichen Sorgen um, welche Sorgen bringe ich heute Morgen mit in den Gottesdienst, welchen Stellenwert nehmen die Sorgen in meinem Leben im Augenblick ein? Lassen wir uns vom Wort Jesu herausfordern, unser Leben, unseren Alltag, all das, was uns beunruhigt und vielleicht sogar quält, zu bedenken. Aus heutiger Sicht könnte man meinen, dass Gott die Welt kaum noch kennt. Bekommt er denn nicht mit, was uns alle bewegt, und müssen wir uns unsere Sorgen aus dem politischen Alltag bis hinein in unsere eigenen vier Wände noch aufzählen? Arbeitslosigkeit, Kurzarbeit, Bankenkrise, Atommüllentsorgung, Staatsverschuldung, die Qual der Wahl bei der in der kommenden Woche anstehenden Bundestagswahl. Wer wird unser Land in dieser wirtschaftlich schwierigen Gesamtsituation in den nächsten Jahren regieren? All das sind nicht nur Fragen, sondern auch ganz ernste Sorgen, die die Menschen in unserem Land und vielleicht auch Sie heute Morgen im Gottesdienst bewegen. Ist Gott eigentlich noch geerdet, kennt er die Probleme und Sorgen der Menschen, oder thront er inzwischen fernab im Himmel ohne Kontakt zu seiner Schöpfung?

„Macht euch keine Sorgen!“, so sagt Jesus es seiner damaligen Gemeinde. Er hatte als einer, der immer wieder durch die Lande mit seinen Freundinnen und Freunden zog, ganz oft kein Dach über dem Kopf. Deshalb kann er auch sagen: „macht euch keine Sorgen um euer Leben, ob ihr etwas zu essen oder zu trinken habt, und um euren Leib, ob ihr etwas anzuziehen habt. Das Leben ist mehr als Essen und Trinken, und der Leib ist mehr als die Kleidung…“. Und dann sehe ich einen Menschen in meiner früheren Gemeinde in der Oberlausitz vor mir, der trotz Arbeit seinem Leben ein Ende macht, weil alle Freunde und die Kinder weggezogen waren, ihm das Leben sinnlos erschien und nicht mehr zu ertragen war. Ich sehe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Sozialämtern in Berlin vor mir, die kraftlos und ausgepowert sind, weil sie die Not und die Anfragen nicht mehr bewältigen können. Oder ich sehe Lehrerinnen und Lehrer vor mir, die viele Jahrzehnte begeistert unterrichtet haben, und nun nicht mehr können, vom Burnout-Syndrom geplagt sind, einfach nur noch müde und lustlos, mit ihrer physischen und psychischen Kraft am Ende. Ich sehe Jugendliche vor mir, die ohne Sinn und Verstand in den Tag hinein leben oder die nicht mehr mitkommen mit den ständig neuen Klamotten oder Handys anderer Mitschüler, weil die Eltern wegen Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit diesen Lebensstandart ihrer Kinder nicht mehr bezahlen können. Wir könnten das Klagen und Jammern noch weiter führen, obwohl es uns hier in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern noch gut geht. „Sorget nicht!“, sagt Jesus, der die Sorgen der Menschen kennt, und der in seiner Verkündigung immer darauf aufmerksam gemacht hat, dass Gott nicht der ferne Gott ist, sondern dass er sich gerade in die Tiefen menschlicher Existenz hinein begeben hat und sich mit den Menschen solidarisch fühlt. Der menschliche Jesus will uns zu einem Perspektivwechsel ermutigen. Wo wir uns nach immer neuen Kleidern umschauen, um uns vor uns selbst oder aber auch vor anderen verstecken zu können, wie es der katholische Theologe Eugen Drewermann einmal formuliert hat, da möchte Jesus uns zum Richtungswechsel auffordern, uns Luft zum Atmen verschaffen, den Kopf frei machen für die wichtigen Dinge im Leben. Jesus vermittelt den Menschen Vertrauen, Vertrauen, das auch in Krisen- und Sorgenzeiten trägt.

Auch Jesus weiß, dass wir uns Sorgen machen, dass das Leben uns oft herausfordert, uns manchmal auch an unüberwindbare Grenzen kommen lässt. Ihm geht es in seiner Predigt um den Stellenwert der Sorgen in unserem Leben, welcher Raum ihnen eingeräumt wird. Manchmal sind diese so bedrückend, dass sie die Freude am Leben und den Mut zu einem tragfähigen Glauben nehmen. Jesus hat ein gutes seelsorgerliches Gespür für die Sorgen und Nöte der Menschen, denen der Alltag oft die Nerven raubt und ihnen den Blick für ein Leben in Fülle verstellt. Jesus spricht klar aus, dass wir Menschen uns nicht von den alltäglichen Sorgen erdrücken lassen dürfen. Wir sollen den Kopf frei bekommen, für ein zuversichtliches und vertrauendes Leben. Doch dies alles fällt uns nicht einfach zu, so aus dem Nichts. Wer sich nicht auf den Weg macht, sich nicht auseinandersetzt, fragt, sucht, forscht, bleibt in der Dunkelkammer seiner Sorgen stecken. Und hier kommt uns wieder die bildhafte und lebendige Sprache Jesu zu Hilfe. Glaube muss als ein vertrauendes Leben einfach probiert werden. Da gibt es immer neue Varianten, Anfragen und Zweifel, so, wie ich Kleider probiere, wechsele, austausche bis sie endlich zu mir passen. Der Glaube braucht unseren ganzen Mut zur Auseinandersetzung, den Mut gegen den Strom zu schwimmen, den Mut auszuprobieren, um schließlich erfahren zu können, wie verlässlich, wie tragfähig und alltagstauglich er für mein Leben ist. Wer Gott aus seinem Leben entfernt, kann ihn auch nicht in den dunklen Tälern seines Lebens spüren.

In Potsdam, der Residenzstadt der preußischen Könige, nahe Berlin, erbaute Friedrich der Große ein kleines Schloss im Stile des Rokoko, dem er den Namen „Sanssouci“ gab, was aus dem Französischen übersetzt heißt: „Ohne Sorge“ oder „Sorgenfrei“. Er baute dieses Schloss, weil er als Herrscher, als Monarch frei sein wollte von allen Belastungen des Alltags, der Politik oder der Kriegsführung. Hier ging er seinen Neigungen im musisch-philosophischen nach: er diskutierte mit internationalen Gelehrten seiner Zeit über Gott und die Welt und er fand Ruhe in der Musik, die er mit eigenen Flötenkompositionen bereicherte. Sanssouci war für Friedrich den Großen ein ganz besonderer Ort der Ruhe. Für uns ist, liebe Gemeinde, nicht wichtig, ob der König in Sanssouci wirkliche Ruhe fand. Nein, es geht vielmehr darum, uns räumlich oder gedanklich in unserem Leben Orte zu schaffen, an denen wir uns sorgenfreier fühlen können. Musik, Literatur oder Kunst können solche Orte sein, bei denen wir den Alltag vergessen. Auch gute Gespräche in der Familie oder mit Freunden können solche Ruheoasen sein. Oder das Hören auf einen Bibeltext, mit dem Gott uns persönlich anspricht, ein Gottesdienst, in dem wir Gemeinschaft, Ermutigung und Trost erfahren, all dies können solche Ruhepunkte sein. Immer sind wir aufgefordert, etwas zu tun, damit wir nicht durch unsere lähmenden Sorgen erstickt werden. Immer wieder frage ich mich, warum die Menschen trotz der unzähligen modernen „Ersatzreligionen“ wie Schönheit, Geld, Auto, Computer oder die ganzen Formen von Versicherungen dennoch nicht zufrieden oder glücklich sind? Unser Glaube sorgt nicht dafür, dass uns ein Schlaraffenland geschenkt wird. Doch müssen wir lernen, dass uns der Blick nicht weiter verstellt wird, weil wir Gott mehr zutrauen können, als den dunklen Lebenserfahrungen, die uns immer wieder begleiten. Die Bibel ist voll von solchen Geschichten und Erfahrungen, die die Menschen zu einem freien und gottnahen Leben ermutigen. Denken wir an Jakob und Esau, die ihren Hass besiegen können und sich wieder vertragen. Denken wir an das Volk Israel, das sich gegen die Herrschenden auflehnt, einen gefahrvollen Weg auf sich nimmt, der schließlich in der Freiheit führt. Oder denken wir an die Propheten, die immer wieder auch das eigene Herrscherhaus anklagen, dafür verfolgt und geschlagen werden. Und trotzdem setzt sich ihre Botschaft der Wahrheit durch. Und schließlich denken wir an den Fremden, den Samariter, der den Verletzten nicht am Weg zwischen Jerusalem und Jericho liegen lässt, sondern ihm hilft, weil er von Gott gehört hat.

Liebe Gemeinde, Jesus nahm die Menschen in den Blick: die Gesunden und Starken, die vom Leben benachteiligten, die kranken oder die schuldig geworden waren, die ihren Glauben an Gott verloren hatten und auch diejenigen, die meinten, sie hätten allein Gott auf ihrer Seite. Mitten in den Katastrophen des Lebens, zeigt Jesus den Menschen einen neuen Weg. Wir Christinnen und Christen müssen damit rechnen, dass unser Glaube versagen kann. Doch immer dürfen wir Menschen begegnen, die Wege zeigen, die von Gott zum Menschen führen und vom Menschen zurück zu Gott. Dabei geht es auch um Nähe und um Worte des Vertrauens und der Hoffnung. Da wird das Wort Jesu konkret, nur liegt es an uns, es zu hören und ihm zu vertrauen. Jesus weiß, dass die Sorgen und Nöte zu unserem Leben gehören, auch Jesus musste das immer wieder in seinem Leben erfahren. Jesus will dies mit seiner Botschaft deutlich machen, dass wir offen werden für ein Leben, dem Zukunft verheißen ist. Das heißt nicht, dass wir in finanzieller Sicherheit leben, dass wir gut aussehen oder beliebt sind, es bedeutet auch nicht, dass wir nicht einmal alt oder krank werden. Wir bleiben auch von Sorgen nicht verschont. Vielmehr ermutigt Jesus uns, gerade in solchen Not- und Sorgenzeiten den Glauben und die Hoffnung nicht aufzugeben. Es geht um die Grundentscheidung zwischen Gott und den Göttern, zwischen Gott und all dem, was wir zu unseren Göttern gemacht haben. Wir sind keine Vögel und keine Blumen auf dem Feld, die sich nicht um das Alltägliche sorgen müssen, wir sind Menschen, mit Gefühl und Verstand ausgestattet, doch gerade darum gilt es, den ganz anderen Reichtum im Leben zu suchen, der mehr ist, als der, dem wir oft in krankhafter Verzweifelung nachjagen. Lassen wir uns von Jesus einladen, in unserem Leben nach Orten zu suchen, die uns sorgenfreier und zuversichtlicher leben lassen. Gott wird uns dabei, da bin ich ganz sicher, auf diesem Weg begleiten. Ich möchte schließen mit einer kleinen rabbinischen Geschichte: „Ein Rabbi, gefragt, woran man einen weisen Mann erkenne, antwortete: Wenn ich liege, dann liege ich; wenn ich stehe, dann stehe ich; wenn ich gehe, dann gehe ich. Der Frager erwiderte: Das tue ich doch auch. Nein, sagte der Rabbi. Wenn du liegst, dann denkst du schon ans Stehen; wenn du stehst, dann denkst du schon ans Gehen; wenn du gehst, dann denkst du schon wieder ans Liegen“.

Amen.

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2 Kommentare on ““Schaut die Lilien auf dem Feld an…”

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