Erntedanktag – Dankbar ins Leben gehen
Die Seele interessiert weder Besitz noch Geld, sie will im Einklang leben mit einem Sinn, mit Gott, mit seiner Schöpfung
Gedanken beim Lesen des Predigttextes
Die Eingangssituation spricht einen Fall an, der gerade heute zu Auseinandersetzung, zum Krieg und Bruch in Familien führt: die Teilung eines Erbes. Interessant, dass sich Jesus gar nicht darum kümmert: er ist kein Jurist. Aber er spricht das Thema hinter dem Thema an: die Gier und Habsucht. Und er formuliert gleich seine Antwort auf die Frage: Niemand lebt davon, dass er viele Güter hat. Ein trivialer Satz zum Thema: Wovon und wozu lebt der Mensch? Vgl. hier Tolstoi, Wieviel Erde braucht der Mensch. Die Geschichte könnte hier schließen – und mag wohl eine Notiz aus dem Reisetagebuch des Lukas sein, die Erinnerung an eines der vielen Gespräch, die Jesus mit den Menschen geführt hat. Doch Lukas fügt ein Gleichnis an und endet es mit einem neuen, „frommen“ Lehrspruch: So geht es dem, der sich Schätze sammelt und ist nicht reich bei Gott.Exegese
Die Einleitung zum Reichen Kornbauern bildet mit V 13f ein Apophthegma, das einem tatsächlichen Gespräch Jesu entnommen sein mag und die Feststellung enthält, er, Jesus, habe kein juristisches Mandat für Erbstreitigkeiten. V 15 bildet die Überleitung zur Beispielgeschichte (nicht Gleichnis!) vom Reichen Kornbauern und problematisiert das Thema hinter dem Thema. Die Erzählung selbst ist so formuliert, dass der Leser/die Leserin/Hörer/Hörerin angesprochen wird. Jesus inszeniert das Selbstgespräch eines Bauern, dessen Ernte (sehr) gut ausgefallen ist. Der Rezipient wird gerne den Gedanken folgen – bis zur schroffen Unterbrechung: Du Narr! Du Idiot! Memento mori! Liegen hier Anklänge an die harten Predigten des Johannes baptista vor? Hat Jesus nicht mehr von der „Freude Gottes“ gesprochen als den Menschen das Fürchten zu lehren? Kann sich der Mensch sein Leben mit ein paar gefüllten Scheunen als „ewiges Leben“ (ohne Gott) sichern? V 21 scheint der Weisheitstradition (Jesu?) entnommen: Wie ist das Verhältnis von materieller Sicherung des Lebens zur konkreten Lebenszeit? Und liegt im „Reichtum vor Gott“ nicht auch die Dankbarkeit für ein Leben, das uns gegeben ist und das wir uns letztlich nicht verschaffen und sichern können?Gedanken zur Predigt
Ein hochaktuelles Thema: Erbrecht und Erbschaftssteuer heute. Der unbekannte Gesprächspartner Jesu könnte heute auf die reiche Elterngeneration und die privilegierte Situation der Kinder anspielen, auf das Thema der Erben angesichts unsrer Weltwirtschaftskrise. Von der Gier ist die Rede und auch von der Sorge um Besitz. Diese Themen sind sehr ernst zu nehmen, weil Erbstreitigkeiten, Ängste vor Verarmung, Planungen von Sicherheiten, Zerwürfnisse zwischen Geschwistern wegen des (geerbten) Geldes vielen Menschen sehr bekannt sein werden. Die Predigt sollte hier Jesu Mahnung beherzigen und keine juristischen Empfehlungen und Ratschläge weitergeben. Sie sollte bei ihrem eigenen Geschäft bleiben und wie Jesus darüber nachdenken, was hinter diesen Problemen steckt. Also keine Schelte der Predigthörer/innen sondern Einladung zum Nachdenken, was das eigene Leben trägt, treibt und sinnvoll macht. Der schließliche Sinn der Beispielgeschichte, reich vor Gott zu sein, wäre dann genauer zu meditieren. Hier kann der Prediger/die Predigerin auch Bezug nehmen zu den Gaben des Erntdanktags.Lieder
„Gott gab uns Atem“ (EG 432) „Danke“ (EG 334) „Wir pflügen und wir streuen“ (EG 508) „Wir teilen die Äpfel aus“ (Kirchentag) „Vertrauen wagen dürfen wir getrost“ (Kirchentag) „Wie viel Zeit beraucht ein Mensch“ (Kirchentag)Gebet
Gott, wir legen dir unser Leben vor mit all seinem Planen und Sichern, mit all seinen Freuden und Ängsten, mit Gesundheit und Krankheit. Wir bitten dich: Gib uns einen Blick der Klarheit und Liebe, dass wir erkennen und trennen können, was zum Leben dient und was ihm schadet. Wir leben in Gemeinschaft mit Menschen, die uns nahe sind und auch fern. Wir brauchen ein gutes Netzwerk an Vertrauen, an Menschen, die uns gut sind, auch wenn wir dies nicht immer erwidern können. Gib uns einen Blick der Klarheit und Liebe, dass wir erkennen, was hinter einem Konflikt oder Streit steht. Unsre Seele braucht mehr als Geld und Gut, Essen oder Trinken. Sie braucht einen Raum, in dem sie sich wohlfühlt, in dem wir atmen können, reden, schweigen, schauen können. „Unsre Seele ist unruhig, bis sie ruht in dir“, dem Quell und dem Ziel unsres Lebens. Zu dir gelangen wir durch deinen Sohn Jesus Christus. Amen.Predigt
Liebe Gemeinde!
Der Erntedanktag gehört zu den beliebtesten Gottesdiensten der Kirche. Wir kommen gerne in die Kirche, wenn der Altar schön geschmückt ist mit den Gaben, die viele Menschen mitgebracht haben. So bunt ist das Leben, so reich, so vielfältig. Aber eben auch: so reich. Aus den Nachrichten erfahre ich, dass Europa reicher als die USA sei. Wir sind reich beschenkt. Tief in unsrer Seele spüren wir, „das es gut ist“, was uns Menschen seit der Schöpfung dieser Welt beschert wird. Vielleicht klammern wir einen Augenblick auch die Sorgen und Ängste aus, die uns gerade in der heutigen Zeit unter der Woche beschäftigen und beschweren, vergessen in dieser Stunde, was uns, auch finanziell, belastet. Nein, dieser Tag gehört der Dankbarkeit über die Schönheit der Gaben und mag unseren Blick auf den großzügigen Geber dieser Gaben lenken: Danke, für diesen guten Morgen, danke! O Herr, ich will dir danken, dass ich danken kann!
Im normalen Leben bewegen uns andere Gedanken. Da mögen Sorgen im Vordergrund stehen, Planungen von Sicherheiten, Ängste, wie wir mit unserem (knappen) Geld auskommen können. Wie gut, dass es gesetzliche Regelungen gibt, die unsrer Wohlfahrt dienen sollen! Wie gut, dass es Juristen/Juristinnen gibt, die dafür sorgen, dass uns Recht geschieht! Wie gut, dass wir in Deutschland in keinem rechtsfreien Raum leben! Wenn es dann z.B. in der Familie zum Rechtsstreit kommt, kann ein Anwalt angerufen werden, der sich um die Rechtslage kümmert. Genau dies ist die Ausgangslage unserer heutigen Perikope, die uns von Lukas aufgeschrieben ist.
(Lesung des Predigttextes)
Eigentlich zwei Geschichten. Die erste ist schnell gelesen, gehört und verstanden: wenn es um einen Rechtsstreit geht, ist es sinnvoll zu fragen, was hinter diesem Konflikt steht. Jesus: Nehmt euch in acht und hütet euch davor, in euerem Leben immer mehr haben zu wollen! Dies ist ein vernünftiger Rat, den uns jede/r Mediator/in geben würde: Wäg doch bitte ab, ob es einen (Rechts-) Streit lohnt, der mit Kosten, Zeit und Nerven verbunden ist. Außerdem: Niemand lebt davon, dass er immer mehr hat und anhäuft.
Vielleicht mag ihn der Frager angeschaut haben: Kannst Du mir nicht ein Beispiel erzählen? Was genau meinst Du? Jesus scheint in seinem Metier zu sein und erzählt eine Geschichte. Sie beginnt so einfach, dass wir nur zustimmen werden: Wir verdienen gut, haben eine Glückssträhne oder einfach nur gut gewirtschaftet. Da wird man doch zu seiner Seele sagen dürfen: Seele, du hast viel Gutes gelagert auf viele Jahre. Mach mal Pause! Iss, trink! Freu dich! Entspann dich! Fahr nach Mallorca oder Ibiza! Geh tauchen oder auf Weltreise! Lass es dir gut gehen! Denn endlich hast Du Deine Sorgen los. Dein Plan ist aufgegangen. Deine Mühe hat sich gelohnt. Du bist erfolgreich gewesen: Genieß das mal, erhol dich für den nächsten go!
Vielleicht haben Sie eine solche Situation schon einmal erlebt. Auf jeden Fall werden Sie so etwas von Freunden oder Bekannten kennen – und dann die Nachricht: Herzinfarkt aus heiterem Himmel! Und in der Zeitung steht dann: Aus dem Leben gerissen, und er hatte doch eine derartig gute Zukunft. Ich empfinde diesen Schlag als unbarmherzig: Wie konnte Gott das zulassen? Wie drückt es Jesus aus: Du Idiot! In dieser Nacht wird man deine Seele von dir fordern. Was du vorbereitet hast – wem wird es gehören? Hier spricht kein zartes Jesulein sondern ein realistischer Jesus. Ich denke hier an die Geschichte von Tolstoi: Wieviel Erde braucht der Mensch? Lest einmal diese Erzählung von dem Bauern Pachom, der seine Scholle verlässt und in fremdes Land zieht. Er hatte gehört, dass dort Land die Fülle zu haben sei. Jeder bekomme so viel, wie er an einem Tag umschreiten kann. Die Gier lässt den Bauern Pachom zu weit gehen. Er schafft es zwar, wieder an seinen Ausgangspunkt zurück, aber dort bricht er tot zusammen.
Wir sprechen heute von der (work – )life – balance, was bedeutet, dass Leben und Arbeiten in einem guten und sinnvollen Verhältnis stehen müssen. Jeder workoholic wird seinen Preis bezahlen für die Gier, „nur noch“ dies erledigen, arbeiten oder planen zu müssen. Jesus hat in vielen Beispielgeschichten und Gleichnissen von dem Preis gesprochen, den Menschen bezahlen müssen und sie derart zum Nachdenken gebracht. Wie auch in dieser Geschichte ist erstaunlich wenig von Gott die Rede – außer am Ende, wo Jesus vom „Reichtum vor Gott“ spricht. Wie können wir uns das vorstellen?
Als Erstes: Wenn ihr ein Problem habt, dann guckt, was das Thema hinter diesem Problem ist. Denn sonst löst ihr das Thema nicht oder nur vordergründig. Steht hinter dem Problem die Gier oder der Hass oder gekränkte Eifersucht? Dann bearbeitet diese Themen!
Zum Zweiten: Geld allein macht weder glücklich noch sicher. Wichtiger mag es sein, sich mit dem Bruder oder Nachbar zu verständigen, so dass kein Kleinkrieg das Verhältnis belastet. Was hilft es, recht zu haben – und im Unfrieden zu leben? Das zehrt an den Nerven und verbraucht das mühsam erarbeitete und gesparte Geld für teure Sicherungsanlagen.
Und Drittens: Versucht sinnvoll zu leben und damit „reich vor Gott“. Die Seele interessiert weder Besitz noch Geld. Sie will im Einklang leben mit einem Sinn, mit Gott, der dieses Leben, diese Welt mit ihren Werten transzendiert. Er ist die 3. Ebene, ohne die wir sprichwörtlich von der Hand in den Mund leben, aber mit der wir in einem (geistlichen) Raum leben, der uns Atem gibt, Lebenslicht und Hoffnung: einen neuen Schöpfungsraum „um Gottes willen“.
Was wohl der Gesprächspartner Jesu damals gesagt hat? Aber vielleicht ist noch wichtiger, was wir heute dazu sagen, ob wir angesichts des Reichtums dieser Gaben erkennen: „Von deiner Gnade leben wir/und was wir haben, kommt von dir/Drum sagen wir dir Lob und Preis/Tritt segnend ein in unsern Kreis!“ (EG Bayern 812.6/EG Rheinland 886/EG Kurhessen, NEK 837). Erntedankfest – Erinnerung an die Schöpfung, die unserm Leben Raum gibt, dass wir atmen können, uns aufrichten und dankbar ins Leben gehen können.
Amen.