Glaube
Der Glaube, das Vertrauen ist wirklich eine Alternative zu allen unseren Versuchen, selber heil, gesund zu werden und die eigene kleine Welt heiler, gesünder werden zu lassen
Predigttext: Johannes 14,1 - Jahreslosung 2010
Jesus Christus spricht: Euer Herz erschrecke nicht. Glaubt an Gott und glaubt an mich.Predigt
(Ich erzähle:)
Sie müssen den zweiten Teil ernster nehmen, meinte sie.
Den zweiten Teil von was?, erwiderte er.
Sie haben eben doch etwas zitiert.
Das Gespräch war schon länger hin und her gegangen, er musste sich besinnen, was alles zwischen ihnen Thema geworden war.
Sie haben doch, nahm sie den Faden wieder auf, aus der Bibel zitiert, das scheint Ihnen wichtig.
Ach so, ja, die Jahreslosung für 2010 aus dem Johannesevangelium. Den zweiten Teil? Also: Glaubt an Gott und glaubt an mich! Ernster nehmen: Wie meinen Sie das?
Mir scheint, Sie hängen, Sie kleben am ersten Teil: Euer Herz erschrecke nicht!, sagte sie.
Was heißt: hängen, was heißt: kleben? Ich will glauben, aber dafür will ich meine Angst in den Griff bekommen, meine Furcht.
Genau darum bekommen Sie sie nicht in den Griff!
Das verstehe ich nicht: Ich will sie in den Griff bekommen und bekomme sie darum nicht in den Griff?
Sie kennen sich doch in der Bibel aus, fuhr sie fort.
Eben: Ich möchte meine Furcht loswerden – um besser glauben zu können.
Ich bin mir nicht sicher, ob ich mich in religiösen Fragen so gut auskenne wie Sie, aber nach meinem Wissen ist das doch eine zentrale Aussage in der Bibel: Wir Menschen haben uns von Gott losgesagt und jeder Versuch, das mit unseren Mitteln zu korrigieren, mit unserer Kraft zu ihm zurückzukehren, führen uns weiter von ihm fort und tiefer in unsere Not. Euer Herz erschrecke nicht; glaubt an Gott und glaubt…
Aber, wand er ein, da steht es doch schwarz auf weiß: Euer Herz erschrecke nicht!
Eben, meinte sie, wir geraten hier leicht in Teufelskreise: Wir erleben, was uns Angst einflößt, wir wollen die Angst loswerden, fürchten uns vor dem, was uns Furcht einflößt und fürchten uns vor unserer Furcht… Die Angst, unsere Angst nicht loszuwerden, wird größer. Mit anderen Worten: Je ängstlicher wir unserer Furcht und Angst in die Augen sehen, desto fester greift sie nach uns.
Aber ich will fester glauben und darum…
Diesmal ließ sie ihn seinen Satz nicht zu Ende bringen: Vielleicht beschreibt das Bibelwort keine Folge: erst das Erschrecken loswerden und dann glauben. Hier könnte eine Alternative gemeint sein.
Eine Alternative?
Der Glaube als ein ganz anderer Weg, verglichen mit unserer Flucht aus der Furcht und als die Flucht vor der Furcht vor der Furcht vor der Furcht vor der Furcht…
Aber nun gehört die Angst zu unserem Leben. Ich kann nicht die Augen schließen vor dem vielen Furchtbaren, und was in der Zeitung steht, in den Nachrichten zu sehen ist, nimmt uns die Angst ja auch nicht.
Sie haben recht, meinte sie wieder, vielleicht ist es das größere Ziel und der größere Erfolg von Al-Qaida und anderen als der Mord an einigen Zeitgenossen: Sie versetzen die Welt in Angst – mit dem Erfolg: Wir geben für unsere Sicherheit noch mehr und noch mehr und immer noch mehr Geld aus.
Ihm fiel ein: Es genügte ja der Hinweis: Es gibt eine neue Art von Grippe, die Schweinegruppe, um in Deutschland alle damit zu beschäftigen.
Eben. So ist es auch im persönlichen Bereich, fuhr sie fort. Da ordnet ein Arzt eine gründlichere Untersuchung an oder überweist Sie woanders hin – und Sie spüren, was da in Ihnen arbeitet.
Aber die Angst ist doch eine biologische Gegebenheit, sie gehört zum Leben und das Erschrecken ist unvermeidlich.
Gewiss, nahm sie den Faden wieder auf, Angst schützt. Wir müssten uns als seelenlos bezeichnen lassen, gäbe es bei uns kein Erschrecken.
Aber nun sprachen Sie von der Alternative…
Angst und Furcht verselbständigen sich leicht und kehren sich dann gegen uns, schützen nicht mehr, sondern beherrschen uns, meinte sie. Wir brauchen Alternativen; sonst löst sich unser Blick nicht von dem, was uns beherrscht.
Sie sprechen vom Blick? Geht es nur um die Änderung der Blickrichtung? Ich erinnere mich an eine Veranstaltung in der Gemeinde, da wurde uns deutlich gemacht: Was Luther und andere mit „Glauben“ übersetzen, meint ursprünglich Vertrauen. Die Jahreslosung hieße dann so: Vertraue Gott und vertraue mir, Jesus!
Der das Flugzeug in die Luft sprengen wollte, sagte sie, hat vielleicht nie wirklich tiefes Vertrauen empfangen oder sich in Vertrauen einüben können. Wer in seiner ehemaligen Schule im Amoklauf um sich schießt, hat mit Sicherheit kein vertrauensvolles Verhältnis zu anderen entwickelt. Zwar müssen wir uns frei machen von der Illusion, wir könnten mit unserem Vertrauen, unserem „Glauben“, die Welt verändern. Wir kriegen mit Glauben und Beten nicht den Terror aus der Welt geschafft. Aber unsere Freude über das Geschenk des Lebens darf uns nicht verloren gehen. Dafür können wir wenigstens in unserer kleinen Welt Sorge tragen. Ihnen ist doch wichtig: Diese Freude – oder diese Gelassenheit – schenkt uns der Glaube an Gott, das Vertrauen in ihn. Wir haben gesehen: Wir können uns nicht lösen von dem, was uns besetzt hält. Also muss es eine Alternative geben: Wovon lassen wir uns bestimmen? Was gewinnt Macht über uns?
Aber Sie haben doch eben selber betont: Angst und Furcht behalten ihr Recht in unserem Leben.
Dazu stehe ich auch, betonte sie, aber auf dieser Grundlage bekomme ich hoffentlich, bekommen Sie hoffentlich eine andere Einstellung zum Bedrohlichen, Gefährlichen. Sie als religiöser Mensch wissen doch: Ihr Leben ist noch in einer anderen Weise gehalten, gestützt, geborgen als durch alles, was wir uns als Grundlagen schaffen können. Wir sollen, wir dürfen nicht leichtfertig Leben und Gesundheit aufs Spiel setzen. Aber getragen vom Glauben oder, anders gesagt, vom „Vertrauen“, stürzen wir uns hoffentlich nicht in Scheinalternativen: in eine betäubende Arbeitswut, in oberflächliches Vergnügen…
Ich verstehe immer noch nicht ganz, wie das geschehen soll: Mein Glaube soll mir das Erschrecken nehmen… Vieles ist und bleibt schrecklich.
Möglicherweise meint dieser Evangelist etwas ganz anderes: Wir wissen doch, wie Jesu Zeitgenossen erschrocken sind über seinen Weg, über seine Botschaft. Sie kannten die Grundlagen ihrer Religion. Und nun bietet jemand dazu eine Alternative an: Darüber erschrecken sie. Jesus meint mit Sicherheit nicht, wie wollten nicht mehr erschrecken über das Schreckliche. Aber das könnte er meinen: Euer Herz erschrecke nicht darüber, dass ich euch einen anderen Weg anbiete. Erschreckt nicht, weil es für mich noch einen anderen Weg gibt. Der Glaube, das Vertrauen ist wirklich eine Alternative zu allen unseren Versuchen, selber heil, gesund zu werden und die eigene kleine Welt heiler, gesünder werden zu lassen.