Von Gott geliebte Welt

Die Weisen aus dem Morgenland verliehen dem Weihnachtsgeschehen einen universalen Zug

Predigttext: Epheser 3,2-3a.5-6
Kirche / Ort: 09322 Penig
Datum: 6.01.2010
Kirchenjahr: Epiphanias
Autor/in: Pfarrerin em. Ursula Bürger

Predigttext: Epheser 3,2-3a.5-6 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)

2 Ihr habt ja gehört, welches Amt die Gnade Gottes mir für euch gegeben hat: 3 Durch Offenbarung ist mir das Geheimnis kundgemacht worden, [wie ich eben aufs kürzeste geschrieben habe. 4 Daran könnt ihr, wenn ihr's lest, meine Einsicht in das Geheimnis Christi erkennen.] 5 Dies war in früheren Zeiten den Menschenkindern nicht kundgemacht, wie es jetzt offenbart ist seinen heiligen Aposteln und Propheten durch den Geist; 6 nämlich daß die Heiden Miterben sind und mit zu seinem Leib gehören und Mitgenossen der Verheißung in Christus Jesus sind durch das Evangelium.

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Adressat des Epheserbriefes

Wie im Kolosserbrief schreibt Paulus aus dem Gefängnis (3,1;4,1;6,20) und schickt seinen Mitarbeiter Tychikus (6,21ff) als Überbringer des Briefes. Über die Empfänger gibt es keinen Aufschluß. Der nur Kap 1,1 vorkommende Name Ephesus ist in älteren Handschriften nicht vermerkt. So könnte dieser Brief auch ein Rundschreiben an einen Kreis kleinasiatischer Gemeinden gewesen sein. Dieser Brief ist meditationsähnlich geschrieben und will seelsorgerlich trösten. Der Schreiber nutzt seine Gefangenschaft ganz im paulinischen Stil in besonderer Weise zur Verkündigung. Er ist „Gefangener Christi Jesu für euch Heiden“. Ob dieser Brief wirklich von Paulus stammt, wird von einigen Auslegern bezweifelt, aber er ist doch in paulinischem Sinn und Geist verfaßt, will die Botschaft von der Universalität der Liebe Gottes zur gesamten Menschheit ausbreiten. Diesem Bestreben stellt sich der Schreiber des Briefes zur Verfügung. In seiner Stellung im neutestamentlichen Kanon bildet dieses Schreiben den Übergang zu den sog. Katholischen, d.h. an keine einzelne Gemeinde gerichteten Briefen (Jak.,Petr.,Joh.,Jud.) Paulinisch ist auch der stufenweise Aufbau: Der Christ ist verwurzelt in der Gemeinde, diese in Christus, Christus in Gott. Und alle Menschen, auch die Heiden, sind Miterben, Mit-leib, Mitteilhaber der Verheißung in Christus Jesus.

Einzelauslegung zum Predigttexext

Die Verse 2-3a;5+6 gehören in den größeren Zusammenhang Kap 3,1-13: Paulus als Gesandter Gottes weiß um das Geheimnis. Und das Geheimnis Christi ist, daß die Heidenvölker (ta ethnä) Miterben sind, mit zum Leibe Christi gehören und Mitgenossen der Verheißung in Christus Jesus sind. Dieses Geheimnis ist Paulus offenbart worden durch den Geist. Dieses allen – Christen wie Heiden – kundzutun, sieht Paulus als seine Lebensaufgabe an. Deswegen ist er ein Gefangener Christi „für euch Heiden“, deswegen steht er in Auseinandersetzung mit den „Altgläubigen“ Petrus und seiner judenchristlichen Gemeinde in Jerusalem.

Gedanken zur Predigt

Ein in der Kirchengeschichte immer wieder kontrovers diskutiertes Thema: Alt- und Neugläubige, die „Drinnen“ und die „Draußen“, Kerngemeinde und Randsiedler, Erweckte und Karteileichen, Gläubige und Atheisten, Erwählte und Nichterwählte...wird universal und global beantwortet. Den Mut dazu nimmt er aus dem „Ratschluß der Gnade Gottes, die mir für euch gegeben ist“. Also, alle Verkündigung, die andere ausschließt von der Gnade Gottes, entspringt eigenem menschlich-egoistischem Denken und kann sich nicht auf Gottes Gnaden-Ratschluß beziehen. Mission ist daher auch nicht vom Besitzdenken oder von der zahlenmäßigen Vermehrung der Mitglieder der christlichen Kirchen zu verstehen, sondern Mission ist nach Epheser 3,2ff die Enthüllung des göttlichen Gnadenbeschlusses für alle Menschen, etwas, das leider noch nicht alle wissen , oder ihnen sogar abgesprochen worden ist. Das altkirchliche Motto: „Extra ecclesiam nulla salus“ schließt ja alle Menschen außerhalb der Kirche vom Heil aus. Dagegen wird im Epheserbrief den Heiden ohne Vorbedingung die Miterbenschaft und volle Teilhabe am Evangelium Jesu Christi zugesichert. Nun müssen sie es „nur“ noch erfahren. Da paßt als anschauliche Geschichte die Erscheinung der Weisen aus dem Morgenland Mt 2,1-12 dazu. Die „Völker“ kommen zur Krippe, ohne Bedingung und ziehen auch ohne Auflage wieder ab. Im Kapitel 3 des Epheserbriefes ist das paulinische Missionsprogramm beschrieben, wie Paulus sein Apostelamt als Heidenmissionar verstanden hat, nämlich: Er weiß um das Geheimnis der göttlichen Gnade für alle Menschen. Er muß es verkündigen und alle Folgen, Verfolgungen, Verhaftung, sogar den Tod, bereitwillig auf sich nehmen. Ein anderer Gedanke legt sich auch für die Predigt nahe: Wo und wie hat sich heidnisches Denken in die christliche Gemeinde eingeschlichen? Heidnisch ist fatalistisches Denken, alles Denken in Vorurteilen, andere Menschengruppen ausschließend. Weihnachten ist erst 14 Tage her. Da wurde allen Menschen die Liebe Gottes und Friede auf Erden verkündet. In der Menschwerdung des Gottessohnes ist uns das Geheimnis der göttlichen Gnadenzusage entdeckt worden. Wir können nun nicht anders, als in allen Menschen – ohne Ausnahme – Miterben, Mitgenossen und Mitglieder der Verheißung in Jesus Christus zu sehen und sie auch so anzunehmen. Das ist die große Aufgabe unserer Kirchen und Gemeinden.

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Predigt

Liebe Gemeinde!

Es ist noch gar nicht lange her, da haben wir es gehört: „Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren…“ Viele Menschen haben es gehört und sind angerührt worden von der biblischen Botschaft. Hoffentlich ärgert sich keiner aus der sogenannten Kerngemeinde mehr, daß zu Weihnachten auch Leute in die Kirche kommen, die sonst das Jahr über nicht hineingehen. Heute, am 6.Januar, denken wir an die Weisen aus dem Morgenland, die zur Krippe kommen und dem ganzen Weihnachtsgeschehen einen universalen Zug verleihen. Mit diesen Fremden bringt der Evangelist Matthäus zum Ausdruck: Mit Jesus Christus ist das Heil für die ganze Welt gekommen. Gold, Weihrauch und Myrrhe bringen sie mit. Also müssen es wohl drei Geber gewesen sein. Das waren die drei zur Jesuszeit bekannten Erdteile: Afrika, Asien, Europa. Schwarze, gelbe, weiße Menschen. Weihnachten ist ein offenes Fest. Jeder Mensch darf in den Stall an die Krippe. Es ist keine geschlossene Veranstaltung. Auch die Heiden haben unmittelbaren Zugang, engsten Kontakt mit Jesus Christus – wie es später im Leben Jesu auch immer wieder geschieht, daß Frauen, Kinder und Fremde Zugang zu ihm haben.

Paulus schreibt im Epheserbrief: „Die Heiden sind Miterben und gehören mit zu seinem Leib und sind Mitgenossen der Verheißung in Christus Jesus durch das Evangelium“. Auch die Heiden gehören zum Leib Christi! Wer sind denn die Heiden? Was ist heidnisches Denken? Heidnisch ist, wenn Menschen sagen:
– Die Menschheit ist nur mit Macht und Gewalt zu regieren,
– es gibt ein unabänderlich ewig beschlossenes Schicksal für mich, gegen das ich nichts tun kann, es kommt am Ende doch so, wie es beschlossen ist,
– die da oben machen ja doch, was sie wollen, und wir hier unten können nichts tun.

Gegen solche Ansichten stehen die kraftvollen hoffnungsfrohen Aussagen des christlichen Glaubens, wie sie z.B. in einem Glaubenslied aus El Salvador herausklingen: „Ich glaube fest, daß alles anders wird, daß uns die Liebe immer weiter führt. Ich glaube fest an eine neue Sicht, wenn bald im klaren Licht ein hoffnungsvoller Tag anbricht“. Das singen Christen und machen damit deutlich, daß auch sie immer wieder die Besinnung auf das brauchen, was sie glauben, daß auch sie immer wieder neu missioniert werden müssen. Durch Jesus Christus haben alle Menschen, ob sie sich schon in einer christlichen Kirche vorfinden oder nicht, Zugang zum Heil. Niemand ist ausgeschlossen. Daß Jesus Christus geboren wurde, ist ein wichtiges Ereignis von geschichtlich-universaler Bedeutung. Der Evangelist Lukas bemüht auch den wichtigsten Herrscher der Jesus-Zeit, den Kaiser Augustus, um die Mutter Jesu nach Bethlehem zu bringen, damit sie dort Jesus auf die Welt bringen kann. Und alle, die das neugeborene Kind gesehen haben, „breiteten das Wort aus, das zu ihnen von diesem Kinde gesagt war“. In dieser Tradition steht Paulus, und alle, die von der Enthüllung des göttlichen Geheimnisses wissen, sind verpflichtet, es nicht für sich zu behalten. Christen sind also geborene Missionare. Es gehört zu ihrem Wesen, allen von Gottes Gnade zu erzählen.

Kirche kann nur als missionierende Kirche existieren. Seitdem Christus den Zaun, der Gläubige von Ungläubigen trennt, niedergerissen hat, können wir die Welt nur als die von Gott geliebte Welt ansehen, so wie die Weihnachtsbotschaft allen Menschen gilt, wie der Engel zu ihnen sprach: „Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids“. Das gilt allen Menschen, global und universal.

Amen.

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3 Kommentare on “Von Gott geliebte Welt

  1. Walter Wegener

    Eine kurze konzentrierte Predigt, die mich im Hinblick auf biblische Information und Verkündigung sehr anspricht. Ich wünsche für diese Predigt viele aufmerksame Hörer/innen bzw. Leser/innen. Vielen Dank. W.W.

  2. Mia Prenik

    MIt großem Interesse las ich diese Predigt. Sie ist einladend, evangelisch im eigentlichen Sinn: Evangelium, gute, aufrichtende Botschaft verkündigend. Ich danke der Pastorin und freue mich in dem jetzt neugestalteten Predigtforum weiterhin “fündig” zu werden. M.P.

  3. Pastor iR Heinz Rußmann

    Diese kurze Predigt transportiert die überschwängliche Begeisterung von Weihnachten hin zu uns. Die Heilsbotschaft für alle Menschen auch außerhalb der Kirche wird universal verkündet. “Heiden haben engsten Kontakt mit Jesus!” -Ich bin zwar nicht katholisch und eigentlich kein sturer Dogmatiker, der das Heil nur auf die Kirche zentriert, aber dennoch möchte ich einwenden, daß nach dem Epheser-Brief nur getaufte ehemalige (!) Heiden und jetzt Christen zum Leib Christi und zur Kirche gehören und im Text gemeint sind! Nach weiser christlicher Dogmatik ist nach dsem Neuen Testament den Kirchenchristen ausdrücklich das Heil Gottes zugesagt. Alle Nichtchristen werden der Gnade Gottes empfohlen.- Als Verehrer vom kosmischen Christus zur Rechten Gottes erwarte ich allerdings letztlich doch wie Pastorin Bürger, daß Christus allen Menschen das Heil bringt und alle Weltreligionen im Sinne Jesu reformiert, wie Hans Küng mal sehr gut herausgestellt hat.

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