Schatz in irdenen Gefäßen

Zeichen der Gegenwart Gottes ist nicht Glaubensüberschwang, religiöse Sensation oder gar Fanatismus, sondern die leeren Hände, die Gott nichts vorzuweisen haben, aber von ihm voller Vertrauen alles erwarten

Predigttext: 2.Korinther 4,6-10
Kirche / Ort: Karlsruhe
Datum: 24.01.2010
Kirchenjahr: Letzter Sonntag nach Epiphanias
Autor/in: Kirchenrat Pfarrer Heinz Janssen

Predigttext: 2.Korinther 4,6-10

6 Denn Gott, der sprach: Licht soll aus der Finsternis hervorleuchten, der hat einen hellen Schein in unsre Herzen gegeben, daß durch uns entstünde die Erleuchtung zur Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes in dem Angesicht Jesu Christi.  7 Wir haben aber diesen Schatz in irdenen Gefäßen, damit die überschwengliche Kraft von Gott sei und nicht von uns.  8 Wir sind von allen Seiten bedrängt, aber wir ängstigen uns nicht. Uns ist bange, aber wir verzagen nicht.  9 Wir leiden Verfolgung, aber wir werden nicht verlassen. Wir werden unterdrückt, aber wir kommen nicht um.  10 Wir tragen allezeit das Sterben Jesu an unserm Leibe, damit auch das Leben Jesu an unserm Leibe offenbar werde.

Ein Kommentar zum Predigttext von Heinz Dietrich Wendland, in: ATD 7, Göttingen 1965, S.164:

„Paulus hat die Herrlichkeit als das Kennzeichen des apostolischen Amtes geschildert. Aber im schärfsten nur denkbaren Gegensatz dazu steht die Wirklichkeit seines Apostellebens: Drangsal, Verfolgen, Leiden, Erniedrigung. Sind es nicht ausschließende Gegensätze, diese Herrlichkeit und diese Leiden?...Für Paulus gehören die Herrlichkeit und das Leiden…untrennbar zusammen, so dass gerade das Leiden des Apostels eine Offenbarung Christi wird…Damit ist jeder enthusiastischen und gnostischen Auffassung der Erscheinung der göttlichen doxa gewehrt…, die die Korinther dazu verführt hatte, am Leiden des Apostels Anstoß zu nehmen. Es gibt also keine direkte Verklärung und religiöse Steigerung der menschlichen Existenz. So wirkt die Herrlichkeit Gottes nicht, sondern sie nimmt ihren Weg über das Kreuz Jesu und die Leiden der Apostel, die zur „Passionsgeschichte“ dazugehören. Der „Schatz“, von dem Paulus hier spricht, ist das Evangelium oder die Erkenntnis der Herrlichkeit…, die „Gefäße“ sind die Apostel, in erster Linie Paulus selbst…Wenn Gott schwache Menschen zu Gefäßen seiner Gnade macht, so darum, damit  Gottes Kraft wirklich als  G o t t e s  Kraft, in ihrem Urspunge aus Gott erkennbar werde und nicht mit menschlicher Kraft verwechselt werden könne…“

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Liebe Gemeinde!

Mit dem heutigen Sonntag, dem letzten nach Epiphanias, dem ältesten christlichen Fest der Geburt Jesu, schließt sich der weihnachtliche Festkreis. Der Wochenspruch aus dem Jesajabuch (60, 2) ruft uns nocheinmal das wunderbare Kommen Gottes in Erinnerung: Über dir geht auf der HERR, und seine Herrlichkeit erscheint über dir. Gottes Kommen in unsere Welt wird hier im Bild von der aufgehenden Sonne angesagt. Im Evangelium hörten wir, wie Petrus, Jakobus und Johannes Jesu Angesicht wie die Sonne leuchten sahen. Und der Apostel Paulus spricht vom “hellen Schein”, den Gott “in unsere Herzen gegeben” hat. Durch ihn, den Apostel, durch all seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, will Gott die Erleuchtung entstehen lassen, um Gott in Jesus Christus zu erkennen. Im Gesicht Jesu, in seiner von bedingungsloser Liebe geprägten Zuwendung zu den Menschen, möchte sich Gott zu erkennen geben. Der von Gott kommende helle Schein in den Herzen seiner Boten gleicht dem Licht am ersten Schöpfungstag, als Gott sprach: “Licht soll aus der Finsternis hervorleuchten”.

Orgelchoral zu “Das ewig Licht geht da herein…”

“Wir haben aber diesen Schatz in irdenen Gefäßen, damit die überschwängliche Kraft von Gott sei und nicht von uns” – diese Worte des Apostels bilden die Mitte seines kurzen Briefausschnittes. Was ist dem Apostel daran so wichtig?  Sein zweiter Brief an seine Gemeinde in Korinth wird gern als “Tränenbrief” charakterisiert, weil sich der Apostel darin leidenschaftlich mit seinen Gegnern auseinandersetzt, die seine Autorität als Apostel Jesu Christi nicht nur in Frage stellten, sondern ihn auch verspotteten. Seine Person müsste die Herrlichkeit, den Glanz des Evangeliums, wiederspiegeln, hielten sie ihm vor, und: Warum strahlt er so wenig aus, müsste der Erleuchtete nicht mehr leuchten? Solchen Vorhaltungen gleicht der bissige Ausspruch des Philosophen Friedrich Nietzsche: “Erlöster müssten die Christen aussehen, wenn ich ihrer Botschaft Glauben schenken soll”.

Der Apostel antwortet auf die Infragestellung seiner Person und seiner Berufung mit den Worten: “Wir haben aber diesen Schatz in irdenen Gefäßen…” – Mit irdenen Gefäßen waren damals tönerne Krüge gemeint, in denen Kostbares aufbewahrt werden konnte. Er selbst sieht sich als ein solches Gefäß, in das Gott einen so kostbaren Schatz gelegt hat. Was ist dieser Schatz?  Für Paulus war es der Auftrag Gottes, eine gute und frohmachende Botschaft zu verkündigen: Gott hat dieser Welt in einem Kind, in dem Kind Jesus, Marias und Josephs Sohn, sein Gesicht der bedingungslosen Liebe gezeigt. Diese Botschaft ist von überschwänglicher Kraft. Mit der Redeweise von den irdenen Gefäßen bringt der Apostel zum Ausdruck: Die Überfülle der Kraft kommt nicht aus ihm selber, sondern aus Gott.

Was ist dein Schatz?

Was ist Dein Schatz? Ist es die Freundlichkeit, die Du verbreitest? Ist es die Hilfe, die Du anderen zukommen lässt? Ist es Dein sportliches oder musisches Können? Ist es Dein Geschick im Beruf? Ist es Deine Fähigkeit, Dich von Misserfolgen, Niederlagen, Konflikten und schweren Zeiten nicht entmutigen zu lassen? Ist es Dein Lächeln, an dem andere sich freuen? Es gibt so viele Schätze, es sind die Gaben, die Gott uns in seiner überschwänglichen Kraft gegeben hat. Gott – so hebt der Apostel hervor -, der am ersten Schöpfungstag das Licht aus der Finsternis hervorleuchten ließ, Er ist es auch, von dem der helle Schein des Evangeliums herkommt, unsere Herzen erleuchtet, Glauben schafft an Gott, an Jesus, an die Kraft seines schöpferischen Geistes, ermutigt, für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung einzutreten.  Von diesem Evangelium lebt die Kirche, durch seinen inneren Antrieb entsteht Gemeinde, auch hier in Karlsruhe,  entgegen der oft als “zwangsläufig” beschworenen Negativstatistik, dass die Kirche, die christliche Gemeinde, aussterben werde, weil die Zahl der Christen immer geringer werde. Es sind entlastende Worte des Apostels, dass Gott sich der “irdenen Gefäße”, fehlbarer Menschen bedient, um sein Licht im Dunkel gegenwärtiger existentieller, gesellschaftlicher und kirchlicher Probleme leuchten zu lassen – die Finsternis erhellend und das Chaotische ordnend wie am ersten Schöpfungstag!

Sich an der Gnade Gottes genügen lassen

Der Apostel weiß: Er braucht sich mit seinen Gegnern, die im religiösen Sinn mehr sein und darstellen wollten, nicht messen. Er musste keine Wunder vollbringen, um seine Autorität als Apostel unter Beweis zu stellen. Auch seine Bedrängnisse von allen Seiten, Verfolgung und Unterdrückung sprachen nicht gegen seine Berufung. Dazu der Apostel: “Wir tragen allezeit das Sterben Jesu an unserm Leib, damit auch das Leben Jesu an unserm Leib offenbar werde”. Paulus hat die überschwängliche Kraft Gottes erfahren als eine Kraft, die in Not und Angst bewahrt und im menschlichen Erleben von Schwäche und innerer Leere sich gerade voll zeigt. “Lass dir an meiner Gnade genügen; denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig”, so hat ihn Gott in seiner Krankheit getröstet, die er gern von sich abgeschüttelt hätte (2. Korinther 12, 9). Danach konnte er bekennen: “Darum (will ich mich am allerliebsten rühmen meiner Schwachheit, damit die Kraft Christi bei mir wohne. Darum) bin ich guten Mutes in Schwachheit, in Misshandlungen, in Nöten, in Verfolgungen und Ängsten, um Christi Willen; denn wenn ich schwach bin, so bin ich stark” (2. Korinther 12, 9f.).

Zeichen der Gegenwart Gottes ist nicht Glaubensüberschwang, religiöse Sensation oder gar Fanatismus, sondern die leeren Hände, die Gott nichts vorzuweisen haben, aber von ihm voller Vertrauen alles erwarten und darauf hoffen, dass Gott sein Licht in der Finsternis aufleuchten lässt. Dies ist der Sinn von Jesu Worten: Selig sind, die da geistlich arm sind; denn ihrer ist das Himmelreich – in der  Übersetzung “Die Gute Nachricht Bibel” lautet die Stelle: Freuen dürfen sich alle, die mit leeren Händen vor Gott stehen…

Die Offenheit des Apostels Paulus, mit der er von seinen Bedrängnissen redet, kann auch uns dazu ermutigen, auszusprechen, was uns bedrängt im Hinblick auf unser persönliches wie auf das gesellschaftliche und kirchliche Leben, weil wir um Gottes, um Jesu Christi Willen, keine überschwängliche Kraft erlangen müssen. Diese kommt von Gott, Gott teilt reichlich davon aus, und sie ist sein Geschenk des Trostes und der Liebe.

Amen.

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Ein Kommentar zu “Schatz in irdenen Gefäßen

  1. Pastor iR Heinz Rußmann

    Das Zentrum des Predigt-Textes ist gleichzeitig sehr überzeugend das Zentrum dieser Predigt: Wir haben den Schatz des Evangeliums in irdenen Gefäßen. Sehr lebendig und tröstlich wird das durch Paulus erläutert und dem Hörer nahe gebracht. Sehr erfreulich sind auch die Verweise auf Jesus und seine dazu passenden Worte. Ermutigt werden wir durch die zusammenfassende tröstliche Botschaft zum Schluß: Freuen dürfen sich alle, die mit leeren Händen vor Gott stehen. – Ergänzen möchte ich noch, daß die Lichtmetaphysik der Bibel. d.h. das Schöpfungslicht im Angesicht Jesu, zusammen mit der aus der griechischen Philosophie (Höhlengleichnis) das Denken des Abendlandes nachhaltig bestimmt hat. Da Dunkelheit danach dumm und böse ist, redet selbst der größte Atheist deshalb von Aufklärung. – Von einem Pastor habe ich außerdem gehört, dass Bonhoeffer es geschafft hat, einen Todeskandidaten in der Nachbarzelle mit den Worten Verse 8 bis 10 durch die Wand hindurch zu trösten.

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