Hoffnung
Hoffende Menschen geben sich nicht einfach mit dem zufrieden, was ist
Predigttext: Römer 5,1-5 (Übersetzung nach Martin Luther, Revison 1984)
1Da wir nun gerecht geworden sind durch den Glauben, haben wir Frieden mit Gott durch unsern Herrn Jesus Christus; 2 durch ihn haben wir auch den Zugang im Glauben zu dieser Gnade, in der wir stehen, und rühmen uns der Hoffnung der zukünftigen Herrlichkeit, die Gott geben wird. 3 Nicht allein aber das, sondern wir rühmen uns auch der Bedrängnisse, weil wir wissen, daß Bedrängnis Geduld bringt, 4 Geduld aber Bewährung, Bewährung aber Hoffnung, 5 Hoffnung aber läßt nicht zuschanden werden; denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsre Herzen durch den heiligen Geist, der uns gegeben ist.Hinführung zum Predigttext
Ich entscheide mich dafür, die Verse 1-5 ohne die Verse 6-11 zu predigen. Damit beschränke ich mich auf das Thema „Hoffnung“ und klammere die theologisch gewichtigen Worte der Verse 6-11 aus. Zumal der Inhalt dieser Verse für heutige Hörer/innen meiner Predigt schwer verständlich geworden ist und eher Gegenstand eines Bibelabends sein kann. Weniger ist manchmal mehr. Luther übersetzt in Vers 2 „…und rühmen uns der Hoffnung der zukünftigen Herrlichkeit, die Gott geben wird“. Hier ist zu bedenken, dass das Wort „zukünftig“ im griechischen Text nicht vorkommt. Somit ist an das Leben im Hier und Jetzt zu denken und die Betrachtung auf die Gegenwart zu lenken, wo im Hoffen der Frieden mit Gott und die Liebe Gottes offensichtlich werden. Unsere Wirklichkeit verändert sich im Glauben nicht in paradiesische Zustände. Da wir nach wie vor unter den Bedingungen irdischer Gegebenheiten leben, gibt es all das, was uns bedrängt, unglücklich sein lässt, zur Verzweiflung bringen kann, ohnmächtig zeigt, Gott negiert. Paulus geht in seinen Ausführungen der Frage nach, wie das mit unserem Glauben zusammen geht. Paulus findet eine Formel: Bedrängnis führt zu Geduld führt zu Bewährung führt zu Hoffnung. Darum rühmt er sich der Hoffnung, die aus der Liebe Gottes erwächst und uns nicht zugrunde gehen lässt in allem Schlamassel. Gleichzeitig kann sich Paulus der Bedrängnisse rühmen, weil sie zur Hoffnung führen und die Kraft der Hoffnung verstärken. Hoffende Menschen haben einen Vorteil im Leben. Sie resignieren nicht so leicht. Sie geben sich nicht einfach mit dem zufrieden, was ist. Sie haben Zuversicht auch in unangenehmen Situationen und Lebenslagen. Sie können ihr Jetzt transzendieren und die bessere Zukunft mit einer positiven Vorstellung antizipieren, um sich das Jetzt zu erleichtern und ruhiger und gelassener zu werden.Prosagedicht
Hoffnung - das heißt für mich die Welt aus dem Frieden Gottes heraus betrachten, mein Leben von der Liebe Gottes umfangen wissen, die Zukunft in der Hand Gottes gehalten glauben, den Augenblick für Gottes Gnade offen sehen. © Kurt Rainer KleinDie Macht des Faktischen
Wer kann sich im tiefsten Winter, bei starken Minusgraden und einem tagelang verhangenen Himmel vorstellen, dass wir wenige Monate später keinen dicken Mantel und schwere Kleidung mehr brauchen werden, weil die Sonne vom Himmel brennt und wir in den heißen Temperaturen nach Erfrischung dürsten und jedes Kleidungsstück einfach zuviel ist? Wer kann sich ausmalen, wenn er mit einem gebrochenen Bein mühsam durch die Gegend humpelt, dass er einmal wieder fröhlich springen und hüpfen wird, so als ob nichts gewesen wäre? Wer mag nur annähernd daran denken, dass Dinge, die im zwischenmenschlichen Bereich gerade zu Bruch gegangen sind, wieder heil werden und in neuem Glanz erscheinen können? Geben wir es zu: Es fällt uns in der Tat schwer, über das Heute und die momentanen Gegebenheiten hinauszublicken. Die Realität, die uns umgibt, hält unsere Gedanken und Vorstellungen regelrecht gefangen. Es ist so, wie es ist – und scheinbar wird es nie anders werden! Zumindest nicht in unseren Vorstellungen. Die Macht des Faktischen ist beeindruckend. Wir sind so beeindruckt von dem, was ist, dass wir uns kaum etwas anderes denken und vorstellen können.
Es gibt Menschen, die zur richtigen Zeit das richtige Wort sagen. Zu ihnen gehörte auch Pfarrer Krummacher. Einmal besuchte er eine kranke Frau. Sie war sehr niedergeschlagen und verzweifelt. Die Krankheit hatte ihre Pläne durcheinander gebracht. Furcht und Hoffnungslosigkeit lagen wie eine erdrückende Last auf der Frau. Der Pfarrer sprach sehr einfühlsam und verständnisvoll mit ihr. Er sprach auch von den Verheißungen, die in der Bibel stehen. Aber die Frau ließ sich leider nicht ermutigen. Da stand der Pfarrer auf, trat ans Fenster, schaute eine Weile nach draußen und sagte: “Was haben Sie nur für schlechte Bäume in Ihrem Garten!” “Wieso?” fragte die Frau. “Na ja”, antwortete der Pfarrer, “die Bäume sind kahl und dürr. Ich sehe kein einziges Blatt. Wieso lassen Sie die Bäume nicht umhauen?” Die kranke Frau schaute den Pfarrer verwundert an und entgegnete: “Es ist doch Winter. Wenn der Frühling kommt, dann schlagen sie bestimmt wieder aus”. Pfarrer Krummacher schaute die Frau an und sagte: “Mit den Bäumen wissen Sie gut Bescheid, aber mit sich selbst kommen Sie nicht zurecht. In Ihrem Herzen ist jetzt auch Winter, aber Sie glauben nicht, dass der treue und barmherzige Gott Ihnen einen neuen Frühling schaffen kann”. Jetzt schien die Frau etwas begriffen zu haben. Sie nickte zustimmend mit dem Kopf. Es folgte ein gutes Gespräch. Hoffnung und Zuversicht brachen auf wie das zarte Grün nach einem bitterkalten Winter.
Das Geheimnis des hoffenden Menschen
Hoffnung ist das Empfinden, das sich in unserem Innern mit der Welt, wie sie ist, nicht zufrieden gibt. Gewiss kann man in unbefriedigenden Situationen ein Klagelied anstimmen. Man kann sich hängen lassen und lamentieren, zornig werden und verzweifeln. Das ist der eine Weg, den man beschreiten kann und der einen mitunter in noch tiefere Abgründe führt. Das Klagen hilft selten aus der Tiefe heraus. Im Gegenteil: In aller Regel erschwert es unsere Situation noch zusätzlich, anstatt uns Erleichterung zu verschaffen. Schon in unserem Gesangbuch wird dieser Mechanismus der negativen Verstärkung beschrieben. Da heißt es in einem Lied: “Was hilft es, dass wir alle Morgen beseufzen unser Ungemach? Wir machen unser Kreuz und Leid nur größer durch die Traurigkeit“ (EG 369,2). Wem das zu alt und fern klingt, dem sei ein modernes Beispiel mit dem Song “Don´t worry be happy” von Bobby McFerrin vor Augen gestellt. Er singt in einer Zeile seines Songs: “In every life we have some trouble, but when you worry you make it double”, zu deutsch: „In jedem Leben gibt es einige Probleme, aber wenn du dich darüber grämst, verdoppeltst du damit nur deine Sorgen. Das Resultat daraus ist, alles fühlt noch schwerer an“. Ist das der einzige Weg, auf Sorgen, Kummer und Nöte zu reagieren? Gibt es nicht noch eine andere Möglichkeit?! Ja schon. Ja, doch! Ein Weg, der sich dem Hoffenden eröffnet, der nicht akzeptiert, dass es so sein muss, wie es nun gerade eben einmal ist. Freilich kann man daraus keine Zwangsläufigkeit ableiten. Nach dem Motto: Wenn ich schon hoffe, muss es auch so werden, wie ich mir das ausrechne und wünsche. So zauberhaft geht es in unserer Welt nicht zu. Wir würden dann das Gefängnis nur wechseln. Aus dem Gefangensein in der gegenwärtigen Situation würden wir zu Gefangenen unserer festgelegten, einengenden Hoffnung. Doch auch für Hoffende ist die Zukunft eine offene. Es kann so oder so kommen. Nur – und das mag ein wesentlicher Unterschied sein – richtet die Hoffende/der Hoffende seinen Blick auf ein positives Morgen. Allein diese Haltung verursacht einen regelrechten Drive. Einen Drive, der nicht nur das Positive erhofft, sondern erstaunlicherweise auch auf das Positive zutreibt. Darin mag ein Geheimnis liegen. Das Geheimnis, warum positiv Denkenden im Grunde „so viel Gutes widerfährt“.
Neue Sichtweisen des Lebens
Paulus zeigt ein Gefälle auf: „Wir wissen, dass Bedrängnis Geduld bringt, Geduld aber Bewährung, Bewährung aber Hoffnung“. Dieser Dreischritt – Bedrängnis, Geduld, Bewährung – führt für Paulus unweigerlich zur Hoffnung. Ob Unzufriedenheit oder Krankheit, ob miese Laune oder Arbeitslosigkeit, ob Verzweiflung oder Verlust, das alles ist noch lange kein Grund, dass wir in unserer Bedrängnis, in unseren Sorgen und Nöten verzweifeln müssen. Es gibt ein „hinter dem Horizont geht das Leben weiter“, ein „helles Licht am Ende des Tunnels“, „einen Frühling nach einem langen Winter“. So bleibt die Bedrängnis, wie immer sie sich uns bedrängend in den Weg stellt, nicht das Letzte. Bedrängnis kann uns gewiss festhalten und lähmen. Sie kann uns erstarren lassen. Aber darin kann sich Geduld entwickeln, die uns das Leben von seiner anderen Seite zeigt. Wo diese Geduld keimt, verliert die Bedrängnis ihre bedrängende Kraft. Langsam entwickelt sich eine Freiheit in der Bedrängnis. Das Atmen fällt wieder leichter. Die Spielräume meines Handelns werden größer. Der bewölkte Himmel klart schrittweise auf. Das Sehen fällt wieder leichter. Aus der Geduld erwächst die Bewährung. Die Bewährung ist nichts anderes als ein neu zu Kräfte Kommen. Eine Distanz erwächst zur Bedrängnis. In der Bewährung kehrt überraschend der Schwung wieder, der in der Bedrängnis abhanden gekommen war. Die Hoffnung nimmt eine neue Gestalt an, die uns Geborgenheit vermittelt.
Der Grund dafür liegt nicht in uns. Er ist außerhalb von uns anzutreffen. Das Gefälle, das Paulus beschreibt, von der Bedrängnis über die Geduld und Bewährung schließlich zur Hoffnung hin, findet seine Ursache in der Liebe Gottes. Darum lässt Hoffnung nicht zuschanden werden. Weil diese Liebe Gottes ausgegossen ist in die Herzen der Gläubigen. Für Paulus ist es der Heilige Geist, der uns diese Liebe Gottes offenbar macht. Wir mögen es als ein Gefühl empfinden, das uns hoffen lässt, trotz all dem Ersichtlichen, was sich gegen unsere Hoffnung stellt. Der Hoffnung eine Chance geben, heißt auch ihr die Freiheit zu lassen, die uns überraschen kann. In jedem Falle aber bedeutet ‘hoffen’, der gegenwärtigen Wirklichkeit gegenüber ruhiger und gelassener werden. Vielleicht haben die Dinge ihren Sinn, obgleich wir ihn gegenwärtig nicht zu erkennen und zu deuten vermögen. Vielleicht drängt uns die Bedrängnis in eine Richtung, in die wir partout nicht wollen, aber einen noch unergründlichen Vorteil erschließt. Vielleicht eröffnen sich darin auch Sichtweisen des Lebens, die wir bisher überhaupt nicht wahrzunehmen im Stande waren. Wie auch immer, hinter der Hoffnung verbirgt sich die Liebe Gottes, die uns bedingungslos Kraft und Zuversicht schenkt, wo wir uns ihr anvertrauen.
Neue Kräfte
Ja doch, nach einem harten Winter folgt wieder ein Sommer mit Licht und Wärme. Kahle Bäume schlagen wieder aus und grünen. Wiesen blühen und Felder werden reif. Das mag zum Bild werden für die Hoffnung, die uns beschwerliche Zeiten erleichtert und vor der Verzweiflung bewahrt. Gott liebt uns so sehr, dass er uns gerade dann Hoffnung zu schenken vermag, wenn die Bedrängnis sich übermächtig zeigt. Eine Hoffnung, die uns aufstehen lässt, die uns neue Kräfte schenkt, die uns rühmende Worte eingibt. Paulus rühmt sich dieser Hoffnung, aber auch der Bedrängnisse. Deshalb, weil jegliche Art von Bedrängnis die Hoffnung verstärkt und die Liebe Gottes noch offensichtlicher zeigt. Deshalb, weil wir im Hoffen in unserem Glauben wachsen und reifen. Deshalb, weil wir durch die Hoffnung die Gnade Gottes spüren, die uns durch Christus Frieden mit ihm gibt.
Alle reden jetzt in trüber Zeit vom Wetter. Diese Predigt greift unsere Winter-Depression auf und verbreitet Frühlingshoffnung. Daß die Bäume wieder ausschlagen werden, wissen wir. Daß Gott einen neuen Frühling in unserem Leben schaffen will, darauf können wir vertrauen. Das Geheimnis hoffender Menschen wird beschrieben. “Der heilige Bogen” ( Hans Scheibner ) vom Wetter zu unserer Seelenlage und zu Paulus ergibt sich sehr stimmig. Bis zum Schluß bleibt die Predigt mit vorbildlich kurzen und prägnanten Sätzen und Formulierungen beim Thema: neue Kräfte durch die Hoffnung. Insgesamt eine erfreuliche Predigt, welche ich nicht gleich wegheften werde, sondern oben auf meinen Schreibtisch lege!