Gottes geliebte Kinder
Getaufte üben stets, aus der Liebe Gottes zu leben
Predigttext: Epheser 5,1-8 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)
1 So folgt nun Gottes Beispiel als die geliebten Kinder 2 und lebt in der Liebe, wie auch Christus uns geliebt hat und hat sich selbst für uns gegeben als Gabe und Opfer, Gott zu einem lieblichen Geruch. 3 Von Unzucht aber und jeder Art Unreinheit oder Habsucht soll bei euch nicht einmal die Rede sein, wie es sich für die Heiligen gehört. 4 Auch schandbare und närrische oder lose Reden stehen euch nicht an, sondern vielmehr Danksagung. 5 Denn das sollt ihr wissen, dass kein Unzüchtiger oder Unreiner oder Habsüchtiger – das sind Götzendiener – ein Erbteil hat im Reich Christi und Gottes. 6 Lasst euch von niemandem verführen mit leeren Worten; denn um dieser Dinge willen kommt der Zorn Gottes über die Kinder des Ungehorsams. 7 Darum seid nicht ihre Mitgenossen. 8 Denn ihr wart früher Finsternis; nun aber seid ihr Licht in dem Herrn. Lebt als Kinder des Lichts.Homiletische Überlegungen
Die Perikope ist unter dem Aspekt der Nachfolge ausgewählt. Die Lutherbibel überschreibt „Das Leben im Licht“, die neue Zürcher Übersetzung nimmt die Verse 4,25-5,19 zusammen unter dem Thema: „Das Leben der Getauften“. Thema ist das Leben aus der Taufe. Der Paradigmenwechsel vom alten zum neuen Menschen ist in cap 4 beschrieben, und nun wird das christliche Leben thematisiert in Bezugnahme auf Laster und Fehlverhalten. Die Früchte des Geistes sind lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit. Der Predigtabschnitt gliedert sich in drei Teile: 1. Ermutigung zum Leben aus der Liebe – Nachahmer Gottes zu werden 2. Warnung vor den Lastern: Unzucht, Habgier und falsche Rede 3. Leben im Licht Die Leitfrage für die Predigt ist: Wie leben wir aus der Taufe angesichts der Bedrohung durch Mächte wie Unzucht, Habsucht und falsche Rede? Die Nachfolge Jesu ist eine freudige Sache, die wirklich wird, wenn unsere Augen auf ihn gerichtet sind. Da am Sonntag in Sinsheim ein Abendmahlsgottesdienst ist, legt es sich nahe, die Säulen „Wort, Sakramente und Gemeinde“ zu entfalten.Literatur
Jochen Arnold, GPM, 2010, S. 159 ff. - Wolf Krötke, Der begegnende Gott und der Glaube, in: ders.: Barmen-Barth Bonhoeffer, 2009. - Martin Ost, Predigtimpulse, DtPfrbl 1/2010. - Gerhard Sellin, Epheserbrief , RGG, 4. Aufl.Lieder
„Wer nur den lieben Gott lässt walten“ (EG 369,1+3+7), „Ehre sei dir, Christe“ (EG 75,1) „Oculi nostri“ (EG Baden 789,5) „Du schöner Lebensbaum“ (EG 96) „Im Frieden dein, o Herre mein“ (EG 222,1)Liebe Gemeinde!
Zwiespalt
Diesen Abschnitt aus dem Epheserbrief höre ich immer gerne, weil er sehr anschaulich das Leben getaufter Menschen beschreibt. Aus diesen Worten spricht Wärme und Geborgenheit, Zuversicht und Wohl für unser alltägliches Leben. Genau diese Qualität des Lebens suchen und brauchen wir alle. Und doch: Auf der anderen Seite, wenn ich diese Worte lese, zucke ich zusammen und spüre deutlich den Stachel, der in ihnen liegt. Sind wir das wirklich? – Menschen, die sich nicht verführen lassen, die nicht dem Geld und der Ehre nachhängen, die ihre Zunge im Zaum haben, und die Worte, die sie sprechen, wohl abwägen, so dass keine Lüge, keine Häme, keine falsche Unterstellung, keine billige Polemik aus ihnen spricht? Sind wir so voller Vertrauen oder ist es nicht eher so: Wir möchten wohl so vollkommen sein und kämpfen alle mit den Mächten der Ungeduld, der Versuchung, der unrechten Rede usw.? In diesem Zwiespalt bewegen wir uns und suchen nach einer klaren Orientierung für unser alltägliches Verhalten, so dass wir menschlich miteinander umgehen, ohne uns ständig zu überfordern. Kann uns in dieser herausgeforderten Lage dieser Abschnitt aus dem Epheserbrief helfen? Ich denke ja, weil er nicht bei unserem moralischen Handeln ansetzt, sondern bei Gottes Tun. So beschreibt er das Leben von Getauften, die von der Liebe Gottes herkommen und vertrauen, dass Gott sie liebt. Gleichzeitig leben sie in dieser Welt mit allen Chancen und Versuchungen, mit allen Stärken und Schwächen, mit allem Guten und Bösen.
Leben aus der Taufe
Wie aber finden wir einen Zugang zu diesem Leben aus der Taufe, die uns so deutlich die Verheißung zuspricht, dass wir Gottes geliebte Kinder sind? Ein Weg zu diesem Zugang der Liebe Gottes ist stets offen. Wir können vom Namen des heutigen Sonntags ausgehen: Okuli – „Meine Augen sehen stets auf den Herrn“ (Psalm 25,15). Mit diesem Bekenntnis ist die große Brücke zu begehen, die Gott gebaut hat. Gott bleibt in seiner Güte und Barmherzigkeit nicht allein, sondern geht aus sich heraus und sucht die Nähe des Menschen. So entdeckt der betende Mensch des Psalms 34 voller Hoffnung und Zuversicht: „Die Augen des Herrn merken auf die Gerechten und seine Ohren auf ihr Schreien“ (V 16). Gottes Augen sind sehr achtsam und liebevoll. Sie suchen uns auf, wo wir sind und stehen uns bei. Genau in dieser Zuversicht sind wir jetzt auch zusammen und feiern Gottesdienst, weil Gottes Augen für uns offen sind. Wer dies entdeckt hat, der wird seine Augen auf die Güte des Herrn richten, so wie wir es mit dem Kanon aus Taizé gesungen haben: „Oculi nostri ad dominum deum“.
Das also ist Leben aus der Taufe, dass wir unsere Augen stets auf Gott richten, den Barmherzigen und Gnädigen, auf den, der aus der Knechtschaft befreit und zu einem Leben in Transparenz und Offenheit, in Klarheit und Wahrhaftigkeit beruft. Diese Freude aus der Hoffnung Gottes heraus beschreibt der Epheserbrief, damit wir alle spüren, welch großes Gut die Liebe Gottes darstellt, die uns bei der Taufe verheißen ist. Mit dem schönen Bild vom Kleid beschreibt der Epheserbrief die Wende vom Nichtgetauften zum Getauften. Es ist ein Wechsel geschehen in der Taufe: Wir sind nicht mehr nur auf uns selbst bezogen und in uns selbst beschränkt, nein, wir sind auf Gott bezogen, auf den Gott, der in Jesus Christus am Kreuz Versöhnung geschaffen hat. Ermutigend lesen wir im Epheserbrief wenige Verse vor unserem Abschnitt: „Zieht den neuen Menschen an, der nach Gott geschaffen ist in wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit“(2,24). Schaut, dieses Kleid der Gerechtigkeit und Heiligkeit, des guten Lebens, hat uns Gott bei der Taufe angezogen. Jetzt kommt es darauf an, dass wir dieses Leben aus der Taufe achten und schätzen. Deshalb fängt unser Bibelwort so liebevoll an, in dem wir – wie die Kinder von der liebenden Mutter – an die Hand genommen werden und uns alles an Wärme gegeben wird, was Mütter geben können. „Lebt als die geliebten Kinder in der Liebe, wie sie in Jesus Christus offenbar geworden ist“ (Vers 1). Denn in diesem Jesus finden wir den, der Vertrauen ausstrahlte, der geduldig zuhörte, der klar Missstände beim Namen nannte, der konsequent den Weg zum Kreuz ging, der dort in Anfechtung klagend Gott suchte: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen!“ Diesen Jesus hat der Barmherzige von den Toten auferweckt und deutlich gemacht, dass das Leben stärker ist als der Tod.
Hingebende Liebe
Das Leben Jesu hat nur einen Inhalt: aus Liebe, aus wahrer Liebe, die Hingabe für das Leben zu wagen, damit Leben wirklich wird. Genau diese hingebende Liebe, die vergibt und versöhnt, ist uns in der Taufe zugesprochen. Aber jetzt machen wir doch alle die Erfahrung, dass wir auch als Getaufte nicht vollkommen und rein, sondern ständig im Kampfe sind. Auch darum schätze ich die Bibel und ihre Botschaft so sehr, weil die Realität menschlichen Lebens, so wie sie Sie und ich erleben, nicht fromm übertüncht wird in der Weise, als wären wir schon im Himmel oder moralisierend in der Weise, dass wir Christen und Christinnen schon einen Heiligenschein hätten und nicht menschlich fehlten. Nein, wir sind mitten auf der Erde mit ihrem Schönen und Traurigen, Ehrlichen und Korrupten, Wahrhaftigen und Hämischen. Da müssen wir uns diesem Leben stellen.
Der Epheserbrief nennt drei Laster, die Menschen quälen. Zunächst wird die Unzucht genannt. Die Sexualität ist eine schöne Gabe für uns Menschen und bringt viel Freude und Erfüllung. Aber sie kann sehr leicht pervertieren, in dem nur noch die Lust und der Trieb das Handeln bestimmen. Die maßlose Gier nach Lust verkehrt das Gute und bringt zustande, dass der Mensch zum Objekt wird. Die Not der sexuell missbrauchten Kinder und Frauen hauptsächlich schreit zum Himmel und braucht Aufklärung und eine Vorbeugung des Missbrauchs. Das zweite Laster, das der Epheserbrief benennt, ist die Habsucht. Der maßlose Drang nach immer mehr Besitz ist enorm mächtig. Da ist der Mensch, der nicht genug bekommen kann, alles an sich rafft, nach außen im Luxus lebt, während die Schuldscheine bei den Banken groß sind. Da ist die weltpolitische Finanzkrise, die uns so viel Unruhe und Ungerechtigkeit gebracht hat, und die noch keineswegs überwunden ist. Dieser Drang nach immer mehr Besitz macht unfrei und fixiert das Leben nur auf ein Kriterium: Geld. Dabei übersehen die Reichen die Not der Armen, und die Armen werden nicht mehr als Menschen, sondern als Opfer behandelt, die selbst an ihrer Misere schuld sind. Aus dieser Spirale müssen wir heraus und sorgfältig nachdenken, was die Qualität des Sozialstaates ist. Das dritte Laster, das genannt wird, ist das Reden mit leeren Worten. Wie oft begegnet uns dies! Da reden Menschen schön, aber leider auf Kosten anderer! Da prangert einer billig einen Notstand an, um sich selbst zu schützen! Da wird schnell eine Neuigkeit weitererzählt, um nicht ganz fair den anderen bloß zu stellen! Wir kennen alle die Macht der unguten und bösen Worte und vor allem, wie leicht Menschen sich zu leeren Worten auch hinreißen lassen.
Das erste, was wir tun im Kampf gegen diese Laster ist, dass wir ehrlich zu uns selbst bleiben und auch bereit sind, zu unseren Fehlern zu stehen und uns zuzugestehen, dass wir auch Fehler machen dürfen. In fast jedem Gottesdienst haben wir zu Beginn das Bußgebet. Das hat genau den Sinn, dass wir uns vor Gott öffnen und unsere Betroffenheit und Not Gott klagen. Aus der Klage folgt dann der Zuspruch der Taufe, dass wir es erneut wagen, aus der Liebe Gottes zu leben.
So schreibt der Epheserbrief visionär: „Ihr wart früher Finsternis, nun aber seid ihr Licht“ (Vers 8). Das ist die Hoffnung. Und diese Hoffnung richtet auf und macht zuversichtlich auch den, der unter den größten Vorwürfen und Zweifeln leidet. Denn Getaufte üben stets, aus der Liebe zu leben und sind widerstandsfähig gegenüber allem Moralisieren. Miteinander suchen wir den Weg – auf Augenhöhe. Ich schätze die christliche Gemeinde, auch unsere in Sinsheim, deshalb, weil ich Menschen kenne, mit denen ich vertrauensvoll sprechen kann. Unsere Gemeinde lebt von dieser Verheißung der Liebe Gottes. Weiter hören Getaufte stets auf Gottes Wort – Tag für Tag lesen viele die Bibel und finden die Ermutigung aus einer biblischen Verheißung: „Aus Gnade seid ihr selig geworden, und das nicht aus euch: Gottes Gabe ist es“ (Epheser 2,8). Getaufte nehmen die Einladung Jesu Christi an und feiern das Mahl der Gnade. Im Brot hören wir: Christi Leib für Dich gegeben – Christus hat sich für mich hingegeben und uns alle mit Gott versöhnt. Im Kelch schmecken wir und hören: Für Euch vergossen – Christus hat den Kampf gegen das Böse aufgenommen und bestanden. Christus ist uns Herr und Bruder, der mitgeht und begleitet, aufrichtet und tröstet. Unsere Augen schauen auf diesen Retter. So entdecken wir wahres Leben.
Amen.
Wie Schwarzbrot kann man diese Predigt genießen. Sie ist nicht wie ein süßer Kuchen oder ein pappiges Fabrik-Brötchen, sondern schmackhaft und nahrhaft (übrigens: Fulbert Steffensky hat vor kurzem in einem beachteten Vortrag überzeugend von “Schwarzbrot Frömmigkeit” gesprochen). Schon die erfreuliche Einleitung spricht vom “Wohl für unser alltägliches Leben”. Nicht irgendwelche Assoziationen des Predigers, sondern die Substanz des Evangeliums wird uns gereicht als Nahrung für unsere Seele, als Brot des Lebens. Im Bibelwort wird “uns alles an Wärme gegeben, was Mütter geben können”. Kräftiges Schwarzbrot ist die Predigt aber auch, weil sie wie Jesus “Mißstände klar beim Namen nennt” und die drei Hauptsünden aus dem Predigttext – Unzucht, Habgier, leere
Worte – aktualisiert für uns und unsere Gesellschaft. Mit der Verheißung Gottes schließt die Predigt. Steffensky warnt vor fesselnden, berauschenden Predigten von Starpredigern. Sie fesseln uns nur und machen uns unfrei. Nach dieser Predigt kann ich echt gestärkt und frei als Christ meinen Weg weitergehen!