Jesu letztes Mahl – Zeichen für neues Leben

Anspruch und Wirklichkeit des christlichen Glaubens

Predigttext: 1.Korinther 11,23-26
Kirche / Ort: 26721 Emden
Datum: 1.04.2010
Kirchenjahr: Gründonnerstag
Autor/in: Dipl.-Theol. Pfarrerin Christiane Borchers

Predigttext: 1.Korinther 11,23-26 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)

23 Denn ich habe von dem Herrn empfangen, was ich euch weitergegeben habe: Der Herr Jesus, in der Nacht, da er verraten ward, nahm er das Brot,  24 dankte und brach's und sprach: Das ist mein Leib, der für euch gegeben wird; das tut zu meinem Gedächtnis.  25 Desgleichen nahm er auch den Kelch nach dem Mahl und sprach: Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut; das tut, sooft ihr daraus trinkt, zu meinem Gedächtnis.  26 Denn sooft ihr von diesem Brot eßt und aus dem Kelch trinkt, verkündigt ihr den Tod des Herrn, bis er kommt.

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Liebe Gemeinde !

Dies ist die letzte Nacht, die Jesus lebend verbringen wird. Dies ist der letzte Abend, in der er gemeinsam mit seinen Jüngern das Mahl zu sich nimmt. Dies ist das letzte Mal, da noch alle beieinander sind, am selben Abend noch wird er von einem Freund verraten. Jesus hat Judas entlarvt. Judas kann seine Lüge nicht mehr aufrechterhalten. Er hat die Gemeinschaft mit Jesus und seinen anderen Jüngern zerstört. Wir wissen nicht, ob Judas weggegangen ist, die Bibel berichtet nichts davon. Aber ich könnte mir vorstellen, dass er aufgestanden ist und fluchtartig den Raum verlassen hat. In manchen Filmen wird es so dargestellt. Judas zerbricht an dem, was er getan hat, hält den Zwiespalt nicht aus, kann nicht mehr mit Jesus und den anderen an einem Tisch sitzen und das Abendmahl feiern, so tun, als ob nichts vorgefallen sei. Sein Gefühl trügt ihn nicht, die Gemeinschaft ist zerstört. Jesus feiert das letzte Abendmahl im Bewusstsein, dass sein Leiden sich naht. Er teilt das seinen Jüngern mit. Er wird von nun an nicht mehr vom Gewächs des Weinstocks trinken bis an den Tag,  an dem er davon trinken wird im Reich Gottes (vgl. Mt 26,29). Das letzte Abendmahl Jesu mit seinen Jüngern hat hohe Bedeutung erlangt. Durch die Jahrhunderte wird es in allen Kirchen zelebriert. Die Erinnerung an Jesus und sein Werk wird wach gehalten, sein Tod behält nicht das letzte Wort, er ist auferstanden. Das Abendmahl wird zum Zeichen für neues Leben, als Sakrament wird es weiter tradiert.

Paulus ist daran gelegen, dass das Abendmahl gemäß Jesu Christi in den Gemeinden gefeiert wird. Es geht ihm um eine angemessene Feier dieser heiligen Handlung, niemand soll es unsachgemäß feiern. Paulus verweist darauf, dass er die Einsetzung selbst von Jesus empfangen hat, die er getreu an die Gemeinde in Korinth weitergibt. Nun ist Paulus aber kein Zeitgenosse Jesu. Er selbst ist nicht beim letzten Abendmahl dabei gewesen. Als Paulus seine Briefe schreibt, ist Jesus schon mehr als 20 Jahre tot. Wenn er sagt, dass er weitergibt, was er empfangen hat, so ist hier nicht an eine Offenbarung Jesu gedacht, wie Paulus sie auf dem Weg nach Damaskus gehabt hat oder an eine andere Vision. Die Begriffe „empfangen von“ und „weitergeben  an“ sind Fachausdrücke für die mündliche Überlieferung der jüdischen Lehrtradition. Paulus ist Jude und jüdischer Gelehrter. Er kennt sich aus in jüdischer Schriftauslegung und Lehrtradition, er argumentiert damit, leitet seine Kompetenz und Autorität daraus ab. „Ich habe von dem Herrn empfangen, was ich euch weitergegeben habe“, schreibt er, es folgen die Einsetzungsworte. Er sagt damit: So und nicht anders sollt ihr das Abendmahl feiern.

Paulus verweist auf Jesu letztes Mahl nicht ohne Grund. In Korinth haben sich Unsitten in der Feier eingeschlichen. In Korinth war die gemeinsame Sättigungsmahlzeit in die sakramentale Feier des Abendmahls eingebettet. Er kritisiert, dass die Reichen satt und betrunken sind, während die Armen hungrig und durstig bleiben. Paulus beklagt, dass die Reichen keine Solidarität mit den Armen üben. Er möchte die Spaltungen überwinden, mahnt die Reichen, dass die Feier in dieser Weise keine Abendmahlsfeier Christi mehr ist. So wie sie das Abendmahl feiern, dient es ihnen nicht zum Nutzen, sondern zum Schaden. „Wer nun unwürdig von dem Brot isst oder aus dem Kelch trinkt, der wird schuldig sein am Leib und Blut des Herrn“ (V 27), fährt Paulus fort. Das Ess- und Trinkverhalten der Korinther ist unwürdig, dem Nächsten gegenüber lieblos. Ihr Verhalten missachtet die Heilstat Christi. Paulus möchte die Korinther wieder an die Ursprünge und den Sinn des Abendmahls heranführen, sie zu einer stiftungsgemäßen Feier anleiten. Er erinnert an die Einsetzungsworte Jesu selbst: „Dies ist mein Leib, der für euch gegeben wird….“. Es ist nicht recht, das Abendmahl in einer Weise zu feiern, dass es seiner Würde beraubt wird, Christi Leiden und Sterben werden nicht ernst nimmt. Es gibt einen Zusammenhang zwischen Abendmahl und Ethik. Paulus fordert einen würdigen Empfang und damit die Prüfung der eigenen Verhaltensweisen. Jede/r prüfe sich selbst!

Weitreichende Folgen hatten und haben die Worte des Paulus, die nur wenige Verse nach unserem Predigtabschnitt stehen: „Wer so isst und trinkt, dass er den Leib des Herrn nicht achtet, der isst und trinkt sich selber zum Gericht“ (V. 29).  In der Kirchengeschichte haben diese Ausführungen zu einer Abendmahlspraxis geführt, die das rechte Verständnis des Abendmahls verfälschte. Der Gedanke der Unwürdigkeit und das Abendmahl sich selber zum Gericht essen, verleitete führende Gemeindeglieder dazu, ihren Einfluss und ihre Macht zu missbrauchen. Kirchenräte übten damit Herrschaft aus, benutzten Paulus’ Auslegungen als moralische Kontrolle, verboten Gemeindeglieder die Teilnahme am Abendmahl. Der Ausschluss brachte der betreffenden Person in große Schande. Die Angst sitzt tief. Bis heute ist bei der älteren Generation der Gedanke verwurzelt, dass sie sich selbst das Abendmahl zum Gericht essen könnten. Treue Gottesdienstbesucherinnen und Besucher kommen oft deswegen erst gar nicht zum Gottesdienst, wenn das Abendmahl angesetzt ist. In vielen Gemeinden besteht bis heute eine große Abendmahlsscheu. Ihr Sündersein ist besonders älteren Gemeindegliedern präsenter als ihr Angenommensein von Christus. Das trifft verstärkt auf Frauen zu, die heute meistens den größten Teil der Gottesdienstteilnehmerinnen ausmachen. Um der allgemeinen Abendmahlsscheu entgegen zu wirken, betonen viele Pastorinnen/Pfarrerinnen und Pastoren/Pfarrer inzwischen vermehrt den Einladungscharakter.

Trotz der schädlichen Auswirkung, die das Pauluswort vom „Sich selbst zum Gericht essen“ verursacht hat, möchte ich dennoch nicht auf die Mahnung des Apostels verzichten. Der Zusammenhang von Abendmahl und Ethik darf nicht aufgelöst werden. Denn wie kann jemand Abendmahl feiern und gleichzeitig  Unfrieden stiften?! Wie kann jemand Abendmahl feiern und hat doch Böses im Sinn?! Wie kann jemand Abendmahl feiern und lässt den Nächsten im Stich?!  Im Abendmahl wird der Zwiespalt als besonders schmerzlich empfunden. Unbarmherziges und verachtendes Verhalten lassen sich nicht mit dem christlichen Glauben verbinden. Eine Frau, die Jahrzehnte den Gottesdienst besucht, sagt in einer Zeit der Krise und der Anfechtung, dass sie nicht mehr zum Gottesdienst gehen, erst recht nicht das Abendmahl empfangen kann. Ungeheuerliches Verhalten einiger weniger hat die Gemeinschaft zerstört. Sie haben kein Unrechtbewusstsein, das Abendmahl soll Wunden zukleistern und Wahrheit verdecken. Die Frau kommt mit dem Widerspruch nicht zurecht. Es zerreißt ihr das Herz. Hier erfährt eine Frau nahezu körperlich, wie schmerzlich es sein kann, wenn Anspruch und Wirklichkeit des christlichen Glaubens so offensichtlich auseinander klaffen. Abendmahl und Verhaltensweisen stehen nicht isoliert neben einander. Das eine hat mit dem anderen zu tun und lässt sich nicht trennen. Paulus fordert zu Recht einen würdigen Empfang. Es geht nicht an, seinen Nächsten zu demütigen und dann zum Abendmahl zu gehen. Wer sich so verhält, missachtet das Heilswerk Christi. Jesus steht ein für eine Gemeinschaft, die glaubwürdig und tragfähig ist. Jesus selber ist der Gastgeber. Wir dürfen seine Einladung annehmen, wir brauchen nicht in unserem Sündersein zu verharren. Christus stiftet mit seinem Mahl Gemeinschaft. Es ist besser, in Frieden zu leben und den Menschen zu begegnen, wie er es tat. Wir können es uns auch heute noch zum Gericht essen. Die christlichen Gemeinden des Neuen Testaments sind sich bewusst, dass Jesu sein letztes Abendmahl als jüdisches Passahmahl feiert. Er verhält sich wie ein jüdischer Hausvater, der einen Lobspruch über das Brot sagt, etwa „Gepriesen seist du, unser Gott, König der Welt, der das Brot aus der Erde hervorgehen lässt“ (Berakhot Segenssprüche VI,1). Er dankt, bricht das Brot und teilt es aus. Nach der Mahlzeit spricht der Hausvater eine Danksagung über den Becher mit Wein, ebenfalls mit einem Lobspruch: „Gepriesen seist du, unser Gott, König der Welt, der die Frucht des Weinstocks geschaffen hat.“ (Pesachim Passah 103a,20).

Paulus überliefert uns die Einsetzungsworte Jesu und deutet das Brot auf seinen Leib, den Wein auf sein Blut. Indem die Jünger von dem Brot essen und den Wein trinken, bekommen sie Anteil am Heil, das Jesus erwirkt. Die Deutung des Brotes und des Kelchs als Leib und Blut Christi und das Tun der Jünger, nämlich vom Brot essen und vom Wein trinken, begründet die sakramentale Gemeinschaft mit Jesus und der Jünger untereinander. Die Jünger sollen das Mahl zu Jesu Gedächtnis feiern. „Zu meinem Gedächtnis“ Paulus bezieht das auf die rechte Feier, d.h. dass einer würdig teilnehmen soll und nicht etwa die Heilstat Christi durch unmoralisches Verhalten missachten. „Zu meinem Gedächtnis“ Wir können diese Aufforderung aber auch inhaltlich verstehen. Wir erinnern uns daran, was Jesus für uns getan hat. Er hat sich ein für allemal für uns dahin gegeben, damit wir das Leben haben. Die Erinnerung hält die Heilstat Jesu wach. Im Abendmahl vergewissern wir uns, zu wem wir gehören. Was wir in der Predigt hören, schmecken wir im Abendmahl.

„So oft ihr von diesem Brot esst und aus dem Kelch trinkt, verkündet ihr den Tod Jesu, bis er kommt.“ Paulus verknüpft die Feier des Abendmahls mit der Proklamation des Todes Jesu. Paulus verweist auf den Tod Jesu, weil es etliche Gemeindeglieder in Korinth gibt, die von einem schwärmerischen Geist ergriffen sind. Sie glauben, dass der Tod habe keine Bedeutung mehr habe. Paulus hält den schwärmerischen Pneumatikern entgegen, dass sie hier auf der Erden leben und noch nicht im Himmel. Sie leben noch im Glauben und nicht im Schauen. Einst werden sie sehen, was sie jetzt glauben. Aber noch sind sie hier in der irdischen Welt. Sie müssen wissen und dürfen nicht vergessen, dass der Auferstandene der Gekreuzigte ist. Paulus holt die schwärmerischen Geister auf den Boden zurück. „Wir verkünden den Tod Christi, bis dass er kommt.“ Das bedeutet:  bis dass Christus wieder kommt am Ende der Zeit. In jedem Abendmahl erinnern sich Christinen und Christen auch an den Tod Jesu. Wir erinnern uns nicht als einer Totenklage an ihn, sondern in der Gewissheit, dass Christus den Tod überwunden hat und auferstanden ist. Die rechte Feier des Abendmahls gibt uns Anteil an Jesu Sterben und Auferstehung. So wie die Jünger durch die Teilnahme am Abendmahl in die Heilswirkung Christi einbezogen waren, so werden auch wir in Christi Heilswerk einbezogen, wenn wir in rechter Weise, so wie Paulus es ausgeführt hat, das Abendmahl feiern. Gottes Gnade ist groß, seine Treue währt ewiglich, seine Barmherzigkeit hat kein Ende, sie wird uns zuteil. Ihm sei Lob und Dank dafür.

Amen.

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