Gotteslob mit Posaunen

Kirchenmusik - kein Katastrophengesang, sondern Vorspiel auf die himmlische Erlösung

Predigttext: Psalm 150
Kirche / Ort: Johannesgemeinde / Heidelberg
Datum: 2.05.2010
Kirchenjahr: Kantate (4. Sonntag nach Ostern)
Autor/in: Pfarrer Professor Dr. Klaus Müller
Predigttext: Psalm 150,2b.3a (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984) „Lobet Gott in seiner großen Herrlichkeit...  / Lobet ihn mit Posaunen...“ (Psalm 150,2b.3a)

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„Lobet Gott in seiner großen Herrlichkeit…  / Lobet ihn mit Posaunen…“ (Psalm 150,2b.3a).

Posaunenchor beim Evangelischen Kirchentag, Bremen 2009

Posaunenchor beim Evangelischen Kirchentag, Bremen 2009

Der Gottesdienst ist der Ort des Gotteslobes, die Bibel ist eine Anleitung zum Gotteslob. Die Posaune ist das Instrument, das Werkzeug zum Gotteslob in der Hand des Gottesvolkes. Geht einmal mit mir den Weg durch die Bibel und entdeckt mit mir, was eine Posaune kann und soll, wofür eine Posaune da ist. Bitte, ihr Trompeter und Hornisten und Tubabläser: Geht ihr auch mit, denn wenn die Bibel „Posaune“ sagt, dann meint sie jenes einfach geschwungene Widderhorn — und ein solches Horn steht in gleicher Nähe zu allen unseren Instrumenten hier. Aus der Bibel lernen, welche Grundfunktionen das Posaunenspiel hat, das wollen wir jetzt miteinander tun, damit unser Spiel die rechte Stimmung bekomme und die rechte Resonanz finde bei den Hörenden. Ich schlage für euch die Bibel auf und finde drei Antworten auf die Frage nach der biblischen Funktion der Posaune.

Die Posaunen vom Sinai

Israel, das Gottesvolk auf der Wanderschaft zwischen dem Sklavenhaus Ägyptens und dem Gelobten Land, kommt an den Berg Sinai, den Berg Gottes. „Als nun der dritte Tag kam und es Morgen ward“,  so erzählt die Bibel, „da erhob sich ein Donnern und Blitzen und eine dichte Wolke auf dem Berge und der Ton einer sehr starken Posaune. Und Mose führte das Volk aus dem Lager Gott entgegen, und es trat unten an den Berg. Und der Herr fuhr herab im Feuer. Und der Posaune Ton ward immer stärker. Und Mose redete und Gott antwortete ihm laut und sprach: Ich bin der Herr, dein Gott, der ich dich aus Ägyptenland, aus der Knechtschaft geführt habe. Du sollst keine anderen Götter haben neben mir.“ Seht ihr, hört ihr, das ist die erste Funktion: Der Ton der Posaune ist Begleitmusik zur Gottesoffenbarung. Die bläserische Ankündigung: Gott kommt zur Welt – diese Welt ist nicht sich selbst überlassen, sondern Ziel der Wege Gottes, Partner seiner Liebe, Adressat seines Wortes. Wir brauchen die Posaunen wie zu einer Ruf-Intrade mit dem Text: Gott kommt als der Herr, er zeigt uns sein Gesicht, er zeigt sich uns als der, der aus Knechtschaft befreit und neben dem kein Gott ist. Die Posaunen am „Sinai“ – Träger der Botschaft: Der Gott der Befreiung hat Worte der Freiheit für euch bereit!

Die Posaunen von Jericho

Gehen wir weiter: Lernen wir aus der Bibel die zweite Grundfunktion der Posaunen. Natürlich: die Posaunen vor den Mauern Jerichos…. Vorsicht! Hier besteht Anlass für manche Missverständnisse!

„Jericho aber, so erzählt die Bibel, war verschlossen und verwahrt vor den Kindern Israels, so dass niemand heraus oder hinein kommen konnte.“ Gott gibt seinem Volk die Anweisung: „Zieht jeden Tag einmal um die Stadt, sechs Tage lang. Und am siebten Tag zieht siebenmal um die Stadt, und sieben Priester sollen sieben Posaunen tragen vor der Bundeslade her, um die Stadt gehen und die Posaune blasen. Da fielen am siebten Tag die Mauern von Jericho und das ganze Volk stieg zur Stadt hinauf.“ Folgt mir bitte, wenn ich aus dieser kriegerischen Geschichte eine friedliche Botschaft ziehe: Die Posaunen von Jericho sind Instrumente, sind Werkzeuge, Mauern abzutragen, die Menschen zwischen sich aufgebaut haben. Wir leiden unter den Bastionen der Zwietracht und des Misstrauens zwischen den Völkern, unter den aufgetürmten Schichten von Vorurteilen und Gleichgültigkeit unter uns, Mauern und Wälle aus harten Herzen und versteinerten Gesichtern. Wer zusammen musizieren kann, kann auch Mauern überspringen. Im Hören der Posaune kommen Grenzwälle ins Wanken und fallen Mauern in sich zusammen. Dass doch unsere Posaunen überall auf der Welt solche „Jerichos“ veranstalten, die Mauern brechen, dass Menschen und Völker zueinander hinauf steigen und Gemeinschaft haben!

Die Ergebnisse der Archäologie sind an dieser Stelle wirklich einmal ganz wichtig für die Theologie: Die Mauern lagen faktisch schon am Boden, als Israel einzog – Bild dafür, dass die sogenannte Landnahme nicht das Ergebnis kriegerischer Stärke gewesen ist, sondern Gabe Gottes – wie ein beeindruckendes Musikstück! Es soll nicht durch Heer oder Kraft geschehen, sondern durch den Hauch der Posaunen!

Die Posaune der Offenbarung

Weiter, noch eine der drei Grundfunktionen der Posaune fehlt uns. Wir treffen die Posaune wieder im Buch der Offenbarung, in dem der Seher Johannes seine Einblicke in die Zukunft Gottes und seiner Welt mitteilt. „Der Geist des Herrn kam über mich am Tage des Herrn“, so berichtet Johannes, “und ich hörte hinter mir eine große Stimme wie von einer Posaune“. Und was sagt die Posaunenstimme dem Seher, der Blick in welche Zukunft wird ihm da eröffnet? Er sieht das Ziel der Geschichte und hört und versucht es, in Worte zu fassen, was man vielleicht nur hören kann: „Und der siebte Engel posaunte; und es erhoben sich große Stimmen im Himmel, die sprachen: Es sind die Reiche der Welt unseres Herrn und seines Christus geworden, und er wird regieren von Ewigkeit zu Ewigkeit. Und die vierundzwanzig Ältesten, die vor Gott auf ihren Thronen saßen, fielen auf ihr Angesicht und beteten Gott an und sprachen: Wir danken die, Herr, Allmächtiger Gott, der du bist und der du warst, dass du hast an dich genommen deine große Macht und herrschest!“ (Offenbarung 11, 15) Das ist das Ziel Gottes und seiner Welt. Die Posaune der Offenbarung sagt die Vollendung an, den endgültigen Herrschaftsantritt Gottes. Nicht die Katastrophe.  Das ist der Horizont, in dem wir musizieren und verkündigen, und in diesem Horizont darf auch gehört werden: Jedes Posaunenspiel ist ein Vorspiel auf  die himmlische Erlösung, kein Katastrophengesang, auch keine Schicksalsmelodie. Gottesdienstliche Musik ist ein Präludium zu jener Zeit, in der unsere Bitte „Dein Reich komme“ erfüllt sein wird, jener Zeit, die keine Tränen und keinen Tod mehr kennen wird, weil es heißt: „Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen! Und er wird bei ihnen wohnen, und sie werden sein Volk sein, und er selbst, Gott, wird sein alles in allem.“ (Offenbarung 21 und  1.Korinther 15)

Weniger ist es nicht, was da in den Klängen der Posaunen mitschwingt, als dieses Dreifache: Hört, Gott ist in der Welt und beginnt eine neue Geschichte mit uns, eine Geschichte der Freiheit von jeder Sklaverei (das Erste). Hört, die Mauern von Jericho wanken und fallen und lassen den Atem der Menschlichkeit wehen (das Zweite). Und das Dritte: Hört, Gottes herrlicher Arm wird die Macht an sich ziehen und die Tränen abwischen von allen Augen. So nehmt das Instrument zur Hand und den Mund so voll wie möglich, und so lasst uns hören den vollen Klang der Frohbotschaft Gottes.

Amen

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2 Kommentare on “Gotteslob mit Posaunen

  1. Pastor iR Heinz Rußmann

    Diese originelle “Posaunen”-Predigt verkündet die Frohbotschaft Gottes bis zum Schluß mit vollem Klang. Gleichzeitig ist sie so originell und überzeugend aufgebaut, daß jeder Hörende sie anderen nacherzählen kann. 1.Die Posaunen vom Sinai, 2.von Jericho, und 3.von der Johannes-Offenbarung. Auch der Predigt-Stil begeistert manchmal wie eine schöne Musik: “Der Gott der Freiheit hat Worte der Freiheit für Euch bereit!”– Zur Musik bei der himmlischen Vollendung möchte ich die Anektdote ergänzen: Sagt ein Organist zum Pastor: Haben Sie schon bedacht? Im Himmel sind Sie arbeitslos. Dort wird nicht mehr gepredigt! Ich kann dort endlich mit den Engeln und Allen ohne falsche Töne musizieren und Chöre himmlisch schön leiten!

  2. mila dodig

    Sehr geehrter Pastor Heinz… DANKE, Ihre Predigt ist Antwort Gottes für meine Fragen.
    Gottes Segen, liebe Grüsse von kroatin Mila

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