Gottes ausgestreckte Hand

Die Chance der Buße nutzen

Predigttext: Römer 2,1-12
Kirche / Ort: Lübeck
Datum: 17.11.2010
Kirchenjahr: Buß und Bettag
Autor/in: Pastor em. Hans-Dieter Krüger

Predigttext: Römer 2,1-12 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)

1 Darum, o Mensch, kannst du dich nicht entschuldigen, wer du auch bist, der du richtest. Denn  worin du den andern richtest, verdammst du dich selbst, weil du ebendasselbe tust, was du richtest. 2 Wir wissen aber, dass Gottes Urteil recht ist über die, die solches tun. 3 Denkst du aber, o Mensch, der du die richtest, die solches tun, und tust auch dasselbe, dass du dem Urteil Gottes entrinnen wirst? 4 Oder verachtest du den Reichtum seiner Güte, Geduld und Langmut? Weißt du nicht, dass dich Gottes Güte zur Buße leitet?5 Du aber mit deinem verstockten und unbußfertigen Herzen häufst dir selbst Zorn an auf den Tag des Zorns und der Offenbarung des gerechten Gerichtes Gottes, 6 der einem jeden geben wird nach seinen Werken: 7 ewiges Leben denen, die in aller Geduld mit guten Werken trachten nach Herrlichkeit, Ehre und unvergänglichem Leben; 8 Ungnade und Zorn aber denen, die streitsüchtig sind und der Wahrheit nicht gehorchen, gehorchen aber der Ungerechtigkeit; 9 Trübsal und Angst über alle Seelen der Menschen, die Böses tun, zuerst der Juden und ebenso der Griechen; 10 Herrlichkeit aber und Ehre und Frieden allen denen, die Gutes tun, zuerst den Juden und ebenso den Griechen. 11 Denn es ist kein Ansehen der Person vor Gott.

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Liebe Gemeinde!

Tür zur Erkenntnis

Wenn wir mit dem Auto zu schnell fahren und dabei geblitzt werden, wird ein Bußgeld fällig, wir werden bestraft. In diesem Sinne ist Buße eine unangenehme Angelegenheit. Wie anders sieht die Bibel diesen Begriff. Da ist Buße ein Geschenk Gottes. Sie eröffnet uns den Zugang zu den Quellen, aus denen Gottes Kraft und Segen fließen. Sie ist die Tür zur Erkenntnis über uns selbst, über unser Wesen, das so oft mit Gottes Geboten nicht übereinstimmt. Wenn wir bereit sind, das einzugestehen, öffnen wir die Türen zu seiner Gnade und lösen den Jubel der Engel aus. Jesus hat einmal gesagt: „So wird Freude im Himmel sein über einen Sünder, der Buße tut, mehr als über hundert Gerechte, die der Buße nicht bedürfen“ (Lukas 15,7).  Paulus schreibt in seinem Brief an die Gemeinde in Rom, wie Gott uns Menschen das Geschenk der Buße vermittelt: durch seine Güte, Langmut und Geduld, damit wir unsere Berufung erkennen und uns immer wieder neu auf Gott hin orientieren. Da müsste man doch meinen, dass wir Menschen das dankbar annehmen. Aber die Realität sieht anders aus. Oft erweisen wir uns gerade an dieser Stelle als dickfellig, haben ganz andere Empfindungen: Das Leben läuft rund, es geht einigermaßen gut, wir haben Arbeit, sind gesund, die Kinder sind in Ordnung, Vieles gelingt. Nehmen wir das nicht oft als selbstverständlich hin? Wer fragt da schon, welcher Sinn dahinter stecken könnte, wenn alles so gut läuft. Aber wehe, wenn uns Pechsträhnen erwischen, Krankheit überfällt, Katastrophen uns aufschrecken.  Dann fangen wir an, Fragen zu stellen, die häufigste lautet: „Wie kann Gott das zulassen?“

Schnell beginnen wir, mit Gott zu hadern. Wir werden heute neu daran erinnert, in wie viel Güte Gottes unser Leben „eingewickelt“ ist. In anderen Ländern werden Christen verfolgt, verachtet, in Gefängnisse gesteckt, gefoltert und umgebracht. Wir dagegen können unseren Glauben hierzulande frei und ungehindert leben. Die Kirche ist eine in der Gesellschaft geachtete Größe. Wir spüren wenig von Seuchen, wenig von Erdbeben, Überschwemmungen und anderen Naturkatastrophen. Wir haben seit vielen Jahren Frieden. Wir haben Ärzte, Krankenhäuser  und Pflegeheime. Wir haben ein soziales Netz, das bei allen Mängeln, die es zu beklagen gibt, sich doch im Vergleich zu anderen Ländern sehen lassen kann. In alledem begegnet uns doch Gottes Güte. Merken wir denn nicht, dass Gott dadurch zu uns und mit uns reden will? Und wenn wir daran denken, mit welch einem großzügigen Maß von Liebe und Zuwendung Gott uns in Jesus Christus begegnet, dann können wir doch nur dankbar sein. Wie er uns durch ihn zeigt, welch höheren Gedanken er über uns und die Menschheit hat. Es sind Gedanken des Friedens, der Versöhnung und der Erlösung. Durch Christus enthüllt er uns sein innerstes Wesen. Es ist lauter Liebe. Sollten wir nicht viel froher und entschiedener diese ausgestreckte Hand Gottes ergreifen?

Einsicht

Paulus beklagt, dass diese Güte oft nicht erkannt wird, mehr noch: Sie wird verachtet. Kann unsere Gesellschaft gemeint sein? Oder sind wir sogar persönlich angesprochen? Kann es sein, dass wir denken: Bei uns ist alles in Ordnung, weil es uns relativ gut geht?  Solchen Überlegungen widerspricht Paulus: Gottes Güte sagt uns nicht, dass wir wunderbare Menschen sind, die es nicht nötig haben, ihr Leben zu überprüfen und ihr Verhalten zu verbessern. Gottes Güte will uns zur Buße leiten. Zu neuer Einsicht, zu einem Sinneswandel, der einer ständigen Erneuerung bedarf. Darum hat Martin Luther in seinen 95 Thesen auch davon gesprochen, dass unser Leben eine beständige Buße sein muss. Was geschieht, wenn Menschen für solche Einsicht unzugänglich sind? Paulus sagt: Gottes Urteil wird sie ereilen. Das hört sich nicht gut an. Er droht mit dem Gericht Gottes. Jeder Mensch wird eines Tages darnach beurteilt, wie er in seinem Leben geredet und gehandelt hat, ohne Ansehen der Person. Wie werden wir bei dieser Beurteilung abschneiden. Wir geben uns ja Mühe, ein Leben zu führen, das Gottes Geboten entspricht. Wir sind treu und gewissenhaft in unserem Beruf, sorgen für unsere Familie, sind in der Regel freundlich und hilfsbereit. Wir engagieren uns in Gruppen und Vereinen, tun viel Gutes. Das wird sicher bei unserer Beurteilung zum Tragen kommen.  Trotzdem müssen wir uns eine erhebliche Mängelliste vorhalten lassen:

Wir müssen zugeben: Wir machen Fehler, die manchmal schlimm sind. Wir verletzen  unsere Mitmenschen, und wir finden es zu Recht beschämend, was wir da zuweilen anrichten. Manchmal verrennen wir uns in verkehrten Gedanken und Vorstellungen. Wir geraten auf Abwege. Paulus lässt keinen Zweifel daran, dass Gott jeden einzelnen zur Rechenschaft zieht. Das gilt sogar für die Geretteten und Erlösten, von denen Jesus sagt, dass sie nicht ins Gericht kommen. Das hört sich nicht nach Evangelium an. Da stöhnt mancher: „Ach Paulus, mach es uns doch nicht so schwer. Vielleicht übertreibst Du auch ein bisschen mit diesen Drohungen?“ Kannst Du nicht einfach sagen: „Gott liebt alle Menschen und vergibt ihnen, ganz gleich, wie sie gelebt, was sie geglaubt und wie sie sich verhalten haben?“ Wäre eine solche Aussage nicht hilfreicher? Paulus würde antworten: „Nein, auf keinen Fall. Das entspricht nicht dem Gerechtigkeitswillen Gottes. Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Hass, Habsucht, Mord dürfen nicht ohne Konsequenzen  bleiben“.  Es widerspricht  auch unserem Gerechtigkeitsgefühl. Es wichtig zu wissen, dass die Täter vor Gericht gestellt und bestraft werden. Für die Betroffenen ist es oft der einzige Trost, den sie in ihrem Leid empfangen. Wir gehören sicher nicht zu der Kategorie  böser Menschen. Aber gehören wir zu denen, von denen der Apostel sagt, dass sie Gutes tun in aller Geduld mit guten Werken und trachten nach Herrlichkeit, Ehre und unvergänglichem Leben, und die darum Herrlichkeit, Ehre, Frieden und ewiges Leben erhalten? Ich hoffe, dass wir uns zu ihnen rechnen können und uns Mühe geben, zu ihnen zu gehören.

Nachdenklich macht die Formulierung des Apostels: „Du aber mit deinem verstockten und unbußfertigen Herzen häufst dir selbst Zorn an auf den Tag des Zorns und der Offenbarung des gerechten Gerichtes Gottes“. Könnten wir damit gemeint sein? Ich hoffe nicht. Worauf zielt der Apostel ab? Er möchte, dass wir die Chance der Buße nutzen. Wir sollen Einsicht gewinnen, dass wir in der Tiefe unseres Wesens sündige Menschen sind und auf die Gnade und Vergebung Gottes angewiesen sind. Wir sollen unsere Fehler und Versäumnisse erkennen, ehrlich zugeben, dass unser Glaube sich oft genug als kläglich darstellt, einsehen, dass unsere Hoffnung oft mehr einer Pflanze gleicht, die eingeht statt aufzublühen, dass unser Bemühen um Nächstenliebe oft an kleinlichem Aufrechnen scheitert. Solche Einsicht hat Martin Luther in seinem wichtigsten Beichtgebet in die Worte gefasst: „Ich armer, elender, sündiger Mensch, bekenne dir alle meine Sünde und Missetat, die ich begangen mit Gedanken, Worten und Werken, womit ich dich jemals erzürnt und deine Strafe zeitlich und ewiglich verdient habe. Sie sind mir alle herzlich leid und reuen mich sehr, und ich bitte dich um deiner grundlosen Barmherzigkeit und um des unschuldigen bitteren Leidens und Sterbens deines lieben Sohnes Jesus Christus willen, du wollest mir armen, sündhaften Menschen gnädig und barmherzig sein, mir alle meine Sünden vergeben und zu meiner Besserung Deines Geistes Kraft verleihen“. Wenn das unsere Meinung ist und wir diese Einstellung teilen, wird Gott nicht zögern, uns zu vergeben und uns reichlich mit jener Kraft zu segnen, die unser Leben erneuert.

Umkehr

Die schönste Bußpredigt hat Jesus gehalten. Es ist das bekannte Gleichnis vom verlorenen Sohn. Nachdem der junge Mann sein Erbe verprasst hatte und es mit ihm bergab ging, wollte er seine Lebensausrichtung ändern, und er konnte es. Wir können es auch. Jeder kann an seiner misslichen Lage arbeiten, an seiner Persönlichkeit, seinem Charakter, seinem Verhalten. Gott hat Freude daran, wenn wir es tun, wenn wir Einsicht zeigen und den Willen zur Besserung haben. Er ist bereit, uns dabei zu helfen. Jeden Tag können wir von neuem unsere Lebenssicht überprüfen und wenn nötig, korrigieren. Gott kann viel aus unserem Leben machen, wenn wir die richtige Einstellung zu ihm finden. Ein Schritt nur, und wir sind wieder auf dem richtigen Weg.  Für den Sohn hieß das Schlüsselwort, das ihn rettete: “Umkehr“. „Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen.“ Mit diesen Worten beendete er sein tristes Dasein und startete in ein neues Leben. Es hat sich gelohnt. Er bekam mehr, als er zu hoffen gewagt hätte. Der Vater empfing ihn mit offenen Armen. Alle Schuld ist vergeben. Seine Buße, also seine Rückkehr, seine Neubesinnung, seine Einsicht, seine Reue, das alles wird groß gefeiert. So ist unser Gott: Gnädig und barmherzig und von großer Güte. Buße hieß für ihn ja nicht: „Ich muss nun leider die Gemeinschaft mit den Schweinen aufgeben“, sondern, „ich halte es dort nicht mehr aus, ich will ein neues, besseres Leben haben. Ich habe die Chance dazu, und die hat einen Namen: Das Vaterhaus. Dort will ich wieder hin“.

Buße heißt auch für uns nicht: „Ich kehre mich schweren Herzens von Dingen ab, die mir mal etwas bedeutet haben, aber nicht gut waren“, sondern: „Ich wende mich froh und gern den Dingen zu, die mein Leben bereichern, mit Sinn erfüllen und mich froh und dankbar machen. Ich will mein Vertrauen stärken, meine Hoffnung vertiefen, ein bessere Verhältnis zu meinen Mitmenschen finden und nicht aufhören, die Nähe Gottes zu suchen und seine Führungen zu verstehen“. Zu unserem Thema hat der Liedermachers Manfred Siebald  diese Worte gefunden:

Nimmst du mich noch einmal an?
Herr, ich hab so viel getan gegen deinen Willen, gegen deinen Rat.
Hat deine Liebe nicht vielleicht ihre Grenzen jetzt erreicht
und du kannst nicht mehr verzeihen, was ich tat?

Ging ich auch zuerst nur kleine Schritte fort von dir,
so spür ich doch zwischen uns jetzt die Unendlichkeit.
Und um jede Stunde ohne dich, alle Tage fern vor dir,
alle eigenen Wege tut es mir heut leid.

Nimmst du mich noch einmal an?
Ob es wieder werden kann, so wie damals als ich nahe bei dir war?
Was ich damals von mir stieß, als ich deine Hand verließ,
wird mir erst aus meiner Ferne richtig klar.

Du sollst wieder meine erste Freude früh am Morgen sein
Und der letzte der Gedanken vor der Nacht.
Und wenn einer von dir Gutes sagt, will ich mich wieder freun,
und es soll mir wehtun, wenn man dich verlacht.

Nimmst du mich noch einmal an?
Herr ich halte mich daran: Ich darf kommen, und du stößt mich nicht hinaus.
Meine Flucht ist nun vorbei; ich gehör dir wieder neu.
Es ist gut, bei dir zu sein, bei dir zu Haus. (Jesu Name Band 4, Nr. 1228, Hänssler-Verlag)

Amen.

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