“…dein Freundlichkeit auch uns erschein”

Liedpredigt zum Adventslied „Macht hoch die Tür“ - Ich widme diese Liedpredigt der Präsidentin der Landessynode der Evangelischen Landeskirche in Baden, Frau Justizrätin Margit Fleckenstein sehr dankbar und mit ganz herzlichen Segenswünschen zum Geburtstag

Predigttext: Lied "Macht hoch die Tür" (Evangelisches Gesangbuch, 1)
Kirche / Ort: Karlsruhe
Datum: 28.11.2010
Kirchenjahr: 1. Sonntag im Advent
Autor/in: Kirchenrat Pfarrer Heinz Janssen

Adventslied "Macht hoch die Tür", Evangelisches Gesangbuch, 1

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Diese Liedpredigt widme ich der Präsidentin der Landessynode der Evangelischen Landeskirche in Baden, Frau Justizrätin Margit Fleckenstein sehr dankbar und mit ganz herzlichen Segenswünschen zum Geburtstag

Liebe Gemeinde!

“Macht hoch die Tür, die Tor macht weit…” – Feierliche Ankündigung des Kommen Gottes und die Einladung, Gott den Weg zu bereiten, sind das Thema dieses im besten Sinn volkstümlichen Adventsliedes. Dichter des Liedtextes war der in Domnan bei Königsberg im Jahre 1590 geborene und mit 45 Jahren verstorbene Pfarrer Georg Weissel. Er verfasste den Text als 33jähriger im Jahre 1623 zur Einweihung der Altrossgärter Pfarrkirche, wo er eine Woche später als Pfarrer eingeführt wurde. Der Liedkomponist ist uns nicht mehr bekannt. Die Melodie erschien erstmals im Halleschen Gesangbuch, dem wohl bedeutendsten des Pietismus, das Johann Anastasius Freylinghausen herausgab.

"Wir sagen euch an den lieben Advent. Sehet, die erste Kerze brennt..."

Macht hoch die Tür

Dem Aufruf “Macht hoch die Tür” liegen Verse aus Psalm 24 (Verse 7 – 10) zu Grunde. Wir haben diese Psalmverse am Anfang des Gottesdienstes schon gehört: “Machet die Tore weit und die Türen in der Welt hoch, dass der König der Ehre einziehe…”  Mit den Türen sind die Tempeltore des Tempels zu Jerusalem in altisraelitischer Zeit gemeint. Bedenken wir dies, so können wir verstehen, wenn Georg Weissel seinen Liedtext für die Einweihung seiner Pfarrkirche schrieb. Der Tempel, die Kirche, sie sind der Ort, an dem die Gemeinde den Advent, das Kommen Gottes, seinen Einzug, feiert. Festlich schreitend ist die Liedmelodie gestaltet. Die Tempel- oder Kirchentüren können für den einziehenden Gott nicht “hoch” und “weit” genug sein. Das Gefühl der Enge darf auf gar keinen Fall aufkommen. Der Einziehende soll spüren: Ich bin eingeladen, ich werde erwartet und bin willkommen. Die Höhe und Weite des Eingangstores bringen die besondere Bedeutung zum Ausdruck, welche die Gemeinde dem sehnlichst Erwarteten beimisst. Der festliche Schmuck des Torbogens und des Gotteshauses weisen auf die Stimmung der Freude der Wartenden hin. So wird anschaulich, dass ein Gotteshaus ein ganz besonderer Ort ist. Gott heißt uns im Tempel, in der Kirche, willkommen, Gott erwartet uns freundlich.

“Macht hoch die Tür, die Tor macht weit, es kommt der Herr der Herrlichkeit…” In der ersten Strophe fallen die vielfältigen Umschreibungen für Gott auf: der Herr der Herrlichkeit, ein König aller Königreich, ein Heiland aller Welt zugleich, der Heil und Leben mit sich bringt. Von Gott sprechen heißt immer wieder sagen, was man mit diesem Wort meint. Zu bedrängend ist der Missbrauch des Wortes Gott in Vergangenheit und Gegenwart. Georg Weissel greift das biblische im Psalm gebrauchte Bild vom König auf. Ein König, wenn er seine eigentliche Aufgabe wahrnimmt, sorgt für sein Volk, er regiert weise und achtsam, seine Autorität besteht gerade darin, dass er nicht sein eigenes Ansehen, sondern das der ihm anvertrauten Menschen vermehrt, nur dadurch hat er besonderes “Gewicht” (“Gewicht/Gewichtigkeit” – das ist die Bedeutung des biblisch-hebräischen Wortes, das meist mit “Herrlichkeit” übersetzt wird). So ist er ein “Heiland aller Welt”, d.h. ein Retter, der die Menschen vor Schaden bewahren will. So bringt er ihnen, wonach sich alle sehnen: “Heil und Leben”, das bedeutet keine heile Welt, aber die Möglichkeit zu Friede, Ganzwerden, Leben ohne Enge, in dem ich atmen und frei sein kann.

“Heiland” bzw. “Retter” und “König” werden später Ehrennamen für Jesus von Nazareth, der Titel “König” heißt in der lateinischen Übersetzung “Christus”, wörtlich: der Gesalbte (wir werden damit an das israelitische Ritual der Königssalbung erinnert). Die beiden Worte Jesus Christus werden so zum kürzesten Bekenntnis: Jesus ist der Christus, der im Namen Gottes handelnde und heilend wirkende König. “Gelobet sei mein Gott…” Ja, dafür ist Grund, Gott, der dein und mein Gott sein will, zu danken und ihm froh zu singen. Dazu ruft der Liederdichter auf. Er will uns einstimmen, Gott den Schöpfer allen Lebens, bei dem wir immer gut beraten sind, erwartungsvoll zu empfangen. Singen wir die zweite Liedstrophe!

Er ist gerecht

In der 2. Strophe entfaltet der Liederdichter das Bild vom König, mit dem er das Wesen und Handeln Gottes veranschaulicht. Gott ist ein Gott für die Menschen. “Einen König, der wohl regieren und Recht und Gerechtigkeit im Lande üben wird”, kündigte der Prophet Jeremia an (Jeremia 23,5-8).  Gerechtigkeit, für andere dasein, sanftmütiger, geduldiger Umgang mit ihnen und ihnen in und aus der Not helfen – all dies zeichnet Gott aus. Gott ist ein heilender, rettender und tatkräftig handelnder Gott.  Seine Machtinsignien – Krone, Zepter und “Gefährt”, d.h. sein Streitwagen – sind nicht bedrohlich für die Menschen, sondern sie stehen im Dienst ihres Schutzes. Wieder klingt mit dem Wort “Heiland” wie schon in der 1.Strophe der Name Jesus an. Der hebräische Name für Jesus bedeutet: Gott hilft, rettet, heilt. Diesem heilsam kommenden Gott soll dein und mein Singen gelten, unser aller Lobpreis.

O wohl dem Land, o wohl der Stadt

“O wohl dem Land, o wohl der Stadt, so diesen König bei sich hat…” Klingt es hier in der 3. Strophe nicht wie eine Gratulation? Stimmen wir ein! (Gemeinde singt 3. Strophe)

Ja, einem Land, einer Stadt, die einen solchen Regenten bei sich haben, kann man nur gratulieren. Da geht es den Menschen gut, da lernen sie mit dem Herzen sehen, die Sonne geht auf. Wenn die Machthaber und Verantwortlichen in der Welt sich von diesem himmlischen Regenten in Dienst nehmen lassen, können Menschen sich freuen und glücklich sein. Darum bringen wir diesem Gott, der uns „früh und spät“ tröstet, vom Morgen bis zum Abend uns aufrichtet, unser dankbares Lob.

…Zweiglein der Gottseligkeit

Die 4. Strophe nimmt nocheinmal den Anfang der ersten auf: “Macht hoch die Tür, die Tor macht weit”, jetzt aber ist es ein Aufruf im übertragenen Sinn: es geht um das weite Öffnen unserer Herzenstür, um das innere Sicheinstellen auf Gott, der auch in meinem Herzen, in und bei mir, Einzug halten, zu mir kommen will. Ich selbst soll ein Tempel sein, ein Haus für Gott und seinen Anspruch an mich. Denkt der Liederdichter an die Worte des Apostels Paulus: “Wisst ihr nicht, dass euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist, der in euch ist und den ihr von Gott habt?” (1. Korinther 6, 19) Dieses innere Haus zu schmücken, fordert uns Georg Weissel auf. Mit den “Zweiglein der Gottseligkeit” sollen wir es ausschmücken, sie sind ein Bild für den Glauben, das Vertrauen auf Gott. Mit diesem Vertrauen bekommen wir Menschen, was wir brauchen: Rat, Beratung auf unseren Lebenswegen, Mut zum eigenen verantwortungsvollen Handeln, zum Einsetzen unseres von Gott gegebenen Verstandes. So sieht Gottes Gnade aus. Das biblische Wort “Gnade” bedeutet Gottes freundliche, solidarische Verbundenheit mit uns. Sollten wir dafür nicht dankbar sein, dankbar für einen Gott, der auf uns zugeht und uns weiterhelfen will? Singen wir einander die 4. Strophe zu! (Gemeinde singt 4. Strophe)

Komm, o mein Heiland Jesu Christ

Sind die ersten vier Strophen Rede von Gott, “Theo-Logie”, so ist die letzte Strophe Rede zu Gott, ein  Gebet, das sich an Jesus Christus wendet. Ausdrücklich wird darin Jesus Christus als der persönliche Heiland, also Retter, angeredet und gebeten, durch die offene Herzenstür zu kommen. In Jesu Leben und Handeln, so will Georg Weissel sagen, spiegelt sich das Leben und Handeln Gottes, Jesus entspricht seinem Willen. Georg Weissel lässt uns singend mitbeten, denn: Gottes in Jesus von Nazareth wirkende Gnade sollen auch andere Menschen erfahren, die Gemeinden und alle Völker. Mit dem Liederdichter bitten wir um Jesu Heiligen Geist, dass diese Gotteskraft uns führe und leite auf dem Weg zur ewigen Seligkeit, zu einem Leben, das in Gott geborgen ist. Es leuchtet jetzt schon gegen alles Dunkle in der Welt. Gottes Advent, sein Kommen in und mit Jesus von Nazareth, seinem Christus, ist ausgerufen, auch über deinem und meinem Leben. Öffnen wir darum die Türen unserer Herzen, singen wir mit Georg Weissel will uns dazu bewegen, den Namen dieses Herrn ewig, jetzt und allezeit, dankbar zu ehren. “Komm, o mein Heiland Jesu Christ“ – stimmen in das Gebet der letzten Strophe ein! (Gemeinde singt 5. Strophe)

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Ein Kommentar zu ““…dein Freundlichkeit auch uns erschein”

  1. Pfarrer Hartmut Frische

    Lieber Heinz,

    gerne habe ich Deine Liedpredigt über „Macht hoch die Tür“ gelesen und mich dabei in den Inhalt und in die einzigartige Stimmung hinein nehmen lassen, die dieses Adventslied hat. Es steht mit Recht unter der Nummer 1 in unserem evangelischen Gesangbuch. Du nimmst mit schönen Formulierungen in die einladende Atmosphäre dieses Liedes und der adventlichen Zeit hinein.

    Natürlich steht hinter diesem Lied der Psalm 24, das alttestamentliche Wort, das den Tenor für den 1. Adventssonntag angibt. Und natürlich ist Gott, der Heilige Israels, hier gemeint, der als der „König der Ehren“ gepriesen wird. Bis heute können wir von dem Gottesvolk lernen, wie es ist, sich von Gott einladen zu lassen und in ganzer Bereitschaft vor ihm zu stehen.

    Allerdings bezweifele ich, dass Georg Weissel erst in der eindrücklichen 5. Strophe an Christus, den Heiland, denkt. Einige Male habe ich versucht, dieses Lied meinen Konfirmanden und Konfirmandinnen nahe zu bringen. Ich konnte es nur, indem ich sie dieses Lied mit dem Einzug Jesu in Jerusalem vergleichen ließ. Mit Sicherheit denkt die 2. Strophe an Sach 9,9 und Matth 21,1-9. Die „Zweiglein“ in der 4. Strophe erinnern an die Palmwedel der Einzugsgeschichte. Wenn man „Macht hoch die Tür“ singt, hat man den Jubel vor Augen, der beim Einzug Jesu in Jerusalem losbrach. Ganz bewusst hat es Jesus so inszeniert, dass er sich hier als der Messias Israels und der König aller Könige seinem Volk präsentierte. Folglich ruft das Lied alle, alle, alle auf, ihn nicht in den Tempel wie in Psalm 24, sondern in das eigene Innere, in das Herz, in das eigene Leben mit all seinen Bezügen einziehen zu lassen.

    Dies wollte ich zu Deiner Predigt ergänzen.

    Ich wünschen Dir rührige Adventswochen mit Oasen der Stille.
    Herzliche Grüße!

    Dein Hartmut

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