„Freue dich, freue dich, o Christenheit…“

Seit Weihnachten können wir getrost leben, von Gott gehalten und als Menschen, die einander helfen

Predigttext: Johannes 3,16-21
Kirche / Ort: Lübeck
Datum: 24.12.2010 Heiliger Abend
Kirchenjahr: Christvesper
Autor/in: Pastor iR Heinz Rußmann

Predigttext: Johannes 3,16-21 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)

16 Denn also hat Gott die Welt geliebt, daß er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.  17 Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, daß er die Welt richte, sondern daß die Welt durch ihn gerettet werde.  18 Wer an ihn glaubt, der wird nicht gerichtet; wer aber nicht glaubt, der ist schon gerichtet, denn er glaubt nicht an den Namen des eingeborenen Sohnes Gottes.  19 Das ist aber das Gericht, daß das Licht in die Welt gekommen ist, und die Menschen liebten die Finsternis mehr als das Licht, denn ihre Werke waren böse.  20 Wer Böses tut, der haßt das Licht und kommt nicht zu dem Licht, damit seine Werke nicht aufgedeckt werden.  21 Wer aber die Wahrheit tut, der kommt zu dem Licht, damit offenbar wird, daß seine Werke in Gott getan sind.

Überlegungen zur Predigt

"Man muss Johannes 3 in die Windeln von Lukas 2 einwickeln", sagte einmal der jetzige Bischof von Hannover, Ralf Meister. Diese Aussage trifft sehr genau die Problematik dieses Textes für die  Weihnachtspredigt. Fast alle, die am Heiligabend zum Gottesdienst kommen, erwarten eine anrührende Predigt nach der Lesung des Weihnachtsevangeliums (Lk 2,1-20). Der Predigttext aus dem Johannesevangelium bietet dagegen eine reflektierte und holzschnittartig verdichtete Theologie. Schon im ersten Vers 16 wird im Grunde das ganze Neue Testament dogmatisch zusammengefaßt. Der Satz enthält sowohl eine Sendungs- als auch Sühnetodchristologie. Zum Heiligabend bzw. Weihnachten paßt nur der erste Aspekt. Auf jeden Fall enthält der Satz Joh 3,16 mit das Schönste, was wir als Christen weitersagen können. Für Martin Luther war der  Vers "eines der herrlichsten Evangelien im Neuen Testament". Deswegen schlage ich vor, dass die Predigt zum  „Kasualfall“ Heiligabend sich auf den ersten Vers konzentriert. Auch möchte ich vorschlagen, in der Predigt zuerst unsere Weihnachtserwartungen aufzunehmen und diese danach mit dem Predigttext theologisch zu vertiefen. Gegen den neuen Atheismus (z.B. Dawkins) ist der aus der Naturwissenschaft abgeleitete Gedanke des sogenannten "anthropischen Prinzips" als Zeichen von Gottes Liebe und Absicht ganz tiefsinnig und erfreulich. Noch eine wichtige Perspektive: Viele Menschen sind heute skeptisch, ob sich durch Jesus Christus überhaupt etwas zum Guten gewendet hat. Überraschend konstatiert der Dawkins genau wie sein christlicher Gegner Teilhard de Chardin ein Anwachsen an Humanität in der Neuzeit. Thematisieren würde ich, dass durch Jesus mehr Gottvertrauen in die Welt gekommen ist und dadurch die "Heidenangst " vor dem Schicksal besser bewältigt werden kann.

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Liebe Gemeinde !

“Lobt Gott, ihr Christen allegleich, in seinem höchsten Thron, der heut schließt auf sein Himmelreich und schenkt uns seinen Sohn”, heißt es in einem Weihnachtslied (EG 27,1). Gott schenkt uns seinen Sohn – das ist das Thema des Predigttextes zum Heiligabend, ausführlicher und eindringlicher als in dem genannten Lied heißt es dort: “Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle die an ihn glauben nicht verloren gehen, sondern das ewige Leben haben”. Diese Botschaft ist von Anfang an bis heute ein Anlaß, dass wir uns von Herzen freuen können. Sie hilft nämlich gegen alle „Heidenangst“. Vom Anfang der Menscheit und von unserer eigenen Kindheit an haben wir es mit Ängsten zu tun. Ein wenig Angst fördert zwar überall das Leben und macht uns vorsichtig und aufmerksam und warnt vor Gefahren. Zuviel Angst aber quält und lähmt. Um sich von bedrohlicher Angst zu befreien, sind Menschen sogar zu Verbrechen bereit.  Zuerst hatten die Menschen Angst vor den Mächten der Natur. Vor Bären, Unwetter und Krankheiten. Jedes Rascheln im Gebüsch, jedes Knacken in der Dunkelheit, löste Alarm oder Panik aus. Da war die Angst vor bösen Geistern und dämonischen Göttern, denen man Hungersnot, Krankheit, Gewalt, Sklaverei, Wahn und Krieg zuschrieb. Deshalb war man immer damit beschäftigt, die Götter durch Opfer und Rituale zu besänftigen.

Ein erstes Geschenk Gottes an die Menschheit war, dass Gott sich den Israeliten als der eine, gütige, allmächtige Gott, Herrscher über alle Geister, Mächte und Gewalten zeigte. Eine neue ermutigende Zeit brach an. Die abergläubische „Heidenangst“ vor allen dunklen und dämonischen Schicksalsmächten wich dem Gottvertrauen: “Der Herr  ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln…“, so beten Juden und Christen bis heute (Psalm 23). Das neugewonnene Zutrauen in Gott hilft, mutiger und zuversichtlicher in die Zukunft zu gehen. Trotzdem überfällt uns bis heute, auch als fromme Menschen, immer wieder die „Heidenangst“, dass Gottes Güte womöglich sehr begrenzt sein könnte. Wenn uns Schicksalsschläge treffen oder uns Nachrichten von Naturkatastrophen, Krieg und Elend erreichen, ist diese Angst schnell wieder obenauf. In dieser ständigen Bedrohung durch „Heidenangst“ ist das Erscheinen von Jesus Christus das entscheidende zweite Geschenk Gottes an die Menschheit.

Das größte Projekt der ganzen Weltgeschichte gegen die „Heiden- Angst“ beginnt mit der Weihnachtsbotschaft: “Fürchtet euch nicht! Siehe ich verkündige Euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren…” Gott zeigt uns durch die Geburt Jesu, dass er uns liebt und uns nahe ist. Gott schenkt uns seinen Sohn, damit wir nicht verloren gehen. „Freue dich, freue dich, o Christenheit“ (Ein kleines Kind verstand übrigens das Wort Christenheit nicht und sang immer falsch, aber trotzdem voller Sinn: Freue dich, o Christ und Heid!) Gott kommt zu uns als hilfloses Kind heimatloser Eltern, und es kommt zuerst zu den Armen. Der Gott der Liebe kommt zu uns als Mensch unter Menschen, zuerst als Kind in der Krippe. Jesus wird von Stern und Engel als Retter angekündigt, von Hirten und Königen gegrüßt und vom bösen König Herodes bedroht. Kein Mensch hat uns so sehr Gottes Liebe nahe gebracht wie Jesus von Nazareth. Jesus hat aus einem grenzenlosen Vertrauen und einer grenzenlosen Liebe zu Gott gelebt. Er hat damals und heute Menschen in sein Vertrauen zu Gott und seine Liebe hineingenommen. Durch Jesus können wir unser ganzes Leben lang sagen: “Ich bin ein Kind Gottes und ein Bruder, eine Schwester von Jesus. Ich gehöre zu Gott. Gott läßt mich nicht fallen”.

Für dieses Geborgenheitsgefühl mit Gott gibt es in unserer Zeit  durch die Naturwissenschaft einen erfreulichen Hinweis: Wir Menschen stehen ganz erstaunlich genau auf der Mitte zwischen der größten Ausdehnung im Weltall und der Ausdehnung des kleinsten Atomteilchens. Alle Naturgesetze sind  genau so abgestimmt, dass sie eine Entwicklung bis zum Menschen hin möglich machen. Es ist als ob wir von einem gütigen Schöpfer von Anfang an geplant worden sind. Auch dadurch, dass wir von Gott die Begabung für Technik und Wissenschaft bekamen, haben wir eine besondere Stellung im Weltall. Wir sind „Ebenbilder Gottes“, wie es die Bibel sagt. Durch unsere Fähigkeit zu denken und zu erkennen, mit Hilfe von Wissenschaft und Technik, sind wir in der Lage, immer mehr Einzelheiten und Zusammenhänge des kosmischen Weltplans zu erkennen. Wir können Gott dem Schöpfer ein wenig in die Karten schauen und sogar wie Gott Neues erfinden wie z.B. die Gentechnik. Gott hat uns mit großartigen Fähigkeiten begabt. Vor allem sind wir wahrscheinlich die  einzigen Lebewesen im Weltall, welche an Gott denken können und sich an ihm festhalten können als seine Kinder und als Geschwister Jesu.

Wer das nicht glauben kann, muß sich wie ein Waisenkind im Weltall vorkommen. Wie kann er der „Heidenangst“ vor einem sinnlos-zufälligen Schicksal ohne Ziel entgehen? Ohne den Glauben an den Gottes Sohn Jesus kehrt diese Angst wieder zurück. Wir aber sind in diese Kirche gekommen. Wir freuen uns über die Weihnachtsgeschichte und die Botschaft des Engels: Fürchtet Euch nicht! Siehe ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren…“ Wir danken Gott und loben ihn, dass Jesus unser Bruder wurde. Niemand ist verloren oder allein. Mit der Ankunft Jesu bei Dir und bei mir können wir getrost leben, von Gott gehalten und als Menschen, die einander helfen. Denn Gott liebt diese Welt und schenkt uns seinen Sohn. “Sagt den Menschenkindern  allen, dass ein Vater ist, dem wir wohlgefallen, der uns nie vergißt!“ Frohe Weihnacht!

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