Vertrauen in die Kraft Gottes

Innehalten, sich Zeit nehmen für ganz persönliche Gedanken und Wünsche, Bitten und Dank

Predigttext: Jesaja 30, (8-14),15-17
Kirche / Ort: 07381 Pössneck
Datum: 31.12.2010
Kirchenjahr: Altjahresabend
Autor/in: Pfarrer Jörg Reichmann

Predigttext: Jesaja 30, (8-14).15-17 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)

8 So geh nun hin und schreib es vor ihnen nieder auf eine Tafel und zeichne es in ein Buch, daß es bleibe für immer und ewig.  9 Denn sie sind ein ungehorsames Volk und verlogene Söhne, die nicht hören wollen die Weisung des HERRN,  10 sondern sagen zu den Sehern: »Ihr sollt nicht sehen!« und zu den Schauern: »Was wahr ist, sollt ihr uns nicht schauen! Redet zu uns, was angenehm ist; schauet, was das Herz begehrt!  11 Weicht ab vom Wege, geht aus der rechten Bahn! Laßt uns doch in Ruhe mit dem Heiligen Israels!«  12 Darum spricht der Heilige Israels: Weil ihr dies Wort verwerft und verlaßt euch auf Frevel und Mutwillen und trotzet darauf,  13 so soll euch diese Sünde sein wie ein Riß, wenn es beginnt zu rieseln an einer hohen Mauer, die plötzlich, unversehens einstürzt;  14 wie wenn ein Topf zerschmettert wird, den man zerstößt ohne Erbarmen, so daß man von seinen Stücken nicht eine Scherbe findet, darin man Feuer hole vom Herde oder Wasser schöpfe aus dem Brunnen. 15 Denn so spricht Gott der HERR, der Heilige Israels: Wenn ihr umkehrtet und stille bliebet, so würde euch geholfen; durch Stillesein und Hoffen würdet ihr stark sein. Aber ihr wollt nicht  16 und sprecht: »Nein, sondern auf Rossen wollen wir dahinfliegen«, - darum werdet ihr dahinfliehen, »und auf Rennern wollen wir reiten«, - darum werden euch eure Verfolger überrennen.  17 Denn euer tausend werden fliehen vor eines einzigen Drohen; ja vor fünfen werdet ihr alle fliehen, bis ihr übrigbleibt wie ein Mast oben auf einem Berge und wie ein Banner auf einem Hügel.

Exegetische Beobachtungen (I.) und homiletische Überlegungen (II.)

I.   Ein Blick in die Geschichte des Volkes Israel zeigt, welch spannende Zeit sich in unserem Text widerspiegelt. Ein gewagtes politisches Kalkül des Königs Hiskia und seine Vernarrtheit in die schnellen Streitwagen der Ägypter bringen das kleine Königreich Juda an den Rand einer Katastrophe. Kritische und warnende Stimmen sind unerwünscht, selbst die Propheten sollen nach dem Munde reden. Der Spitzensatz ist zweifelsohne: „Lasst uns doch in Ruhe mit dem Heiligen Israels!“ Jesaja führt mit den drastischen Bildern von der reißenden Mauer und den unbrauchbaren Tonscherben die Folgen dieser gottvergessenen Selbstüberschätzung (Sünde/Schuld, Vers 13) eindrücklich warnend vor Augen. Das richtige Verhalten erinnert Jesaja in Vers 15: Wie die dreifache Namensnennung Gottes zeigt, steht der HERR mit seiner ganzen Autorität hinter diesem Prophetenwort, dessen zentrales Wort „umkehren“ ist. Umkehr vom eigenen Plan, der nur scheinbar so genial aussieht, die Hauruck-Aktion bremsen, stille werden, auf Gottes Wort hören, und dann erst handeln! Nicht bei den Ägyptern werdet ihr Hilfe finden, sondern nur bei Gott, dem Schöpfer, dem Erbarmer, der mit seinem Volk verbunden ist. Das ist keine Aufforderung zur Untätigkeit und zum hilflosen Erdulden eines schwierigen Schicksals, sondern die klare Ansage: Handelt nicht, ohne Gottes Wort zu hören! Die abschließenden Verse nehmen noch einmal den Gedanken der Verbohrtheit aus Vers 8 ff. auf („Aber ihr wollt nicht…“) und  stellen in gekonnten Wortspielen dar, wie wenig die Alleinsetzung der militärisch (technischen) Überlegenheit den Israeliten helfen wird. Sehr hilfreich zum Textverständnis ist die Lektüre von Roland Gradwohl, Bibelauslegungen aus Jüdischen Quellen, Calwer, 3. Aufl. 2002, S. 175-183. II.   Der Text ist mit Sicherheit (nicht nur) zum Altjahresabend eine Herausforderung, weshalb vermutlich nicht wenige PredigerInnen auf die Jahreslosung 2011 (Römer 12,21) wählen werden. Ich sehe angesichts des V.10b eine Chance zur tiefen Begegnung des eigenen Lebens mit Gottes Wort. Mit Blick auf die Gottesdienstgemeinde am Altjahresabend stelle ich fest, dass zu Silvester nur die Menschen kommen, die den Jahreslauf und damit den Lauf ihres Lebens im Spiegel des Gotteswortes bedenken wollen. Will sagen: In unserer Gegend geht „man“ im Gegensatz zur Christvesper am Heiligen Abend zu Silvester nicht mehr aus Traditionsgründen oder mit „Kasualhintergrund“ zur Kirche. Daraus folgt eine entsprechende Erwartungshaltung der Menschen. Für sehr beachtenswert halte ich, den Text nicht als  „Generalabrechnung“ zu predigen, sondern die „Wegweisung für unsere Zeit“ (R. Gradwohl, a. a. O.) in Ehrfurcht vor dem Text verständlich und hilfreich für die Gemeinde zu formulieren und erlebbar zu machen.

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Liebe Gemeinde!

Stellen Sie sich einmal vor, da gäbe es einen Politiker in höchster Stellung, der endlich etwas anpackte! Einer, der ein drängendes Problem seines Volkes mit einer ordentlichen Aktion aus der Welt räumen wollte! Einen von dieser Sorte kennen Sie nicht? Haben Sie im gesamten zu Ende gehenden Jahr 2010 nicht erlebt? Eher das Gegenteil, wenn Sie an das Milliardengeschenk an die Energiekonzerne durch die Laufzeitverlängerung alter Atomkraftwerke oder die Milliarden für die Banken oder die 5,00 Euro Erhöhungspläne für Hartz IV denken? Ich bitte Sie, trotz aller dieser Erfahrungen Ihre Vorstellungskraft einmal anzustrengen: Einen solchen Politiker hat es wirklich einmal gegeben. Zugegeben: Es ist schon sehr, sehr lang her.

Zustimmung und Bedenken

Der Mann hieß Hiskia und war König in Juda. Das Problem, was er lösen wollte, hatte auch mit Geld zu tun, mit viel Geld. Denn das kleine Königreich Juda musste den mächtigen Assyrern Tribut zahlen, eine Art Schutzgeld. Nun bestand die Chance, die erpresserischen Forderungen der assyrischen Großmacht loszuwerden. Eine einmalige historische Gelegenheit, dachte Hiskia. Denn der Oberste Feldherr und König dieser Macht war gestorben, der Nachfolger saß noch nicht fest im Sattel. König Hiskia von Juda jubelte und fasste einen Plan. Jetzt schnell mit den Feinden der Assyrer, den Ägyptern, einen Pakt schließen! Das waren die mit den schnellsten Streitwagen, der besten Waffentechnik. So zu sagen alles auf ein anderes Pferd setzen. Dann ist das Problem vom Tisch, dachte Hiskia.

Endlich mal ein Politiker mit Köpfchen, der die Zeichen der Zeit erkannt hat, dachten die Leute in Juda. Sie jubelten. Alle dachten, dieser Plan sei genial und alternativlos gut. Nur Jesaja und ein paar andere Gottesmänner nicht. Die fielen immer wieder dadurch auf, dass sie Negativprophezeiungen losließen. Es kann nichts werden, sagten sie. Denkt daran, was mit den tollen ägyptischen Reitern und Streitwagen passierte, als unser Volk durch das Schilfmeer zog. Lauter solche alten Sachen aus der Glaubensgeschichte des Volkes, die heutzutage keiner mehr hören wollte, sagten sie. Was soll man auch anfangen mit Gott und Glauben in der Politik, im Alltag? Da sind die Praktiker gefragt! So sprachen die Leute, genau so, wie wir heute sprechen würden, wenn wir einen solchen Politiker mit echter Tatkraft an der Spitze hätten. Da würden wir dann auch solche Leute wie Jesaja als „Bedenkenträger“ diffamieren, die lieber schweigen sollten. Weil es bei uns schon viele gibt, die gar nichts mehr mit dem „Bedenken“ anfangen können, sprechen die meisten stattdessen von „Spaßbremse“. Einer, der den Spaß ausbremst, den wir hätten, wenn wir machen könnten, was wir doch alle gut finden.

Mut zur Stille

Nicht dass Sie mich falsch verstehen: Ich breche hier keine Lanze für die ewigen Besserwisserinnen und Nörgler, die immer ganz genau wissen, was denn die anderen falsch gemacht haben oder ändern müssten. Denn deren Beiträge sind selten ein Gewinn. Es wäre völlig falsch, Jesaja in diese Kategorie zu stecken. Denn er verbreitete nicht seine eigenen mehr oder minder gelungenen Weisheiten, sondern das Wort Gottes. Das ist ein himmelweiter Unterschied. Gott selbst verleiht seinem Wort die ganze Autorität, wenn Jesaja sagt: Denn so spricht Gott der HERR, der Heilige Israels: Wenn ihr umkehrtet und stille bliebet, so würde euch geholfen; durch Stillesein und Hoffen würdet ihr stark sein. (30,15) Stellen Sie sich den tatkräftigen Politiker Hiskia und seine jubelnden Bewunderer vor, liebe Gemeinde. Stellen Sie sich die vielen anderen vor, die sich persönliche Vorteile von Hiskias Politik versprachen oder einfach nur etwas Entlastung bei den Lebenshaltungskosten haben wollten. Wie hören alle die dieses Gotteswort? Still sein und hoffen, das bleibt hängen. Still sein, das hören die Menschen als „erdulden“, als „untätig über sich ergehen lassen“. Also doch: Vertröstung auf irgendwann, vielleicht sogar das Jenseits?

Vertrauen

Hier alles aushalten zu müssen, ist das der erste Leitsatz der biblischen Religionen? – Damit möchte ich mich nicht abfinden, und das ist auch nicht biblisch. Bei Jesaja steht: „Umkehren“ und „Stark sein“. Also nichts mit erdulden und gefallen lassen. Aber eben auch nicht blind drauflos agieren, reden, schlagen. Hauptsache, der eigene Vorteil ist gesichert. Wie schnell dieses blind drauflos Agieren geschieht, haben wir erlebt, als unsere Lokalzeitung titelte: „Benzin wird durch Winter knapp!“, und gleichzeitig zur Besonnenheit an den Tankstellen aufrief. Das Resultat war der so noch nie gesehene Ansturm an den Tankstellen der Stadt.

Wer umkehrt, wer still wird, wer sich besinnt, braucht Mut. Denn er oder sie steigt aus dem „mainstream“ aus. Dieser Mensch braucht großes Vertrauen in die Kraft Gottes, die aus dieser Stille kommt und ihm hilft, den richtigen Weg zu finden. Es ist heute der richtige Moment, inne zu halten und das Prophetenwort des Jesaja auf unsere Art wahr werden zu lassen. Lasst uns das Jahr 2010 in dieser Stille für uns und vor Gott bedenken. Ich werde in dieser Stille für jeden Monat des nun zu Ende gehenden Jahres eine Kerze am Osterlicht entzünden. Jetzt ist Platz für Ihre ganz persönlichen Gedanken und Wünsche, für ihre Bitten und ihren Dank.

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Ein Kommentar zu “Vertrauen in die Kraft Gottes

  1. Angelika Grob

    Kurze, klare Gedanken, die die geschichtliche Situation des Volkes Israel mit der heutigen verbinden und den wesentlichen Gedanken des Vertrauens herausgreifen! Vielen Dank!

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