Neugierig bleiben und fragen
Mit der Geschichte von der Berufung Moses ist uns die Neugier ins Stammbuch geschrieben und die Notwendigkeit, Fragen zu stellen, damit wir in Glauben und Leben weiter kommen
Predigttext: 2. Mose 3, 1 -10(11-14), Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1975
1Mose aber hütete die Schafe Jitros, seines Schwiegervaters, des Priesters in Midian, und trieb die Schafe über die Steppe hinaus und kam an den Berg Gottes, den Horeb. 2 Und der Engel des HERRN erschien ihm in einer feurigen Flamme aus dem Dornbusch. Und er sah, daß der Busch im Feuer brannte und doch nicht verzehrt wurde. 3 Da sprach er: Ich will hingehen und die wundersame Erscheinung besehen, warum der Busch nicht verbrennt. 4 Als aber der HERR sah, daß er hinging, um zu sehen, rief Gott ihn aus dem Busch und sprach: Mose, Mose! Er antwortete: Hier bin ich. 5 Gott sprach: Tritt nicht herzu, zieh deine Schuhe von deinen Füßen; denn der Ort, darauf du stehst, ist heiliges Land! 6 Und er sprach weiter: Ich bin der Gott deines Vaters, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs. Und Mose verhüllte sein Angesicht; denn er fürchtete sich, Gott anzuschauen. 7 Und der HERR sprach: Ich habe das Elend meines Volks in Ägypten gesehen und ihr Geschrei über ihre Bedränger gehört; ich habe ihre Leiden erkannt. 8 Und ich bin herniedergefahren, daß ich sie errette aus der Ägypter Hand und sie herausführe aus diesem Lande in ein gutes und weites Land, in ein Land, darin Milch und Honig fließt, in das Gebiet der Kanaaniter, Hetiter, Amoriter, Perisiter, Hiwiter und Jebusiter. 9 Weil denn nun das Geschrei der Israeliten vor mich gekommen ist und ich dazu ihre Not gesehen habe, wie die Ägypter sie bedrängen, 10 so geh nun hin, ich will dich zum Pharao senden, damit du mein Volk, die Israeliten, aus Ägypten führst. (11 Mose sprach zu Gott: Wer bin ich, daß ich zum Pharao gehe und führe die Israeliten aus Ägypten? 12 Er sprach: Ich will mit dir sein. Und das soll dir das Zeichen sein, daß ich dich gesandt habe: Wenn du mein Volk aus Ägypten geführt hast, werdet ihr Gott opfern auf diesem Berge. 13 Mose sprach zu Gott: Siehe, wenn ich zu den Israeliten komme und spreche zu ihnen: Der Gott eurer Väter hat mich zu euch gesandt! und sie mir sagen werden: Wie ist sein Name?, was soll ich ihnen sagen? 14 Gott sprach zu Mose: Ich werde sein, der ich sein werde. Und sprach: So sollst du zu den Israeliten sagen: »Ich werde sein«, der hat mich zu euch gesandt.)Überlegungen zum Predigttext und zur Predigt
Wer ist dieser Gott, der Mose erscheint? Ein Gott, der das Elend der Bedrängten sieht, ihr Geschrei hört, ihre Leiden erkennt, ein Gott,.der rettet und in die Freiheit führt. Gottes Offenbarung ist der Anfang einer großen Aufgabe. Gott spricht zu Mose: „Ich will mit dir sein“. Mose erkennt, dass sich seine Identität nicht allein aus seiner Geschichte ergibt, sondern aus Gottes Zusage, mit ihm zu sein. Der Hinweis auf den Gott der Väter und auf das, was immer schon war, reicht Mose offenbar nicht aus. Er will einen Namen. Wird der Mosename zweimal von Gott gerufen, so nennt auch Gott zweimal seinen Namen. Kann daraus gefolgert werden, dass Gott mit seinem „Ich bin da“ antwortet, wenn er bei seinem Namen gerufen wird? Es ist eine schöne Vorstellung, dass Gott da ist, in dem Moment, in dem ich seinen Namen ausspreche. Die Geschichte von Moses Berufung ist vielen bekannt, weniger die Vorgeschichte, ich skizziere sie erzählend in der Predigt. Wichtig ist mir die Erkenntnis, dass die Offenbarung Gottes aufgrund der Fragen des Moses voranschreitet. In dem Maß, indem Mose sich in das Gespräch mit Gott einbringt und eigene Fragen stellt, erfährt er Neues. Das könnte eine Perspektive sein, die auch junge Menschen, z. B. die Konfirmandengruppe interessiert. Neugier und Fragen führen über den Gottesglauben der Eltern hinaus zu einem selbstverantworteten Glauben, der anderen gegenüber Rede und Antwort stehen kann. Angesichts der riesigen Aufgabe, die Gott Mose zutraut, ist es außerordentlich entlastend, dass ein Mensch berufen wird, dessen Lebensgeschichte in verschiedener Hinsicht nicht vorbildlich ist. Ermutigend für mich heute, dass ich die Frage „Wer bin ich?“ nicht aus mir selbst heraus beantworten muss, sondern dass Gott mit sich selbst antwortet. Gott ist da. Dieser Zuspruch hat nicht nur in der Seelsorge und Diakonie Gewicht, sondern bei allen schwierigen Aufgaben, die viel Kraft und einen langen Atem erfordern. Literatur: GPM 65(2010), S.128-134 (Magdalene L. Frettlöh); Bibelauslegung aus jüdischen Quellen, Bd 1, 1986, S.99 -107 (Roland Gradwohl).Seit ich diese Geschichte als Kind zum ersten Mal gehört habe, hat sie mich fasziniert. Ein Dornbusch, der brennt und doch nicht verbrennt. Wäre ich an Moses Stelle gewesen, ich wäre bestimmt genau so neugierig wie er gewesen und hätte mir den brennenden Dornbusch aus nächster Nähe angeschaut. Damit fing tatsächlich alles an – mit der Neugier, wir sollten sie uns bewahren. Großes kann daraus entstehen: Menschen wurden aus der Sklaverei in die Freiheit geführt. Mit der Neugier Moses hat alles angefangen, mit ihr ging es auch weiter. „Wer bin ich?“, fragte Mose, und er wollte von Gott dessen Namen wissen. Wer bin ich? Das hätte Mose selbst am besten wissen müssen. Wusste er auch. Nur dass ihm das wahrscheinlich gar nicht gefiel, was er wusste. (Ich erzähle:)
„Ich bin der, der „aus dem Wasser gezogen“ wurde. Zum Glück habe ich daran keine Erinnerung mehr. Meine Eltern waren hebräische Arbeiter in Ägypten, und bei ihnen bin ich auch aufgewachsen – solange meine Mutter mich stillte. Danach gaben sie mich weg, an den Hof des Pharao. Erst später erzählten sie mir, dass sie mir damit das Leben retteten, durch meine große kluge Schwester. Jedenfalls gehörte ich nirgends richtig dazu. Sogar mein Name ist nicht eindeutig. Für die Hebräer bin ich der „aus dem Wasser gezogen“ wurde. Für die Ägypter heiße ich einfach nur „Sohn“. Wie beneidete ich Ramoses um seinen Namen. Er ist der Sohn von Ra und heißt auch so. Bei den einen war ich das verwöhnte Ägyptersöhnchen, bei den andern war ich der, der nach Lehm riecht. Einmal allerdings fühlte ich mich so richtig dazu gehörig. Das war, als ich einen ägyptischen Aufseher erschlug, weil er einen Hebräer schlecht behandelte. Aber anstatt, dass mir das von den Hebräern Anerkennung eingebracht hätte, stellte mich einer von ihnen damit bloß. Ich ergriff die Flucht, weit weg von meiner Familie und dem schönen Leben im Palast des Pharao. Jetzt hüte ich die Schafe meines Schwiegervaters Jitro, der Priester in Midian ist, habe Frau und Kind“.
Mit der Neugier des Moses hat alles angefangen. „Wer bin ich“, fragte Mose. Die Antwort darauf hätte beinahe das Ende dieser Geschichte bedeutet. Aber Gott stellt sich selbst als eigene Antwort hinter in: „Ich will mit dir sein“. Ob Mose sich über dieses Angebot zur Mitarbeit freute? Wird er der großen Aufgabe gerecht, ist er geeignet dafür? Er soll sein Volk aus Ägypten herausführen, aus der Knechtschaft in die Freiheit, in ein gutes und weites Land. Da meldet sich wieder die Neugier des Mose. Er will jetzt wissen, mit wem er es zu tun hat. Dass ein Dornbusch brennt und nicht verbrennt, das ist zwar ein tolles Spektakel, aber das reicht ihm nicht aus, um sich auf diese Aufgabe einzulassen. Es reicht ihm auch nicht, dass Gott sich ihm als Gott seiner Vorfahren vorstellt. Denn an den Gott seiner Kindheit hat er nur wenige Erinnerungen, und ob er mit dem Gott der Eltern viel anfangen konnte, war für ihn fraglich. Junge Menschen wie Ihr, liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden, können das verstehen. Schließlich will sich Mose nicht damit zufrieden geben, dass Gott Leid und Elend sieht und helfen will. Das ist Mose zu allgemein. Schön und gut, aber „wie geht nun Rettung“ wirklich? Was Mose unbedingt braucht, das ist ein Name für Gott, ein Name, der für sich spricht, Programm ist. Gott muss nachlegen, und er tut es auch. „Ich werde da sein“, bedeutet der Name Gottes. Das klingt nun wirklich unspektakulär, aber Mose gibt sich zunächst zufrieden. Einwände bringt er erst im weiteren Verlauf der Geschichte wieder vor. Mose scheint jetzt etwas von der großen Stärke Gottes erfahren zu haben. „Ich werde da sein“, das ist so etwas wie ein Versprechen Gottes. Für mich heißt dies: Wenn ich Gott bei seinem Namen rufe, ist er auch schon da. Ich muss nicht zuerst einen bestimmten Platz aufsuchen, an dem ich Gott finde. Gott geht überall mit mir. Es werden weite Wege sein, die ins verheißene Land führen.
Liebe Gemeinde, die Geschichte von der Berufung Moses ist ein unverzichtbarer Schatz für unseren Glauben. Mit ihr ist uns die Neugier ins Stammbuch geschrieben und die Notwendigkeit, Fragen zu stellen, damit wir weiter kommen, mehr über Gott erfahren und für unseren Glauben selbst eintreten können. Sie erzählt uns, wie eine große Befreiungsgeschichte mit einem Menschen anfängt, der nach menschlichem Ermessen ungeeignet ist, wie Gott diesen Menschen aufsucht, weit weg von den großen Schauplätzen der Geschichte. Da kann ja aus mir auch noch etwas werden. Gott braucht jedoch nicht ein Spektakel, um auf sich aufmerksam zu machen. Ist unser Gott ein Gott, der sich in die Niederungen des Lebens begibt, um aus Bedrängnis und Not zu retten, braucht er viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, auch in unserer Gemeinde. Elende, Bedrängte und Leidende gibt es in dieser Welt leider viel zu viele. Gott öffne mir die Augen, damit ich erkenne, wer nicht allein in der Ferne, sondern in meinem Umfeld Hilfe braucht. Gott lässt mich dabei nicht allein. Wenn ich seinen Namen ausspreche, ist Gott da. Das gute und weite Land liegt offen vor uns.
“Ich werde mit dir sein”, diese Deutung des israelitisch-jüdischen Gottesnamens “JHWH” (Exodus 3,14) steht im Mittelpunkt der schönen Erzählpredigt von Pfarrer Steinbach über die Berufung Moses durch die Gottesoffenbarung im brennenden Dornbusch. “Wenn ich seinen Namen ausspreche, ist Gott für mich da”, sagt der Prediger verständlicher als es die wörtliche geheimnisvolle und paradoxe Formulierung ergibt (“Ich werde sein, der ich sein werde”). Von beiden Selbstaussagen Gottes lassen sich leicht Linien zu Selbstaussagen Jesu ziehen, zB: “Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende” (Matthäus 28,20), “Fürchte dich nicht! Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige. Ich war tot, und siehe, ich bin lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit…” (Offenbarung 1,17f.).