Selbstverständlich füreinander dasein

Der Ausgangspunkt christlichen Lebens und christlicher Ethik ist nicht die Hoffnung auf Lohn, sondern das selbstverständliche Arbeiten aus der Gottes- und Christusbeziehung heraus

Predigttext: Lukas 17,7-10
Kirche / Ort: Karlsruhe
Datum: 20.02.2011
Kirchenjahr: Septuagesimae (70 Tage vor Ostern)
Autor/in: Kirchenrat Heinz Janssen

Predigttext: Lukas 17,7-10 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)

7 Wer unter euch hat einen Knecht, der pflügt oder das Vieh weidet, und sagt ihm, wenn der vom Feld heimkommt: Komm gleich her und setz dich zu Tisch?  8 Wird er nicht vielmehr zu ihm sagen: Bereite mir das Abendessen, schürze dich und diene mir, bis ich gegessen und getrunken habe; danach sollst du auch essen und trinken?  9 Dankt er etwa dem Knecht, daß er getan hat, was befohlen war?  10 So auch ihr! Wenn ihr alles getan habt, was euch befohlen ist, so sprecht: Wir sind unnütze Knechte; wir haben getan, was wir zu tun schuldig waren.

Anstelle eines Kommentars zum Predigttext

"Wir gehören Gott mit allem, was wir sind und haben; darum ist es so dumm, mit Gott abrechnen zu wollen." (J. Calvin)

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Liebe Gemeinde!

Kurz und knapp wird in diesem Gleichnis Jesu etwas vermittelt. Aber was? Dass ein Mensch unermüdlich dienen soll? Bis zur Erschöpfung, und das ist auch noch selbstverständlich? Dass ein Herr sich seiner Knechte – heute würde Jesus vielleicht von einem Vorgesetzten und seinen Beschäftigten sprechen – ständig und ganz selbstverständlich bedienen darf?  Dass Dank nicht nötig ist? Der Herr muss nicht Dank sagen, und der Knecht oder die Magd soll keinen Dank erwarten? Der Herr steht nicht in der Schuld der Menschen, die ihm die Arbeit machen? So wäre schamloser Ausbeutung doch Tür und Tor geöffnet. Das aber hat der Evangelist Lukas nicht gemeint. Aber was? Was will Lukas uns mit dem Gleichnis Jesu sagen und lehren?

I.

Mit seinen Gleichnissen hat Jesus jeweils eine Allttagssituation aufgegriffen und damit seine Verkündigung des Reiches Gottes veranschaulicht. Mit „Herr“ ist in unserem Gleichnis Gott gemeint. Es geht darin zuerst um unsere Gottesbeziehung. Unsere Gottesbeziehung ist ganz stark von unserem Gottesbild geprägt. Wie ich meine Gottesbeziehung erlebe, hängt von meinem Gottesbild ab. In der Bibel finden wir eine Vielfalt von Gottesbildern. Oft begegnet uns das Bild von Gott als Vater. Für Martin Luther war dieses Bild in seinen jungen Jahren alles andere als schön, es erschreckte ihn sogar, weil ihm sein eigener leiblicher Vater vor Augen stand, der sehr streng war und ihn das Fürchten lehrte.

Ist Gott für mich Vater im guten Sinn, wie in der Bibel von ihm die Rede ist, kann ich anhand dieses Bildes erkennen, dass ich ein sorgendes Gegenüber in Gott habe. Ist Gott für mich Mutter, so liegt es nahe, den tröstenden Gesichtspunkt zu sehen, die nährende Fürsorge. Das geläufige biblische Wort „Barmherzigkeit“ bedeutet in der hebräischen Ursprache „Mutterschoß“ – wie ein Kind im Schoß der Mutter geborgen ist, so bin ich geborgen bei Gott. Ist Gott für mich der Freund, die Freundin, so ist Gott der Teilende, mit dem ich diskutieren darf, der mich versteht, mit mir lacht und weint. Aber nicht nur diese Gottesbilder finden wir in der Bibel, es gibt noch andere wie das Bild der Bärin, die ihre Jungen beschützt und verteidigt. Wenn es in den Zehn Geboten heißt: „Du sollst dir kein Bildnis machen“, so will uns dieses Gebot davor bewahren, Gott auf irgendein Bild festzulegen, was auch für das Bild gilt, das wir uns von einem anderen Menschen machen.

II.

Im Gleichnis ist Gott der Herr/die Herrin, und ich der Knecht oder die Magd. Da erkennen wir so etwas wie eine klar abgegrenzte Hierarchie. Knechte und Mägde haben ihre Arbeit zu tun, und zwar so, wie sie anfällt. Im Gleichnis ist die Arbeit und die Arbeitszeit nicht Gegenstand von Verhandlungen. So ist es: Ich als Christ oder Christin habe meine Arbeit im Dienst meines Gottes so zu tun, wie sie anfällt. Sie ist nicht auf bestimmte Arbeitsgebiete begrenzt, nicht auf bestimmte Zeiten. Jetzt zucken wir vielleicht zusammen. Es könnten uns so einige Aussagen in den Sinn kommen wie: Gibst du der Kirche den kleinen Finger, nimmt sie sofort die ganze Hand, oder: Ein Christ / eine Christin ist immer im Dienst, Tag und Nacht. Wäre dies nicht eine Überforderung? Dazu möchte ich eine kleine legendäre Geschichte erzählen: Ein deutscher und ein englischer Bischof begegnen einander und diskutieren über das Wesen des Christseins. Der deutsche Bischof meint: Ein Christ ist immer im Dienst. Der englische Bischof ist aber anderer Meinung und entgegnet: E i n  Christ ist immer im Dienst, dann können andere einmal frei machen. Ich darf also in der Kirche, in meiner Gemeinde, auch Nein sagen – welche Entlastung!

Im Gleichnis wird darauf hingewiesen: Meine Beziehung zu Gott ist immerzu da, Tag und Nacht, und mein Dienst ist die Zuwendung zu Gott und das Bestreben so zu leben, wie Jesus es uns gelehrt hat. Dabei gibt es keinen Verhandlungsspielraum. Es gibt dabei überhaupt keine Art von Handel. Ich darf nicht erwarten, dass ich belohnt werde: etwa für eine gute Tat eine Krankheit weniger oder: für ein Gebet Schutz vor bedrohlichen Dingen. Gott wird keine Geschäfte mit uns machen, was uns vielleicht manchmal als solche, die sich zu ihm bekennen, bitter enttäuscht. Gott hat eine klare Anforderung an uns: Handle in meinem Sinn, die Beziehung, welche ich, Gott, mit dir als Menschen habe, ist kraftvoll und stärkend, so dass du die Arbeit, welche du, Mensch, auf der Welt vorfindest, bewältigen kannst.

III.

Das Gleichnis Jesu lehrt uns: Auf den Lohn kommt es nicht an. Die Gottesbeziehung und Gottes Zuwendung zu uns spiegeln sich wieder in der Beziehung zu den Mitmenschen, und es kommt auf unsere Taten an. Einander Dank zu sagen, das soll durchaus sein, das tut uns gut, beflügelt und fördert die Freude an der Arbeit. Der Ausgangspunkt ist aber nicht die Hoffnung auf diesen Lohn, sondern das selbstverständliche Arbeiten aus der Gottesbeziehung heraus. Die Worte „wir sind alle unnütze Knechte“ meinen nicht, dass wir uns als Nichtsnutze und Taugenichtse sehen müssen. Was Martin Luther mit „unnütz“ übersetzt hat, bezeichnet im griechischen Urtext mehr eine Haltung der Bescheidenheit; und diese bedeutet für unseren von Gott gebotenen Dienst, dass wir seinen Geboten nie ganz entsprechen, aber uns immer wieder von ihnen herausfordern lassen, weil neue Aufgaben auf uns warten. Jetzt kann sich jede und jeder persönlich die Frage beantworten, was sich im Leben wirklich lohnt. Unser Leben als Christinnen und Christen steht im Dienst eines Herrn, der unser ganzes Vertrauen verdient. Er ist kein Zwingherr oder Despot, sondern wendet sich uns durch Jesus Christus hilfreich und mit glühender Liebe zu, er will unser Bestes. Vor Ihm „liegen wir mit unserm Gebet“, wie es im Wochenspruch (Daniel 9,18) heißt, „und vertrauen nicht auf unsere Gerechtigkeit, sondern auf Deine große Barmherzigkeit“.

Amen.

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Ein Kommentar zu “Selbstverständlich füreinander dasein

  1. P.iR Heinz Rußmann

    Wer Jesus als Sozial-Reformer sieht, muss entsetzt sein über Jesu Gleichnis vom Herrn und “unnützen” Knecht. Kirchenrat Janssen wehrt deswegen gleich schon zu Beginn seiner gut aufgebauten Predigt das Mißverständnis ab, dass die Ausbeutung durch einen Herrn Sinn des Textes ist. Er stellt deswegen sehr verschiedene Gottesbilder der Bibel dar. Nie darf man sich auf eines festlegen. Jesus geht es in diesem Gleichnis darum, dass unsere Beziehung zu Gott ständig gegenwärtig ist. Jesus will uns deswegen in eine Haltung der Bescheidenheit einüben. Unser Leben steht ganz im Dienst des Herrn. Gieren nach Anerkennung und Lohn ist überflüssig. Wir vertrauen auf Gottes große Barmherzigkeit. Damit schließt die Predigt, die den Hörenden nachdenklich macht, über unsere Gottesbeziehung thematisiert und alles selbstverständliche und freudige Arbeiten für Gottes Reich bekräftigt. Der bestärkende Schlußabschnitt könnte etwas ausführlicher sein. Gegen die Anerkennungs-Sucht gibt es den weisen Poesiealbum-Vers: “Es kann die Ehre dieser Welt Dir keine Ehre geben, was Dich in Wahrheit trägt und hält muss in Dir selber leben. Das eitle Lob, des Tages Ruhm magst Du dem Eitlen gönnen. Das aber sei Dein Heiligtum, vor Gott bestehen können”.

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