Dienst in Liebe

Wir schaffen nicht unser Leben, sondern empfangen es von Gott und geben (nur) weiter, was wir empfangen haben

Predigttext: Lukas 17, 7-10
Kirche / Ort: Trinitatiskirche / Berlin-Charlottenburg
Datum: 20.02.2011
Kirchenjahr: Septuagesimae (70 Tage vor Ostern)
Autor/in: Pfarrer Mag. theol. Ulrich Hutter-Wolandt

Predigttext: (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)

7 Wer unter euch hat einen Knecht, der pflügt oder das Vieh weidet, und sagt ihm, wenn der vom Feld heimkommt: Komm gleich her und setz dich zu Tisch? 8 Wird er nicht vielmehr zu ihm sagen: Bereite mir das Abendessen, schürze dich und diene mir, bis ich gegessen und getrunken habe; danach sollst du auch essen und trinken? 9 Dankt er etwa dem Knecht, dass er getan hat, was befohlen war? 10 So auch ihr! Wenn ihr alles getan habt, was euch befohlen ist, so sprecht: Wir sind unnütze Knechte; wir haben getan, was wir zu tun schuldig waren.

Biblischer Befund, Auslegung (I.) und theologisch-homiletische Impulse (II.)

I. Die Logientexte Lk 17,1–10 bilden den Abschluss des lukanischen Reiseberichts und können durchaus als eine Einheit verstanden werden. Die Jüngerbelehrung besteht aus selbständigen Traditionsstücken, die mit einem Gleichnis abgeschlossen werden. Die Überlieferung stammt im Kern aus Q und wurde von Lukas redaktionell überarbeitet. Das Gleichnis gehört zum lukanischen Sondergut. Die Verse 7–10 nehmen den Hörenden mit zwei rhetorischen Fragen in die Situation des jüdischen Arbeitslebens zur Zeit Jesu hinein. Der Form nach bilden die Verse 7–10 eine metaphorische Rede. Dem Hörenden soll damit verdeutlicht werden, was es bedeutet, Sklave bzw. Sklavin zu sein. Dabei spielt die konkrete Aufgabe des Sklaven keine Rolle, denn der Sklave war nach antikem Verständnis immer seinem Herrn zum Dienst verpflichtet und hatte keinen Anspruch auf Dank oder Lohn. Den Hörern Jesu waren diese damaligen gesellschaftlichen Zusammenhänge und die soziale Ordnung verständlich, und so konnte die Sklaverei als soziale Ordnung vorausgesetzt werden. Doch im Gegensatz zum römischen Verständnis der Sklaverei im Sinne von Leibeigenschaft  war der jüdische Sklave nicht völlig rechtlos. Er war nach dem Gesetz nicht leibeigen und hatte sogar Anspruch auf Nahrung, Kleidung, Unterkunft, auch für seine Frau und oder seine Kinder. Anders als im römischen Recht, war die Zeit des Sklaveseins nach sechs Jahren abgelaufen. Für die Interpretation des Gleichnisses ist dies sicher nicht unwesentlich, da für einen jüdischen Sklaven grundsätzlich ein Ende seiner Sklaverei abzusehen war. Für ihn war die Unfreiheit nur eine begrenzte, danach begann für ihn ein neues Leben. In den Versen 1-4 hat Lukas die Jünger und Jüngerinnen und damit die ganze Gemeinde im Blick. In V. 5 erfolgt der Schwenk auf eine weitere Gruppe, die Apostel, die Jesus um Stärkung des Glaubens bitten. Auf ihre Bitte antwortet Jesus mit einem Gleichnis (V. 7–10). Der Dienst der Mission und der Verkündigung war zu dieser Zeit schwierig und anstrengend, bisweilen auch lebensbedrohlich. Nun sagt Jesus den Jüngern und Aposteln, dass sie dafür keinen Lohn erwarten dürfen. Vielleicht haben es die Jünger und Apostel beklagt, keine Ansprüche stellen zu dürfen, weder an ihre Brüder und Schwestern im Glauben, noch an Gott selber. Die Absicht dieses Gleichnisses Jesu ist nicht die Forderung zu sklavisch gehorsamer Pflichterfüllung, sondern zu einem selbstlosen und liebevollen Dienen. Diese intensive Bindung an Jesus ermöglicht ein Leben in Liebe. Respekt und Liebe sind gefragt. Der Mensch erfährt in jeder Situation seines Lebens, was Gott von ihm will (Lk 17,8). Der „Knechtsdienst“, ist darum in besonderer Weise qualifiziert, er ist ein Dienst, der in der Liebe geschieht. II. Das Gleichnis Lk 17,7–10 ist eines von vielen Bildern im Alten und Neuen Testament, in denen sich eine Gottesbeziehung ausdrückt. Bilder haben ihre eigene Geschichte und ihren eigenen sozio-kulturellen Hintergrund. Durch Veränderungen der sozialen Wirklichkeit werden überkommene Gottesbilder verlassen und neue Gottesbilder entwickelt. Wer die biblischen Texte liest, merkt, dass z. B. das Bild des Schutzgottes, den Abraham hatte, ein anderes ist, als das Gottesbild des Mose von dem Gott, der Israel das Gesetz, die Gebote, gibt. Auch der Blick auf Lk 17,7–10 zeigt, dass das Gleichnis mit seiner Bildwelt nur noch bedingt  zu einer tragfähigen und einleuchtenden Gottesbeziehung einlädt. Dennoch transportiert das Gleichnis Bedeutungsgehalte, die auf unsere heutige Situation übertragen werden können: - Es macht den Unterschied zwischen Gott und Mensch deutlich. Gott ist Gott und der Mensch ist Mensch. Wir schaffen nicht unser Leben, sondern empfangen es von Gott. - Eine solche (Glaubens-)Sicht hat keinen Raum für Selbstruhm (Röm 3,27) und widersetzt sich jedem religiösen Anspruchsdenken. Alles was wir tun lässt sich zwar als ein „Abmühen mit unserer Hände Arbeit“ (1.Kor 4,12) verstehen. Über allem steht aber die Erkenntnis, dass es allein Gott ist, der dies alles bewirkt (Phil 2,13). Sind die Adressaten des Gleichnisses heute die Aktivisten in der Gemeinde, die nach allen Regeln der Kunst die Gemeindearbeit perfekt gestalten wollen? Meine Erfahrung ist, je mehr ein Mitarbeiter bzw. eine Mitarbeiterin sich in der Gemeinde anstrengt – seien sie beruflich oder ehrenamtlich tätig – desto deutlicher wird ihm/ihr, was alles liegen bleibt und wozu die Kräfte nicht mehr reichen. Der Begriff  „Ehrenamt“  hat viel von seinem früheren Charme verloren. Viele empfinden es heute weniger als „Ehre“, sondern eher als Belastung, in der Kirche mitzuarbeiten. Das Ehrenamt wird zunehmend zu einer Freiwilligenarbeit, bei der jemand ohne Gewissensbisse auch nein sagen kann. Diese Arbeit ist von den Stärken der Freiwilligen gekennzeichnet, die haben ihrer Gemeinde etwas zu geben. Es ist eine Tätigkeit in einer zeitlichen Befristung, sie erwarten Wertschätzungs und Akzeptanz ihrer Arbeit. Beim Betrachten der Szene vom Ackersklaven, der vom Feld kommt und weitermachen muss, nicht einmal Zeit hat, sich das Gesicht und die Hände zu waschen, öffnet sich eine ganz neue Dimension. Ich bin Gott mehr wert, als ich zu leisten im Stande bin. Christliche Existenz lebt von der Begrenzung des eigenen Könnens und der Fragmenthaftigkeit des Lebens. Wer freut sich nicht, wenn er für seine freiwillige Arbeit in der Gemeinde gelobt wird, doch entscheidet das nicht über die Stellung vor Gott. Oder um es mit Paulus zu sagen: Wer wenig leisten kann, bedeutet Gott genau so viel wie jemand, der viel leistet (vgl. Röm 3,19ff oder 1.Kor 12,13f).

Lieder

„Auf und macht die Herzen weit“ (EG 454) „Such, wer da will, ein ander Ziel“ (EG 346, 1-3) „Sei Lob und Preis mit Ehren“ (EG 289,5) „Kommt ein Atem, geht ein Wind“ (in: Stimme, die Stein zerbricht. Geistliche Lieder aus benachbarten Sprachen ausgewählt und übertragen von Jürgen Henkys, München 2003, 62)

Literatur

Francois Bovon, Das Evangelium nach Lukas. EKK III/3 (Lk 15,1-19,27), Neukirchen-Vluyn 2001, 140-144 (dort weitere Lit.!). - 138-147. - Hans Klein, Das Lukasevangelium. KEK I/3, Göttingen 2006, 556-561. - Michael Wolter, Das Lukasevangelium. HNT 5, Tübingen 2007, 563-570. - Luise Schottroff, Die Gleichnisse Jesu, Gütersloh 2005, 235-239 (mit guter Übersetzung, als Alternative zu M. Luthers Übersetzung).

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Liebe Gemeinde!

Jesus erzählt im heutigen Bibelwort anhand eines Gleichnisses von einem Herrn, der seinen Knecht für sich arbeiten lässt. Der Knecht ackert hart draußen auf dem Feld. Wenn er nach Hause kommt, ist aber noch lange nicht Feierabend. Es geht weiter, denn das Abendessen für den Herrn muss vorbereitet werden. Wir können davon ausgehen, dass der Herr seinem Knecht nicht groß gedankt hat. Ganz selbstverständlich waren die Rollen aufgeteilt: Da ist der Herr und dort ist der Knecht. Jesus rüttelt mit diesem Gleichnis die Menschen auf, vielleicht auch uns heute Morgen. Kein Arzt kann einfach in den Feierabend gehen, wenn ihm kurz vor „Dienstschluss“ ein schwerkranker Mensch gebracht wird. Kein Notarzt kann sich einfach in der Nacht hinlegen, wenn in der Notaufnahme die Menschen Schlange stehen und behandelt werden müssen. Auch Eltern opfern sich unter Umständen bis spät in den Abend auf, um ihre Kinder zu trösten, wenn diese traurig sind. Immer, wenn es darum geht, Leben zu retten, wenn es um Leben und Liebe zum Leben geht, ist es selbstverständlich, die eigenen Interessen zurückzustellen. Da sind auch Dank, Lob und Anerkennung zweitrangig.

Wie dem Knecht im Gleichnis geht es vielen Menschen: Sehen, was zu tun ist – und es tun. Sehen, was mir geschenkt ist – und mich daran auch freuen dürfen. Ganz selbstverständlich sagt der Herr in unserem Gleichnis zu seinem Knecht: Du sollst auch essen und trinken. Es gab sicher vieles, wofür der Knecht im Dienst seines Herrn sich freuen konnte: draußen auf dem Acker freute ihn vielleicht der Gesang der Vögel oder im Frühjahr das Aufblühen der Blumen und später das Wachsen der Saat. Wieviel wird uns geschenkt! Der katholische Theologe Lothar Zenetti bringt es in einem Gedicht zum Ausdruck:

Einmal wird uns gewiss
die Rechnung präsentiert
für den Sonnenschein
und das Rauschen der Blätter,
die sanften Maiglöckchen
und die dunklen Tannen
für den Schnee und den Wind,
den Vogelflug und das Gras
und die Schmetterlinge,
für die Luft, die wir geatmet haben,
und den Blick auf die Sterne
und für alle die Tage,
die Abende und die Nächte.

Einmal wird es Zeit,
dass wir aufbrechen und
bezahlen. Bitte die Rechnung.

Doch wir haben sie ohne den Wirt gemacht:
Ich habe euch eingeladen, sagt der und lacht,
soweit die Erde reicht: Es war mir ein Vergnügen.

So vieles wird uns geschenkt. Aber das wohl größte Geschenk ist, das uns Christus als seine Dienerinnen und Diener in Dienst stellt. Wenn wir müde vom Acker, übertragen gesprochen von der Arbeit kommen, dann bereitet er uns das Mahl, er lädt uns ein. Für Albert Schweizer wurde die Geschichte zum Dreh- und Angelpunkt in seinem Leben. Er wollte sich den Menschen nicht nur als theologischer Lehrer zuzuwenden, sondern er mit den Kranken und Schwachen in Berührung kommen. Darum ging er nach Lambarene in Afrika und gründete hier ein Krankenhaus, um Hilfe vor Ort zu leisten. Das war sein Verständnis von Freiheit, die ihm von Gott geschenkten Gaben einzubringen. Jesus sagt uns: Kein Mensch gehört einem anderen. Deswegen erzählte er das Gleichnis. Es geht Jesus um Gottes Beziehung zu uns, die nicht Ausbeutung, sondern Freiheit bedeutet. Gott wendet sich uns freundlich zu, ohne Bedingung, mit unendlicher Geduld. Dies kann kein Mensch, dies kann allein Gott. Eine Konfirmandin formulierte ihren Glauben an Gott so: „Ich glaube an Gott, das heißt für mich: Da ist immer jemand, zu dem ich kommen kann“. Wie tröstlich, dass Gott immer für mich immer da ist. Dies macht mich frei, mich ohne Bedingung für andere in Anspruch nehmen zu lassen. Ich darf dabei „ich selbst“ bleiben, weil ich mich als Geschöpf Gottes von seiner Liebe getragen weiß. Ihm darf ich mich anvertrauen, dies gibt mir ein Gefühl von Unabhängigkeit.

Liebe Gemeinde, in diesem Gleichnis Jesu geht es um Gott und unsere Beziehung zu ihm. Wir haben in der Kirche hoffentlich andere Umgangsformen als sie im Gleichnis angesprochen sind, und hoffentlich auch eine andere Leitungskultur. Mitarbeitende sind da sehr sensibel. Lieber einmal ein Dankeschön und Lob mehr als zu wenig, es baut auf und motiviert, Kinder wie Erwachsene. Darum behalten wir Anerkennung und Würdigung, die Gott uns schenkt, nicht für uns, sondern geben sie weiter. Vielleicht war dies das Ziel des Gleichnisses Jesu, als er den zunächst unverständlichen und vielleicht auch ärgerlichen Satz sprach: Wenn ihr alles getan habt, was euch befohlen ist, so sprecht: Wir sind unnütze Knechte; wir haben (nur) getan, was wir zu tun schuldig waren.

Amen.

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