Grenzen überschreiten?
Wir brauchen Menschen, die Grenzen überschreiten, aber nicht jede Grenze muss bzw. darf überschritten werden
Predigttext: 1.Mose 3,1-19 (Einheitsübersetzung, 1980)
1Die Schlange war schlauer als alle Tiere des Feldes, die Gott, der Herr, gemacht hatte. Sie sagte zu der Frau: Hat Gott wirklich gesagt: Ihr dürft von keinem Baum des Gartens essen? 2 Die Frau entgegnete der Schlange: Von den Früchten der Bäume im Garten dürfen wir essen; 3 nur von den Früchten des Baumes, der in der Mitte des Gartens steht, hat Gott gesagt: Davon dürft ihr nicht essen, und daran dürft ihr nicht rühren, sonst werdet ihr sterben. 4 Darauf sagte die Schlange zur Frau: Nein, ihr werdet nicht sterben. 5 Gott weiß vielmehr: Sobald ihr davon eßt, gehen euch die Augen auf; ihr werdet wie Gott und erkennt Gut und Böse. 6 Da sah die Frau, daß es köstlich wäre, von dem Baum zu essen, daß der Baum eine Augenweide war und dazu verlockte, klug zu werden. Sie nahm von seinen Früchten und aß; sie gab auch ihrem Mann, der bei ihr war, und auch er aß. 7 Da gingen beiden die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren. Sie hefteten Feigenblätter zusammen und machten sich einen Schurz. 8 Als sie Gott, den Herrn, im Garten gegen den Tagwind einherschreiten hörten, versteckten sich Adam und seine Frau vor Gott, dem Herrn, unter den Bäumen des Gartens. 9 Gott, der Herr, rief Adam zu und sprach: Wo bist du? 10 Er antwortete: Ich habe dich im Garten kommen hören; da geriet ich in Furcht, weil ich nackt bin, und versteckte mich. 11 Darauf fragte er: Wer hat dir gesagt, daß du nackt bist? Hast du von dem Baum gegessen, von dem zu essen ich dir verboten habe? 12 Adam antwortete: Die Frau, die du mir beigesellt hast, sie hat mir von dem Baum gegeben, und so habe ich gegessen. 13 Gott, der Herr, sprach zu der Frau: Was hast du da getan? Die Frau antwortete: Die Schlange hat mich verführt, und so habe ich gegessen. 14 Da sprach Gott, der Herr, zur Schlange: Weil du das getan hast, bist du verflucht unter allem Vieh und allen Tieren des Feldes. Auf dem Bauch sollst du kriechen und Staub fressen alle Tage deines Lebens. 15 Feindschaft setze ich zwischen dich und die Frau, zwischen deinen Nachwuchs und ihren Nachwuchs. Er trifft dich am Kopf, und du triffst ihn an der Ferse. 16 Zur Frau sprach er: Viel Mühsal bereite ich dir, sooft du schwanger wirst. Unter Schmerzen gebierst du Kinder. Du hast Verlangen nach deinem Mann; er aber wird über dich herrschen. 17 Zu Adam sprach er: Weil du auf deine Frau gehört und von dem Baum gegessen hast, von dem zu essen ich dir verboten hatte: So ist verflucht der Ackerboden deinetwegen. Unter Mühsal wirst du von ihm essen alle Tage deines Lebens. 18 Dornen und Disteln läßt er dir wachsen, und die Pflanzen des Feldes mußt du essen. 19 Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen, bis du zurückkehrst zum Ackerboden; von ihm bist du ja genommen. Denn Staub bist du, zum Staub mußt du zurück. Wochenlied: „Ein feste Burg ist unser Gott“ (362,1-4)Sündenbekenntnis zum Thema Versuchung (Lesung Matthäus 4,1-11)
Schwer wie ein Stein, Gott, liegt uns unser Versagen auf dem Herzen. FREUDE sollten wir verkündigen und Zuversicht ausstrahlen. Aber die Versuchung war zu groß, in den Trübsinn und die Resignation unserer Tage einzustimmen. Herr, vergib uns die Schwäche, dass es uns nicht gelungen ist, Menschen mit Deiner Botschaft froh zu machen. FREIHEIT sollten wir verkündigen und Frieden schenken. Aber die Versuchung war zu groß, doch wieder Worte zu sagen, die weh tun und Unfrieden schaffen. Herr, vergib uns die Unachtsamkeit unserer Worte. VERTRAUEN sollten wir haben und Gutes tun. Aber die Versuchung war zu groß, an uns selbst zu denken und unseren eigenen Vorteil zu suchen. Herr, vergib uns den Eigensinn unseres Handelns. Die WAHRHEIT sollte unsere ständige Begleiterin sein. Aber die Versuchung war zu groß, zu übertreiben, anzugeben, Schlechtes über andere zu sagen. Herr, vergib uns den Leichtsinn unserer Worte. Gott, Du kennst uns, und unsere Schwachheit ist Dir nicht verborgen. Hilf uns, dass wir uns den Versuchungen besser widersetzen können. Wir rufen zu Dir: Herr, erbarme dich.Adam und Eva
Bevor wir, liebe Gemeinde, überhaupt Überlegungen zu diesem Text aus dem Alten Testament anstellen, müssen wir uns über eines ganz klar werden: Es geht hier nicht um eine Geschichte von zwei Menschen, einem Mann und einer Frau, die vor langer Zeit einen schweren Fehler gemacht haben und deshalb aus dem herrlichen Garten vertrieben wurden, den Gott ihnen gebaut und zur Verfügung gestellt hatte. Nein, es geht nicht darum, dass wir über zwei Menschen zu Gericht sitzen. Denn das wäre ja nun sehr einfach: den verhängnisvollen Fehler der beiden ausgiebig zu analysieren und dann möglichst noch zu sinnieren, wie wir es an ihrer Stelle besser gemacht hätten. Es geht hier nicht zwei einzelne Menschen in grauer Vorzeit, die genauso gelebt und genauso gehandelt haben, wie es hier beschrieben ist. Sondern es geht um uns Menschen heute. „Adam“ bedeutet: der aus Erde gemachte und „Eva“ bedeutet: die, die das Leben schenkt. So ist Adam das Urbild des Mannes, das Symbol des Mannes; und Eva das Urbild der Frau, das Symbol der Frau – beide zusammen das Symbol für die Menschheit. Nur so, liebe Gemeinde, können wir verstehen, welche Botschaft uns aus der Geschichte vom „Sündenfall“ hervorleuchtet.
Grenzüberschreitung
Wenn das so ist, dass Adam und Eva Symbole sind für den Menschen an sich: Ist es nicht das Natürlichste der Welt, dass der Mensch Grenzen nicht akzeptiert? Dass er Grenzen überwinden möchte, um weiter zu kommen, mehr zu wissen, mehr zu können? Macht das nicht gerade das Menschsein aus, dass wir forschen und entdecken, philosophieren und fragen, sezieren, unter das Mikroskop legen, auseinandernehmen und wieder zusammenbauen. So lange, bis wir mehr wissen über das, was uns bisher verborgen war? Ja, das müssen wir zugeben: Wir brauchen Grenzüberschreiter. Denn der Fortschritt der Menschheit war immer von den Unvernünftigen abhängig, von den Grenzüberschreitern und den Visionären, nicht von den Braven, welche die ihnen gesetzten Grenzen klaglos akzeptierten.
Freiherr Drais von Sauerbronn gab sich nicht damit zufrieden, nur auf einem Hochrad 15 km/h schnell zu laufen. Er erfand die Fahrradkette und die Pedale. Thomas Alva Edison gab sich nicht damit zufrieden, bei Kerzenlicht zu lesen oder Bilder zu zeichnen. Er erfand die Glühbirne und den ersten Fotoapparat. Guglielmo Marconi gab sich nicht damit zufrieden, Nachrichten erst am nächsten Tag durch die Zeitung zu erfahren und erfand das Radio. Paul Nipkow wiederum war das nicht genug. Er wollte Bilder dazu und erfand den Fernseher. Ob nun Roald Amundsen (der erste Mensch am Südpol), Kopernikus (der das gesamte Weltbild auf den Kopf stellte), Christoph Kolumbus (der Entdecker des amerikanischen Kontinents) oder Robert Koch (Entdecker des Tuberkulose-Erregers) – alle Entdeckungen und Erfindungen der Menschheit gehen auf Menschen zurück, die Grenzen, die bis dahin unüberwindbar schienen, nicht akzeptierten, sondern die den Mut hatten, sie zu überschreiten. Ja, wir brauchen Grenzüberschreiter. Zweifellos. Denn das macht uns Menschen zu Menschen, dass unser Geist ein freier Geist ist und wir mehr können und mehr anstreben als nur dahin zu leben und unseren Instinkten zu folgen. Und – damit wir nun nicht ganz nur in philosophischen Gedanken stecken bleiben – Gott hätte uns den Geist ja nicht gegeben und die Vernunft und die Lust am Forschen und den Drang zu Entdecken, wenn er gewollt hätte, dass wir instinktgeleitete Tiere blieben. Was aber nun haben Adam und Eva falsch gemacht? Was ist denn dann die Sünde der Menschheit, wenn es das Grenzüberschreiten alleine nicht ist?
Besonnenenheit
Grenzen überschreiten, Neues entdecken, Neues erfinden, Weiterstreben und Weiterkommen an sich ist gut. Die ganze Bibel erzählt davon, dass Menschen unterwegs waren zu neuen Zielen, sich neue Aufgaben gesetzt haben und dabei auf Gott vertraut und auf Gott gehört haben – aber eben auch nicht. Sich Ziele zu setzen – auch jenseits der bis dahin geltenen Grenzen – ist nicht verwerflich, sondern gut. Aber: Zur Grenzüberschreitung gehört Besonnenheit. Nicht jede Grenze muss überschritten werden. Nicht jede Grenze darf überschritten werden. Ich glaube, liebe Gemeinde, darin sind wir unseren Symbolbildern Adam und Eva viel näher als wir meinen. Embryonale Stammzellenforschung, therapeutisches Klonen, Präimplantationsdiagnostik – alleine diese drei Schlagworte lassen uns schon das Blut in den Adern gefrieren: Sollte es tatsächlich möglich sein, kranke Babys oder solche, die eine Krankheit bereits in ihren Genen tragen, schon vor der Geburt auszusortieren? Und wenn ja: Dürfen wir das?
Bei solchen Worten wie Abtreibung, Euthanasie, dem Traum vom „Schönen Tod“ durch aktive Sterbehilfe geht es uns doch ähnlich: Sollte es tatsächlich möglich sein, das Menschen andere Menschen sterben lassen, beim Sterben helfen oder sie sogar legal aktiv töten? Und wenn ja: Dürfen wir das? Nein, das dürfen wir nicht. „Von den Früchten der Bäume im Garten dürfen wir essen; nur von den Früchten des Baumes, der in der Mitte des Gartens steht, von dem hat Gott gesagt: Davon dürft ihr nicht essen und daran dürft ihr nicht rühren, sonst werdet ihr sterben.“ Vom Baum der Erkenntnis des Bösen und des Guten zu essen, das ist uns nicht erlaubt. Also doch eine Grenze, die wir nicht überschreiten dürfen? Ja, ganz gewiss, liebe Gemeinde. Bei allen Fragen der wissenschaftlichen, medizinischen, technologischen Forschung haben wir die Freiheit, unseren Verstand und unsere Vernunft und unseren Geist zu nutzen, um Grenzen zu überschreiten und neue Ziele zusetzen. Für mich sind die Bäume im Paradies dafür die Symbole: Von allen Bäumen des Gartens dürft ihr essen! Aber von dem einen nicht: Vom Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen. Wirklich zu wissen, was gut ist und was böse, kann nur Gott allein.
Wissen, was gut ist
Wissen wir, ob es wirklich gut ist, ein 280 g leichtes Frühchen mit aller Gewalt am Leben zu erhalten oder es sterben zu lassen? Wissen wir, ob es wirklich gut ist, einen alten Menschen mit PEG-Sonde und künstlicher Ernährung am Leben zu erhalten oder ihn verhungern zu lassen? Wissen wir, ob es wirklich gut ist, uns aus den politischen Auseinandersetzungen in Libyen herauszuhalten oder nicht doch eine Flugverbotszone einzurichten – notfalls ohne Beschluss der UNO? Wissen wir wirklich, was gut oder böse ist? Nein, wir wissen es nicht. Denn wir sind nicht Gott. Aber genau das ist Sünde. Wir überschreiten Grenzen, die uns gesetzt sind, und denken nicht darüber nach, ob es eine Grenze ist, die zu überschreiten erlaubt oder nicht. Nahezu alle Grenzen sind mit menschlichem Geist und menschlichem Können überwindbar und Gott verbietet uns auch nicht, dies zu versuchen. Nur eine Grenze dürfen wir nicht überschreiten: So sein zu wollen wie Gott. Sobald wir uns als Richter aufspielen über Leben und Tod. Sobald wir nur noch uns selbst als höchste ethische Instanz anerkennen – uns, also den Menschen – und Gottes Willen und Gottes Gebot ausblenden oder gar rundweg abstreiten, dann sind wir auf dem falschen Weg. Dann haben wir die einzige Grenze überschritten, die wirklich verboten ist, wir haben vom Baum in der Mitte des Gartens gegessen. Wir haben versucht, so zu sein wie Gott. Und – das ist das allerschlimmste – haben ihn dabei verloren.
Entscheidungshilfen
Liebe Gemeinde, lesen Sie Goethes Faust mit offenen Augen und offenem Herzen, es steht dieselbe Geschichte drin wie die Geschichte von Adam und Eva. Die Geschichte des Menschen, der nicht bereit ist, die letzte ihm gesetzte Grenze zu akzeptieren: Werd’ ich zum Augenblicke sagen: / Verweile doch! du bist so schön! / Dann magst du mich in Fesseln schlagen, / Dann will ich gern zugrunde gehn! Liebe Gemeinde, wenn nicht auch wir zugrunde gehen wollen, wird es allerhöchste Zeit, dass wir die uns gesetzten Grenzen mit größtmöglicher Vernunft und größtmöglicher Besonnenheit betrachten, und dann wirklich nur die Grenzen überschreiten, die uns nicht zum Herren machen über Leben und Tod, über gut und böse. Denn es gibt nur einen, der darüber Herr ist, Gott allein. Wie aber können wir das nun entscheiden? Wonach sollen wir urteilen, ob wir eine Grenze überschreiten dürfen und wann nicht? Kein geringerer als Albert Schweitzer hat uns mit seinem Grundprinzip der Ehrfurcht vor dem Leben einen wirklich praktikablen Maßstab an die Hand gegeben: Böse ist: Leben vernichten, Leben schädigen, entwickelbares Leben niederhalten. Gut ist: Leben erhalten, Leben fördern, entwicklungsfähiges Leben auf seinen höchsten Wert bringen. Mit diesen schlichten aber überzeugenden Worten wird uns klar, welche Bäume im Garten Gottes wir bedenkenlos pflücken und essen können. Und welcher Baum in der Mitte steht, dessen Früchte uns verboten sind.
Ehrfurcht vor dem Leben ist für Pfarrerin Zager am Schluss ihrer Predigtdas entscheidende Mittel gegen das Böse. Der berühmte Albert Schweitzer bringt es auf diese Formel. Tiefsinnig spricht Frau Zager darüber, dass wir Menschen von Gott geschaffen sind, um Grenzen zu überschreiten und Neues zu erfinden. Allerdings – so die Predigerin – dürfen wir nicht alle Grenzen überschreiten wie z. B. bei der Stammzellenforschung, nur Gott weiß allein, was gut und böse ist. Vom Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen dürfen wir nicht essen. Wenn wir größenwahnsinnig sein wollen wie Gott verlieren wir ihn. Die Ehrfurcht vor dem Leben gibt uns deshalb “einen wirklich praktikablen Maßstab.” – An einen Gedanken von Eugen Drewermann möchte ich erinnern: In seiner preisgekrönten Habilitations-Schrift “Strukturen des Bösen” (2.000 Seiten!) erklärt er, die eigentliche Ursache des Bösen sei nicht Größenwahnsinn, sondern übertriebene Angst (s. dazu auch seine Predigt “Leben, das dem Tod entwächst”). Die meisten Morde und Verbrechen entstehen nach seiner Auffassung nicht aus Macht und Gier, sondern aus übertriebener Angst. Die Schlange mache mit der Frage “Sollte Gott verboten haben von allen Früchten zu essen” Eva vor einem tyrannischen Gott Angst und biete gleichzeitig die befreiende Lösung aus tiefer Angst an (“Ihr werdet selbst sein wie Gott”). Ich empfehle, diesen Gedanken E. Drewermanns ergänzend in die schöne Predigt von Pfarrerin Zager aufzunehmen.
Besonnenheit vs. Hybris – Ein weiterführender Kommentar zu meiner eigenen Predigt:
Diese Predigt hat bei uns zuhause eine lebhafte Diskussion entfacht. Mein Mann (Theologieprofessor) und unser zweiter Sohn (Medizin- und Theologiestudent) haben mich sehr fruchtbar in Frage gestellt: Kann und darf ich als Predigerin wissenschaftliche Forschung und Fortschritte wie embryonale Stammzellenforschung, therapeutisches Klonen, Präimplantationsdiagnostik, Abtreibung, Euthanasie, dem Traum vom „Schönen Tod“ durch aktive Sterbehilfe, lebensverlängernde Maßnahmen wie PEG-Sonde – in Bausch und Bogen verdammen? Oder müsste nicht bereits hier differenziert werden? Ja, ich habe es eingesehen: In der Predigt muss deutlicher werden, dass nicht reines “Nein-Sagen”, sondern Besonnenheit allein (differenziertes Bedenken aller Argumente) der menschlichen Hybris Einhalt gebieten kann, jede Grenze, die man überschreiten kann, auch überschreiten zu dürfen. Die betreffenden Passagen in meiner Predigt habe ich nun entsprechend abgewandelt:
Embryonale Stammzellenforschung, therapeutisches Klonen, Präimplantationsdiagnostik – alleine diese drei Schlagworte lassen uns schon das Blut in den Adern gefrieren: Sollte es tatsächlich möglich sein, kranke Babys oder solche, die eine Krankheit bereits in ihren Genen tragen, schon vor der Geburt „auszusortieren“? Und wenn ja: Dürfen wir das? Oder müssen wir es sogar? Die Meinungen im Ethikrat der Bundesregierung, ja auch innerhalb der Theologie gehen durchaus auseinander. So klar scheint das nicht zu sein, was hier gut und was hier böse ist.
Bei Worten wie Abtreibung, Euthanasie, dem Traum vom „Schönen Tod“ durch aktive Sterbehilfe geht es uns ähnlich: Sollte es tatsächlich möglich sein, dass Menschen andere Menschen sterben lassen, beim Sterben helfen oder sie sogar legal aktiv töten? Und wenn ja: Dürfen wir das? Oder sollen wir es etwa doch? Auch hier sind die Grenzen zwischen gut und böse nicht klar auszumachen.
Nein, das dürfen wir nicht. „Von den Früchten der Bäume im Garten dürfen wir essen; nur von den Früchten des Baumes, der in der Mitte des Gartens steht, von dem hat Gott gesagt: Davon dürft ihr nicht essen und daran dürft ihr nicht rühren, sonst werdet ihr sterben.“ Vom Baum der Erkenntnis des Bösen und des Guten zu essen, das ist uns nicht erlaubt.
Also doch eine Grenze, die wir nicht überschreiten dürfen? Ja, ganz gewiss, liebe Gemeinde. Bei allen Fragen der wissenschaftlichen, medizinischen, technologischen Forschung haben wir die Freiheit, unseren Verstand und unsere Vernunft und unseren Geist zu nutzen, um Grenzen zu überschreiten und neue Ziele zu setzen. Für mich sind die Bäume im Paradies dafür die Symbole: Von allen Bäumen des Gartens dürft ihr essen! Aber von dem einen nicht: Vom Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen. Wirklich zu wissen, was gut ist und was böse, kann nur Gott allein. …
Auch das Schlusskapitel habe ich angeregt durch die Anmerkungen meiner Familie wie folgt modifiziert:
Wie aber können wir das nun entscheiden? Wonach sollen wir urteilen, ob wir eine Grenze überschreiten dürfen und wann nicht? Wir brauchen Besonnenheit, die uns vor der Hybris bewahrt, alles Machbare auch wirklich zu in die Tat umzusetzen, ohne dabei nach Gott zu fragen.
Kein Geringerer als Albert Schweitzer hat die Besonnenheit in klare Worte gefasst und uns mit seinem Grundprinzip der Ehrfurcht vor dem Leben einen wirklich praktikablen Maßstab an die Hand gegeben: Böse ist: Leben vernichten, Leben schädigen, entwickelbares Leben niederhalten.
Gut ist: Leben erhalten, Leben fördern, entwicklungsfähiges Leben auf seinen höchsten Wert bringen. Mit diesen schlichten, aber überzeugenden Worten wird uns klar, welche Bäume im Garten Gottes wir bedenkenlos pflücken und essen können. Und welcher Baum in der Mitte steht, dessen Früchte uns verboten sind.
Weitere Anregungen sind ausdrücklich erwünscht. Wie geht es Ihnen mit dieser Frage?