In den Sand gesetzt?

Wir stehen immer wieder neu vor der Entscheidung, worauf wir „unser Haus“ bauen wollen

Predigttext: Matthäus 7,24-27
Kirche / Ort: 68542 Heddesheim / Evangelische Landeskirche in Baden
Datum: 21.08.2011
Kirchenjahr: 9. Sonntag nach Trinitatis
Autor/in: Pfarer Dr. Herbert Anzinger

Predigttext: Matthäus 7,24-27 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)

24 Darum, wer diese meine Rede hört und tut sie, der gleicht einem klugen Mann, der sein Haus auf Fels baute. 25 Als nun ein Platzregen fiel und die Wasser kamen und die Winde wehten und stießen an das Haus, fiel es doch nicht ein; denn es war auf Fels gegründet. 26 Und wer diese meine Rede hört und tut sie nicht, der gleicht einem törichten Mann, der sein Haus auf Sand baute. 27 Als nun ein Platzregen fiel und die Wasser kamen und die Winde wehten und stießen an das Haus, da fiel es ein und sein Fall war groß.

Vorbemerkungen zum Predigtttext

In der Regel wird angenommen, dass unsere Predigtperikope aus der Logienquelle (Mt 7,24-27 // Lk 6,47-49) stammt. Allerdings zeigen sich in ihr – bei identischer formaler Struktur – äußerst starke Divergenzen im Wortlaut, die weder durch mt oder lk Redaktion noch durch die Annahme zweier Versionen von Q erklärt werden können, so dass man fragen kann, ob es sich dabei nicht eher um zwei unabhängig von Q überlieferte Varianten einer „Grundrede“ als Quelle für die mt Bergpredigt und die lk Feldrede handelt (so Th. Bergmann: Q auf dem Prüfstand, 1993). Unstrittig ist allerdings, dass in dieser Doppelparabel zwei Verhaltensweisen diametral gegenübergestellt werden sollen. Es geht um die Haltung, die jemand zu den Worten Jesu einnimmt, die praktischen Konsequenzen, die er aus dem Gehörten zieht. Er soll Jesu Worte nicht nur hören, sondern sein konkretes Handeln daran orientieren. Wer die Worte Jesu hört und entsprechend handelt, wird mit einem klugen Mann verglichen, der sein Haus auf Fels baut, während derjenige, der sie zwar ebenfalls hört, aber nicht danach handelt, mit einem dummen Mann verglichen wird, der sein Haus auf Sand baut. Die Folgen zeigen sich, als beide Häuser durch eine Überschwemmung (so Lk) bzw. durch den Ansturm von Platzregen, Wasser und Wind (so Mt) bedroht werden und nur das auf Fels gebaute Haus standhält. Vermutlich liegt die matthäische Variante näher an „semitischer Erzählweise“ und am „palästinensischen, ländlichen Milieu“ (nach U. Luz: Das Matthäusevangelium, EKK I/1, 412), da die Bildseite an eine Bedrohung der Häuser durch Wasserfluten in einem Wadi nach einem Platzregen denken lässt.

Bei Mt bildet die Parabel den Abschluss der Bergpredigt und unterstreicht deren im wahrsten Sinne lebensentscheidende Bedeutung. Nur wer die Bergpredigt („diese mein Rede“) nicht nur hört, sondern auch nach ihr handelt, wird im Jüngsten Gericht bestehen. Es handelt sich dabei um ein Gericht über die Werke eines Menschen. Nicht das Hören, auch nicht der Glaube oder die Gnade, sondern das Tun entscheidet über das Heil. Die Parabel hat paränetischen Charakter. Sie will dazu ermahnen, die durch Jesus beispielhaft vorgenommenen Normverschärfungen (Feindesliebe, Scheidungsverbot usw.) auch im Alltag zu beherzigen.

An dieser Stelle brechen viele in der Theologie- und Kirchengeschichte höchst unterschiedlich beantwortete Fragen auf: Ist das nicht Werkgerechtigkeit? Kann man nach der Bergpredigt überhaupt leben? Wie sollen wir das Gericht nach den Werken verstehen? Was bedeutet überhaupt die Rede vom Jüngsten Gericht für mein Leben? Soll und kann ich moralisch handeln aus Furcht vor dem Gericht Gottes? Und wo bleibt das Evangelium? Ich versuche diese Fragen homiletisch aufzulösen, indem ich erstens (mit Mt 25) vor allem davon ausgehe, dass Jesus selber der kommende Richter ist, zweitens (über Mt hinausgehend), dass das Jüngste Gericht auch eine in unsere Gegenwart reichende Dimension hat und sich z. B. in Lebenskrisen zeigen kann, drittens, dass wir immer wieder neu vor der Entscheidung stehen, worauf wir unser Haus bauen wollen, d. h. ob wir uns an Jesu Worten orientieren oder nicht, und schließlich viertens mit Paulus (der im Übrigen kein Problem damit hatte, Rechtfertigung und Gericht nach den Werken zusammenzudenken, vgl. I. Kor 3,12-15; II. Kor. 5,10), dass auch unser Scheitern von Gottes Gnade umhüllt ist.

Lieder

Wer nur den lieben Gott lässt walten“ (EG 369)Ich weiß, mein Gott, dass all mein Tun und Werk“ (EG 497, Wochenlied)

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Wer ein Haus gebaut hat, kann einiges erzählen: Von dem ursprünglichen Traum, von den Wünschen und Vorstellungen, die vielleicht nicht alle realisierbar sind, von der Planung und Durchführung des Baus, von den Problemen mit Architekt, Behörden und Handwerkern, von der Grundsteinlegung, dem Hochziehen der Mauern, vom Richtfest und schließlich von der Einrichtung und Innenausstattung des Hauses, vom Stolz über ein schönes Zuhause oder vielleicht auch von der Enttäuschung darüber, dass alles doch ganz anders gekommen ist. Später muss vielleicht das eine oder andere umgebaut oder renoviert, neuen Bedürfnissen angepasst werden. Ähnlich ist es auch mit unserem Leben. Fortwährend sind wir dabei, unser Leben aufzubauen und zu gestalten. Der eine von uns ist vielleicht noch ganz am Anfang. Er ist noch voller Pläne und Ideen. Für den anderen ist sein Leben wie ein Rohbau: Die Struktur ist schon erkennbar, aber die Innenausstattung und die Details fehlen noch. Wieder ein anderer wohnt schon lange im Haus seines Lebens. Im Prinzip ist es fertig und eingerichtet. Man muss nur hier und da etwas ausbessern, ab und zu ein wenig modernisieren. Für manche ist ihr Haus mit ihnen alt geworden. Es trägt wie sie selbst die Spuren der Zeit, hat aber auch seinen besonderen Reiz. Das Haus – ein Bild für unser Leben. Jesus hat dieses Bild in der Bergpredigt aufgegriffen, um zu verdeutlichen, worauf es im Leben ankommt. Am Schluss der Bergpredigt, im 7. Kapitel, den Versen 24-27 gibt er uns zu bedenken:

(Lesung des Predigttextes).

 Pfusch am Bau – wer das nicht aus eigener Erfahrung kennt, kann sich im Privatfernsehen ansehen, was beim Bau eines Hauses alles schiefgehen kann. Allerdings hält Jesus sich nicht mit kleineren Fehlern oder Macken auf, die durch Schönheitsreparaturen oder einen neuen Anstrich zu beheben wären. Ihm geht es buchstäblich um das Fundamentale, um die Frage: Worauf hast du dein Leben aufgebaut? Auf welchem Grund, als welchem Fundament steht es? Auf massivem Felsen oder auf Sand? Das mag egal sein, solange dieses Haus keiner Bedrohung ausgesetzt ist. Aber es ist nicht egal, so Jesus, wenn sich das Wadi, in dem das Haus steht, durch Sturm und Platzregen urplötzlich in einen Sturzbach verwandelt, der alles mitzureißen droht. Welch zerstörerische Kraft solche Wassermassen und Schlammlawinen haben, das haben wir in den letzten Jahren immer wieder in schrecklichen Bildern zu Gesicht bekommen. Ist doch klar: Nur ein gut gegründetes Haus hat dann Bestand, während ein auf Sand gebautes leicht zum Einsturz gebracht wird.

Was passiert, wenn ein solcher Sturm über dein Leben hereinbricht? Was, wenn alles ins Wanken gerät, wenn dir das Wasser bis zum Halse steht, wenn es zur Krise kommt in deiner Ehe, wenn du dich plötzlich betrogen und verlassen vorfindest, wenn dich ein Schicksalsschlag, eine Erkrankung, ein beruflicher Misserfolg aus der Bahn wirft? Was, wenn sich im Rückblick auf dein ganzes Leben herausstellt: Es ist verpfuscht? Weil es auf dem falschen Fundament aufgebaut war. Vor diese Frage will uns die Parabel Jesu von den beiden Häuslebauern stellen. Natürlich will sich keiner mit dem Dummkopf identifizieren. Ich bin doch nicht blöd, denken wir uns. Ein Haus auf Sand bauen, wer macht das schon. Natürlich baue ich mein Haus auf festem Untergrund, von mir aus auf Fels. Aber sehen wir uns einmal zu, was Jesus damit konkret meint. Sein Haus auf den Fels zu bauen, bedeutet: Die Rede Jesu nicht nur zu hören, sondern nach ihr zu handeln, ihre Weisungen in die Tat umzusetzen.

Mit der Rede Jesu ist ganz konkret die Bergpredigt gemeint. Die beginnt mit den Seligpreisungen. Ihr Fundament ist die Zusage, dass diejenigen sich glücklich schätzen dürfen, die geistlich bedürftig sind, die Leid tragen, die auf Gewalt verzichten, die nach Gerechtigkeit hungern und dürsten, die barmherzig sind. Sie dürfen sich glücklich schätzen, weil Gott ihnen ganz nahe kommt, weil sie im Reich Gottes, im Herrschaftsbereich Gottes leben dürfen. In diesem Herrschaftsbereich Gottes gelten allerdings Regeln, die sich in mancher Hinsicht diametral von dem unterscheiden, was sonst in unserer Welt gilt. Im Reich Gottes gilt beispielsweise die Feindesliebe. Mal Hand aufs Herz: Lieben Sie Ihre Feinde? Liebe ich jemanden, der mir schaden will? Wir stoßen da schnell an unsere Grenzen und merken: Ganz so einfach ist es nicht mit der Vernunft des Reiches Gottes. Dazu gehört weiter der Verzicht auf das Verurteilen. Aber wer von uns kann das schon: das, was uns verletzt, und den, der uns beleidigt und übel mitspielt, nicht zu verurteilen? Können Sie das? Kann ich jemandem vertrauen, der mich enttäuscht hat? Dazu gehört weiter, sich zwischen Geld und Gott klar für Gott zu entscheiden. Aber zeigt sich nicht an dem, was einer hat, wieviel er zählt in dieser Gesellschaft? Können Sie davon absehen? Ist es mir wirklich gleichgültig, wenn andere ihr Geld für sich arbeiten lassen können und mit Millionen jonglieren, während ich mich für jeden Euro abstrampeln muss? Jeder mag diese Fragen für sich selber beantworten, wobei beachtet sein will, dass es nicht um die Befolgung einzelner Sätze geht, sondern um eine Lebenseinstellung. Jesus will sagen: Wenn du diese meine Worte zum Grund deines Lebens machst, dann siedelst du auf dem Boden, aus dem die Bergpredigt erwachsen ist, dann lebst und handelst du aus ihrem Geist. Auch wenn du vielleicht das eine oder andere Mal in einem konkreten Fall daran scheiterst.

Ein solches Verhalten nennt Jesus klug, weil man selber einen Nutzen davon hat. Ich finde es besonders interessant, dass Jesus sich nicht scheut, den Nutzen ins Spiel zu bringen, den einer selber davon hat. Wir sind heute im alltäglichen Leben gewohnt, zu fragen: Was bringts mir? Was habe ich davon? In der Kirche weisen wir diese Frage oft ab, weil wir der Meinung sind: im Blick auf das Reich Gottes dürfe man nicht danach fragen, was es uns bringe. Doch, sagt Jesus. Natürlich hast du etwas davon. Dein Leben gewinnt an Tiefe und Sinn. Es bekommt Würde und Qualität. Es schwimmt im Glück. Es steht auf einem Fundament, das trägt, auch wenn die Stürme des Lebens gewaltig an ihm rütteln. Man darf diesen Nutzen nicht zu gering einschätzen.

Aber was ist, wenn ich scheitere? Wenn ich feststellen muss: Ich habe mein Leben verpfuscht. Ich habe es in den Sand gesetzt. – Dann darf ich mich daran aufrichten, dass nicht ich es bin, der das letzte Urteil über mein Leben spricht, sondern Jesus, der für mich gestorben ist. Wenn er mir die Erkenntnis geschenkt hat, mein Leben auf das falsche Fundament gesetzt zu haben, gibt er mir gewiss auch die Chance, es noch einmal besser zu machen. Jesus will, dass unser Leben gelingt, dass es Bestand hat. Jesus will, dass wir unser Leben nicht in den Sand setzen. Deshalb lädt er uns ein, klug zu sein, und unser Leben auf dem Grund aufzubauen, der er selber ist, den Grund, den er in seiner Botschaft beschrieben hat, den Grund, den er mit seinem Leben gelegt hat. Wir wären dumm, wenn wir seiner Einladung nicht folgen würden.

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