ISRAEL – GOTT MÖGE FÜR UNS STREITEN
Zum Israelsonntag - Israel ist mehr als ein Staat im vorderen Orient
Predigttext: 2. Mose / Exodus 19,1-6 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision1984)
1 Am ersten Tag des dritten Monats nach dem Auszug der Israeliten aus Ägyptenland, genau auf den Tag, kamen sie in die Wüste Sinai. 2 Denn sie waren ausgezogen von Refidim und kamen in die Wüste Sinai und lagerten sich dort in der Wüste gegenüber dem Berge.3 Und Mose stieg hinauf zu Gott. Und der HERR rief ihm vom Berge zu und sprach: So sollst du sagen zu dem Hause Jakob und den Israeliten verkündigen: 4 Ihr habt gesehen, was ich mit den Ägyptern getan habe und wie ich euch getragen habe auf Adlerflügeln und euch zu mir gebracht. 5 Werdet ihr nun meiner Stimme gehorchen und meinen Bund halten, so sollt ihr mein Eigentum sein vor allen Völkern; denn die ganze Erde ist mein. 6 Und ihr sollt mir ein Königreich von Priestern und ein heiliges Volk sein. Das sind die Worte, die du den Israeliten sagen sollst.Jeremia 31,31-34
31 Siehe, es kommt die Zeit, spricht der HERR, da will ich mit dem Hause Israel und mit dem Hause Juda einen neuen Bund schließen, 32 nicht wie der Bund gewesen ist, den ich mit ihren Vätern schloss, als ich sie bei der Hand nahm, um sie aus Ägyptenland zu führen, ein Bund, den sie nicht gehalten haben, ob ich gleich ihr Herr war, spricht der HERR; 33 sondern das soll der Bund sein, den ich mit dem Hause Israel schließen will nach dieser Zeit, spricht der HERR: Ich will mein Gesetz in ihr Herz geben und in ihren Sinn schreiben, und sie sollen mein Volk sein und ich will ihr Gott sein. 34 Und es wird keiner den andern noch ein Bruder den andern lehren und sagen: »Erkenne den HERRN«, sondern sie sollen mich alle erkennen, beide, Klein und Groß, spricht der HERR; denn ich will ihnen ihre Missetat vergeben und ihrer Sünde nimmermehr gedenken.Exegetisch-homiletische Vorüberlegungen
Der 10. Sonntag nach Trinitatis ist der sog. Israelsonntag, der in unserer Kirche eine eigene Geschichte hat, die es verdiente, ausgebreitet zu werden. Zeitlich und räumlich ist dies hier nicht möglich. Informationen, Hintergründe und Anregungen finden sich in den Arbeiten von Evelina Volkmann, Irene Mildenberger und Alexander Deeg (u. a.). Beachtenswert ist, dass der Israel-Sonntag in der Nähe des „Tischa be Av“ (neunter Tag im Monat AV) begangen wird; neben dem großen Versöhnungstag (Jom Kippur) ist das der strengste Fastentag im jüdischen Kalender. Mischnah Ta’anit IV,6 überliefert, dass jeweils an einem 9. AV „über unser Väter verhängt“ wurde, „nicht in das Land hinein zu kommen“ und „der Tempel zum ersten und zweiten Mal zerstört“ wurde. Kann eine christliche Gemeinde mittrauern? Ex. 19,1-6 hat 2005 Eingang in die Perikopenordnung des 10. Sonntags nach Trinitatis gefunden. Benno Jacob hat diesen Text die „magna charta“ genannt. In Nachrichtensendungen und Zeitungsartikeln erscheint Israel als ein Staat im Nahen Osten. Mit seiner Gründungsgeschichte, den alten und aktuellen Konflikten steht er unter weltweiter Beobachtung. Ist dieses Israel „Gegenstand“ des Israelsonntags? Eine Politisierung, Polarisierung und Polemisierung könnte den Gottesdienst in eine Zerreißprobe bringen. Gleichwohl gibt es Israel nicht ohne das Israel, das hinter, vor und über ihm steht. Israel ist der dem Erzvater Jakob verliehene Name, Israel ist der Ehrenname des Volkes Gottes, Israel drückt die Identität des Volkes Gottes aus. Peter J. Tomson, Neutestamentler in Brüssel, erzählt die wechselvolle, auch politisch konturierte Geschichte dieses Namens, ging doch das Nordreich, das Israel hieß, sang- und klanglos unter. Mit dem Namen Israel hat Gottes Volk seine auch leidvolle Geschichte bestanden. Israel ist eine Name, der eine bleibende Beziehung ausdrückt, Spiegelbild der Treue Gottes. Der Israelsonntag erinnert auch daran, dass Christen dem Volk Gottes den Namen Israel weggenommen haben, um ihn - spiritualisiert – auf sich zu beziehen. Es gibt dann ein falsches und ein wahres Israel. Diese (Unheils)Geschichte ist bis in die Gegenwart hinein nicht abgeschlossen. Im liturgischen Kalender ist der 10. Sonntag nach Trinitatis darum auch dem Verhältnis von Juden und Christen gewidmet. Angesichts alten und neuen Antisemitismus hat der Tag mehr als symbolische Bedeutung. Eine neuere Untersuchung (2010) hat sogar ergeben, dass der Anteil an antisemitischen Ansichten unter Menschen aus kirchlich gebundenen Kreisen höher ist als unter Menschen ohne solche Bindung. Nach wie vor leidet der Begriff „antisemitisch“ aber unter einer gefährlichen Unschärfe. Begründete Kritik an der Politik Israels, die im Lande selbst geübt und von breiten Kreisen getragen wird, darf nicht mit dem Verdikt belegt werden, antisemitisch zu sein – hier sind die Grenzen allzu oft fließend und mit Ängsten besetzt. Die Propheten Israels hatten auch mit ihrer sozialkritischen Botschaft immer Israel im Blick. Ob eine (christliche) Predigt in dieser Tradition beheimatet sein kann? Es ist gerade die Exoduserfahrung und –überlieferung, die Adlerflügeln gleicht. Meine Predigt versucht, die beiden Predigttexte dieses Sonntags – Ex. 19,1-6 und Jer. 31,31-34 – in ein Gespräch zu bringen. Ex. 19,1-6 geht der Gabe des Dekalogs voraus, Jer. 31,31-34 verheißt einen neuen Bund. In beiden Texten spielt die Auszugserfahrung nicht nur die Rolle ansprechbarer (und belastbarer) kollektiver Erinnerung, sondern weist auf die liebevolle Erwählung („wie ich euch getragen habe auf Adlerflügeln“ – „als ich sie bei der Hand nahm, um sie aus Ägyptenland zu führen“), die auch durch Ungehorsam und „Brüchen“ nicht rückgängig gemacht wird, sondern Zukunft zugesprochen bekommt. Paulus hat in Röm. 9-11 ein Hohelied auf die Treue Gottes anstimmen müssen, als er den verwinkelten Wegen seines Volks nachgegangen ist. In beiden (Predigt)Texten wird aber auch der Anspruch formuliert, dass „ihr mein Eigentum vor allen Völkern“, „ein Königreich von Priestern und ein heiliges Volk“ sein sollt, dann noch einmal neu gewendet und zugespitzt: „ich will ihnen ihre Missetat vergeben und ihrer Sünde nimmermehr gedenken“. Beide Texte haben jedoch ihren eigenen Ort: Ex. 19,1-6 beschreibt einen Anfang, Jer. 31,31-34 schaut auf eine Geschichte verlorener Hoffnungen zurück – nicht ohne einen neuen Anfang zu verheißen. „Siehe, es kommt die Zeit“. Die Formulierung ist zwar offen, aber von einer großen Gewissheit getragen. Als Christen erzählen wir die Geschichte Jesu in diesem Kontext, machen uns aber schuldig, wenn wir diesem Kontext unsere Grenzen geben. In einer sehr bedrängenden Situation hat der 1. Petrusbrief (2,9) Ex. 19,1-6 adaptiert. Die Trennung von Juden und Christen war zu dieser Zeit noch offen. Hier zeigt sich seelsorgerlich ein spannender Prozess, der in Luthers Übersetzung (das Hl. Volk, die Priesterschaft) Jahrhunderte später nur abgrenzend verstanden werden konnte. Wirkungsgeschichtlich ein Beitrag, nicht nur die Akzente neu zu setzen, sondern auch Israel zu „enterben“. Freilich gibt es auch jüdische Deutungen, die Ex. 19,1-6 (und andere Texte) in Superioritätsgefühle umsetzen („die anderen sind in meinen Augen und vor meinem Angesicht gleich nichts“). Wenn sich aber „Erwählung“ in Nationalismus verwandelt, wird der Hass zur ersten Wahl. In seiner Schrift „An den Adel deutscher Nation. Von des christlichen Standes Besserung“ hat Martin Luther 1520 1. Petr. 2,9 in einen - wiederum - neuen Kontext gestellt: „Man hat’s erfunden, dass Papst, Bischöfe, Priester und Klostervolk wird der geistliche Stand genannt, Fürsten, Herren, Handswerks- und Ackerleute der weltliche Stand, welches ein gar feiner Komment und Gleißen ist; doch soll niemand darob schüchtern werden, und das aus dem Grund: Denn alle Christen sind wahrhaft geistlichen Standes …, so werden wir allesamt durch die Taufe zu Priestern geweiht, wie Sankt Peter, I. Petr. 2,9 sagt: ‚Ihr seid ein (!) könglich Priestertum und ein priesterlich Königsreich“Literatur
Peter J. Tomson, „Als dit uit de Hemel is …“ Jezus en de schrijvers van het Nieuwe Testament in hun verhouding tot het Jodendom, B. Folkertsma Stichting voor Talmudica, Hilversum 1997; Heinz-Günther Schöttler, Christliche Predigt und Altes Testament, Ostfildern 2001; Evelina Volkmann, Vom Judensonntag zum Israelsonntag .Predigtarbeit im Horizont des christlich-jüdischen Gesprächs, Stuttgart 2002; Irene Mildenberger, Der Israelsonntag, Gedenktag der Zerstörung Jerusalems. Untersuchung zu seiner homiletischen und liturgischen Gestaltung in der evangelischen Tradition, Berlin 2004; Alexander Deeg und Irene Mildenberger, „… dass er euch auch erwählet hat“. Liturgie feiern im Horizont des Judentums, Leipzig 2006; Alexander Deeg, Predigt und Derascha. Homiletische Textlektüre im Dialog mit dem Judentum, Göttingen 2006; Alexander Deeg, Walter Homolka und Heinz-Günther Schöttler, Preaching in Judaism and Christianity. Encounter and Developpments from Biblical Times to Modernity, Berlin 2008, Manfred Wussow, Milch, Steine, Priester - Ein Bibelwort als Bildergalerie. 1. Petr. 2,2-10, GPM 97 (2008); Helmut Utzschneider, Reale Utopie für Juden und Christen. Ex. 19,1-6, GPM 100 (2011), 367-372.Eine aktuelle Einladung
Vom 5.-6. September 2011 wird in Brüssel ein Internationales Colloquium stattfinden: Jews and Christians in the First and Second Centuries: Historiographical Questions. Veranstalter sind: Faculty of Protestant Theology, Brussels; Jewish Museum Brussels; Rennert Center for Jerusalem Studies, Bar-Ilan University Israel; Institutum Iudaicum Belgium; Université Libre de Bruxelles; Fonds voor Wetenschappelijk Onderzoek, Flanders; Fonds National de Recherche Scientifique; Compendia Rerum Iudaicarum ad Novum Testamentum Foundation Die Einladung und das Programm sind einzusehen unter: http://protestafac.ac.be/ufpg.html, hier: Agenda. Anmeldungen oder Rückfragen bei: drs. Ruben Kwint rdkwint@hotmail.comAm ersten Tag
Eine Liebesgeschichte in der Wüste – und was für ein grandioser Anfang! „Am ersten Tag des dritten Monats nach dem Auszug der Israeliten aus Ägyptenland, genau auf den Tag“. Verliebte brauchen Tage, ihre Tage! Im Lauf der Zeit sind sie Anker, Stützen – und Höhepunkte. Der Tag des Kennenlernens, der Hochzeitstag, der Kindergeburtstag. Dass ein ganzes Volk, auf den Tag genau, Erinnerungen bewahrt – was für ein Glücksfall! Nun liegt über einem ersten Tag immer ein besonderer Glanz. Er scheint unberührt zu sein. Ganz viel Zukunft liegt vor ihm. Dass am ersten Tag des dritten Monats aber auch schon viel zurück liegt, ahnt der Leser. Zumindest wird ein Weg deutlich. Welcher? Ein Geheimnis ist das nicht. Ein kleines Volk, das wir unter dem Namen Israel zu kennen meinen, hat den Aufbruch aus Ägypten gewagt. Manches war wundersam, was die Menschen erzählten, anderes eher abschreckend und mit Ängsten besetzt. Aber es war ein Wunder, frei zu sein! Die Welt vor sich zu haben! Jetzt sind sie in der Wüste angekommen. War sie das Ziel? Ziel der Träume und Sehnsüchte? War sie die neue Heimat? Lebensraum für Kinder und Enkel? Ich weiß nicht, was die Menschen am ersten Tag des dritten Monats denken – und dann auch noch: auf den Tag genau. War es Dankbarkeit, der Gefangenschaft entflohen zu sein? War es der Lebensmut, alles zu schaffen, was jetzt noch kommt? War es die Enttäuschung, nach zwei Monaten nur in der Wüste gelandet – und eben nicht weiter – zu sein? Auf den Tag genau! Sollen wir zurückrechnen? Sollen wir diesen Tag ganz besonders wahrnehmen? Zurückrechnen ist schwierig. Was sind schon zwei Monate? Eine richtig lange Zeit ist das nicht, obwohl mit jedem Tag der Abstand wächst. Aber auf den Tag genau heißt auch: Heute! Jetzt! Die alte Erzählung weiß zu berichten, dass eine Etappe erreicht ist. Eine erste – wie wir ahnen. Und eine besondere: Was Mose von Gott zu hören bekommt – und weiter gibt -, ist eine Liebeserklärung. Feierlich formuliert:
„… wenn ihr achtsam auf meine Stimme hören
Und meinen Bund bewahren werdet,
dann werdet ihr mein Eigentum sein, mehr als alle Völker,
denn die ganze Erde ist mein.
Ihr werdet mir ein Königreich von Priestern sein,
ein heiliges Volk“
Ich bin ganz überrascht: In der Wüste, da wo Wege nicht gebahnt sind, in der Einöde, wo sich der Himmel am Horizont mit den Steinen verbündet, in der Weite, die scheinbar keine Grenzen kennt – da erklärt Gott seine Liebe, seine Treue – und bekommen Menschen eine Aufgabe, eine Lebensaufgabe. Ein Königreich von Priestern, ein heiliges Volk – fängt in der Wüste an. Kein Tempel ist zu sehen, keine Kirchtumspitze, kein Talar. Darum liegt über dem ersten Tag ein besonderer Glanz. Auch wenn es der erste Tag des dritten Monats ist.
Erste Erfahrungen
Am ersten Tag des dritten Monats sind die ersten Erfahrungen schon gemacht. Was die Füße schwer und die Zungen trocken macht, gerät in ein neues Licht. Ich habe euch auf Adlerflügeln getragen, sagt Gott. Ein Bild, das Leichtigkeit und Geborgenheit ausstrahlt. Ich habe euch befreit. Ich gab euch Mut. Ich weiß einen Weg für euch. Die Adlerflügel können auch Geierflügel gewesen sein, jedenfalls ist ein großer Vogel gemeint, der weite Schwingen hat, hoch fliegt und Entfernungen spielend überwindet. Ein tolles Bild! Der weite und beschwerliche Weg – wie ein Ritt auf den Fittichen eines großen Vogels. Ich denke an die märchenhafte Ritte Sindbads, des Seefahrers, auf dem Vogel Rokh – und an Nils Holgersson und seinen Gänserich Martin. Ich kann die Geschichte eines Weges so oder so erzählen. Bitter – oder auch leicht und befreit. Nachtragend – oder auch voller Vertrauen. Jetzt liegt Ägypten schon so weit zurück. Dieser erste Tag verspricht nur Zukunft. Später erzählen die Menschen davon – auf den Tag genau. Verliebte brauchen Tage, ihre Tage! Im Lauf der Zeit sind sie Anker, Stützen – und Höhepunkte. Für uns ist der erste Tag, sind erste Erfahrungen überaus wichtig. Sie prägen uns unter Umständen ein ganzes Leben. Sie tragen uns. Sie tragen uns auch dann, wenn wir tatsächlich durch die Wüste gehen. Im übertragenen Sinn. Gefährdet, vereinsamt, auf die Probe gestellt. Keine Oase in Sicht. Die Tage ziehen sich. Nirgendwo zeichnet sich ein Ausweg ab. Weite, in der wir untergehen.
In Israel machen viele Menschen auch in diesen Tagen sehr ambivalente Erfahrungen. Die Dauer-Krise, kriegerische Auseinandersetzungen, innenpolitische Gräben, soziale Verwerfungen nehmen wir noch tausende von Kilometer weiter wahr. Manchmal wissen wir nicht, wie wir verhärtete Positionen und unsichere Entwicklungen beurteilen sollen. Wir sind traurig, dass die Spirale von Hass und Gewalt immer nur weitergeht. Wir sehen dann auch die anderen Seiten. Wir sehen das Leid und die vielen Gesichter, die wir am Ende nicht mehr unterscheiden wollen … Aber drin im Geschehen sind wir nicht. Die Friedensbewegungen, die es in Israel gibt, dringen kaum bis zu uns durch. Eher sind wir hin und hergerissen. Mal unverständig, mal traurig. Dass wir heute an Israel denken, hat auch damit zu tun, dass unser Tag Israel-Sonntag ist, der 10. Sonntag nach Trinitatis. Dieser Tag hat selbst eine lange Vorgeschichte. Früher wurde an diesem Tag Israels Verwerfung vorgeführt. In Predigten und Verlautbarungen haben sich auch die Kirchen schuldig gemacht – schuldig gemacht an dem, was dann in unserem Volk passierte und über unser Volk hinausging: Juden wurden ihrer Rechte beraubt, sie wurden zur Schau gestellt, sie wurden deportiert, sie wurden ermordet. Aber wie konnten Menschen jemals glauben, dass Gott seine Erwählung zurücknimmt? Sein Wort ist verlässlich, seine Treue unumkehrbar. Er revidiert sein Wort auch nicht. Was er an jenem ersten Tag sagte, ist seine Verheißung und sein Auftrag:
„… wenn ihr achtsam auf meine Stimme hören
Und meinen Bund bewahren werdet,
dann werdet ihr mein Eigentum sein, mehr als alle Völker,
denn die ganze Erde ist mein.
Ihr werdet mir ein Königreich von Priestern sein,
ein heiliges Volk“
Israel ist mehr als ein Staat im vorderen Orient. Israel ist ein Ehrenname für das Volk Gottes. Erwählt als sein Eigentum – inmitten einer Welt, die ohnehin zu ihm gehört. Die ganze Erde ist mein, sagt er. Aber dass noch ein Königreich von Priestern, ein heiliges Volk, mitten drin ist – das ist ein Geschenk, das mit dem Namen Israel verbunden bleibt. Um Christi willen haben wir Anschluss gefunden, wurde uns ein Heimatrecht gewährt. Israel wird nichts genommen – seine Erwählung nicht, auch nicht sein Auftrag. Ich bitte nur, wenn wir von Israel reden, nicht nur den Staat zu meinen, der es in die Nachrichtensendungen schafft. „Am ersten Tag des dritten Monats nach dem Auszug der Israeliten aus Ägyptenland, genau auf den Tag“ – sehen wir das Volk Gottes in der Wüste. Der erste Tag steht immer für einen Anfang. Wir sehen das Licht aufgehen.
Neuer Anfang
Schon die Propheten sind mit Israel ins Gericht gegangen! Irgendwann gab es feste Ordnungen, einen Tempel, Rituale, Opfer, Wallfahrten und … Gottes Volk hatte sich eingerichtet. Erst einmal im verheißenen Land, die Jahre in Ägypten waren schnell vergessen, die Wüste auch. Reiche wurden immer reicher, Arme immer ärmer. Das Geschrei über Ungerechtigkeit wurde immer lauter. Gottes Volk war am Ende nicht mehr zu unterschieden. Dagegen haben die Propheten den Willen Gottes gesetzt. Sie haben nicht nur auf sein Wort verwiesen, sie haben es immer neu in die Waagschale geworfen. Freunde haben sie sich nicht erworben. Eher Schweigen, oft auch Ausgrenzung und Verfolgung. Israel aber ist in immer neue Katastrophen geglitten. Von einer Abhängigkeit in die nächste. Ohne den vielen Wegen jetzt nachgehen zu können: Gott ist selbst in den tiefsten Niederlagen und Abgründen Menschen nahe geblieben. Sozusagen: die erste Erfahrung ist auch die letzte. Adlerflügel werfen lange Schatten. Beim Propheten Jeremia heißt es:
(Lesung Jeremia 31,31-34, s. o.)
Christen sind oft der Gefahr erlegen, den neuen Bund auf sich zu beziehen – und Israel, wie das im Nachhinein genannt wurde, zu „enterben“. Es geht aber um Gottes Treue, um seine Verlässlichkeit. Dabei kann er sogar neu anfangen. Mit Menschen, die es weder verdient haben noch in der Hand behalten können. Nach dieser Zeit … nach der Zeit der Brüche, der Schuld, der verlorenen Hoffnungen. Aber bei Licht betrachtet: Ist das nicht auch wieder ein – erster Tag? Wie wir als Christen dazu gehören? In einer sehr bedrängten Situation hat ein Schüler des Paulus in einem Brief Christen in Kleinasien geschrieben (1. Petr. 2,9f.): „Ihr aber seid ein auserwähltes Geschlecht, eine königliche Priesterschaft, ein heiliges Volk, das Volk des Eigentums, dass ihr verkündigen sollt die Wohltaten dessen, der euch berufen hat von der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht; die ihr einst »nicht ein Volk« wart, nun aber »Gottes Volk« seid, und einst nicht in Gnaden wart, nun aber in Gnaden seid (Hosea 2,25)“. Damals waren Juden und Christen noch nicht so getrennt wie heute. Ich merke diesen Zeilen an, wie Menschen sich freuen, zu Gottes Volk zu gehören – und seine Wohltaten zu verkündigen. Es ist von einem wunderbaren Licht die Rede – und von einer Finsternis, die Vergangenheit ist.
Gott möge für uns streiten
Übrigens: Wissen Sie, was Israel heißt? Der Name wurde dem Erzvater Jakob verliehen. Nach einem Kampf. Ohne dass Jakob es wusste: Er kämpft mit Gott. Jakob kann zwar bestehen, hinkt aber. Israel heißt: Gott streitet für uns, Gott möge für uns streiten. Die vielen Wege, die vielen Abgründe, die vielen Traumata nachzugehen, die mit dem Namen Israel (und dem unseres Volkes) verbunden sind – das geht jetzt nicht. Aber eine Liebesgeschichte in der Wüste – was für ein grandioser Anfang! „Am ersten Tag des dritten Monats nach dem Auszug der Israeliten aus Ägyptenland, genau auf den Tag“. Verliebte brauchen Tage, ihre Tage! Im Lauf der Zeit sind sie Anker, Stützen – und Höhepunkte.
Der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in dem Messias Jesus, unserem Herrn.