Heil werden
Die Seele ist oft verdüstert, Heil, Harmonie und Frieden sind fern
Predigttext: Markus 1, 32 - 39 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)
32 Am Abend aber, als die Sonne untergegangen war, brachten sie zu ihm alle Kranken und Besessenen. 33 Und die ganze Stadt war versammelt vor der Tür. 34 Und er half vielen Kranken, die mit mancherlei Gebrechen beladen waren, und trieb viele böse Geister aus und ließ die Geister nicht reden; denn sie kannten ihn. 35 Und am Morgen, noch vor Tage, stand er auf und ging hinaus. Und er ging an eine einsame Stätte und betete dort. 36 Simon aber und die bei ihm waren, eilten ihm nach. 37 Und als sie ihn fanden, sprachen sie zu ihm: Jedermann sucht dich. 38 Und er sprach zu ihnen: Laßt uns anderswohin gehen, in die nächsten Städte, daß ich auch dort predige; denn dazu bin ich gekommen. 39 Und er kam und predigte in ihren Synagogen in ganz Galiläa und trieb die bösen Geister aus.Vorbemerkung
Die Predigt versucht, den Predigtext und den Wochenspruch „Heile du mich, Herr, so werde ich heil; hilf du mir, so ist mir geholfen“ (Jeremia 17,14) zu verknüpfen, wobei die vierte Strophe des Wochenliedes „Ein Arzt ist uns gegeben“ (EG 320) die Überschrift bildet.„Dämonen haben Einzug in all unsere Lebensbereiche genommen und manche finden wir gar in uns selbst“, so ist auf einer Internetseite zum Thema „Geister und Dämonen heute“ zu lesen. Gleich zu Beginn seines öffentlichen Wirkens hatte es Jesus mit Menschen zu tun, die von bösen Geistern besessen waren. Aber glauben Sie noch an böse Geister, an Dämonen? Die Welt wurde seit der Aufklärung nach und nach entzaubert. Viele Besessenheiten, die man in alten Zeiten dem Wirken böser Geistern zugeschrieben hat, wurden als psychische oder psychosomatische Krankheiten mit entsprechenden Ursachen erkannt. Doch: Glauben Sie, dass Menschen von irgendetwas oder irgendwie besessen sein können? Menschen sind, wie man so sagt und dabei gar nicht an Gespenster denkt, oft „von allen guten Geistern verlassen“.
Trotz Aufklärung, vielerlei Fortschritten und Erkenntnissen in medizinischem, biologischem, psychologischem und neurologischen Bereich – die Menschen sind nicht heiler und heller geworden. Leben läuft unrund. Die Seele ist oft verdüstert. Heil, Harmonie und Frieden sind fern, im Inneren des einzelnen Menschen und im gesellschaftlichen Rahmen. Leben ist und bleibt gefährdet. Kräfte und Mächte wirken. Mächte und Kräfte können einen Menschen in Besitz nehmen, können sich zerstörerisch auf ihn selbst oder seine Mitmenschen auswirken. Wenn ein Mensch Amok läuft, ist er dann nicht irgendwie besessen? Besessen von falschen Bildern von sich und anderen. Wer von zerstörerischen Ideen getrieben ist, kann sein eigenes Leben und das anderer zerstören. Ist nicht auch der Drang nach immer mehr, immer schneller, immer billiger und alles möglichst zu jeder Zeit haben können eine Besessenheit? Besitz besitzt einen? Macht Macht besessen?
Wie dem Unheil wehren und dem, was Unheil schafft? Eine Antwort auf die Frage gibt der Wochenspruch aus dem Buch des Propheten Jeremia: „Heile du mich, Herr, so werde ich heil; hilf du mir, so ist mir geholfen“. Diese Bitte illustriert der Evangelist Markus mit dem, was er uns von Jesus erzählt. Der Mensch braucht Gegenkräfte und Gegenmächte, die ihn stärken. „Ein Arzt ist uns gegeben“, so heißt es im Wochenlied. Einer, der das (Arznei-)Mittel hat, das uns die Kraft gibt, den lebensfeindlichen Mächten zu widerstehen oder von ihnen loszukommen, damit eine andere Kraft, eine gute Macht, in uns einzieht, die schöpferische Kraft der Liebe Gottes. Sie kann uns von lebensfeindlichen Mächten befreien. „Ein Arzt ist uns gegeben.“ Die Menschen, welche die Kranken zu Jesus brachten, haben darauf vertraut, dass sie in ihm den Arzt haben, der sie heilen kann. Jesus hilft und heilt. Er lässt die bösen Geister nicht zu Wort kommen. Er bringt sie zum Schweigen, und Jesus treibt sie aus und befreit die Menschen. So kann der Apostel Paulus sagen: „Ich bin gewiß, daß weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch eine andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserm Herrn“ (Römer 8,38f.).
Wie kann diese Kraft Gottes in uns einziehen? „Und Jesus ging an eine einsame Stätte und betete dort.“ Jesus zieht sich zurück. Er unterbricht den Trubel des Alltags. Jesus betet. Dem können und dürfen wir uns anschließen. Wenn das Herz mit Gott spricht, werden wir frei. Martin Luther schrieb an seinen Freund Matthias Weller: „Darum, wenn ihr traurig seid und es will überhand nehmen, so sprecht: Auf! Ich muß meinem Herrn Christus ein Lied spielen …. Kommt der Teufel wieder und gibt euch eine Sorge und traurige Gedanken, so wehrt euch frisch und sprecht: Aus, Teufel, ich muß jetzt meinem Herrn Christus singen und spielen“ (Brief an Matthias Weller vom 7.10.1534).
Die Predigt verbindet den Predigttext mit dem Wochenspruch (“Heile mich, so werde ich heil…”) und thematisiert damit die Frage nach der Bedeutung von Heil und Heilwerden. Jesus “hat das (Arznei-)Mittel, das uns die Kraft gibt, den lebensfeindlichen Mächten zu widerstehen oder von ihnen loszukommen”. Die Predigt mündet in die Frage, wie die Kraft Gottes bei uns einziehen könne, und antwortet mit dem Hinweis auf Jesu Beten, mit dem er sich aus dem “Trubel des Alltags” zurückziehe. Sie ermutigt, sich diesem Gebetsverhalten Jesu anzuschließen. Ein Martin Luther-Zitat nimmt die seelsorgliche Dimension der Predigt auf.