Gott mit uns

In Jesus von Nazareth schaut Gott uns freundlich an, führt und begleitet uns auf den Wegen im Neuen Jahr

Predigttext: 2. Mose / Exodus 13,20-22
Kirche / Ort: 78234 Engen / Evangelische Landeskirche in Baden
Datum: 31.12.2011
Kirchenjahr: Altjahresabend
Autor/in: Pfarrer Dr. Hans-Rudolf Bek

Predigttext: Exodus 13,20-22 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)

So zogen sie aus von Sukkot und lagerten sich in Etam am Rande der Wüste. Und der Herr zog vor ihnen her, am Tage in einer Wolkensäule, um sie den rechten Weg zu führen, und bei Nacht in einer Feuersäule, um ihnen zu leuchten, damit sie Tag und Nacht wandern konnten. Niemals wich die Wolkensäule von dem Volk bei Tage noch die Feuersäule bei Nacht.

Wege der Vorbereitung

- Eigenes „brainstorming“ über wesentliche Linien in den Überlieferungen des Exodus-Geschehens – mit einem Seitenblick auf 1.Kor. 10,1-5, wo Paulus die Wüstenzeit typologisch auf den Messias hin auslegt und bezeugt : Schon in der Wüstenzeit war ER dabei als „der Fels“, der mit dem Volke mitzog. - Der hebräische Wortlaut – und Martin Bubers elementare wörtliche Übersetzung. - Predigtmeditation von Friedrich Karl Sagert, 1993, Domprobst in Schwerin, in: Meditative Zugänge zu Gottesdienst und Predigt, Reihe IV,1, Seite 42-46.

Gebet (nach der Predigt)

Heiliger Gott, Du Einziger und Dreieiniger, barmherzig und gnädig, geduldig und von großer Güte und Treue. Dich wollen wir ehren heute an der Wende vom alten in ein neues Jahr. Dich, unseren Vater, durch Jesus den Sohn in der Kraft des Heiligen Geistes. Ihn gieße aus in unsere Herzen, wir bitten dich, den Geist des Aufbruchs, der Freiheit und des großen Vertrauens, damit auch wir unsere Wolken- und Feuersäule sehen, die Zeichen Deiner Treue auf allen unseren Wegen, wohin auch immer sie uns führen werden. Ehre sei Dir, Herr, und Lob und Dank.

Lieder

„Sollt ich meinem Gott nicht singen“ (EG 325,4+10) „Gott liebt diese Welt“ (EG 409) „Bewahre uns, Gott“ (EG 171)

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Der Predigttext erzählt von der göttlichen Führung des Volkes Israel durch die Wüste im Geheimnis der Wolken- und Feuersäule. Ein strahlendes Bild voller Verheißung und Hoffnung. Gott hatte sich gegen die Unterdrücker in Ägypten auf die Seite der Sklaven Gott und hatte die Israeliten aus der ägyptischen Sklaverei in die Freiheit geführt. „Ich bin der HERR, dein Gott, der ich dich aus Ägyptenland, aus dem Sklavenhaus, geführt habe“, heißt es in der Überschrift der Zehn Gebote. Israels Weg in die Freiheit war ein weiter Weg, ein Lernweg, denn die befreiten Sklavinnen und Sklaven haben noch keinerlei Vorstellung, welche Belastungen und Herausforderungen die neu geschenkte Freiheit ihnen abfordern wird. Das Land Kanaan hatte Gott ihnen versprochen. Der Hirte Mose hatte aus einem brennenden Dornbusch am Fuße des Berges Sinai die Stimme Gottes gehört. Gott hatte versprochen, mit Mose die Israeliten in die Freiheit zu führen, ins verheißene Land.

Gott führte sie einen Umweg durch die Wüste und nicht den direkten Weg aus dem Lande Gosen. Denn die soeben erst Befreiten waren noch viel zu schwach für einen Kampf mit dem hoch stehenden, seefahrenden Volk der Phönizier, der Philister. Sie mussten erst die harte Schule der Wüstenwanderung auf sich nehmen. Der Umweg durch die Wüste dauerte 40 Jahre lang. Heute fährt man in zwei Tagen mit dem Reisebus von Kairo über den Suezkanal durch die Wüste Sinai und durch den Negev nach Israel hinein, eine wunderschöne Reise, die ich vor Jahren mit meiner Frau erleben durfte. Aber die Israeliten, die befreiten Sklaven, brauchten dafür fast zwei Generationen lang. Sie mussten viel entbehren, litten Hunger und Durst. Sie rebellierten: „Lasst uns zurückkehren zu den Fleischtöpfen Ägyptens!“

Aber Gott in seiner Treue führte sie in all den Gefahren und Nöten durch die Wüste.   Dafür steht das Bild der geheimnisvollen Wolken- und Feuersäule: GOTT zog vor ihnen her, am Tage in einer Wolkensäule, um sie den rechten Weg zu führen, und bei Nacht in einer Feuersäule,  um ihnen zu leuchten, damit sie Tag und Nacht wandern konnten.  Niemals wich die Wolkensäule von dem Volk bei Tag noch die Feuersäule bei Nacht. So war es damals. Dieselbe Verheißung gilt auch uns jetzt in dieser Stunde der Wende zwischen zwei Jahren. Gott wird bei uns sein, wird uns leuchten, leiten, schützen auf allen Wegen, zu allen Stunden, bei Tag und bei Nacht: „Gott ist mit uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag“, schrieb Dietrich Bonhoeffer. Das ist uns gewiss seit Weihnachten, das wir vor wenigen Tagen gefeiert haben, die große Freude über Jesus, unseren Retter, geboren in Israel, zu Bethlehem, in Davids Stadt, und sein Name eben ist die Verheißung, er heißt Immanu-El, Gott-mit-uns. ER bringt uns das Licht, das alle Menschen erleuchtet. Sein Evangelium zeugt von der Feuersäule des Heiligen Geistes und der göttlichen Wolke über seiner Taufe, mit der Stimme, dem Ruf an uns: „Dies ist mein lieber Sohn, den ich erwählt habe, hört auf ihn!“

„Der Herr ging ihnen voran“, hörten wir, Tag für Tag, Nacht für Nacht, um sie den rechten Weg zu leiten. Welch tröstliches Bild für Gottes Treue auf allen unseren Wegen im kommenden Jahr. In der Wolken- und Feuersäule ist Gottes „Angesicht“ verborgen, so zieht sein Angesicht vor ihnen her, Gott schaut auf sein Volk voller Güte und Treue, bei jedem Schritt, bei Tag und Nacht, trotz Schuld und hartnäckiger Rebellion. Welch ein Trost für uns, Schwestern und Brüder, wenn wir niedergedrückt sind oder wenn unser schuldiges Herz uns bei Nacht verklagt. In Jesus von Nazareth schaut Gott uns freundlich an, Jesus ist das Angesicht Gottes, es zieht mit uns durch Durststrecken und verworrene Wege – hin zu seinem leuchtenden Ziel, einem anderen „Land des Lebens“, dort werden wir ihn loben mit allen, die schon dort bei ihm sind! Weil in Jesus Christus Gottes Angesicht auch uns voran zieht, können wir zu ihm beten, ihm vertrauen lernen, immer mehr an jedem Tag des neuen Jahres.

Dieselbe Erfahrung der Israeliten in der Wüstenzeit kann an anderen Stellen auch anders ausgesprochen werden, z. B. „Der Engel des HERRN zog vor ihnen her“. Es ist ein und dasselbe wunderbare Geheimnis von Gottes treuem Führen und Begleiten – ob es heißt “Der HERR zog in der Wolken- und Feuersäule vor ihnen her“, „Mein Angesicht wird vor euch her ziehen“ oder „Der Engel des HERRN zog vor ihnen her“. Darum kann man auch von dem „Engel der Geschichte“ sprechen – eine faszinierende Deutung, sie stammt von Walter Benjamin, dem deutsch-jüdischen Schriftsteller der 20-er und 30-er Jahre, er hat wie Dietrich Bonhoeffer das sog. 3.Reich nicht überlebt,  1940 wählte er den Freitod, bevor ihn die Gestapo verhaften konnte. Seiner möchte ich heute Abend gedenken, indem ich Ihnen seinen „Engel der Geschichte“ zeige. Wie Walter Benjamin in der „Wolken- und Feuersäule“ den „Engel der Geschichte“ entdeckte, hören wir in den zusammenfassenden Worten eines Auslegers:

Der Engel der Geschichte schreitet rückwärts, mit dem Rücken voran, in die Zukunft. So nämlich geht er dem Gottesvolk voran, indem er ihm stets zugewandt bleibt. Dabei blickt er auch auf die Ergebnisse unserer verlebten Zeit. ER sieht all das Schreckliche und all das Glück, die kläglichen Versuche und den Erfolg, die vielen Trümmer. Einer bleibt, während wir uns schon dem Neuen zuwenden, der Vergangenheit zugewendet. Er muss Augen voller Barmherzigkeit haben bei seinem Blick auf unsere vergangene Zeit. Er hilft uns zur Wende, zur glücklichen Wende-Zeit. Sind es doch Gottes Augen, mit denen er uns anschaut. Als Christen sehen wir auf dem Tisch des Herrn und dem Kirchturm die Zeichen  von Gottes glühendem Herzen: das Kreuz des auferstandenen Gekreuzigten. Es steht bei uns in den Nächten der Anfechtung und in den Tagen der Mutlosigkeit. Dieses Zeichen, es wartet mit seiner Zukunft auf uns, es sieht uns mit den Augen der Barmherzigkeit an. Wir haben die Verheißung: Durch unsere Zeit werden wir an das Ziel kommen, in das „gelobte Land“, trotz allem, was war.

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