Die Verbindung zum Heiligen pflegen

Leben aus der Zuwendung Gottes und daruas in schwierigen Lebenssituationen Kraft schöpfen

Predigttext: 1.Petrus 1,13-21
Kirche / Ort: Evangelisch-reformierte Kirche Dykhausen, 26721 Emden
Datum: 11. März 2012
Kirchenjahr: Okuli (3. Sonntag der Passionszeit)
Autor/in: Dipl.-Theol. Pfarrerin Christiane Borchers

Predigttext: 1.Petrus 1,13-21 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)

13 Darum umgürtet die Lenden eures Gemüts, seid nüchtern und setzt eure Hoffnung ganz auf die Gnade, die euch angeboten wird in der Offenbarung Jesu Christi.  14 Als gehorsame Kinder gebt euch nicht den Begierden hin, denen ihr früher in der Zeit eurer Unwissenheit dientet;  15 sondern wie der, der euch berufen hat, heilig ist, sollt auch ihr heilig sein in eurem ganzen Wandel.  16 Denn es steht geschrieben: »Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig.«  17 Und da ihr den als Vater anruft, der ohne Ansehen der Person einen jeden richtet nach seinem Werk, so führt euer Leben, solange ihr hier in der Fremde weilt, in Gottesfurcht;  18 denn ihr wißt, daß ihr nicht mit vergänglichem Silber oder Gold erlöst seid von eurem nichtigen Wandel nach der Väter Weise,  19 sondern mit dem teuren Blut Christi als eines unschuldigen und unbefleckten Lammes.  20 Er ist zwar zuvor ausersehen, ehe der Welt Grund gelegt wurde, aber offenbart am Ende der Zeiten um euretwillen,  21 die ihr durch ihn glaubt an Gott, der ihn auferweckt hat von den Toten und ihm die Herrlichkeit gegeben, damit ihr Glauben und Hoffnung zu Gott habt.

Exegetische und homiletische Überlegungen

Der erste Petrusbrief entwickelt aus der Gnade Gottes heraus eine christliche Ethik. Er stellt dem heidnischen Lebenswandel einen heiligen Lebenswandel gegenüber. Er spricht Christinnen und Christen als Heidinnen und Heiden an, die sie zuvor gewesen sind, die sich jetzt aber vom Heidentum abgewandt und zu Christus bekannt haben. Er ermahnt sie, an Christus festzuhalten. Der Brief ist Ermahnung und Ermutigung zugleich. Die Besinnung auf Christus stärkt ihnen den Rücken und gibt ihnen Kraft, in ihrer bedrängten christlichen Existenz durchzuhalten und die Hoffnung nicht zu verlieren. Hinter der Mahnung schimmert die Sorge durch, dass sie wieder abfallen könnten. In einem heidnisch geprägten Umfeld wäre das verständlich. Man spürt dem ersten Petrusbrief an, wie sehr es ihm am Herzen liegt, dass sie nicht rückfällig werden, sondern bei Christus bleiben. Selbst die Mahnung, einen christlichen Lebenswandel zu führen, scheint bestimmt davon zu sein, den christlichen Glauben nicht aufzugeben. Für unsere heutige Situation nehme ich den Aspekt heraus, wie wir mit schwierigen Lebenssituationen umgehen und woraus wir Kraft schöpfen.    

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Wie gehen Sie mit schwierigen Lebenssituationen um? Wie schaffen Sie es, sich nicht unterkriegen zu lassen und sich nicht damit abzufinden? Wie behalten Sie den Mut, wenn die Lage für Sie unerträglich und unannehmbar ist? Besinnen Sie sich auf ihre eigenen Kräfte und sagen sich selber: Das schaffe ich schon, da komme ich durch, so wie ich immer durch gekommen bin? Meine Erfahrung lehrt mich, dass es immer einen Weg gibt? Hilft Ihnen Ihre Besinnung auf die Taufe, dass Sie von Gott angenommen und geliebt sind? Hilft Ihnen Ihr Glaube und Ihr Vertrauen in Gottes Führung? So wie er zuvor geholfen hat, wird er auch jetzt helfen? Der erste Petrusbrief will Christinnen und Christen Mut machen, mit schwierigen Lebenssituationen umzugehen und sie bestärken in ihrem christlichen Glauben. Der Brief ist wahrscheinlich von Rom ausgeschrieben worden, entweder vom Apostel Petrus selbst sein oder von seinem Schüler Silvanus. Auf jeden Fall transportiert der Brief den Geist des Apostels Petrus. Er hält fest an der Hoffnung durch die Auferstehung Christi von den Toten, spricht von Christus und seinem Werk, mahnt christliche Gemeindeglieder, ein geheiligtes Leben zu führen, ermutigt zum Ausharren in Leiden und spendet Trost und Vergewisserung. Er weist ausführlich auf das Erste Testament hin. Christliche Gemeindeglieder werden als Fremdlinge bezeichnet, sie sind Fremdlinge in ihrer eigenen Heimat geworden. Durch ihr Bekenntnis zu Jesus Christus gehören sie nicht mehr dem Heidentum an. Als der Brief geschrieben wird, sind die Christinnen und Christen noch in der Minderheit.

„Petrus, ein Apostel Jesu Christi, an die auserwählten Fremdlinge, die verstreut wohnen in Pontus, Galatien, Kappadozien, der Provinz Asia und Bithynien“, so beginnt der erste Petrusbrief. Er ist an die verstreuten Gemeinden in Kleinasien gerichtet. Die Adressaten haben keinen jüdischen Hintergrund, sie sind zuvor Heiden gewesen wie ihr Umfeld, das vom Glauben an viele Götter (polytheistisch) bestimmt war. Sie haben sich aber durch die Predigt des Apostels Petrus, von seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, vom Evangelium überzeugen lassen und sich schließlich taufen lassen. Dass sie nun Christinnen und Christen sind und an einen einzigen Gott glauben, führt notwendigerweise zu Konflikten mit dem römischen Staat, den Leuten im Dorf oder in der Stadt, sogar zu Konflikten in den Familien. Die Trennung geht quer durch Ehen und Verwandtschaft. Die Zeit der Christenverfolgung ist zwar noch nicht gekommen, aber im Alltag weht Christinnen und Christen ein rauer Wind entgegen, sie sind Misstrauen und Verdächtigungen ausgesetzt. Sie leben anders als die anderen, haben andere moralische Vorstellungen, sind der Obrigkeit nur bedingt gehorsam. Gott im Himmel steht für sie höher als der Kaiser in Rom, der gottgleiche Verehrung fordert und diese Ehrerbietung von den Christinen und Christen nicht bekommt. Sie lehnen eine Verschmelzung und eine Anpassung an die Staatsreligion ab. Das sorgt für Ärger.

Für christliche Gemeindeglieder hat das zur Folge, dass ihr Leben dadurch nicht einfach(er) wird. Gegen die Norm zu leben, ist auf Dauer anstrengend und macht einsam. Sie haben mit Repressalien zu rechnen, kommen im Beruf nur schwer voran, bekommen keine einflussreichen politischen Posten, Erfolg ist ihnen kaum beschieden. Da mag sich schon ein Gefühl der Minderwertigkeit und Bedeutungslosigkeit einschleichen. Es ist nicht motivierend, auf verlorenem Posten zu stehen. So manch einer wird sich sagen: Was soll’s, ich lebe wie zuvor. Ich lasse meinen christlichen Glauben fahren, er führt zu nichts, er treibt mich in die Enge, er hat für mich nur Nachteile. Der erste Petrusbrief ermutigt zum Ausharren. Am Ende der Zeiten wird offenbar werden, was Christi Werk für euch bedeutet. Der Verfasser des Briefes lebt in der Erwartung des nahe bevorstehenden Wiederkommens Christi; die Herrlichkeit Gottes wird in Kürze für alle sichtbar offenbart. Die Zeit der Leiden wird bald vorüber sein.

Dem Verfasser des 1. Petrusbriefes liegt es am Herzen, dass die Christinnen und Christen in Kleinasien nicht aufgeben. Es geht um mehr als irdischen Reichtum und irdischen Erfolg, es geht um die Teilhabe an der Herrlichkeit Gottes. Er negiert ihre Leiden nicht,  sondern nimmt sie ernst, aber er verweist darauf, dass sie nicht das Letzte sein werden. Gott und Christus werden das letzte Wort behalten. Gottes Reich wird sich durchsetzen, ihre Leiden werden vorübergehen. Was sich jetzt in den Vordergrund drängt, wird letztlich keine Bedeutung haben, was jetzt das Herz beschwert, wird abfallen wie ein Stein, der weggerollt wird.  Petrus und Silvanus ermutigen Christinnen und Christen, den Glauben nicht zu verlieren, sich auf ihre Wurzeln zu besinnen und an Christus festzuhalten. Manchmal ist es wichtig, festzuhalten, nicht locker zu lassen, nicht aufzugeben, durchzuhalten. Es ist leichter, Durchhaltevermögen aufzubieten, wenn ich weiß, dass der Zeitraum nicht endlos ist, wo ich das tun muss. Das kann Trost und Hoffnung geben, die schlimme Zeit muss doch einmal ein Ende haben.

„Umgürtet die Hüften eures Gemütes, seid nüchtern und setzt eure Hoffnung ganz auf die Gnade, die euch angeboten wird in der Offenbarung Jesu Christi“, ermahnt der erste Petrusbrief. „Umgürtet die Hüften…“ meint: Kommt in Bewegung, macht euch auf! Die Leute trugen in der Antike lange lose herunterfallende Gewänder. Ein Gürtel rafft das Gewand, so dass die Füße ungehindert gehen können. „Umgürtet die Hüften…“ Jede fromme Christin, jeder fromme Christ, verband diese Worte mit dem Aufbruch der Israeliten aus der Befreiung aus der Sklaverei aus Ägypten. Am Vorabend des Auszuges aßen die Israeliten ihre letzte Mahlzeit, das Passahmahl, in dem Bewusstsein des eiligen Aufbruchs. „Um eure Hüften sollt ihr gegürtet sein und eure Schuhe an den Füßen haben und den Stab in der Hand und sollt essen als die, die hinweg eilen“, beschreibt das 2. Buch Mose den Aufbruch. Bereit sein zum Aufbruch. Das Unheil der Vergangenheit hinter sich lassen, weiter gehen, auf dem Weg sein, diese Botschaft schwingt mit bei den Worten: „Umgürtet eure Lenden….“

Die Demütigungen hinter sich lassen, die Beschränkungen, in der sie leben, den Repressalien nicht mehr unterworfen, dem wollten sie gerne den Rücken kehren. Umgürtet eure Lenden und macht euch auf den Weg, das Reich Gottes kommt. Von Anfang an der Welt ist es so von Gott beschlossen (1, 20). Im Moment ist die Lebenssituation der frühen Christinnen und Christen in Kleinasien noch schwer erträglich, aber sie wird ein Ende haben. „Umgürtet eure Lenden….“ bedeutet aber auch für sie, sich vollkommen aus dem heidnischen Umfeld zu lösen. Jetzt, da sie zu Christus gehören, sie also nicht mehr Unwissende, sondern Wissende sind, sollen sie ihr Leben in Gottesfurcht führen, auch wenn sie weltliche Nachteile dadurch in Kauf nehmen müssen. Getauft waren sie nicht als kleine Kinder, so wie es heute oftmals bei uns Taufpraxis ist, sondern sie wurden als Erwachsene getauft, die sich bewusst für den christlichen Glauben entschieden haben. Sie sollen aufbrechen zu neuer heiliger Lebensführung. So wie Gott heilig ist, sollen sich auch heilig sein in ihrem ganzen Wandel (1,15). Ein Bekenntnis zu Jesus hat Folgen für die Lebensweise: im Verhalten zu den Oberen, im Verhalten zum Nächsten. „Ihr seid losgekauft, aber nicht mit Gold und Silber, sondern mit dem teuren Blut Jesu Christi.“ Der Brief überträgt den Gedanken des Loskaufens von Sklaven auf das Verhältnis zwischen Mensch und Gott. Ihr gehört zu Gott und zu Jesus Christus. In Jesus Christus habt ihr den Grund des Glaubens und die Ursache zur Hoffnung.

Heute ist der Sonntag Oculi. Das Psalmwort, das dem Sonntag den Namen gibt, steht ist Psalm 25,15: „Meine Augen („Oculi“) sehen auf Gott, denn er wird meinen Fuß aus dem Netz ziehen“. Der Psalmbeter richtet seinen Blick auf Gott und erwartet von ihm Hilfe. Mit Blick auf Gott und Jesus Christus wachsen uns Kräfte zu, sind uns Dinge möglich, die uns sonst nicht möglich sind. Die Blickrichtung auf Gott und Jesus lenken unser Augenmerk auf eine andere Wirklichkeit, sie weist über unseren Alltag mit seinen Widrigkeiten und Herausforderungen hinaus. Es geht um das Aufsuchen der Nähe des Heiligen, um selbst in den Bereich des Heiligen hineingezogen zu werden. Auf dieser Welt leben und die Verbindung zum Heiligen zu pflegen, das geht gut zusammen. Sich Gottes gnädiger Zuwendung bewusst werden, verleiht Kraft und Ausdauer, mit Schwierigkeiten umzugehen, sie auszuhalten und durch zustehen in der Gewissheit, dass sie nicht von Dauer sein werden. Gottes Reich aber hat Bestand. Wir leben nicht mehr in der Naherwartung wie die Menschen damals in der Antike, als der erste Petrusbrief geschrieben wurde, aber unsere Hoffnung ist: Das Reich bricht eines Tages an. Wir sind mit Gott und Jesus Christus verbunden. Wir sitzen mit ihnen am Tisch sitzen und halten das Mahl. Wir sind von Licht und Liebe, von Glanz und Freude umgeben.

Oculi, meine Augen,
meine Augen sehen auf  Gott.
In der Taufe nimmt er uns als seine Kinder an.
Oculi, meine Augen sehen auf  Gott.
Und Gottes Augen sehen auf uns.
Er sieht unsere Angst und Not.
Oculi, meine Augen sehen auf  Christus.
Er hat uns erlöst,
er ist unser Trost und unsere Zuversicht.

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Ein Kommentar zu “Die Verbindung zum Heiligen pflegen

  1. Pastor i.R. Heinz Rußmann

    Der 1.Petrusbrief will Mut machen. Ungewöhnlich intensiv widmet sich Pfarrerin Borchers diesem Thema. Mehrfach und überzeugend gibt sie die Ermutigung des Textes weiter. Zu Beginn informiert sie sehr anschaulich über die vielfältigen Repressalien der damaligen Christen in der heutigen Türkei. Mit dem Glauben an den einen Gott und Jesus verstießen sie gegen den römischen Kaiserkult. Der 1.Petrusbrief ermutigt zum nachhaltigen Ausharren und dazu, nicht aufzugeben. Die Leidenszeit ist begrenzt, weil Gottes Reich kommt. Sehr schön wird das für uns ungewöhnliche Bild des Umgürtens erklärt: Nur wer bei den flatternden Gewändern der Antike einen Gürtel trug, konnte energisch vorangehen. Christen brechen konzentriert zu einer neuen Lebensführung auf. Sie suchen das Heilige und richten ihren Blick auf die den Ungläubigen verborgene andere Wirklichkeit. Sehr innig und stimmig endet die Predigt mit der Betrachtung über den Sonntag Okuli mit dem wunderbaren Schluss: Oculi, meine Augen sehen auf Christus. Er hat uns erlöst und ist unsere Zuversicht. Eine besonders ermuitgnede Predigt!

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