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"…dass das ganze Leben Buße sei" - Buchempfehlung zur Dissertation von Anne Helene Kratzert

Anne Helene Kratzert >>…dass das ganze Leben Buße sei.<< Fundamentaltheologische Überlegungen zu einer praktischen Theologie evangelischer Buße (Arbeiten zur Systematischen Theologie Bd. 7) Evang. Verlagsanstalt Leipzig 2014 gebunden 347 S. 48,– € ISBN 978-3-374-03910-4

Vor dem näheren Blick in das hier anzuzeigende Buch seien zuerst drei wichtige Dinge aus seinem Kontext und für sein Verständnis markiert: Vor und zum Luther-Reformations-Gedenkjahr 2017 erschien / erscheint eine Unmenge von Büchern, viel mehr als 1983 anlässlich der 500.Wiederkehr von Luthers Geburtstag. Dieses hier anzuzeigende gehört nicht in die Reihe der mehr oder weniger gewöhnlichen. Denn sein Gegenstand hat mit der Initialzündung der Reformation zu tun, jedoch nicht historisch, sondern fundamentaltheologisch (s. Untertitel), also auch gegenwärtig gültig. In einem chrismon-Interview zum Reformationstag 2015 sagte die studierte katholische Religionslehrerin und Politikerin Julia Klöckner u.a.: „Nur wir Katholiken können beichten.“ Dem ist natürlich nicht so. Leider wurde aber durch die reformatorische Kritik an der damaligen Beichtpraxis das Kind mit dem Bade ausgeschüttet.

Diese Heidelberger Dissertation (2013) „intendiert, die Buße als Gestaltwerdung christlich-evangelischen Lebens neu zur Geltung zu bringen.“ (13) Konfuzius soll gesagt haben: „Wenn du die Absicht hast, dich zu erneuern, tu es jeden Tag.“ (http://zitate.net/konfuzius-zitate?p=4; vgl. den Haupttitel). Kratzert ist jedoch nicht religionsgeschichtlich oder -philosophisch interessiert; sie schrieb ihre Arbeit in Referenz zu dem 1991 verstorbenen Marburger Praktischen Theologen Henning Luther (s. https://de.wikipedia.org/wiki/Henning_Luther).

Am Ende des einleitenden 1.Kap. versteht Kratzert die Buße mit Gianni Vattimo als „Ausstieg aus autopoietischen Kreisläufen“ (38f). In den Kap. 2-4 beschreibt die Autorin „Die Reue als Ursprung der Buße“, „Das innere Geschehen der Buße und „Das äußere Geschehen der Buße“ mit vielen Quellenhinweisen und Zitaten sehr detailliert. Ihr Augenmerk liegt besonders auf Martin Luther und der lutherischen Tradition. Denn – so 227³ umgest. – „die Beichte war nie ganz aus dem Blickfeld evangelisch-theologischer Theorie und Praxis verschwunden…“ Im 5.Kap. (257-321) verfolgt Kratzert sieben „Spuren der Buße in der Theologie Henning Luthers“.

Im kurzen 6.Kap. (323-334) präsentiert Kratzert abschließend „als Ertrag [ihrer Arbeit] für den Auftrag der Kirche im Gespräch mit ihrer Zeitgenossenschaft“ (323) „Sieben Bausteine zu einer praktischen Theologie evangelischer Buße“, die alle das Wort „Mut“ enthalten. Henning Luther fortführend heißt es im letzten Abschnitt u.a. : “Das Bewusstsein eigener Fragmentarität hindert daran, den eigenen Status quo zu verabsolutieren. Die Kirche als Bußgemeinschaft fragt und lässt sich immer wieder fragen. Sie beruhigt sich nicht und findet sich nicht ab. Sie ist bereit zur Umkehr…“

Abschließend möchte ich vier Bemerkungen machen. Kratzert gab mit ihrer Arbeit einen einzigartigen, rundherum lobenswerten Beitrag zum Luther-Reformationsgedenken. Mehr noch: Ihr leider nicht ganz billiges Buch möge von älteren und vor allem jüngeren AmtsinhaberInnen erst studiert und dann auch praktiziert werden. Gottesdienstlich relevant ist auch und besonders die 2017 erschienene Züricher Habilitation „Hinkehr zu Gott…“ von Luca Baschera, die Kratzerts vorwiegend individual-theologischen Ansatz sozial ergänzt.

Zum Studium von Beichte und Buße gehört auch die exegetische Anbindung (prophetische Bußrufe, die Bußpredigt Johannes des Täufers, Jesu Rufe zur Umkehr und die urchristliche Predigt von Evangelium und Gesetz), sowie kirchengeschichtlich wirksam gewordene Bußprediger. Diese beiden Aspekte waren nicht Gegenstand von Kratzerts Arbeit. Neben dem Leipziger Praktologen Peter Zimmerling ist Kratzert gegenwärtig die beste wissenschaftliche Kennerin evangelisch verstandener Beichte. Ihre Arbeit nennt so gut wie alle relevanten Titel. Zu ergänzen ist Zimmerling: Beichte. Gottes vergessenes Angebot (2015²) und das Themenheft ´Buße´ der BThZ (34/2017).

Dr. Gerhard Meier

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Heinz Janssen
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