„Es wird heller“
Den Glanz Gottes widerspiegeln
Predigttext: Epheser 1,3-14 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)
3 Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns gesegnet hat mit allem geistlichen Segen im Himmel durch Christus. 4 Denn in ihm hat er uns erwählt, ehe der Welt Grund gelegt war, dass wir heilig und untadelig vor ihm sein sollten; in seiner Liebe 5 hat er uns dazu vorherbestimmt, seine Kinder zu sein durch Jesus Christus nach dem Wohlgefallen seines Willens, 6 zum Lob seiner herrlichen Gnade, mit der er uns begnadet hat in dem Geliebten. 7 In ihm haben wir die Erlösung durch sein Blut, die Vergebung der Sünden, nach dem Reichtum seiner Gnade, 8 die er uns reichlich hat widerfahren lassen in aller Weisheit und Klugheit. 9 Denn Gott hat uns wissen lassen das Geheimnis seines Willens nach seinem Ratschluss, den er zuvor in Christus gefasst hatte, 10 um ihn auszuführen, wenn die Zeit erfüllt wäre, dass alles zusammengefasst würde in Christus, was im Himmel und auf Erden ist. 11 In ihm sind wir auch zu Erben eingesetzt worden, die wir dazu vorherbestimmt sind nach dem Vorsatz dessen, der alles wirkt nach dem Ratschluss seines Willens; 12 damit wir etwas seien zum Lob seiner Herrlichkeit, die wir zuvor auf Christus gehofft haben. 13 In ihm seid auch ihr, die ihr das Wort der Wahrheit gehört habt, nämlich das Evangelium von eurer Seligkeit – in ihm seid auch ihr, als ihr gläubig wurdet, versiegelt worden mit dem Heiligen Geist, der verheißen ist, 14 welcher ist das Unterpfand unsres Erbes, zu unsrer Erlösung, dass wir sein Eigentum würden zum Lob seiner Herrlichkeit.
Exegetische (I:) und homiletische (II.) Bemerkungen zum Predigttext
I. Der Epheserbrief steht in paulinischer Tradition und entwickelt diese gedanklich weiter, insbesondere im Blick auf die eine Kirche aus Juden und Heiden. Der Brief wird durch eine Doxologie eingeleitet (1,3-14), die für den Trinitatissonntag der Predigttext ist. Die Doxologie lässt die Thematik des Epheserbriefes bereits erkennen. Der Apostel spricht von 1,3 bis 1,12 im Wir-Stil, in 1,13 wechselt er zum Ihr, um in 1,14 wieder zum Wir zurückzufinden. Dabei ist das Wir sowohl ein inklusives wie auch ein exklusives. In 1,3-8 ist es nur sinnvoll, wenn es Apostel und Angesprochene umschließt. 1,9-11 ist nicht eindeutig inklusiv oder exklusiv. Sieht man es in Einheit mit 1,3ff oder ist es im Sog von 1,12f? Denn hier spricht der Apostel, der „schon früher auf Christus gehofft“ hat, im Unterschied zu den anderen, die später „zum Glauben kamen“. Im Miteinander von Wir und Ihr wächst die Einheit, bis die Zeit erfüllt ist: wenn alles in Christus vereint ist … (1,10). Das ist Grund genug zum Lobpreis. Die Doxologie selbst erscheint in der Struktur unübersichtlich. Aber wer strukturiert schon seinen Lobpreis, wenn es aus ihm hervorquillt? Dennoch ist das Bemühen um eine Strukturerfassung wichtig, weil damit eine Sinnerfassung verbunden ist, die wiederum für die Predigt wertvoll sein kann. Ich gliedere:
Rahmen: Lobpreis (3) wegen …
Segen durch Christus (voraussetzungslos) (3), d.h. … …
Erwählung (voraussetzungslos) (4); Ziel: heiliger Wandel
Bestimmung zur Kindschaft (voraussetzungslos) (5);
Ziel: Lobpreis seiner herrlichen Gnade (6)
Erlösung in Jesus Christus (durch sein Blut) (7)
Vergebung der Sünden (7)
aus reicher Gnade (7)
(Lobpreis) des überreichen Gnadengeschenks (8)
Eröffnung des Geheimnisses (9)
Alles im Himmel und auf Erden wird in Christus vereint (10), und zwar ...
„wir“ als „Erben“ (11) (zum Begriff „Erbe“ vgl. 3,6);
Ziel des Erbe-Seins: Lobpreis (12)
auch „ihr“ in ihm
mit dem heiligen Geist versiegelt (Taufe) (13)
So sind nun „wir“ alle „Erben“/Teilhaber der „Erlösung“
= „sein Eigentum“ (14, vgl. 2,19f)
zum Lobpreis seiner Herrlichkeit/seines Glanzes (14) (Rahmen)
Kurze Erläuterung: Der „Lobpreis“ ist ein wichtiges Gliederungsprinzip. Er steht am Anfang und am Ende und in der Mitte jeweils zum Abschluss eines Themas. Hinweis auf unser Christenleben? Soll auch da der Lobpreis am Anfang, in der Mitte und am Ende stehen? - Die häufig wiederkehrende Wendung „in Christus“ kann gleichgesetzt werden mit „Erbe sein“. „Durch Christus“ will sagen, dass das alles durch ihn wahr, spürbar, existentiell gültig geworden ist. - Mit „voraussetzungslos“ interpretiere ich die besonders zwischen den vv 3-8 auftretenden zeitlichen und örtlichen Transzendierungen („im Himmel“, „ehe der Welt Grund gelegt war“, „vorherbestimmt“ = „im Voraus bestimmt“).
II. Eph 1,3-14 ist eine Doxologie. Predigt ist eine Rede. Sie bleibt eine Rede, wenn auch mit besonderem Charakter. Sie hat kerygmatischen, didaktischen oder poimenischen Charakter. Eine Doxologie kann allenfalls am Eingang oder am Abschluss einer Predigt stehen, nie aber mit dem Genus der Predigt als Rede deckungsgleich sein. Was tun also, wenn man über eine Doxologie predigen soll? Eine Rede darüber zu halten, hieße, sie zu zerreden. Ich möchte aber in meiner Verkündigung etwas vom Lobpreis des Apostels „rüberbringen“, etwas davon wahr werden lassen. Ich habe mich daher entschlossen, die Lesung des Predigttextes abschnittweise mit unseren Lobliedern zu durchsetzen, und zwar da, wo die jeweiligen Sinnabschnitte typischerweise auch mit dem Hinweis auf das Gotteslob abgeschlossen werden. So ist die Gemeinde in den Lobpreis des Apostels mit hinein genommen. Das ist ein emotionales Geschehen und Verstehen, bei dem ein intellektuelles Verstehen des Textes zunächst nicht unbedingt vorausgesetzt ist. Ein rationales Verstehen ist danach aber auch nötig, nicht nur, um dem Genus der Predigt, die ja zu unserem Gottesdienst gehört, gerecht zu werden, sondern auch um dem hermeneutischen Fundamentalsatz des Paulus treu zu bleiben: Wer in unverständlichen Worten redet, der erbaut sich selbst, es sei denn, er legt es auch aus, damit die Gemeinde dadurch aufgebaut wird (1. Kor 14,4f; vgl. auch 14,9.11).
Ich lasse mich also vom Thema „Lobpreis“ leiten und verstehe den Text so, dass mein ganzes Leben ein einziger Lobpreis Gottes sein soll und dass darin der Sinn meines Daseins besteht. Ich möchte zeigen, wie das zeitnah und lebenspraktisch umsetzbar ist, d.h. wie ich den Lobpreis überzeugend leben kann, ohne mich unangenehm zu exponieren. In der Wahl der Beispiele bin ich angeregt worden durch eine Fortbildungsveranstaltung mit Jürgen Fliege („Es wird heller“) und durch einen Aufsatz von Henning Wrogemann („Mission als ‚Oikumenische Doxologie‘ – Auf dem Wege zu einem neuen Verständnis der missio amoris Dei“ in: Vision Mission 18/Dez. 2003). Er plädiert darin für einen doxologischen Lebensstil der Christen, den er theologisch begründet: „Gott verherrlicht sich dadurch, dass er seine Welt als befreite Schöpfung auf das Lob des Schöpfers und Erlösers hin öffnet“ (a.a.O., S.11). Gemeinsame Bestimmung von Gemeinde und Welt ist, „Medium und damit Ort des ganzheitlichen Gotteslobes werden zu sollen“ (ebd.). Das Beugen der Knie aus Phil 2,5-11 wird ihm zum Symbol des doxologischen Lebensstils, den er in vierfacher Weise entfaltet: solidarisches Einstehen füreinander, anziehende Menschlichkeit im Umgang miteinander, Gotteslob am Quellort christlicher Spiritualität, Relativierung politischer Macht.
Lobpreis als Ausdruck christlichen Lebensgefühls
Eine vertraute Volksweisheit: „Wo man singt, da lass dich nieder … Böse Menschen haben keine Lieder“. Wir haben heute schon kräftig gesungen. Als Christen sind wir gut drauf; denn wir wissen, woher unsere Freude kommt. Sie kommt von oben her, von Gott, dem der heutige Tag gehört. Gott gehört dieser Tag, nicht bloß, weil es der Sonntag ist, sondern weil wir heute den dreieinigen Gott preisen: den Vater im Himmel, den Sohn Jesus Christus und den Heiligen Geist, der von beiden ausgeht und in uns und unserer Welt wirkt. Dieser Geist macht, dass wir gut drauf sind, dass wir unseren Gott mit unseren Liedern loben und preisen. Gott loben und preisen, darin drückt sich christliches Lebensgefühl aus. So hat auch ein Apostel, der sich „Paulus“ nennt, sein Lebensgefühl ausgedrückt, als er seinen Brief an die Gemeinde in Ephesus schreibt. Er sprudelt von Gotteslob geradezu über, und wir wollen da einfach mit einstimmen. Das geht! Man muss nicht auf Anhieb alles verstehen, was er sagt. Den Grundton seines Gotteslobes kriegen wir schon mit. Wir reihen uns da einfach mit ein, und zwar so, dass wir nach Lesung von Sinnabschnitten des Predigttextes selbst eines von den (verteilten) Lobliedern singen.
Epheser 1,3-6
„Lobet und preiset, ihr Völker, den Herrn“ (EG 337)
Epheser 1,7-8
„Komm, sag es allen weiter“ (EG 225,1-3)
Epheser 1,9-12
„Laudate omnes gentes“ (EG 181.6)
Epheser 1,13-14
„Lobt froh den Herrn, ihr jugendlichen Chöre“ (EG 332,1-4)
Ist dieser Lobgesang nicht etwas Schönes? Macht er nicht Freude? Gibt er nicht Schwung und Kraft? Ich bin gewiss: Diese Freude, diesen Schwung und diese Kraft, die nehmen wir auch mit nach draußen. Auf uns liegt etwas von dem Glanz Gottes, den wir loben. Man merkt uns das an. Niemand wird mehr sagen: „Bessere Lieder müssten sie mir singen, dass ich an ihren Erlöser glauben lerne. Erlöster müssten mir seine Jünger aussehen“. Nein, niemand wird das mehr sagen, auch Friedrich Nietzsche nicht!
Lobpreis als Sinn menschlichen Daseins
Diesen Schwung, diesen Glanz, dieses Gotteslob mit hinauszunehmen, dazu sind wir da. Wer sich nicht schon alles Gedanken gemacht hat, wozu wir da sind. Der griechische Dichter Sophokles lässt Antigone sagen: „Nicht mitzuhassen, mitzulieben bin ich da“. – Oder: „Wir sind nicht da, um zu sein, sondern um zu werden“, hat man mir einmal als Widmung in ein Buch geschrieben. „Den Schwung, den Glanz, das Gotteslob mit hinauszunehmen, dazu sind wir da“, sagt der Apostel, und David Denicke drückt es im Lied mit seinen Worten genau so aus: „Gott loben, das ist unser Amt“, unsere Aufgabe. Der Apostel spricht von unserer Bestimmung: Wir sind Kinder Gottes, bestimmt, Gottes Glanz und Gottes Gnade zu loben und zu preisen in allem, was wir tun. Das Licht in unseren Augen, der Glanz auf unserer Stirn, die Kraft in unserem ganzen Körper – sie bleiben ja nicht nur bei uns, sondern wirken sich draußen aus und erzählen von Güte Gottes, die uns zu segensreichem Tun beflügelt. Weil wir einen Abglanz Seiner Herrlichkeit an uns haben, haben wir eine Ausstrahlung, wir wirken anziehend und ziehen andere in unsere gute Stimmung, unsere Freude, unser Gotteslob mit hinein. So soll es sein. Das ist unser Amt. Dazu sind wir bestimmt.
Lobpreis als Ausdruck christlich-missionarischen Lebensstils
Wie wäre es, wenn wir dieses Gotteslob für jeden Menschen sichtbar hinaustragen würden? Wie wäre es, wenn wir ein Leinentuch vor der Kirche aufspannen würden und mit großen Buchstaben aufsprühten: „Es wird heller“? Es wäre ein Bekenntnis und ein Gotteslob zugleich. Es klingt so banal, dass der Autofahrer, der morgens zur Arbeit vorbeifährt, gerade ob dieser Banalität stutzt. Es ist so einfach, dass man den Satz nach zwei Stunden immer noch auswendig weiß. Gerade deshalb aber wirkt er weiter, nachhaltig, und es hat wohl was zu bedeuten, dass dieses Leinentuch gerade vor der Kirche aufgespannt ist. Liebe Gemeinde, das können wir bekennen und lobend ausrufen und bekannt machen. „Es wird heller“. In Christus haben wir die Erlösung, die Vergebung der Sünden, es wird heller. In Christus wird alles vereint werden, was noch getrennt ist im Himmel und auf Erden, es wird heller. Durch Christus haben wir teil am guten Geist, am Heiligen Geist, der die Welt durchwaltet, und können in seiner Kraft Gutes tun, es wird heller.
Das ist nur ein Beispiel, wie wir unser Lebensgefühl hinaustragen und versuchen können, andere mit hineinzuziehen, zum Lobe Seiner Herrlichkeit. Es muss aber nicht unbedingt spektakulär sein. Leben zu Gottes Ehre ist ganz einfach auch ein Lebensstil. Uns in Liebe und Achtung den Menschen zuwenden, die uns anvertraut sind in Familie und Freundeskreis, in Kindertagesstätten und Seniorenheimen, in Schule und Beruf – diese Liebe und Achtung sind auch eine Form unseres Gotteslobes, wobei der Dank nicht ferne ist. Mit den Worten des Apostels (Eph 3,20f): „Dem aber, der überschwänglich mehr tun kann als alles, was wir bitten …, dem sei Ehre in der Gemeinde und in Christus Jesus zu aller Zeit“. Es wird heller!
“Es wird heller!” Den Lobpreis des Apostels im Predigttext “rüberzubringen” in der Predigt, ist das Hauptanliegen von Pastor Dr.Scholz am Trinitatis-Sonntag. Während etliche Predigten zu Trinitatis z. B. gelehrt versuchen, die Dreieinigkeit zu erklären, so sprudelt diese Predigt ungewöhnlich originell, ansteckend, schwungvoll über vom Gotteslob. Die Predigt beglückt und begeistert. Prof. Michael Klessmann macht zwar in seiner Pastoralpsychologie darauf aufmerksam, dass zuviel Positives ohne Erwähnung der dunklen Seiten unserer Welt überfordern kann. Diese Predigt reißt einen aber einfach mit zu guten Gedanken und zum Gotteslob.