„Mit dir einen Drachen bauen“

Nicht nur das eigene Wohl im Auge haben

Predigttext: Philipper 2, 1-4
Kirche / Ort: Heidelberg
Datum: 22.07.2012
Kirchenjahr: 7. Sonntag nach Trinitatis
Autor/in: Pfarrer i. E. Dr. Harald Pfeiffer

Predigttext: Philipper 2, 1-4 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)

1Ist nun bei euch Ermahnung in Christus, ist Trost der Liebe, ist Gemeinschaft des Geistes, ist herzliche Liebe und Barmherzigkeit,  2 so macht meine Freude dadurch vollkommen, daß ihr eines Sinnes seid, gleiche Liebe habt, einmütig und einträchtig seid.  3 Tut nichts aus Eigennutz oder um eitler Ehre willen, sondern in Demut, achte einer den andern höher als sich selbst,  4 und ein jeder sehe nicht auf das Seine, sondern auch auf das, was dem andern dient.

Übersetzung V. 1 nach : Gute Nachricht Bibel, Revision 1997:
Bei euch gibt es doch das ermutigende Wort im Auftrag von Christus; es gibt den tröstenden Zuspruch, der aus der Liebe kommt; es gibt Gemeinschaft durch den Heiligen Geist; es gibt herzliches Erbarmen.

Übersetzung V. 2-4 nach: Einheitsübersetzung: 2 Dann macht meine Freude dadurch vollkommen, daß ihr eines Sinnes seid, einander in Liebe verbunden, einmütig und einträchtig, 3 daß ihr nichts aus Ehrgeiz und nichts aus Prahlerei tut. Sondern in Demut schätze einer den andern höher ein als sich selbst. 4 Jeder achte nicht nur auf das eigene Wohl, sondern auch auf das der anderen.“

Homiletische Bemerkungen

Die Predigt richtet sich an bunt gemischte Zuhörende aus allen Bundesländern. Darunter sind junge Menschen mit körperlichen Handycaps, in der Mobilität eingeschränkt, Ausbildungsteilnehmende in der Umschulung (berufliche Rehabilitation der SRH Heidelberg); Studierende an der SRH Hochschule; Mitarbeiter aus dem SRH-Unternehmen; Patienten aus dem SRH Kurpfalzkrankenhaus sowie zahlreiche Gäste aus verschiedenen Heidelberger Stadtteilen und der Region. Viele Predigthörende – unter ihnen Kirchenferne, Skeptische, Zweifelnde – sind manchmal von schweren Lebensschicksalen geschlagen, tragen ihre seelischen Lasten seit Jahren. Alle suchen nach Lebensperspektiven, wünschen sich geistlichen Halt, erhoffen sich Geborgenheit in der Spiritualität. Ein guter, aufbauender, Mut machender Gedanke sollte hängenbleiben. Eine verständliche Sprache wird geschätzt. Der Gottesdienst muss Qualität haben, Sinnfindung bieten, der Besuch muss sich lohnen.

Im Mittelpunkt der Predigt steht der Wunschkatalog des Apostels Paulus: Habt gleiche Grundeinstellung im Geist Christi, habt gleiche Liebe und lebt friedlich zusammen. Wer nicht nur seine eigenen Interessen verfolgt (durch Ehrgeiz und Prahlerei), sondern auch auf das Wohl der anderen achtet, trägt dazu bei, dass Leben gelingen kann. Zwei Beispiele aus dem Alltag sollen dies verdeutlichen.

Lieder

"Erneure mich, o ewigs Licht" (EG 390)
"Lass mich, o Herr" (EG 414, 1-3)
"Wir haben einen Gott und Herrn" (EG 412, 4+7)

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Heute flattert uns ein Wunschkatalog vom Apostel Paulus ins Haus. Es sind drei Wünsche mit christlichen Zielen:  Habt gleiche Grundeinstellung im Geist Christi.  Habt gleiche Liebe und lebt friedlich zusammen. So kann Leben gelingen, meint der Apostel. So kann Zusammenleben warmherzig und freundlich werden. Eines Sinnes sein, nichts aus Prahlerei tun, nicht nur das eigene Wohl im Auge haben, sondern darauf achten, was dem andern gut tut. So könnte Leben gelingen. Eines Sinnes sein, meint nicht, dass wir immer gleicher Meinung sein müssen. Im Griechischen heißt es eigentlich wörtlich: „Das Eine sinnend“, d. h. dasselbe Ziel verfolgen, also alles auf Christus setzen. Das wäre doch eine Wohltat für uns alle, wenn wir, Jung und Alt, uns gegenseitig das Leben leicht machten, wenn niemand sich selbst im Weg steht, wenn die Wege zueinander frei sind  – nicht nur unter Freunden, auch zwischen denen, die es schwer miteinander haben, zwischen Kollegen und Vorgesetzten, Kindern und Eltern, Ehepaaren, Verwandten, Nachbarn und wem auch immer.

Das wär’s doch! Leben kann gelingen, wenn wir nicht nur unsere eigenen Interessen verfolgen, damit sind z. B. auch Ehrgeiz und Prahlerei gemeint. Ehrgeiz ist ja zunächst nichts Verwerfliches; wenn er sich mit Streben nach wirklicher Leistung verbindet, treibt er zum Wetteifer an. Wenn aber die Begierde des Menschen nach Ehre, Macht und Ruhm überwiegt und man damit prahlt, dann läuft etwas schief. Es gibt Störungen im Zusammenleben. Bei vielen Menschen sind Wohlstand und Besitz immer noch die wichtigsten Triebfedern ihres Lebens. Dagegen ist solange nichts zu sagen, wenn Menschlichkeit und persönliche Zuwendung gewährleistet sind. Wer aber nur eigenes Interesse verfolgt und damit noch prahlt, bei dem kann Leben nicht gelingen. So wie im Lied „Der gekaufte Drachen“, Udo Jürgens singt:

„Ein Kieselsteinweg führte mich zu dem Haus, das Licht fiel auf englischen Rasen. Auf seidenem Teppich stand ich im Portal, vor Gemälden und wertvollen Vasen. Dann zeigte der Hausherr voll Stolz den Besitz: Was Sie sehen, gehört mal meinem Kleinen, dieses Haus, diese Fabrik – nur für ihn tu ich das, dafür leb ich – ich hab nur den Einen. Während er so erzählte mit dem Glas in der Hand, sah niemand den Kleinen, der im Türrahmen stand. Als er anfing zu reden, war es plötzlich ganz still. Denn er sagte: ‚Papa, ich weiß nicht, ob ich das will. Ich will mit Dir einen Drachen bau’n, für das hast Du niemals Zeit. Ich will mit Dir einen Drachen bau’n – denn ein gekaufter Drachen fliegt nicht mal halb so weit’. – Der Kieselsteinweg führt noch heut zu dem Haus, die Parties sind dort längst verklungen. Der Mann sitzt vor mir, leicht gebückt und ergraut und erzählt mir leis von seinem Jungen: Der lebt heut sein Leben irgendwo in der Stadt, es ist alles ganz anders gelaufen. Er hat mir geschrieben – er kommt nicht mehr heim. Ich glaub‘, ich wird alles verkaufen. – Während er so erzählte mit wenig Hoffnung im Blick, gehen meine Gedanken zu dem Kleinen zurück. Er sagte damals sehr wenig, aber trotzdem so viel, mit den Worten: ‚Papa, ich weiß nicht, ob ich das will. Ich will mit Dir einen Drachen bau’n – für so was hast Du niemals Zeit. Ich will mit Dir einen Drachen bau’n, denn ein gekaufter Drachen fliegt nicht mal halb so weit!‘“

Dem Kleinen war der ganze Reichtum, Besitz und Wohlstand seines Vaters völlig unwichtig. Dem Sohn hätten ein paar Stunden Zeit genügt, um menschliche Wärme und Liebe väterlicherseits zu erfahren. Vorzeigbare Werte allein reichen nicht aus, ein Leben in gegenseitiger Achtung und Wertschätzung zu meistern. Nur sein eigenes Interesse verfolgen und damit prahlen – so kann Leben nicht gelingen. Nicht nur das eigene Wohl im Auge haben, sondern darauf achten, was dem anderen gut tut, das macht unseren Alltag lebenswert. Bevor der Apostel Paulus seinen Wunschkatalog mit den christlichen Zielen abfasst, betont er vor allem die Gemeinschaft durch den Heiligen Geist. Mit diesem Geist kann Leben gelingen. So heißt es in einem Glaubensbekenntnis unserer Tage: „Ich glaube an den Heiligen Geist. Denn mit Jesus kam ein neuer Geist in die Welt… Ich glaube, dass er mich warnt vor dem Bösen und mir Mut macht für das Gute“ (Ottweiler Credo – Kirchentag Köln 1964).

Genau das hat jener Mann erfahren, der während einer abendlichen Konferenz einige Gläser Bier getrunken hatte. Es war schon dunkel, als er sich mit seinem neuen Wagen auf den Heimweg machte, um bei seiner Frau und seinen Kindern zu sein. Noch hatte er sich nicht an die Breite seines Wagens gewöhnt. So kam es, dass er einen Radfahrer streifte und ihn zu Fall brachte. Kurz hielt er an, dann fuhr er weiter. „Wenn man mir eine Blutprobe nimmt“, so sagte er sich , „wird man mir den Führerschein abnehmen; dann bin ich beruflich am Ende. Ich muss nach Hause“. Während er so dachte, tauchte vor seinen Augen das Bild des Angefahrenen auf: „Wann wird der zu Hause sein?“ So wurde ihm klar: „Ich kann so nicht zu meiner Familie zurück!“ Er wendete den Wagen und fuhr die Straße zurück. Da lag der Angefahrene am Straßenrand. Mit seinen ausgebreiteten Armen sah er aus wie der Gekreuzigte. Er kniete sich neben den Verletzten und hörte, wie dieser ihm zustöhnte: „Sie haben angehalten. Danke!“ – „Ich habe nicht… ich bin nur zurückgekommen!“ erwiderte ihm dieser kleinlaut.

Die Geschichte sagt uns nicht mehr, wie es mit den beiden weiterging. Doch ist es nicht schwer, sich vorzustellen, dass der Geist, der durch das Gewissen des Fahrers sprach, den Wagen auf den einzig richtigen Weg lenkte und so die beiden wieder zusammenbrachte, auch für einen guten Ausgang sorgte. Wer ist es, der uns in Bruchteilen von Sekunden erkennen lässt, was gut und böse ist? Ich sehe darin den Heiligen Geist wirken, der alles zum Guten führt und sich darum sorgt, dass kein Mensch das Ziel seines Lebens verfehlt. Alles fängt damit an, dass Jesus Christus sagt: Ich sehe dich freundlich an. Ich kenne die Brüche in deinem Leben. Ich weiß, wie schwer du daran trägst. Ich bin gekommen, um dir das abzunehmen. Es soll deine Seele nicht belasten. Vertraue mir. So kann dein Leben gelingen.

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Ein Kommentar zu “„Mit dir einen Drachen bauen“

  1. Pastor i.R. Heinz Rußmann

    Ein Wunschkatalog über die Liebe in der Christengemeinde ist der Predigttext des Paulus. In der Einleitung erklärt Pfarrer Dr Harald Pfeiffer konzentriert, wie das Zusammenleben dadurch gelingen kann. Wenn dagegen die Begierde des Menschen nach Ehre, Macht, Ruhm und Geld überwiegt, wird es gestört. Mit dem Lied von Udo Jürgens: Der gekaufte Drachen, erläutert der Prediger eindringlich und ausführlich, dass wir darauf achten sollten, was dem anderen gut tut. Mit dem zweiten Beispiel von einer zurückgenommenen Fahrerflucht zeigt er, wie der Heilige Geist alles zum Guten führen will. Mit ergreifenden Versprechen von Jesus für jeden endet diese anschauliche und ermutigende Predigt.

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