Himmelfahrt Christi – Gottes Macht und Menschenmacht

Unser Eintreten für eine menschliche gerechte Welt wird gesegnet sein

Predigttext: Offenbarung 1,4-8
Kirche / Ort: 26721 Emden
Datum: 17.05.2012
Kirchenjahr: Christi Himmelfahrt
Autor/in: Dipl.-Theol. Pfarrerin Christiane Borchers

Predigttext: Offenbarung 1,4-8 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)

4 Johannes an die sieben Gemeinden in der Provinz Asien: Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da ist und der da war und der da kommt, und von den sieben Geistern, die vor seinem Thron sind,  5 und von Jesus Christus, welcher ist der treue Zeuge, der Erstgeborene von den Toten und Herr über die Könige auf Erden! Ihm, der uns liebt und uns erlöst hat von unsern Sünden mit seinem Blut  6 und uns zu Königen und Priestern gemacht hat vor Gott, seinem Vater, ihm sei Ehre und Gewalt von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.
7
Siehe, er kommt mit den Wolken, und es werden ihn sehen alle Augen und alle, die ihn durchbohrt haben, und es werden wehklagen um seinetwillen alle Geschlechter der Erde. Ja, Amen.
8
Ich bin das A und das O, spricht Gott der Herr, der da ist und der da war und der da kommt, der Allmächtige.

Exegetische (I.) und homiletische (II.)Vorüberlegungen

I.    In Kap. 1 der Offenbarung wird die Berufung des Sehers Johannes geschildert (es folgen in den Kap. 2-3 die sieben Briefe an die Gemeinden in der Provinz Asia. In Kap. 4-22 werden Visionen von der Endzeit berichtet. Die Offenbarung ist als Brief gestaltet mit einer Grußformel am Anfang und einem Segenswunsch am Schluss. Die christlichen Gemeinden sam Beginn der Christenverfolgung sollen mit diesem Brief gestärkt und getröstet werden. Jetzt ist die Zeit der Anfechtung, aber Christus wird in Kürze wieder kommen. Gottes Macht wird den Sieg erringen, die Verfolger müssen Rechenschaft ablegen.

Die Perikope Offenb. 1,4-8 bildet eine geschlossene Einheit. In V 4 grüßt Johannes die Adressaten mit dem orientalischen Gruß und eröffnet ihnen, in wessen Namen er schreibt: Gott, der ewig unveränderliche, der ist, der war und sein wird. In V. 5 fügt er Aussagen über Jesus Christus ein. Christinnen und Christen erhalten Anteil an Jesu Werk. Dafür gebührt ihm und Gott Ehre (V 6). In V 7 verweist Johannes auf die Wiederkunft Christi. Am Ende der Zeit, die er in naher Zukunft erwartet, wird allen Menschen die Augen geöffnet, alle werden die Macht Gottes und Christus erkennen und anerkennen. Diejenigen, die ihn getötet haben, werden wehklagen. Zur Bekräftigung und Bestätigung des Ausgeführten wird bei V 6 und V 7 ein Amen gesprochen. Das ist gewisslich wahr, was der Seher Johannes schreibt und gesehen hat. In 8 wird betont, dass in Gott und Jesus Anfang und Ende beschlossen sind.

II.    Im Bibeltext geht es um die Wiederkunft Christi. Christus kommt wieder auf die Erde. Himmelfahrt ist genau entgegengesetzt. Zu Himmelfahrt fährt Jesus vor den Augen seiner Jünger in den Himmel. Die Apostelgeschichte berichtet, dass er auf einer Wolke in den Himmel fuhr (Apg 1,9), der Evangelist Lukas schreibt nur, dass er gen Himmel fuhr ( Lk 24,50f). Christus entfernt sich also erst einmal von seinen Jüngerinnen und Jüngern, verlässt die Erde. Er wird von Gott erhöht, in den Himmel gehoben, um mit ihm an seiner Seite zu sein. Die Ankündigung des Johannes in 1,7, dass Christus „mit den Wolken“ kommen wird, stellt die Verbindung zur Botschaft von Himmelfahrt her, auch wenn es hier um die Wiederkunft geht.

Die Gemeinde, die sich zu Himmelfahrt versammelt hat, besteht meistens aus den treuen Gottesdienstteilnehmerinnen und -teilnehmern. Gemeinschaftsgottesdienste werden gefeiert, da viele inzwischen über den Feiertag einen Kurzurlaub machen oder Männer eine „Vatertags“tour unternehmen. Himmelfahrt ist, ähnlich wie Pfingsten, schwer zu vermitteln. Jesus ist fern in den Himmel gerückt, der Himmel ist weit weg, wir leben auf der Erde, die Distanz ist groß. Aber der Himmel, in den Jesus aufgefahren ist, ist nicht nur über den Wolken, sondern überall da, wo Gottes Reich schon jetzt spürbar ist. Himmelfahrt kann durch ein gemeinschaftliches Erlebnis zu einem schönen Tag werden, wenn z.B. zu einer Wanderung zu einem Gottesdienst eingeladen und im Anschluss eine kleine Mahlzeit gereicht wird. Wo Gemeinschaft erfahren wird, ist Gottes Reich mitten unter uns.

Lied:  “Christus ist König, jubelt laut“ (269)

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Mit Himmelfahrt ist Jesus endgültig dem Irdischem entzogen. War er als Auferstandener nach Ostern den Jüngerinnen und Jüngern erschienen, so ist er seit Himmelfahrt für die Jüngerinnen und Jünger nicht mehr greifbar. Sie können ihn nicht mehr sehen, nicht mehr berühren. Jesus ist „aufgefahren in den Himmel, er sitzt zur Rechten Gottes“. Im Jahre 325 n. Chr. wurde diese Glaubensaussage in Nicäa zum Dogma erhoben. Alle christlichen Kirchen halten daran fest und bekennen die Himmelfahrt Christi im Glaubensbekenntnis. Seit dem 4. Jahrhundert wird das Himmelfahrtsfest 40 Tage nach Ostern und 10 Tage vor Pfingsten gefeiert. Die Zahl 40 ist nicht zufällig. Die Zahl 40 steht für einen Abschluss, ein Ereignis, eine Sache ist zu einem Ende gekommen. 40 Tage hat Jesus in der Wüste gefastet und gebetet, dann ist er bereit, seinen Auftrag anzunehmen. 40 Jahre musste das Volk Israel auf Wanderschaft sein, bevor es in das gelobte Land einziehen konnte. 40 Tage und Nächte verweilte Mose auf dem Berg, bis er wieder herunterkam mit den 10 Geboten. Nach Ostern hat es 40 Tage gedauert, bis Jesus in die himmlischen Sphären aufgenommen wurde. Seit seiner Himmelfahrt gehört Christus vollkommen zur Trinität – „…er sitzt zur Rechten Gottes“.

Johannes, ein Seher, verbannt auf der griechischen Insel Patmos, hat eine Vision vom künftigen Himmelreich. Er schaut, was anderen Augen verborgen ist. Der Himmel hat sich ihm aufgetan. Er darf einen Blick in den himmlischen Thronsaal werfen. Er sieht, wie Gott auf dem himmlischen Thron sitzt mit Christus zu seiner Rechten, umgeben von Engeln. Der Thronsaal ist eingetaucht in göttlichem Glanz und Licht. Diese Vision lässt alle Zweifel des Sehers verstummen. Seine gegenwärtige schwierige Lage tritt im Licht der wunderbaren Schau in den Hintergrund. Johannes behält sein ergreifendes Erlebnis nicht für sich, er gibt es an die christlichen Gemeinden in Kleinasien weiter, damit auch sie daran teil haben. Er möchte sie im Glauben stärken, sie sollen aus dem Geschauten wie er Trost und Hoffnung schöpfen. Christus ist der Weltenrichter, der „Pantokrator“, er wird mit Gott auf dem Thron sitzen und Gericht halten. Aber vor dem Weltgericht brauchen Christinnen und Christen keine Angst zu haben. Endlich wird sich Gerechtigkeit durchsetzen, endlich wird Unrecht gesühnt. Endlich werden Täter zur Verantwortung gezogen, endlich werden Opfer rehabilitiert. Gott und Christus üben das Weltregiment aus, auch wenn der Augenschein zum gegenwärtigen Zeitpunkt dagegen spricht.

Johannes schreibt seinen Brief an sieben christliche Gemeinden in Kleinasien, der heutigen Türkei: in Ephesus, Smyrna, Pergamon, Thyatira, Sardes, Philadelphia und Laodizea. Die Zahl sieben hat symbolischen Charakter und ist der vierzig ähnlich. Ist bei vierzig ein Prozess zum Abschluss gekommen, so bezeichnet die sieben das Ganze. Die sieben Gemeinden haben universalen Charakter, die sieben Gemeinden stehen für die ganze Christenheit. Über die Jahrhunderte hinweg ist der Brief von Bedeutung. Auch für uns modere Menschen verliert die Vision des Johannes nicht seine Kraft. Was wäre eine Welt ohne Vision von einer besseren Welt, die uns zeigen kann, was möglich ist. Der Seher Johannes befindet sich in einer schwierigen Situation als ihn die Vision überkommt. Weil er sich weigert, den Kaiser in Rom als Gott zu verehren ist er auf eine kleine abgelegene Insel verbannt worden. Er erlebt den Widerspruch zwischen der Gottesherrschaft und der Herrschaft der weltlichen Machthaber ganz konkret. Durch seine Vision wird er gestärkt und befähigt, an Gott und Christus festzuhalten. Diese Zuversicht teilt er mit den anderen Gemeinden. Gott und Christus sind bei ihm eng miteinander verwoben. Was er über Gott sagt, gilt auch für Christus und umgekehrt.

Ganz nach orientalischer Art eröffnet Johannes seinen Brief mit einem Gnaden- und Friedensgruß, „Gnade sei mit euch und Friede“. Gnade bedeutet hier: Gott wendet sich den Menschen zu, er hat sie zu seinem Volk berufen. Der Gnadengruß wird mit dem Friedenswunsch verbunden. Hier ist das endzeitliche Heil angesprochen. Das Heil ist zwar durch das Kommen Jesu in die Welt schon angebrochen, aber endgültig vollendet es sich, wenn Christus wieder kommt. „Gnade und Friede sei mit euch, von dem, der da ist, der da war und der da  kommt.“ In diesem Gruß ist die ganze Heilsgeschichte Gottes mit den Menschen – von der Schöpfung bis hin zum Endgericht – einbezogen. Der Gott Israels ist kein anderer als der Gott Jesu Christi. Er ist unveränderlich, ein- und derselbe, in der Vergangenheit, in der Gegenwart und in der Zukunft. „Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da ist, der da war und der da kommt und von den sieben Geistern, die vor seinem Thron sind.“ Die Vorstellung von sieben Geistern entspringt einer alten babylonischen Tradition. Damit waren Sonne, Mond und die damals fünf bekannten Planeten gemeint. Die Gestirne, die die Zeit bestimmen, wurden in Babylon als Gottheiten verehrt. Im alten Israel aber wurden die Gestirne Gott untergeordnet und als seine Geschöpfe angesehen. Die sieben Gestirne konnten auch als sieben Engel bezeichnet werden. In der Antike gab es die Vorstellung, dass nicht nur jeder Mensch einen Schutzengel hat, sondern auch jede Gemeinde. Die sieben Engel sind vor Gottes Thron, sie gehören zu Gott. Gott hat die Macht. An seiner Macht findet jede weltliche Macht ihre Grenze. Jesus ist der treue Zeuge, der Gottes Anspruch und Wahrheit bezeugt, er ist der Erstgeborene von den Toten, er ist der Herr, der Erste der Könige auf Erden.

Der Schauplatz der Vision des Johannes ist im Himmel. Im Himmelreich kommt die Geschichte Gottes mit den Menschen zum Abschluss. Gerechtigkeit wird offenbar. Das Reich Gottes bricht vollkommen an. Endgültig zeigt sich, wer die Macht hat. Alle Augen werden sehen, auch seine Feinde, die ihm übel mitgespielt haben, die ihn durchbohrt haben, d. h. ans Kreuz brachten. Bis heute wird Christus  bespuckt, geschändet und ihm Gewalt angetan. „Was ihr einen meiner geringsten Schwestern und Brüdern getan habt, das habt ihr mir getan“, sagt Jesus. Die Ankündigung, dass Christus mit den Wolken kommen wird, stellt die Verbindung zur Botschaft von Himmelfahrt her. Der zu Gott Hinaufgefahrene ist derjenige, der wieder kommt. Alle werden sich vor ihm zu verantworten haben. Die, die Gutes getan haben, werden sich freuen. Sie werden im himmlischen Thronsaal am Tisch sitzen und das Mahl halten. Die, die andere drangsaliert haben, die verschwenderisch auf Kosten der Armen lebten, die die Not anderer gleichgültig ließ, werden den himmlischen Festsaal nicht betreten. Das Imponiergehabe weltlicher Mächte ist von vorübergehender Dauer.

Der christliche Glaube macht uns gewiss, dass alle zerstörerischen Mächte, die sich siegessicher geben, keine heilsgeschichtliche Perspektive haben. Weltliche Macht hat keine Zukunft. Es ist wahr, Jesus wurde übel mitgespielt, es ist wahr, großes Leid und Unrecht geschieht auch in der Gegenwart. Von Christi und Gottes Herrschaft spüren wir oft zu wenig. Aber Gott hat den nach menschlichem Ermessen Gescheiterten neben sich auf den Thron gehoben. Er hat ihm alle Ehre gegeben, ihn erhöht und zu seiner Rechten gesetzt. „Wir leben im Vorletzten und glauben das Letzte“, hat Dietrich Bonhoeffer zu einer Zeit formuliert, in der rings um ihn herum nur Vernichtung, Drangsal und Gräuel war. Er war überzeugt davon, dass die Welt grundsätzlich friedensfähig ist und dass sein Widerstand nicht umsonst war. Seine Hoffnung und sein Glaube auf eine Zukunft, in der Gerechtigkeit und Frieden herrschen, gab ihm täglich neue Kraft. Himmel und Erde sind verbunden. Unser Eintreten für eine menschliche gerechte Welt wird gesegnet sein.

 

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Ein Kommentar zu “Himmelfahrt Christi – Gottes Macht und Menschenmacht

  1. Pastor i.R. Heinz Rußmann

    Die Vision des Johannes verliert nicht ihre Kraft, auch nicht für den modernen Menschen. Das ist das Thema der Predigt von Pfarrerin Borchers. Predigten zur Himmelfahrt Christi tun sich oft schwer mit dem Ereignis und verrennen sich. Diese Predigt erklärt die zentrale Aussage des Glaubens, dass Christus seit seiner Himmelfahrt vollkommen zur Trinität gehört. “Er sitzt zur Rechten Gottes.” Sie nimmt dabei die biblische Vision des Predigttextes intensiv auf, ermutigend und tiefsinnig. Auch vor dem kommenden Weltgericht brauchen die Christen keine Angst zu haben. Das Reich Gottes wird vollkommen anbrechen. Unser Eintreten für eine menschliche Welt wird nach dieser Vision schon jetzt gesegnet sein. Diese Predigt kann die Hörenden überzeugen, dass Christi Himmelfahrt eng zusammen hängt mit der Trinität und dem Glauben an die Vollendung der Welt. – Nach Prof Werner Thiede (“Wer ist der kosmische Christus?”, S. 451) hat der Glaube daran – entsprechend dem zur Rechten Gottes Auferstandenen – in Zukunft große Bedeutung.

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