Bewährungsfelder

Tat-Dimension des Glaubens

Predigttext: Jakobus 2,1-13
Kirche / Ort: 69469 Weinheim - Hohensachsen / Evangelische Landeskirche in Baden
Datum: 07.10.2012
Kirchenjahr: 18. Sonntag nach Trinitatis
Autor/in: Pfarrer Christian Noeske

Predigttext: Jakobus 2,1-13 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)

1Liebe Brüder, haltet den Glauben an Jesus Christus, unsern Herrn der Herrlichkeit, frei von allem Ansehen der Person.  2 Denn wenn in eure Versammlung ein Mann käme mit einem goldenen Ring und in herrlicher Kleidung, es käme aber auch ein Armer in unsauberer Kleidung  3 und ihr sähet auf den, der herrlich gekleidet ist, und sprächet zu ihm: Setze du dich hierher auf den guten Platz! und sprächet zu dem Armen: Stell du dich dorthin! oder: Setze dich unten zu meinen Füßen!,  4 ist's recht, daß ihr solche Unterschiede bei euch macht und urteilt mit bösen Gedanken?  5 Hört zu, meine lieben Brüder! Hat nicht Gott erwählt die Armen in der Welt, die im Glauben reich sind und Erben des Reichs, das er verheißen hat denen, die ihn lieb haben?  6 Ihr aber habt dem Armen Unehre angetan. Sind es nicht die Reichen, die Gewalt gegen euch üben und euch vor Gericht ziehen?  7 Verlästern sie nicht den guten Namen, der über euch genannt ist?  8 Wenn ihr das königliche Gesetz erfüllt nach der Schrift: »Liebe deinen Nächsten wie dich selbst«, so tut ihr recht;  9 wenn ihr aber die Person anseht, tut ihr Sünde und werdet überführt vom Gesetz als Übertreter.  10 Denn wenn jemand das ganze Gesetz hält und sündigt gegen ein einziges Gebot, der ist am ganzen Gesetz schuldig.  11 Denn der gesagt hat: »Du sollst nicht ehebrechen«, der hat auch gesagt: »Du sollst nicht töten.« Wenn du nun nicht die Ehe brichst, tötest aber, bist du ein Übertreter des Gesetzes.  12 Redet so und handelt so wie Leute, die durchs Gesetz der Freiheit gerichtet werden sollen.  13 Denn es wird ein unbarmherziges Gericht über den ergehen, der nicht Barmherzigkeit getan hat; Barmherzigkeit aber triumphiert über das Gericht.

Exegetische (I.) und homiletische (II.) Hinweise

I.    Der Jakobusbrief ist weniger ein Brief mit einem konkreten Anlass als vielmehr eine paränetische Lehrschrift. Wie beispielsweise das Matthäusevangelium richtet sich der Jakobusbrief an eine jüdisch-christlich geprägte Gemeinde. Die Entstehung des Briefes wird diesem Umfeld zuzuordnen sein. Der Jakobusbrief wendet sich an Christen, die ihren Glauben bewähren sollen. Die Katechese des Heils in Christus wird vorausgesetzt, das ist nicht das Thema des Jakobusbriefes . Dieser wendet sich vielmehr denen zu, die den Weg des „vollkommenen Gesetzes der Freiheit“ (Jak 1,25) gehen, eine Umschreibung für die Christusnachfolge. Die Intention des Jakobusbriefes besteht darin: „Erst das Handeln bringt den Glauben ans Ziel“ (Jak 2,22 Basisbibel). Es geht darum, den Glauben nicht nur im Herzen zu tragen, sondern in die Tat umzusetzen.

„Jesus Christus“ kommt explizit im Jakobusbrief insgesamt nur an zwei Stellen vor. Einmal ganz zu Anfang und dann zu Beginn von Jakobus 2,1-13. Der Predigttext zeigt Bewährungsfelder des in die Tat hineinmündenden Glaubens auf. Sie bündeln sich in dem, was Jakobus das „königliche Gebot“ nennt, das Gebot der Nächstenliebe. Sehr breit wird im ersten Teil des Predigttextes die Frage des Beurteilens nach äußeren Kriterien thematisiert. Es wird dargestellt, wie Reiche im Unterschied zu Armen in der Gemeinde behandelt werden, wenn das „königliche Gebot“ nicht beachtet wird. Das zweite Bewährungsfeld ist das Thema „Barmherzigkeit“. Das Thema wird im Blick auf das „Endgericht“ entfaltet. Niemand kann im Endgericht Barmherzigkeit erhoffen, der nicht selber Barmherzigkeit geübt hat.

II.     Ich habe verschiedene Übersetzungen des Predigttextes auf mich wirken lassen und habe mich dann für die Textfassung nach der „Neuen Genfer Übersetzung“ entschieden (http://www.ngue.info). Die gute Verständlichkeit und die plastische, bildhafte Sprache war für mich ausschlaggebend. Beim Thema Barmherzigkeit hilft mir das Gleichnis Jesu vom barmherzigen Samariter. Hier spreche ich in der Predigt die Konfirmanden direkt an, die heute der Gemeinde vorgestellt werden. Ich erhoffe mir, dass sie das Gleichnis Jesu aus dem Religionsunterricht kennen und durch die direkte Ansprache auf der Schlussetappe der Predigt noch einmal einen kleinen Anstoß bekommen, etwas genauer hinzuhören.

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„Gott gab uns Hände, damit wir handeln“, so singen wir es manchmal in einem Lied aus unserem Gesangbuch (432). Wenn Glauben nur eine Geisteshaltung ist, wenn Glauben nichts anderes als ein reiner Standpunkt ist, wenn Glauben nicht auch in die Tat umgesetzt wird, wenn das, was im Herzen ist, nicht auch in den Mund und in die Hände hineinfindet, dann stimmt etwas nicht. Das ist die Botschaft des Jakobusbriefs, der diese Tat-Dimension des Glaubens besonders betont: Glauben muss in die Tat umgesetzt werden. Es gibt unterschiedliche Bewährungsfelder des Glaubens, der in die Tat hinein drängt. Im 2. Kapitel des Jakobusbriefes werden zwei Bewährungsfelder des Glaubens benannt. Die Frage: Wie gehen wir mit Menschen um, die wenig Geld und Ansehen haben? Das andere Bewährungsfeld des Glaubens ist die Frage: Sind wir barmherzig genug miteinander?

(Lesung des Predigttextes)

„Ihr glaubt doch an Jesus Christus“, stellt der Briefschreiber ganz betont an den Anfang dessen, was er zu sagen hat. Das ist die Grundlage – Jesu Worte und Taten – das ist für uns Maßstab. Wenn wir zum Gottesdienst zusammenkommen, dann auch dazu, dass wir uns an Jesus Christus erinnern. Ein Liederdichter, Bernhard Schlaudt, hat es so gesagt (in: Wo wir dich loben, wachsen neue Lieder, Lied Nr. 21):

„Die Kerze brennt ein kleines Licht
wir staunen und hören „Fürchte dich nicht“
erzählen und singen wie alles begann,
in Gottes Namen fangen wir an.“

Erinnern, wie alles begann, erinnern, wer dieser Jesus war und was er gelehrt und gelebt hat – diese Erinnerung pflegen wir in unseren Gottesdiensten. Denn dieser Jesus war anders, dieser Jesus war revolutionär, er hat die Welt, besonders die Welt der Frommen, auf den Kopf gestellt. Er hat sich damit viele Gegner gemacht. Sie sagten: Wie kann er sich das erlauben? Aber viele sprach er an und das ist bis heute so. In einem Text von Josef Dirnbeck und Martin Gutl heißt es:

„Endlich einer, der sagt: “Selig sind die Armen!”
Und nicht: “Wer Geld hat, ist glücklich!”
Endlich einer, der sagt: “Liebe deine Feinde!”
Und nicht: “Nieder mit den Konkurrenten!”
Endlich einer, der sagt: “Selig, wenn man euch verfolgt!”
Und nicht: “Passt euch jeder Lage an!”
Endlich einer, der sagt: “Der Erste soll der Diener aller sein!”
Und nicht: “Zeige, wer du bist!”
Endlich einer, der sagt: “Was nützt es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt!”
Und nicht: “Hauptsache vorwärts kommen!”
Endlich einer, der sagt: “Wer an mich glaubt, wird leben in Ewigkeit!”
Und nicht: “Was tot ist, ist tot!”

„Meine Geschwister“ so beschwört der Autor des Jakobusbriefs geradezu seine Leser und Leserinnen, Hörerinnen und Hörer, „ihr glaubt doch an Jesus Christus“. Erinnert euch doch an seine Worte. Setzt das in die Tat um, was er euch vorgelebt hat. Wo war Jesus zu finden – nur in den „besseren Kreisen“? Nur bei der „High Society“, nur bei den Schönen und Reichen? Ja, richtig – bei denen war er auch. Er ist auch bei einem reichen Oberzöllner eingekehrt, er hat sich auch von wohl angesehenen Schriftgelehrten einladen lassen. Aber er war, so erzählen es die Evangelien, immer wieder bei denen ganz unten. Mit den Zöllnern und Sündern sitzt er zusammen, mit Verachteten, mit den Huren und Betrügern nimmt er gemeinsam das Essen ein und spricht zu ihnen von der Liebe Gottes, die gerade ihnen gilt. Ihr, liebe Geschwister, glaubt doch an diesen Jesus Christus. Wie könnt ihr dann die Reichen hoffieren und die Armen links liegen lassen?

Der Predigttext aus dem Jakobusbrief gibt das Thema vor: „Arm und reich“ und unser Umgang damit. Es steht der christlichen Kirche, der Gemeinde und auch dem einzelnen Christen gut an, sich mit diesem Thema zu beschäftigen und einen inneren Zugang zu den Menschen zu finden, denen Jesus in besonderer Weise die gute Nachricht von der Liebe und Nähe Gottes gebracht hat. Die, die benachteiligt sind, die, die am Rande der Gesellschaft stehen, die, die von Lebensmöglichkeiten ausgeschlossen sind. Während wir gerne die Augen verschließen vor der Not des anderen, werden unsere Augen hier geöffnet und der Blick geschärft. „Arme habt ihr allzeit um euch“, sagte Jesus einmal. Ja, das stimmt – und daraus sollte folgen, dass wir uns den Armen in besonderer Weise zuwenden. Dass wir den Menschen, die Mangel leiden, auf Augenhöhe begegnen, dass wir ihnen mit Respekt und Wertschätzung gegenübertreten. Wie wohltuend ist es für einen Menschen, der sonst wenig wertgeschätzt wird, wenn ihm Achtung, Interesse und Wohlwollen begegnen.

Seit jeher sind Kirchen immer Fürsprecher für die Armen gewesen. Nicht nur, dass sie die Armenpflege betrieben haben und Gelder für Arme sammeln und verteilen, sie sind auch immer wieder eine Stimme für die Armen und bilden eine Lobby für sie. Dass sie Lebensmöglichkeiten und Zukunft finden können. Denn gerade sie werden von Jesus „selig“ gepriesen, weil Gottes Zuwendung ihnen in besonderer Weise gilt. „Arme habt ihr allezeit um euch“. Der Jakobusbrief erinnert uns an die ganz eigene Würde derer, die in unseren Augen mangelhaft sind, die nicht mithalten können oder eben besonderes benachteiligt sind. Er erinnert die Christinnen und Christen an das königliche Gebot: „Liebe deinen Nächsten so wie du dich selber auch liebst“. Dein Nächster ist nicht nur der oben,
nicht nur der aus deiner Gesellschaftsschicht, nicht nur der aus den „geordneten“ Verhältnissen, sondern gerade auch der, der nicht glänzen kann, der bedürftig ist. Geben wir das, was wir geben können – und wir gehen in den Fußstapfen Jesu, so wie es uns aufgetragen ist.

Neben der Erinnerung an das „königliche“ Gebot der Liebe stellt der Autor des Jakobusbriefes noch die Aufforderung, dass wir miteinander doch etwas barmherziger sein sollen: „Wer selber barmherzig war, bei dem triumphiert die Barmherzigkeit über das Gericht“, heißt es am Ende unseres Abschnitts. Barmherzigkeit von Gott erfahren und selber etwas barmherziger sein und werden, das ist ein Wirken des Geistes Gottes. Der Apostel Paulus spricht in einem seiner Briefe von der Frucht des Geistes (Galater 5,22): Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Selbstbeherrschung. Dem anderen Menschen barmherzig begegnen, das bedeutet ihm in dieser Geisteshaltung zu begegnen mit Liebe mit Geduld und Freundlichkeit, mit Güte. Und wie ist das mit dem Arbeitskollegen, der mich ständig stichelt? Wo ich sofort zusammenzucke, wenn ich ihn nur schon von ferne höre? An einer Stelle im Jakobusbrief heißt es: „Wem es an Weisheit mangle, der bitte Gott, dass er ihm Weisheit schenke“ (1,5). Fehlt es an Barmherzigkeit, fehlt es an Geduld, können wir dasselbe tun.

Urbild der Barmherzigkeit ist der barmherzige Samariter. Ihr Konfirmanden werdet diese Bibelgeschichte wohl aus dem Religionsunterricht kennen, es ist eine sehr bekannte Geschichte. Barmherzigkeit beim Samariter bedeutet: Sich die Not des anderen nahe kommen lassen: Nicht vorbeigehen und nicht vorbeisehen an der Not des anderen Menschen und dann das Notwendige tun. Eben das, was die Not wendet. Unter Umständen Eigenes zurückstellen um anderen hilfreich und segensreich zu sein. Nicht alle Not der Welt auf einmal lösen, darum geht es nicht, sondern dem Menschen helfen, der mir vor die Füße „gelegt“ ist. Diejenige Person, die jetzt meine Hilfe, meine Unterstützung, meine ganze Gegenwart und Zuwendung braucht. „Barmherzig und gnädig ist Gott der Herr“, sagt ein Psalmwort (103,8). Wir bitten Gott, dass wir, die wir Gottes Barmherzigkeit erfahren dürfen, selber den Weg der Barmherzigkeit gehen, den Weg den Jesus uns vorgezeichnet hat: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“.

 

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Ein Kommentar zu “Bewährungsfelder

  1. Pastor i.R. Heinz Rußmann

    Die Nächstenliebe zu den Armen und die christliche Barmherzigkeit zu den Mitchristen stehen im Zentrum dieser Predigt. Durch eingestreute Texte und durchgehend sehr gute Formulierungen wird das zentrale Thema lebendig und plastisch vermittelt. Aktuelle Bezüge über Diakonie bis zum Raubtierkapitalismus gegen die Armen heute könnte man man gut in diese Predigt einfügen; vgl. DtPfrbl 8/2012 S.459.

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