Von langer Hand vorbereitet

Weihnachten wird es auch, wenn wir nicht vorbereitet sind

Predigttext: Hesekiel 37,24-28
Kirche / Ort: Evangelische Gemeinde / Mannheim-Feudenheim
Datum: 24.12.2012
Kirchenjahr: Christnacht
Autor/in: Pfarrerin Dorothee Löhr

Predigttext: Hesekiel 37,24-28 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)

So spricht der Herr:
Mein Knecht David soll ihr König sein
und der einzige Hirte für sie alle.
Und sie sollen wandeln in meinen Rechten
und meine Gebote halten und danach tun.
Und sie sollen wieder in dem Lande wohnen,
das ich meinem Knecht Jakob gegeben habe,
in dem eure Väter gewohnt haben.
Sie und ihre Kinder und Kindeskinder sollen darin wohnen für immer,
und mein Knecht David soll für immer Fürst sein.
Und ich will mit ihnen einen Bund des Friedens schließen,
der soll ein ewiger Bund mit ihnen sein.
Und ich will sie erhalten und mehren,
und mein Heiligtum soll unter ihnen sein für immer.
Ich will unter ihnen wohnen und will ihr Gott sein
und sie sollen mein Volk sein, damit auch die Heiden erfahren,
dass ich der Herr bin, der Israel heilig macht,
wenn mein Heiligtum für immer unter ihnen sein wird.

Hinweise zur Liturgie und Predigt:

Die Lesung der Weihnachtsgeschichte wird eindringlicher, wenn sie nach der Predigt geschieht, als Höhepunkt der Begegnung, (so wie ja auch das Abendmahl durch die Predigt vorbereitet wird.)

Die Idee von Gottes Kommen in drei Aggregat-Zuständen passt vermutlich auch zu anderen Predigttexten.

 

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Friede sei mit euch, denn euch ist heute der Heiland geboren! Seid ihr bereit für dieses Ereignis? Sind alle Vorbereitungen zur Zufriedenheit also friedlich verlaufen? Oder war wieder alles ein großer Stress? Unsere Vorbereitungen für das diesjährige Weihnachtsfest fingen vielleicht vor einem Monat an, bei manchen Vielbeschäftigten auch erst ein paar Tage früher. Jetzt sind wir hier versammelt, um uns von Gott berühren zu lassen. Wie soll das gehen? Gott sei Dank, Gott selbst fing viel früher an, dafür zu sorgen, dass es bei uns Weihnachten werden kann. Weihnachten wird auch, wenn wir nicht vorbereitet sind, es lässt sich nicht aufhalten, es ist grenzüberschreitend, vielfältig und unaufhaltsam: Weihnachten hatte nicht nur einen Vorlauf von mindestens 9 Monaten, wie jede Geburt. Gottes Vorüberlegungen begannen am Anfang, sagt die Bibel: Am Anfang war das Wort, und das Wort wurde Fleisch, als die Zeit erfüllt war, das konnten auch Augustus und Herodes nicht verhindern. Dieses Ereignis wirkt nach bis heute. Zu Gottes wichtigsten Vorbereitungen gehören die prophetischen Verheißungen für das Volk Israel, aus dem Jesus stammt. König David ist einer der Vorfahren im Stammbaum Jesu. Ohne ihn, den Hirtenjungen aus Bethlehem, wäre Vieles an Weihnachten nicht so gekommen. Der Ort der Geburt nicht: Bethlehem war die Stadt Davids, deshalb musste Josef seine schwangere Frau dorthin mitnehmen, damit die römische Steuererhebung nicht durcheinander kam.

Aber ohne den König David im Stammbaum Jesu könnte man auch nicht die Konkurrenzangst des König Herodes verstehen: auf keinen Fall wollte er ein Königskind aus Bethlehem am Leben wissen und schickte seine Soldaten zum Kindermord nach Bethlehem. Zwischen diesen beiden heute für uns nicht mehr so wichtigen Königen, dem Augustus, der aus Finanzgründen Menschen zu Flüchtlingen machte, und Herodes, der seine Soldaten zum Morden brachte, wurde Jesus geboren, in die Welt also, wie wir sie kennen, in unsere grausame und gewaltsame Welt ist er gekommen. Damals politisch unwichtig und unscheinbar am Rande der Welt, in einem Kaff, das längst seine Bedeutung verloren hatte, denn David war ja schon lange tot, als Augustus in Rom und Herodes in Jerusalem die Macht hatten. Vergessen aber war David nicht. David galt als Gottesknecht, weil er den Tempel Gottes in Jerusalem ermöglicht, weil er Gottes Volk zusammengebracht hatte, wie er früher als Hirte die Schafe seines Vaters hütete, weil er zu seiner Zeit für Recht und Gesetz und Frieden sorgte.

Mag sein, dass König David in der Rückschau verklärt wurde. Zur Zeit des Propheten Hesekiel wäre das kein Wunder, denn damals ging es Israel definitiv schlechter als zu Davids Zeiten. Das Heiligtum war zerstört, das Volk zerstreut, die Führer im Exil, die Äcker verwüstet, die Olivenbäume, Weinstöcke und Feigenbäume gerodet. Nichts war von Dauer, das hatten die Hörer des Propheten unter Schmerzen, Leiden und Entbehrungen gelernt. Aber jetzt kam eine Botschaft, die sie aufhorchen ließ: Was sagt der Prophet über Jesus? Er ist dem David verwandt und doch viel mehr: er ist ein Hirte, weil er sein Volk zusammenhält, ein Fürst und ein Knecht zugleich, Fürst des Friedens, Knecht des Himmels, sein Königreich ist für immer, weil er das Heiligtum in seinem Volk erhält, für den ewigen Bund des Friedens einsteht und damit auch eine Wirkung nach außen garantiert, denn auch die Heiden sollen es erfahren, dass Gott hier handelt.

(Lesung des Predigttextes)

Gott wirkt, so habe ich in diesem zu Ende gehenden Jahr erfahren und gelernt, immer in drei verschiedenen „Aggregat-Zuständen“: fest, flüssig, gasförmig. Die feste Form muss für uns wieder flüssig werden, manchmal sogar gasförmig, damit sie bei uns Einlass findet. Weihnachten ist, wenn durch unsere Spende in Burkina Faso eine alleinerziehende Mutter mit Kind zur Schule gehen kann, um danach selbstständig die Friedensbotschaft lesen zu können, und ihr Kind an Leib und Seele genährt werden können. Die Spende ist festes Geld, das wir für weiche Mangos ausgeben, damit Schulen aus dem Gewinn gebaut werden. Aber der Spendenfluss wirkt nur, wenn er etwas in Bewegung setzt, was Fesseln sprengen hilft, wenn eine Frau befreit wird zur Weitergabe des Evangeliums in ihrem unmittelbaren Umfeld.

Die gasförmige Botschaft ist explosiv, sie sprengt Fesseln, der Geist weht, wo er will. Unmerklich verändert er uns. Er sucht sich überraschende Wege ohne vorhersehbare Ordnung. Er wirkt auch unter Heiden, vielleicht ist die Revolution in den arabischen Ländern, so eine überraschende Wirkung des Geistes. Sein Medium kann sogar das Internet sein, ein Bild, das weitergeschickt wird, auch wenn es offiziell verboten ist. Eine Botschaft, die den einzelnen erreicht, anhaucht und plötzlich mutig und widerständig macht, unabhängig von Stand oder Amt oder Tradition.

In flüssiger Form wirkt Gott z.B. durch die Taufe, das Wasser der Taufe ist das beste Bundeszeichen Gottes, es ist ein individuelles Bündnis, das den einzelnen Christenmenschen in die Gemeinschaft und Familie Gottes einfügt. In dieser Gemeinschaft fließt alles zusammen: Moral und Musik, Gebet und Abendmahl, Diakonie und Gottesdienst, das sind alles Formen des Friedens, durch die Gott wirkt. Die Taufe ist ein Zeichen der Freiheit und des Friedens. So wie das Volk Gottes durchs Wasser hindurch gerettet wurde aus der Gefangenschaft in die Freiheit, so wird der Täufling mit dem Wasser der Freiheit in Berührung gebracht und hat Zugang zu allem, was die Gemeinschaft Jesu Christi ausmacht. Das Taufwasser erinnert auch an ein anderes Bundeszeichen, den Regenbogen, der an der Grenze zwischen Chaoswassern und wieder auftauchendem, sonnigen Festland steht, dort wo Noah den ersten Altar errichtete. Hier, in der flüssigen Form des Wirkens Gottes, ist viel Gestaltungsfreiheit für uns, wenn Menschen sich zusammenschließen, beginnt etwas zu fließen, steter Tropfen höhlt auch den festesten Stein, es kann aber auch sein, dass mal etwas versickert und aufhört, dafür sprudelt es an anderer Stelle wieder. Immer bedient sich Gott der Menschen, die auf ihn hören und seinen Willen suchen.

Schließlich wirkt Gott auch im festen Aggregatszustand: in den Zeichen der Beständigkeit und Treue, in Institutionen, die im Idealfall  mehrere Generationen verbindet, wie ein Kirchengebäude, eine rechtlich geschützte Gemeinschaft mit festen durchsetzbaren Regeln und Rechten. Eine Organisation wie Brot für die Welt, die schon fast 70 Jahre alt ist. Die festen Formen des Wirkens Gottes sind oft erst mit der Zeit so gediegen und beständig geworden, mehrere Generationen haben daran mitgearbeitet bis diese Formen der Verkündigung gefunden wurden. Sie werden wertvoller, wenn sonst alles vergeht und gefährdet ist.

Alle drei Aggregat-Zustände sind wichtig, damit Weihnachten sein kann. Eine feste Kirche kann nur lebendig bleiben, wenn in ihr Menschen leibhaftig zur Taufe kommen und zusammenfinden, wenn sie etwas vor Ort in Fluss halten. Selbst die Institution Familie ist nur heilsam, wenn die Generationen sich gegenseitig achten, wie Gott das für sie vorgesehen hat. Aber es ist auch wichtig, auf den Geist von außen zu achten, auf die Zeichen, die Gott bei denen tut, die nicht dazugehören, noch nicht. Gott hat sich allerdings nicht damit begnügt, in geistigen Ideen durch die Welt zu wabern. Er ist in Fleisch und Blut gekommen, zum Anfassen, zum Spüren beim Lachen und beim Weinen. Er hat sich auch im Laufe der Zeit verankert in die bleibenden Strukturen unserer Welt. Seine Geburt ist die Grundlage unserer Zeitrechnung, sein Leben strukturiert unseren Jahreszyklus, seine Denkmäler und Kirchtürme gestalten die Landschaft, auch wenn sie schon lange nicht mehr die höchsten Türme der Städte sind, auch wenn nicht mehr jedes Kind in Deutschland weiß, was wir an Ostern, Pfingsten oder Weihnachten feiern, das Kirchenjahr, das staatlich geschützte Glockengeläut, die Institution Religionsunterricht sind relativ fest und versprechen Beständigkeit. Diese Verkündigungsformen sind wichtig und wertbeständig, wir sollten sie verteidigen. Sie verkrusten allerdings, wenn sie nicht von innen belebt werden. Dafür sind Christenmenschen da, die auftragsgemäß unterwegs sind und für Lebendigkeit sorgen.

Der ewige Gott verbindet sich mit unserer Lebendigkeit, er wird ein kleines Kind, das alles durcheinander bringt, er wirkt mileuübergreifend, er lockt die armen Hirten an, die in einem Palast niemals Eingang gefunden hätten, aber auch die Weisen aus dem Morgenland beugen vor ihm die Knie. Sie schicken nicht nur Geschenke, sie schicken nicht nur eine SMS, sie bleiben nicht virtuell, sie kommen leibhaftig. Gott gibt Menschen leibhaftig die Kraft, sich zusammenzuschließen, neue Wege zu probieren. Manchmal sprengt er auch etwas all zu fest Gefahrenes auf, indem jemand von außen alles in Frage stellt: Warum muss das so sein? Ist es wirklich Gottes Wille, dass alles beim Alten bleibt? Auch das Weihnachtsfest kommt in verschiedensten Formen. Für manch einen ist dieses Jahr alles genauso wie im letzten Jahr, für manche ist alles anders. Beides ist möglich. Denn Gott kommt in verschiedenen Formen.

Über den festen Aggregatzustand weiß der Prophet am wenigsten. Zu seiner Zeit ist wenig davon übrig. Ich glaube, selbst das Heiligtum, von dem er spricht, ist nicht nur das damals zerstörte Tempel-Gebäude, in dem sich die Generationen versammelten. Das Heiligtum ist Gottes Gegenwärtigkeit, wir sind sein Tempel, wir sind die lebendigen Steine, heilig ist alles, was Gott gehört und ihm dienstbar wird. Ihm dienen, heißt nicht unbedingt Steine schleppen sondern Gemeinschaft bauen, Visionen verfolgen, Zukunft entwerfen. An anderer Stelle sagt Hesekiel: Gott wird euch ein anderes Herz und einen neuen Geist geben und solche Leute aus euch machen, die Gottes Gebote halten und seinen Willen kennen! Denn sie sollen sein Volk sein, und er ihr Gott!

Auch der Bund des Friedens, von dem der Prophet spricht, ist nicht in Stein gemeißelt. Gottes Frieden steht auch nicht nur auf dem Papier der Bibeln, die im Schrank einstauben, sein Frieden ist auch nicht nur ein juristischer Pakt zwischen Staatsoberhäuptern. Gottes Frieden ist ein individueller Vertrag mit jedem einzelnen Christenmenschen. Der Einzelne, was er denkt, fühlt und tut, ist nicht nur ein Tropfen auf den heißen Stein, der einzelne ist wertvoll, denn steter Tropfen höhlt den Stein. Gott ist auch Geist, er wirkt in geheimnisvoller Weise und völlig unberechenbar in allerlei Fügungen und Irritationen, die uns ängstliche sicherheitsbedürftige Wohlstandsbürger durcheinander bringen können. Gott erwärmt steinerne Herzen, lässt Tränen fließen, stürzt in Abgründe, mutet uns schmerzhafte Veränderungen zu, sprengt die Ketten, die Menschen sich selbst und gegenseitig anlegen. All das ist von langer Hand vorbereitet von Gott selbst. All das dürfen wir jedes Jahr aufs Neue miterleben in drei Aggregatzuständen. Gott kommt zur Welt als Davidssohn, Knecht und Herr, als Friedenskind, als Schöpfer, als wundervoll wirkende Kraft, klein aber oho. Das ist wunderbar fest und sicher, es bringt in Bewegung, es ist voll des Geistes und der Kraft, hier und heute: Friede sei mit euch, denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr in der Stadt Davids.

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