“Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir”
Jahreslosung für 2013 A. D.
Predigttext: Hebräer 13,14 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)
Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.
Vorbemerkung: Die Jahreslosung kann an den in der Predigt bezeichneten Stellen gesungen werden (Vertonung s. unter “Neuigkeiten”). Geschieht dies unter Leitung eines Kantors bzw. einer Kantorin in der angegebenen Weise, so erübrigt sich ein “Üben”.
“Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.” Die Jahreslosung 2013 aus dem Hebräerbrief beginnt mit einer Negation, die zumal am Anfang eines Neues Jahres wenig hoffnungsvoll klingt: „Wir haben hier keine bleibende Stadt“
(Hören wir uns ein in die Melodie dieses ersten Teils der Jahreslosung und nehmen die Töne auf.)
„Wir haben hier keine bleibende Stadt“ – eigentlich eine Binsenwahrheit. Wir wissen es doch, es gibt hier auf dieser Welt kein Bleiben. Unser Leben hat seine Zeit. Es ist begrenzt. Das ist die Realität. Klingt in den Worten des Hebräerbriefes noch mehr an als eine bloße Feststellung? Vielleicht auch etwas Wehmut über die Vergänglichkeit unseres Lebens? Oder Trauer, wenn wir erleben, dass ein Mensch stirbt, dem wir verbunden sind? Oder die Frage nach dem „Warum“: Warum können wir nicht im vertrauten Umfeld bleiben, wo wir es uns doch so sehr wünschen? „Ich möchte’ ja so gerne bleiben“, heißt es in einem Lied („Hoch auf dem gelben Wagen“). Welcher Mensch möchte nicht gerne bleiben, nachdem er seinen Platz gefunden hat und es ihm gut geht! Sind wir nicht auf etwas Bleibendes aus, und ist solches Bestrebtsein nicht etwas Gutes? Bleibendes Miteinander. Dass Frieden erhalten bleibt und Menschen eine „Stadt“ haben, die ihnen Sicherheit gibt. Aber zwischen Bleiben und Bleiben gibt es einen Unterschied. Es gibt ein Bleiben im Sinne von Beständigkeit, Verlässlichkeit und Treue, und es gibt ein ungutes Stehenbleiben, Stagnation, Verhärtung, nichts geht mehr. Von Erich Fried stammt der Ausspruch: “Wer will, dass die Welt so bleibt, wie sie ist, will nicht, dass sie bleibt”. Die Worte aus dem Hebräerbrief, die uns im Neuen Jahr begleiten möchten, wissen um Veränderung, sie beschreiben im zweiten Teil, jetzt positiv, einen Weg der Hoffnung: „sondern die zukünftige suchen wir“.
(Singen wir dazu die Melodie.)
Zuweilen stehen bleiben, dürfen wir. Denn wir brauchen Atempausen auf unserem Weg, Haltestellen, Rastplätze, Wegzehrung, um wieder weiter gehen zu können. Aber das Weitergehen ist ein Suchen. Ziel ist – mit den Worten des Hebräerbriefs – die „zukünftige Stadt“. Damit ist symbolisch das himmlische Jerusalem umschrieben. Gemeint ist die Stadt Gottes, voll der Liebe, der Gerechtigkeit, des Friedens, der Fülle alles Guten, ein Kontrastbild zu dem seit Jahrtausenden umkämpften irdischen Jerusalem. Die Jahreslosung betont: Der Weg zur himmlischen Stadt führt nicht an dieser Welt vorbei, sondern mitten durch sie hindurch. Unsere Erfahrungen hier, die guten und die bedrängenden, unsere Ängste, Wünsche und Hoffnungen, gehen mit, sie bewirken unser Suchen. „Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.“
(Stimmen wir in die ganze Jahreslosung ein.)
Der Weg zur himmlischen Stadt ist ein Weg, der auf Gerechtigkeit und Frieden zielt, zur Achtsamkeit im Umgang mit der von Gott uns Menschen anvertrauten Erde. Auf diesem Weg zu gehen, bedeutet, “der Stadt Bestes” zu suchen, heißt, die Welt nicht verloren zu geben, weil Gott den Menschen einen Auftrag gegeben hat, sie zu “bebauen” und zu “bewahren” (1. Mose / Genesis 2,15). Es geht um ein beherztes Suchen. In solchem Suchen klingt Jesu Aufruf in der Bergpredigt an: “Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit…” (Matthäus 6,33). In Jesu Worten und Taten, seiner Zuwendung zu den Menschen in bedingungslosem Gottvertrauen, ist die zukünftige Stadt, die Welt, wie sie von Gott gemeint war, aufgeleuchtet. Dieser Lichtschein möchte unsere Wege im Neuen Jahr erhellen. Jesus erinnert uns an ein Bleiben, das uns gute Wege weist: “Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht” – “Bleibt in meiner Liebe” (Johannes 15,5.9). In diesem Sinn möchte ich mit Philipp Spitta in das Gebet mit einstimmen (Ev. Gesangbuch 409): “Bei dir, Jesu, will ich bleiben”.
(Singen wir diese Liedzeile – die letzten drei Töne weichen von der Originalmelodie etwas ab.)
Der Vierviertel-Takt der Melodie zur Jahreslosung 2013 möchte auf ein zuversichtliches (Weiter-)Gehen im Neuen Jahr einstimmen. Es ist ein Gehen: im Vertrauen auf Gott „weiter gehen“ und dabei sich bewusst werden, dass wir mit unserem Gestern und Heute unterwegs sind in das Morgen, wartend und auf der Suche, voller Wünsche und Sehnsucht und bestrebt nach dem, was bleibt (so ist das griechische Wort zu verstehen, das meist mit „suchen“ übersetzt wird). Der Hebräerbrief gebraucht dafür das Bild vom „wandernden Gottesvolk“, Gottes Töchter und Söhne auf dem Weg in die Zukunft Gottes, die jetzt schon als das eigentlich „Bleibende“ aufleuchtet in Glaube, Hoffung und Liebe.
Durch den zweiten Teil der Jahreslosung verliert der erste Teil seinen negativen Klang. Die Begrenztheit unserer Zeit macht unsere Lebenszeit hier kostbar. Die von Gott erbaute „himmlische Stadt“, Gottes verheißene „neue Welt“, ermutigt uns, zukunftsoffen und erwartungsvoll zu leben. Auf unseren Wegen in Stadt, Dorf und Land „soll“ – wie es im vorangehenden Zusammenhang der Jahreslosung heißt – „die geschwisterliche Liebe“ „bleiben“ (Hebräer 13,1), und zwei Verse nach der Jahreslosung hören wir: „Gutes zu tun und mit anderen zu teilen, vergesst nicht“ (Hebräer 13,16). Vielleicht liegt in solcher Gesinnung und solchem Handeln das Geheimnis, das uns von Zukunftsangst befreit und uns hilft, offen zu bleiben für Gott und „Jesus, seinen Christus, der gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit“ (Hebräer 13,8) bleibt.
(Singen wir jetzt die Jahreslosung einander zu, zuerst einstimmig, dann als zweistimmiger Kanon, danach zusammen mit der Liedzeile „Bei dir, Jesu, will ich bleiben“.)