„Dein Licht kommt“

Vision angesichts von Finsternis über den Völkern

Predigttext: Jesaja 60,1-6
Kirche / Ort: 69469 Weinheim - Hohensachsen / Evangelische Landeskirche in Baden
Datum: 06.01.2013
Kirchenjahr: Epiphanias
Autor/in: Pfarrer Christian Noeske

Predigttext: Jesaja 60,1-6 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)

1 Mache dich auf, werde licht; denn dein Licht kommt, und die Herrlichkeit des HERRN geht auf über dir! 2 Denn siehe, Finsternis bedeckt das Erdreich und Dunkel die Völker; aber über dir geht auf der HERR, und seine Herrlichkeit erscheint über dir. 3 Und die Heiden werden zu deinem Lichte ziehen und die Könige zum Glanz, der über dir aufgeht. 4 Hebe deine Augen auf und sieh umher: Diese alle sind versammelt und kommen zu dir. Deine Söhne werden von ferne kommen und deine Töchter auf dem Arme hergetragen werden. 5 Dann wirst du deine Lust sehen und vor Freude strahlen, und dein Herz wird erbeben und weit werden, wenn sich die Schätze der Völker am Meer zu dir kehren und der Reichtum der Völker zu dir kommt. 6 Denn die Menge der Kamele wird dich bedecken, die jungen Kamele aus Midian und Efa. Sie werden aus Saba alle kommen, Gold und Weihrauch bringen und des HERRN Lob verkündigen.

Exegetische und homiletische Hinweise zum Predigttext

Der Predigttext eröffnet im dritten Teil des Buches Jesaja (Tritojesaja) eine Heilszusage, die sich über drei Kapitel erstreckt (Kap. 60 – 62). Der Prophet spricht zu den Rückkehrenden aus dem Exil in Babylon. Die Rückkehr war noch nicht das erwartete Heil. Dieses steht noch aus und wird eher diesseitig verstanden, also Wohnen in Sicherheit und Wohlstand. Aber biblische Prophetie übersteigt hier, wie auch an anderen Stellen, die Realität. Den Menschen, die zerschlagen und gedemütigt am Boden liegen, wird zugerufen: Steht auf!

Das Dunkel ist nicht nur das politische und soziale Elend, sondern vielmehr das Dunkel der Gottesferne und die Ferne von der Weisung des Herrn. Eine interessante Entdeckung: Buber übersetzt Jes 60,1: „Erhebe dich, werde licht, denn dein Licht ist gekommen“. Es gibt ein perfectum propheticum, zu dem es in der Grammatik von Gesenius-Kautsch heißt: „Der Prophet versetzt sich so lebhaft in die Zukunft, dass er das Zukünftige als ein bereits von ihm Geschautes und Gehörtes beschreibt“. (Georg Eichholz, Herr tue meine Lippen auf Band 2, S.89)

Ich habe mich beim Verfassen der Predigt entschieden, ganz nah an der Ursprungssituation zu bleiben und spreche von der Kraft der Vision. Denkbar wäre auch eine Themenpredigt zu Licht, das aufgestrahlt ist in Jesus Christus, aber dann hätte ich mich wohl auf Jesaja 60 Vers 1 beschränkt. Ich bin in der Predigt nicht auf das Epiphaniasfest eingegangen, da dies in unserer Gemeinde keine Rolle spielt. Der Bezug auf das Dreikönigsfest, das in Baden-Württemberg zur Feiertagsregelung führt, wäre möglich, bietet sich aber eher bei einer Predigt über den Evangelientext Matthäus 2,1-12 an.

Literatur:  Gottesdienstpraxis Serie A  Band V 1, Gütersloh 1994 zum Predigttext.

 

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„Mache dich auf und werde licht, denn dein Licht kommt“ – kennen Sie diese Textzeile? Es ist ein Liedruf aus unserem Gesangbuch und der Zeit des Advents zugeordnet. Die Aufforderung, auf das Licht zu achten passt zu dem „Lichtmonat“ Dezember. Die Zeile „Dein Licht kommt“ nimmt das adventliche Thema der Erwartung auf. So wird dieser Liedruf auch gerne und oft in der Advents- und Weihnachtszeit gesungen. Was vielleicht nicht so bekannt ist: Dieser Text ist keine Erfindung eines Liederdichters. Es ist ein Vers aus dem hebräischen Teil unserer Bibel. Die Worte wurden vor etwa 2500 Jahren von einem uns unbekannten Propheten gesprochen. Dieser Prophet spricht zu den Heimgekehrten, die die Gefangenschaft im fernen Babylon hinter sich haben und nun mitten im Neuanfang in Jerusalem und im Land der Verheißung stehen. Was die Menschen dort in ihrer verlorenen Heimat antrafen, muss niederschmetternd gewesen sein. Zwei Generationen lang lag die Stadt und die Landschaft brach und öde. Die Städte und Orte entvölkert. Der Tempel nur noch ein Trümmerhaufen, die Stadt ohne Mauer preisgegeben. Eine Mammutaufgabe liegt nun vor den Neuankömmlingen, die nun vom Propheten diese aufmunternden Worte hören:

(Lesung des Predigttextes).

Ein schöner Spruch lautet: „Wenn du ein Schiff bauen willst, musst du die Leute nicht zum Baumfällen antreiben, sondern ihre Sehnsucht nach dem Meer wecken.“ Der Prophet verkündigt eine großartige Vision im Auftrag Gottes: Andere Völker werden von dem Licht, das über dir erstrahlt, angezogen. Ihre Könige eilen herbei, um den strahlenden Glanz zu sehen, der über dem heimgekehrten Volk aufgegangen ist. Karawanen aus allen Himmelsrichtungen kommen an, sie bringen die letzten Heimkehrenden mit sich und bringen ihre Reichtümer als Geschenke. Junge Kamele, Gold und Weihrauch, Schafe, goldene und silberne Schätze. Die prächtigsten Bäume des Libanons – Wacholder, Platanen und Zypressen – wird man in die Stadt bringen, um den Tempel damit zu schmücken. Stadt des Herrn werden sie dich nennen und Berg Zion, auf dem der heilige Gott Israels wohnt. In Zukunft ist jeder stolz, der dich gesehen hat, weil du so prächtig bist. Eine Generation nach der anderen wird sich über deine Schönheit freuen. Ich kann mir vorstellen, dass diese wunderbare Vision die Menschen beflügelt hat, ihnen Kraft gegeben hat für den schwierigen Neuaufbau nach der Katastrophe. Hören wir vor diesem Hintergrund unseren Liedvers, den Eingangsvers zu diesem Kapitel, dann bekommt er noch einmal einen anderen Klang. Mache dich auf! Wörtlich heißt es dort: Steh auf! Es ist, als ob einem Schlafenden zugerufen wird: Rappel dich auf! Pack den Tag, die Aufgabe, an.

Was ist es, was uns antreibt? Was ist es, was uns aus dem Bett steigen lässt? Es ist etwas, das wir uns vorgenommen haben, etwas, auf das wir uns freuen, oder etwas, das nötig ist, eine Aufgabe, eine Verantwortung. Der Blick in ihre Umgebung, der Blick auf ihre kargen Mittel, der Blick auf ihre traurige Vergangenheit könnte die Menschen lähmen, könnte sie dazu führen zu resignieren. Der unbenannte Prophet zeigt eine andere Richtung auf: Orientiert euch an der Zukunft, die Gottes Zukunft ist. Es sind Gedanken des Friedens und des Heils, die er für euch hat. Wo Gott ist, da wird es hell! Orientiert euch hin zu Gott! Es soll nicht düster bleiben. Darum spricht der Prophet seinen Weckruf: Steh auf! Lass es bei dir hell werden, denn das Licht Gottes geht auf über dir! Verschließe dich nicht! „Bei dir, Gott ist die Quelle des Lebens und in deinem Licht sehen wir das Licht“, so streckt euch aus nach der Quelle des Lebens! Öffnet euch dem Licht, das scheint,  und werdet selber durchscheinend für dieses Licht. Beides gibt Kraft: Das sich Ausstrecken hin zu Gott und die Vision, die Vorstellung von dem, was werden wird.

Wir haben ein Bibelwort aus der hebräischen Bibel vor uns. Wo in dieser wunderbaren Vision vom aufgehenden Licht Gottes kommen wir vor? Wo ist unser Ort in jener Stadt unter dem Glanz Gottes, zu der die Völker der Welt ziehen? Schließlich ist ja Israel angeredet und nicht wir. Die Bewohner Jerusalems sind gemeint und nicht wir. Da ist es gut, sich zu erinnern an die Weihnachtsgeschichte und die Botschaft des Engels: „Siehe ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird“. „Alles Volk“, alle Menschen sind im Blick. Später wird der Apostel Paulus das Evangelium rühmen, das eine Kraft Gottes ist, die jeden rettet, der auf Gott vertraut. An erster Stelle die Juden, dann die Griechen, damit sind alle Nichtjuden gemeint, also auch wir. In und mit und durch Christus sind wir hineingenommen in den Bund Gottes mit seinen Menschen. Was wir zu Anfang gehört haben, von der Dunkelheit, die über den Völkern liegt und dem besonderen Licht, das über ihnen aufgeht, hören wir als Hinweis auf den, der von sich sagt: „Ich bin das Licht der Welt, wer mir nachfolgt wird nicht im Finstern seinen Weg gehen, sondern wird das Licht des Lebens haben.“ Durch Christus gehören wir zu den Völkern, die zum Licht ziehen. Wir können uns einreihen und wiederfinden bei denen, die die Herrlichkeit des Herrn suchen. Manche Ausleger verstehen die Finsternis, von der in unserem Text die Rede ist, als die Ferne von der Weisung des Herrn. Wer die Weisung des Herrn nicht kennt, der geht seinen Weg im Dunkeln. Hell wird es da, wo Menschen nach Gott ausstrecken und seine Weisung annehmen. Denn Gott lässt sich finden von denen, die ihn ernsthaft suchen.

Gottes Licht scheint in die Finsternis. In der heutigen Schriftlesung hörten wir von den Sterndeutern, die die Ankunft des besonderen Kindes in den Sternen abgelesen hatten und kamen, um ihm zu huldigen. Edle Geschenke brachten sie ihm. Sie gehören auch zu jenen, die aus der Dunkelheit aufgebrochen sind und die Weisung Gottes gesucht und gefunden haben. Was bringen wir mit auf unserem Weg zum Licht? Wir können wenig aufweisen, wenig Weihrauch der Gerechtigkeit, wenig Gold der Liebe, wenig Silber der Barmherzigkeit. Aber was wir bringen sind unsere leeren Hände, die wir hinhalten, dass sie gefüllt werden, unsere engen Herzen, die weit werden sollen, unsere Sehnsucht, unsere Bereitschaft, uns auf Gott einzulassen. – Gedanken einer 16 jährigen: Jedes Menschenleben ist wie ein Puzzlespiel. Gott hat viele verschiedene Puzzlespiele, aber er gibt dem Menschen nur eine bestimmte Anzahl von Puzzlesteinen. wir beschäftigen uns lebenslang mit den Puzzleteilen, versuchen, sie zusammenzulegen. Aber das Motiv, normalerweise auf dem Deckel abgedruckt, fehlt uns. So beschäftigen wir uns lebenslang mit einem unvollständigen Puzzle. Es gibt Menschen, die vergessen das Puzzle einfach. Manche gehen an der Unlösbarkeit zugrunde, andere halten durch und bringen eine Anzahl von Teilen zusammen. Manche fragen, wo die restlichen Teile sind, andere glauben, es zu wissen. Eines Tages bekommen wir alle fehlenden Puzzleteile. Eines Tages erblicken wir das Motiv. – Mache dich auf, steh auf, immer wieder! Dein Licht kommt!

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2 Kommentare on “„Dein Licht kommt“

  1. Pastor i.R. Heinz Rußmann

    Die beflügelnde Vision wird In dieser Predigt zuerst auf die Situation der Israeliten in der Verbannung bezogen. Der Prophet (“Tritojesaja”) hat die großartige Vision ja den Verbannten in Babylon verkündet, nicht uns. Das stellt Pfarrer Noeske zuerst klar heraus. Aber durch die Weihnachtsbotschaft und durch Christus gehören wir zu den Völkern, die zum Licht ziehen. In lebendiger Sprache werden die Hörenden hineingezogen in den Weckruf Gottes: “Rappel dich auf! Pack die Aufgabe des Tages an!” Im Gegensatz zu den Heiligen Drei Königen sind unsere Geschenke für Jesus eher mager. Aber unsere Sehnsucht, uns auf Gott einzulassen zählt. Mit dem Bild, dass die Puzzleteile uneres Lebens sich zusammenfügen werden und “Dein Licht kommen wird” schließt die eindrückliche und erfreuliche Predigt so ab, dass man ermutigt aufbricht ins neue Jahr.

  2. Dorothea Zager, Worms

    Herzlichen Dank, lieber Kollege Noeske, für diese Predigt, die Zuversicht und Hoffnung ausstrahlt! Eine kleine Ergänzung:
    Das Zitat, das Sie in der Einleitung Ihrer Predigt bringen, lautet korrekt: „Wenn Du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Männer zusammen, um Holz zu beschaffen, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre die Männer die Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer”, und es ist von Antoine de Saint-Exupery (Werk: Die Stadt in der Wüste / Citadelle).
    Herzliche Grüße und ein schönes Epiphaniasfest
    Ihre Dorothea Zager

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