„Cantate“

Singt von Gottes Gegenwart – Im großen Lied unseres Lebens vertrauen wir uns Gott an

Predigttext: Jesaja 12, 1 -6
Kirche / Ort: 47834 Elztal - Dallau / Ev. Landeskirche in Baden
Datum: 28.04.2013
Kirchenjahr: Kantate (4. Sonntag nach Ostern)
Autor/in: Pfarrerin Birgit Lallathin / Johannes-Diakonie, 74821Mosbach

Predigttext: Jesaja 12, 1 – 6 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)

Zu der Zeit wirst du sagen:
Ich danke dir, Herr, dass du bist zornig gewesen über mich und dein Zorn sich gewendet hat und du mich tröstest.
Siehe, Gott ist dein Heil. Ich bin sicher und fürchte mich nicht. Denn Gott der HERR ist meine Stärke und mein Psalm und ist mein Heil.
Ihr werdet mich Freuden Wasser schöpfen aus den Heilsbrunnen.
Und ihr werdet sagen zu der Zeit: Danket dem HERRn, rufet an seinen Namen. Machet kund unter den Völkern sein Tun, verkündiget, wie sein Name so hoch ist.
Lobsinget dem HERRn, den er hat sich herrlich erwiesen, solches sei kund in allen Landen.
Jauchze und rühme, du Tochter Zion, denn der Heilige Israels ist groß bei dir.

Hinführung zum Predigttext

Bei Rolf Rendtorff  findet sich zusammengefasst die wesentliche Botschaft der Sammlung Jesaja 1 – 12: „Die Sammlung Kapitel 1 – 12 will offenbar ein bestimmtes Bild des Propheten Jesaja entwerfen: Er ist einerseits der Prophet des Gerichts über Israel, über Jerusalem, über die führenden Schichten und über das Königshaus selbst; dabei steht im Mittelpunkt seine Begegnung mit dem König Ahas und sein vergeblicher Versuch, den König zum Festhalten an den göttlichen Verheißungen über Jerusalem und über das Königshaus zu bewegen (7, 1 -9) Andererseits ist er der Prophet des zukünftigen Heils für Israel, für Jerusalem und für die Dynastie Davids. Dabei wird deutlich erkennbar, dass diese Verheißungen erst nach der Erfüllung der Gerichtsankündigungen in Kraft treten werden, wie auch die Stellung der Verheißungsworte (2, 1 -5; 4,2 -6; 9,1 -6; 11, 1 -16) innerhalb der einzelnen Teilsammlungen zeigt…Aber mit dem Psalm in Kapitel 12 wird schon in eschatologischer Vorwegnahme das Danklied der Geretteten angestimmt; dabei wird betont das Wort „Jeschua“ „Hilfe“, „Heil“ wiederholt, (dreimal in Vers 2f) das deutlich den Namen des Propheten Jesaja („Jescha’jahu – JHWH hat geholfen“) anklingt“ (Rolf Rendtorff, Das Alte Testament, eine Einführung, 1983, S. 202f). Diese Gliederung ist hilfreich für die Predigtarbeit. Der Kontext des Jesaja muss zeitgeschichtlich begriffen, doch in seiner heilsgeschichtlichen Bedeutung als Evangelium erkennbar werden.

Christen des Jahres 2013 warten nicht auf einen leiblichen Spross des Königs Davids, sondern wir bekennen, Gott hat sich offenbart in Jesus Christus als menschgewordenem Heil. Ihn im Sinne einer überholten Theologie von „Weissagung und Erfüllung“ von Jesaja „vorausgesehen“ zu haben, verbietet heute der Respekt im jüdisch – christlichen Dialog und gemeinsamer Schriftauslegung. Es geht um die Kontinuität des Bekenntnisses zu Gott als Herrn der Geschichte. So auch Otto Kaiser: „Gottes Name ist Geschenk und Inbegriff seines geschichtlichen Offenbarungshandelns an Israel (vgl. 2.Mose 23,21) Er verbürgt Jahwes Gegenwart in der Welt. Verherrlichung seines Namens und Verkündigung seiner geschichtlichen Großtaten sind daher dasselbe“ (Otto Kaiser, Der Prophet Jesaja, Kapitel 1 -12, ATD 17, 1960, S. 135), Kapitel 1 -12, ATD und: „Das also wird das Ziel der Geschichte sein, die durch alle Gerichte ihrer Vollendung entgegengeht: Die Gegenwart Gottes in seiner Gemeinde (vgl. 1.Kor.15,24; Offb 21,3ff)“ (Otto Kaiser, ebd, S.136).

Nicht vorschnell dürfen die Worte des Propheten Jesaja in die Gegenwart übertragen werden, doch in unserem Bekenntnis und Lobpreis der Erlösten bekennen auch wir im zweiten, wie im ersten Bund, (AT wie NT) Gottes Heilshandeln über die Grenzen menschlicher Erfahrungsmöglichkeiten hinaus bis zum eschatologischen Heil. Deshalb ist es angebracht, für Christen den Jahres 2013 auf die diesjährige Jahreslosung hinzuweisen: Hebräer 13,14): „Wir haben hier keine bleibende Stadt, aber die zukünftige suchen wir. In der Komposition von Jesaja 1 -12 ist Kapitel 12 deutlich als geprägter Psalm, wie ein Chorschluss der glaubenden Gemeinde zu lesen. Die Predigt sollte dies durchaus betonen.

Am Sonntag Kantate, dem 28. April 2013 werde ich als Gastpredigerin und gleichzeitig Bezirksbeauftragte für Kirchenmusik in meiner Wohnortgemeinde einen Festgottesdienst mit reichhaltiger musikalischer Gestaltung durch Kirchenchor und Instrumentalgruppe und mehreren Ehrungen für langjährige Mitgliedschaft im Kirchenchor gestalten. Für die Gemeinde steht dieser Kasus im Vordergrund. Den Chor und die langjährigen Ehrenamtlichen zu würdigen ist meine Aufgabe. Genauso, den Kontext des Predigtwortes für die Gemeinde und den Chor erlebbar zu machen. Deshalb lege ich großen Wert auf die Bedeutung des Singens in der Gemeinde und in der Gemeinschaft, individuell wie auf die Gruppe bezogen. Auch meine Erfahrungen als Pfarrerin, die in der Arbeit bei Menschen mit Behinderung tätig ist (Johannes-Diakonie Mosbach) und erstaunliche Entdeckungen aus dem Bereich der Musiktherapie sollen nicht zu kurz kommen und beleuchten die große Bedeutung des Singens in der erlösten und bekennenden Gemeinde.

Schriftlesung : Matthäus 11, 25 – 30

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Singen, Musik ist die vielleicht wunderbarste Gabe, die Gott den Menschen geschenkt hat. Es gibt sogar Wissenschaftler, die behaupten, dass es der Gesang und die Musik ist, die Menschen zuerst von der Tierwelt unterschieden haben. Auf der Schwäbischen Alb wurde das vermutlich älteste Stück menschengeschaffener Kultur gefunden, in den Resten der Ausgrabung in uralten Höhlen, in denen Frühmenschen lebten: Es ist eine Flöte. Menschen schufen Töne, um sich daran zu erfreuen. Kulturwissenschaftler reisen um die Welt, um alte und uralte Lieder und Musik fast vergessener Völker aufzubewahren, als Kulturgut der Menschheit. Der Mensch, der Musik macht und singt, tut etwas völlig Wertfreies. Singen ist einfach nur schön. Es dient nicht der Nahrungsaufnahme oder der Arterhaltung, doch es macht den Menschen zum Menschen. Wer mit Kindern singt, sie früh an Melodien heranführt, prägt ihr Gehirn in entscheidender Weise. Gehirnforscher haben herausgefunden, dass Sprach- und Singzentrum im Gehirn völlig getrennte Bereiche sind. Zum Singen muss ich nicht „vernünftig“ oder intelligent sein. Es reicht, zu singen und getragen zu werden von Musik. Worte sind nur ein Medium. Schon bevor der Mensch sprachfähig war, hat er wahrscheinlich Töne und rhythmische Laute von sich gegeben.

In meiner Arbeit bei Menschen mit Behinderungen kann ich das nur bestätigen, dass Musik und Gesang nichts mit Verstand und Wissen zu tun haben müssen. Ich kenne eine Frau, die sehr musikalisch ist, aber fast gar nicht sprechen kann. Doch über die Musik, die sie sehr liebt, singt sie aus einem großen persönlichen Liederschatz vielstrophige Lieder, fehlerfrei! Ich kenne Menschen, die schwere Probleme haben, auf Menschen zuzugehen, die Angst haben vor Begegnungen, die aber wunderschön solistisch singen. Kurz: Singen ist eine große Gottesgabe. Sie alle können das bestätigen aus der Arbeit mit dem Kirchenchor. Sie gestalten Gottesdienste und Kirchenmusik, bei hohen Kirchenfesten, Konfirmationen, Hochzeiten oder extra Chortreffen. Das Fest wird gleich noch festlicher, als es eine Pfarrerin oder ein Pfarrer mit einer Predigt erreichen könnte. Sie singen auch bei Beerdigungen auf dem Friedhof – bei uns in Dallau ist das glücklicherweise und Dank Ihres enormen persönlichen Einsatzes immer noch möglich. Sie trösten über den Verlust eines Menschen, machen Hoffnung und Mut auf ein Weiter- und ein Überleben der Angehörigen. Da tun sie den besten Verkündigungsdienst, den sie in christlicher Gemeinschaft schenken können: Trost durch das gesungene Evangelium. Wie sagt man so schön: „Einmal gesungen ist wie zweimal gebetet“. Diese Gabe ist auch Gnade Gottes. Sie brauchen es nicht einmal selbstlos zu tun: Singen im Kirchenchor als wichtigem Pfeiler im Gemeindeaufbau schafft Gemeinschaft. Was wäre die Woche ohne Ihre „Singstund“? Mit anderen gemeinsam das Lob Gottes anzustimmen, schafft Gemeinde. Für nicht wenige Menschen ist Singen im Chor einfach auch Therapie. Aber vielleicht ist dieses Wort zu hoch gegriffen: Wir haben alle schon einmal erfahren, wie gut es tut, nach einem anstrengenden und belastenden Tag, mit manchem Kummer bedrückt, in Gemeinschaft zu singen. Das hat uns wieder froh gemacht, den Kopf befreit und neuen Mut gegeben.

Wir singen zum Lobe Gottes. Singen ist Bekenntnis. Im Judentum, auch im Islam, ist es tiefe Überzeugung, dass nur der ein Mensch ist, der Gott loben und bekennen kann. Da ist etwas dran, auch wenn der westliche, moderne Mensch sich da angegriffen fühlen könnte. So ist das große Danklied beim Propheten Jesaja entstanden. Jesaja stimmt zum Abschluss einer langen Folge von prophetischen Gerichtsworten über Israel und die Völker in seinem Umkreis, aber auch Heilsworten nach vollendetem Gericht und Berichten über das nicht korrekte Verhalten der Mächtigen in Israel, einen Psalm an. Eigentlich ist es nicht Jesaja, der hier prophetisch redet, sondern die Gemeinde, die seine Rede gehört hat, antwortet in einem Chorschluss auf seine Rede. In der Gemeinschaft aller Glaubenden ist es Rede und Antwort, so wie wir es auch dem Buch der Psalmen kennen. Psalmverse werden zitiert aus dem 105.Psalm. Der Lobpreis Gottes stellt die Geschichte der Welt in einen Zusammenhang mit Gottes Heilshandeln. Das Schicksal der Völker ist nicht zufällig, will Jesaja sagen. Gott ist Herr der Geschichte, nicht die, die sich auf der Erde mächtig fühlen. Es gibt einen Zusammenhang zwischen dem Tun und dem Ergehen der Menschen, ja der ganzen Völker. Gott ist der Gerechte. Das ist revolutionär. Zu Zeiten des Jesaja waren bei den Völkern damals die eigenen Götter jeweils dazu da, den eigenen König zu beschützen und ihm zum Sieg zu verhelfen, Dafür brachten die Priester Opfergaben dar. Im Kriegsfall kämpften eben die Götter gegen einander und der mächtigere setzte sich durch. Der Gott JHWH, den Jesaja als sein Heil bekennt, ist aber mehr. Er ist Herr der Geschichte, nicht nur eines Volkes. Und er ist EINER, nicht viele. Er hat einen großen Plan, dem alle Völker unterliegen. Und sein Ziel ist nicht Macht, sondern Gerechtigkeit. Deshalb verkündet Jesaja auch das Gericht über die, die sich gegen die Gerechtigkeit Gottes und seine Gebote stellen. Im Namen des Propheten ist das Wort „Hilfe“ und „Heil“ enthalten. Auf hebräisch heißt er „Jescha’jahu“ – JHWH hat geholfen.

Wer das Lob Gottes singt, bekennt den Herrn der Geschichte, der alles auf dieser Erde lenkt. Er erkennt sein Gericht an über diejenigen, die gegen seinen Willen und seine Gebote handeln. Und er bekennt den Retter, der sein zukünftiges Heil aller Welt offenbaren will. Großartige Worte findet der Prophet, der den Retter im Namen trägt, für das kommende Heil. Er singt: „ Das Volk, das im Finsteren wandelt, sieht ein großes Licht. Und über denen, die da wohnen im finsteren Lande, scheint es hell“.  Er besingt den „Friedefürst“, das „Kind, das uns gegeben ist“. Aus dem abgeschlagenen Stamm der Wurzel Isais wird ein neuer Zweig wachsen. Diese Worte begegnen uns in der Advents- und Weihnachtszeit, besungen in vielen wunderbaren Liedern. So, wie in unserem Predigtwort die singen, die Gottes Heilshandeln annehmen, und die sich dabei daran erinnern, wie Gott vor vielen Jahrhunderten das Volk aus der Sklaverei in Ägypten gerettet hat, so singen auch wir das Lob Gottes, der weit über unser menschlichen Leben und Erleben hinausreicht.  Er weiß mehr über uns als wir selber. Das ist auch gut so. Im großen Lied unseres Lebens vertrauen wir uns ihm an. Wir erwarten heute nicht einen Retter als einen Königssohn aus dem Hause Davids, wie es die Menschen vielleicht vor knapp dreitausend Jahren beim Propheten Jesaja getan haben. Wir erwarten keinen politischen Alleskönner, damit haben wir sehr schlechte Erfahrungen gemacht. Aber wir erwarten, dass Gott unser Leben in seine Hand nimmt, dass wir seiner Gerechtigkeit nachleben. Wir singen im großen Lobpreis von Gottes Gegenwart in unserem Leben. Wir wissen, mit den Worten der Jahreslosung dieses Jahres 2013, dass wir „hier keine bleibende Stadt haben werden, sondern die zukünftige suchen“ (Hebräer 13,14). Singen wir das, mit dem Lobpreis der Erlösten, die auf Gott, den Herrn, vertrauen. Und die so singen ihr Leben lang.

 

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Ein Kommentar zu “„Cantate“

  1. Pastor i.R. Heinz Rußmann

    Musik und Singen sind ein besonderes Geschenk Gottes. Lallen und rhythmisches Singen standen vermutlich schon ganz am Anfang der menschlichen Kulturentwicklung. Gemeinsames Singen heute in der Kirchengemeinde und im Gottesdienst schafft tiefe Gemeinschaft untereinander und mit Gott. Sie ist auch Seelsorge und Therapie. Der Predigttext des Jesaja singt das Lob Gottes und bekennt gleichzeitig Gott als Herrn der Geschichte, der alles lenkt. Wir erwarten, dass Gott unser Leben in die Hand nimmt. Wir singen mit dem Lobpreis der Erlösten unser Leben lang unserem Gott. Denn “Singen, Musik ist vielleicht die wunderbarste Gabe, die Gott den Menschen geschenkt hat”, so Pfarrerin Lallathin. Auf diesen Ton ist ihre ganze schöne Predigt zum Sonntag Kantate gestimmt. Interessant sind die Bemerkungen zum Sprach- und Singzentrum. Musik und Singen fördern jedenfalls schon bei Kindern das komplexe Denken und sind für die Bildung unerlässlich. Das Wichtigste aus der Predigt: Das Lob Gottes reicht weit über unser menschliches Leben und Erleben hinaus.

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