“Der Himmel ist nicht so hoch da oben”
Festtag Christi Himmelfahrt – Gottes Liebe erfüllt und durchdringt alles
Predigttext: Johannes 17, 20 – 26 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)
20 Ich bitte aber nicht allein für sie, sondern auch für die, die durch ihr Wort an mich glauben werden, 21 damit sie alle eins seien. Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir, so sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaube, dass du mich gesandt hast. 22 Und ich habe ihnen die Herrlichkeit gegeben, die du mir gegeben hast, damit sie eins seien, wie wir eins sind, 23 ich in ihnen und du in mir, damit sie vollkommen eins seien und die Welt erkenne, dass du mich gesandt hast und sie liebst, wie du mich liebst. 24 Vater, ich will, dass, wo ich bin, auch die bei mir seien, die du mir gegeben hast, damit sie meine Herrlichkeit sehen, die du mir gegeben hast; denn du hast mich geliebt, ehe der Grund der Welt gelegt war. 25 Gerechter Vater, die Welt kennt dich nicht; ich aber kenne dich und diese haben erkannt, dass du mich gesandt hast. 26 Und ich habe ihnen deinen Namen kundgetan und werde ihn kundtun, damit die Liebe, mit der du mich liebst, in ihnen sei und ich in ihnen.
Vorbemerkung
Hinweisen möchte ich auf die Predigthilfe von Prof. Dr. Wolfgang Ratzmann in den Göttinger Predigtmeditationen, 102. Jahrgang 2013/2, S. 250ff. Sie war mir einmal ein Hilfe und Anregung im Blick auf das Himmelfahrtfest in säkularer Gestalt (Vatertag) als auch bei der Frage: Wie kann man vom Himmel reden, auch und gerade ausgehend vom Predigttext aus dem Johannesevangelium, der kein klassischer Himmelfahrtstext ist, sondern Teil des Hohenpriesterlichen Gebetes Jesu, das die Abschiedsreden im Johev. abschließt. - Der Gottesdienst ist ein Gottesdienst im Grünen auf dem Fellbacher Kappelberg. Vor der Predigt wird das Lied „Wie lieblich ist der Maien“ (EG 501) gesungen.
Zur Liturgie
Lieder
„Ich singe dir mit Herz und Mund“ (EG 324)
„Wie lieblich ist der Maien“ (EG 501)
„Jesus Christus herrscht als König“ (EG 123)
„Komm, Herr, segne uns“ (EG 170)
Psalm 47
Lesung: Lukas 24, 50 - 53
„Wie lieblich ist der Maien aus lauter Gottesgüt, des sich die Menschen freuen, weil alles wenn grünt und blüht…“(EG 501). Ist das nicht herrlich! Dies frische Maiengrün. Ja, es zieht einen hinaus in die Herrlichkeit der Natur. Das tut der Seele gut. Sie tankt auf. Besonders hier im Freien. Der Blick in den Himmel, der Blick vom Berg ins Land, der Horizont, wo Himmel und Erde verschmelzen. Erhaben. Einfach herrlich. Ein Genuss. Das Himmelfahrtsfest lädt zum gemeinsamen Genießen ein. Darauf verweist die andere Bezeichnung des heutigen Tages als “Vatertag”. Es zieht die Menschen hinaus. Viele Männer – keineswegs nur Väter – wandern mit Bollerwagen und Proviant im Grünen, gehen miteinander, feiern zusammen, pflegen Gemeinschaft. Und auch viele andere Menschen genießen diesen frühsommerlichen Tag bei gemeinsamen Unternehmungen. Vatertag ist wohl einfacher zu verstehen als die Himmelfahrt Christi. Aber das Wort „Himmel“ weckt positive Gefühle und Sehnsüchte. Nicht umsonst verspricht manche Werbung himmlisch Gutes samt dem Himmel auf Erden. Frisch verliebte Liebespaare befinden sich im siebten Himmel.
“Himmel” drückt Sehnsucht aus. Sehnsucht nach Glück, nach Heimat, nach Geborgenheit. Sehnsucht nach Zufriedenheit. Sehnsucht, dass das Leben glückt und herrlich wird, dass es Gewicht bekommt. Sehnsucht nach Frieden. Freilich, ich spüre zugleich auch den großen Abstand. Weit weg ist der Himmel, verloren das Paradies. Ich spüre etwas das nicht da ist, oder doch oft nur einen kurzen Augenblick. Ich spüre auch und gerade den Mangel, die Leere, die Gewichtslosigkeit des Lebens. Vieles, das einem die Standfestigkeit nimmt. Darum sehne ich mich ja, weil mir etwas fehlt, das meinem Leben Gewicht und Bedeutung verleiht, das mich ganz ausfüllt. Man nimmt das viele Elend wahr, spürt oft eine Leere in sich selbst. Man nimmt die Einsamkeit wahr, die zerbrochenen Gemeinschaften und Beziehungen. Die Uneinigkeit, die zwischen Menschen besteht. Die Härten des Alltages, die es zu bewältigen gilt. Die Zukunftsaussichten sind nicht immer himmlisch, rosig und grün…. Die Erde ist oft so kalt, der Mensch in ihr oder auf ihr so hüllenlos, so schutzlos dieser Kälte und Härte ausgeliefert; es scheint, als gäbe es nichts, das ihn umgreift und birgt. Leben ohne Herrlichkeit, mit Zwietracht, ohne Liebe.
Vor etwa 2000 Jahren hat Jesus Christus die Welt verlassen – und: Alles blieb beim Alten!? Jedenfalls: Gescheit wurde die Menschheit wahrlich nicht. Die großen Fragen sind immer noch ungelöst; Hunger, Gewalt und Unfrieden prägen große Teile der Welt und das Leben der Menschen – wie schon damals und wohl auch noch weiter. War Jesu Leben, Sterben und Auferstehung vergebens? Sein Einsatz für das Reich Gottes, den Himmel auf Erden, ein Leben mit Gewicht und Bedeutung, in Würde und Freiheit. Macht die Himmelfahrt Jesu nicht alles noch härter, noch kälter? Hat sich Gott in ferne Himmel, weit, weit weg entfernt? Wer hält uns Menschen, wo auch immer wir sind und in welchen Zeiten auch immer wir leben, die Treue? Wer begleitet mich? Wer nährt die Hoffnung, dass es immer wieder Grünen und Blühen wird auf Erden, und auch in meinem eigenen Leben? Da setzt Jesus ein und antwortet mir. Mit seinen letzten Worten, sozusagen seinem Testament, ermutigt er: „In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden“ (Joh. 16, 33). So spricht Jesus, bevor er dann betet: „Ich bitte aber nicht allein für sie, sondern auch für die, die durch ihr Wort an mich glauben werden, damit sie alle eins seien. Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir, so sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaube, dass du mich gesandt hast. Und ich habe ihnen die Herrlichkeit gegeben, die du mir gegeben hast, damit sie eins seien, wie wir eins sind, ich in ihnen und du in mir, damit sie vollkommen eins seien und die Welt erkenne, dass du mich gesandt hast und sie liebst, wie du mich liebst“ .
Es ist die Herrlichkeit Gottes, die meinem Leben Gewicht, Kraft und Hoffnung gibt. Die mich standfest macht. Herrlichkeit heißt im Hebräischen kabod. Für dieses Wort gibt es mehrere Übersetzungen. Eine greife ich auf, weil sie mir weiterhilft, hilft dem Jesuwort auf die Spur zu kommen. Herrlichkeit: Wenn man bei einem reichen Bauern im alten Israel von seiner Herrlichkeit sprach, dann war es eine Herrlichkeit, die auf ihm ruhte wie ein schwerer Mantel, der ihm Festigkeit, Ruhe, Gewicht und Würde verlieh. Von diesem Wort im Hebräischen ausgehend kann man, die Herrlichkeit, um die Jesus bittet, verstehen. Seine Herrlichkeit, die er denen gibt, die ihm vertrauen. Seine Herrlichkeit, die dann meinem Leben Gewicht, Würde und Standfestigkeit verleiht. Hat mein Leben Gewicht und Würde, dann kann ich das auch anderen zu gestehen. Dass auch deren Leben Gewicht und Würde erhält. Dann wird die Herrlichkeit Gottes erfahrbar darin, dass die Menschen eine Solidargemeinschaft bilden, eins werden – nicht gleich, sondern eins. Dass sie sich verbunden wissen in Gott, in Jesus, in seiner Liebesgemeinschaft, die Freiheit und Unterschiede zulässt. „Und ich habe ihnen deinen Namen kundgetan und werde ihn kundtun, damit die Liebe, mit der du mich liebst, in ihnen sei und ich in ihnen.“ Es ist diese Liebe, die dem Leben hier auf Erden Gewicht und Bedeutung, Würde und Sinn gibt. Diese Liebe, die ich empfangen habe und für die Jesus lebte. Diese Liebe und Herrlichkeit, die Gott uns zukommen lässt, jeden Tag, mitten in dieser Welt, die jeden Abschied überdauert und nach vorne, in die Zukunft gestärkt und standhaft schreiten lässt. Diese Liebe, die den Himmel nicht nur aufschließt, sondern in auf Erden spürbar macht. Das hinterlässt Jesus seinen Jüngerinnen und Jüngern, bis heute und noch weiter. Von Wilhelm Wilms stammen das Gedicht:
„Weißt du wo der Himmel ist
Außen oder innen
Eine Handbreit rechts und links
Du bist mitten drinnen
Weißt du wo der Himmel ist
Nicht so tief verborgen
Einen Sprung aus dir heraus
Aus dem Haus der sorgen
Weißt du wo der Himmel ist
nicht so hoch da oben
Sag doch ja zu dir und mir
Du bist aufgehoben“.
Himmelfahrt – Jesus, Gott hat uns den Himmel nahegebracht. Als er auf Erden war, da war er uns fern, wäre er nicht in den Himmel gefahren, so wäre er uns immer noch fern – seit er uns fern ist , ist er uns nah, überall, allumfassend – eben der Pantokrator, der All-Herrscher, in dessen Bereich, wir leben und weben können Der Himmel steht uns überall offen – mit seiner ganzen Fülle. Gerade das verhilft einem in schwieriger Lage zur guten Aussicht. Ist eine Kraft gegen Resignation, gegen Mutlosigkeit. Kann die düsteren Wolken durchbrechen. Trotz alle dem. Wie eben auch der Anblick der Natur einen auf Gottes Fülle verweist – freilich ist sie, die Natur, die Schöpfung gefährdet – aber das ist ein anderes Thema. In einem Lied heißt es: „Freunde, dass der Mandelzweig wieder blüht und treibt, ist das nicht ein Fingerzeig, dass die Liebe bleibt?“ Oder auch der Apfelzweig, oder der Rebstock? Das Grün der Blätter…. Gottes Liebe, die alles erfüllt und durchdringt. Gottes Liebe, die Hoffnungskräfte weckt, das Herz stärkt, die müden und matten Glieder in Bewegung setzt und Menschen aufeinander zugehen lässt, Gräben und Mauern überwindet und eine Solidargemeinschaft schafft, wo einer den anderen trägt, in Bitte und Fürbitte, im Geist der tätigen Liebe. Da wird Himmlisches spürbar. Worte von Dom Helder Camara: „Hoffen heißt, an das Abenteuer der Liebe glauben, Vertrauen zu den Menschen haben, den Sprung ins Ungewisse tun und sich ganz Gott überlassen“. Im Wissen, im Vertrauen darauf, dass Jesus bei uns ist, für uns einsteht und betet zu jeder Zeit und an jedem Ort. Darauf zu hören und zu vertrauen, dazu ermuntert das Himmelfahrtsfest, auch zu guter Geselligkeit.
Das Wort Himmel weckt positive Gefühle und drückt Sehnsucht aus. Damit beginnt die Predigt von Pfarrer Bossert. Dazu passt das Mai-Grün und auch der “Vater”-Tag. Aber danach spricht der Prediger ungeschminkt ehrlich und ausführlich über die Kälte und das Elend und die Hoffnungslosigkeit unserer Welt. Auch macht er darauf aufmerksam, dass Jesus vor 2000 Jahren die Erde verlassen hat und nach Pfarrer Bosserts Überzeugung alle großen Fragen immer noch ungelöst sind und sich für ihn eigentlich nichts zum Guten geändert hat. Er fragt sogar: “Macht die Himmelfahrt Jesu nicht alles noch kälter?” – In der zweiten Hälfte der Predigt aber verkündigt er dann mit eehr überzeugenden, warmen Worten intensiv den Trost Jesu für jeden Glaubenden. “In der Welt habt ihr Angst, aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden!” Und aus dem Predigttext selbst betont und thematisiert er ausführlich die Herrlichkeit Gottes, die Jesus uns schenkt und “unserem Leben Gewicht, Kraft und Hoffnung gibt”. Sehr tröstlich ist auch das Gedicht von Wilhelm Wilms. Die Perspektive der Predigt wird zum Schluss hin immer größer, ermunternder und mitreissender. Sehr faszinierend für Christen: Christus ist “der Pantokrator, der All-Herrscher, in dessen Bereich wir leben und weben können”. Der kosmische Christus – wie man heute sagt. “Der Himmel steht uns durch ihn überall offen.” Auch die Natur im Mai und die Worte von Dom Helder Camara machen “Himmlisches spürbar”. – Nach dieser spannend aufgebauten und intensiven geistigen Wanderung vom Dunkel ans Licht wird der Zuhörende am Ende sicher aufatmen und ermuntert und im Glauben bestärkt seinen Lebensweg weiter gehen.