Trost

Worte aus Gottes Welt

Predigttext: Jesaja 43,1-7
Kirche / Ort: Lübeck-Travemünde
Datum: 07.07.2013
Kirchenjahr: 6. Sonntag nach Trinitatis
Autor/in: Pastor Hans-Dieter Krüger

Predigttext: Jesaja 43,1-7 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)

1 Und nun spricht der HERR, der dich geschaffen hat, Jakob, und dich gemacht hat, Israel: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein!
2Wenn du durch Wasser gehst, will ich bei dir sein, dass dich die Ströme nicht ersäufen sollen; und wenn du ins Feuer gehst, sollst du nicht brennen, und die Flamme soll dich nicht versengen.
3 Denn ich bin der HERR, dein Gott, der Heilige Israels, dein Heiland. Ich habe Ägypten für dich als Lösegeld gegeben, Kusch und Seba an deiner statt,
4 weil du in meinen Augen so wert geachtet und auch herrlich bist und weil ich dich lieb habe. Ich gebe Menschen an deiner statt und Völker für dein Leben.
5 So fürchte dich nun nicht, denn ich bin bei dir. Ich will vom Osten deine Kinder bringen und dich vom Westen her sammeln,
6 ich will sagen zum Norden: Gib her!, und zum Süden: Halte nicht zurück! Bring her meine Söhne von ferne und meine Töchter vom Ende der Erde,
7 alle, die mit meinem Namen genannt sind, die ich zu meiner Ehre geschaffen und zubereitet und gemacht habe.

Predigtüberlegungen

Text legt nahe, der Predigt seelsorgliche Akzente zu geben. Ein weiterer Punkt ist mein Versuch, das Prinzip "Verheißung und Erfüllung" deutlich zu machen. Drittens: Ich wollte nahe am Text bleiben um die wunderbaren Trostworte des Jesaja zur Wirkung kommen zu lassen. Die geschichtliche Situation habe ich nur insoweit angesprochen, wie sie für die Verkündigung fruchtbar gemacht werden konnte.

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„Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein!“ Das ist ein wunderbares Bibelwort. Wie oft ist es unseren Täuflingen zugesprochen worden, wie oft unseren Konfirmanden als Segensspruch mit auf den Lebensweg gegeben, wie oft wurde es anlässlich einer Trauerfeier den Angehörigen zum Trost! Kaum ein anderes Gotteswort beschreibt so klar unseren Glaubensgrund, gibt soviel Kraft und lässt unsere Hoffnung so groß und schön erblühen wie dieses.  Gerade dann, wenn es uns schlecht geht, wenn uns das Wasser bis zum Halse steht, wenn wir entmutigt sind, enttäuscht von Menschen, denen wir vertrauten, von Sorgen geplagt, von Ängsten umstellt: Gerade dann entfaltet dieses Wort seine Kraft und bringt einen tröstlichen Schein in unsere oft so kranken Herzen und ermatteten Seelen. Es ist bemerkenswert, dass Jesus einmal gesagt hat, dass die Gesunden keinen Arzt brauchen. Dagegen hat er ausdrücklich die Mühseligen und Beladenen zu sich gerufen. Sie will er mit seiner Gegenwart erquicken.

In einem humorvollen Gedicht in mecklenburger Platt erzählt Rudolf Tarnow von einem Predigtkandidaten, der seine erste Predigt zu Weihnachten halten soll. Thema: Die himmlische Botschaft: „Fürchtet euch nicht, denn siehe, ich verkündige euch große Freude, die allen Menschen widerfahren wird, denn euch ist heute der Heiland geboren.“ Der arme Kerl konnte allerdings seinen Text nicht vortragen. Er hatte ihn vergessen. Er stammelte immer nur den gleichen Satz: „Fürchtet euch nicht! Fürchtet euch nicht!“ Da platze einem Zuhörer der Kragen, und er rief durch die Kirche. „Wat hatt er denn? Wir fürchten uns doch gar nicht“! Alles andere ging in schallendem Gelächter unter. Diese für den Kandidaten peinliche, aber für die Zuhörer lustige Angelegenheit, bringt doch eine bemerkenswerte Erkenntnis: Wenn das Leben in normalen Bahnen verläuft, treten Ängste und Sorgen doch sehr in den Hintergrund. Vielleicht haben wir lange Zeit ähnlich empfunden, wenn wir über die Höhen des Lebens wanderten. Auf die Frage, wie es uns geht, konnten wir ehrlich antworten: „Danke, gut!“ Möglicherweise sind wir auch jetzt noch in der gleichen Gefühlslage. Wir sind einigermaßen gesund, haben keine Geldsorgen, und das Lebensglück ist uns gewogen.  Ich wünsche uns allen, dass wir zu diesem beneidenswerten Teil der Gesellschaft gehören. Dann sollten wir aber nicht vergessen, Gott dafür täglich unseren Dank auszusprechen

Aber wie schnell wendet sich das Blatt. Die Jahre fliegen dahin. Neben den schönen und guten Erfahrungen sammeln sich auch die negativen Dinge an, die uns belasten. Da ist manches misslungen. Da haben wir Fehler gemacht und sind schuldig geworden. Da stellen sich immer mehr Lebensängste ein. Wir erlitten Niederlagen, wir haben manchen enttäuscht und mussten selbst Enttäuschungen verkraften. Vielleicht haben wir immer mehr körperliche Beeinträchtigungen hinzunehmen oder werden sogar von ernster Krankheit bedroht. Und irgendwann spüren wir auch die Last des Alters. Wir werden nachdenklich, wenn wir die Todesanzeigen studieren und feststellen, dass die „Einschläge“ immer näher kommen. Diesem „Abendschatten“ entgeht niemand. Da stellt sich dann immer dringender die Frage, wie das mit dem Wasser ist, durch das wir eines Tages hindurchmüssen. Werden wir darin untergehen? Oder dürfen wir uns an die Verheißung des Propheten halten, der seinem Volk damals zurief:  „Wenn du durch Wasser gehst, will ich bei dir sein, dass dich die Ströme nicht ersäufen sollen”. Und was ist mit dem Feuer, von dem Jesaja spricht? Werden wir eines Tages ausgelöscht? Oder darf uns die Zusage des Propheten an sein Volk zur Hoffnung ermutigen, wenn er sagt: „Wenn du ins Feuer gehst, sollst du nicht brennen, und die Flamme soll dich nicht versengen”. Das sind Worte aus Gottes Welt, die der Prophet dem Volk Israel zuruft. Diesen Menschen stand das Wasser, bildlich gesprochen, wirklich bis zum Halse. Die Feuersnöte haben sie auch hautnah mitbekommen, teilweise erlitten, als der Tempel und ihre heilige Stadt Jerusalem niedergebrannt wurde und Tausende in den Flammen zu Tode kamen. Die hier Angesprochenen haben überlebt. Aber es ging ihnen nicht gut. Sie waren in Gefangenschaft, weit weg von der Heimat, gedemütigt, verachtet, verzweifelt, ohne Perspektive.

Welch ein Trost, welch ein Labsal für ihre Seelen sind da die Gottesworte des Jesaja. In diese Dunkelheiten hinein leuchtet ein heller Strahl der Hoffnung: Gott vergisst die Seinen nicht. Jesaja spricht vom Heiland und weist prophetisch auf  Jesus Christus hin. Er nennt das Lösegeld, durch das die Freiheit Israels erkauft wurde: Für ihn sind es damalig bekannte Länder gewesen: Kusch und Seba.  Für uns Christen ist es die Rettungstat auf Golgatha, die uns von Sünde und Tod erlöst hat. Wie groß, wie gut, wie barmherzig und wie großmütig zeichnet er sein Bild von Gott. Wer ist Gott? Wie ist Gott? Wie sieht Gott sein Volk? Wie begegnet er den Seinen? Der Prophet lässt Gott zu Wort kommen. Es ist eine beglückende, froh machende Botschaft: „Du bist in Gottes Augen wert geachtet. Du bist geliebt. Du brauchst dich nicht zu fürchten. Der Herr ist bei Dir”. Der Prophet weiß um die Hoffnung Israels, wieder zu einer Nation vereint zu werden und nach Hause zu kommen. Er greift sie auf und versichert im Namen Gottes, dass sie erfüllt wird. Im Nachhinein dürfen wir feststellen, dass seine Prophetie, wenn auch sehr spät, Wirklichkeit wurde.  Seine Botschaft strahlt aber über dieses nationale Interesse weit hinaus. Sie gilt letztlich der ganzen Menschheit. Sie nimmt im christlichen Glauben durch Jesus eine neue, überzeugende Gestalt an. In ihm erfüllt sich die Sicht des Propheten in einer Weise, die man nur als alle Grenzen sprengend, bezeichnen kann. In ihm werden die prophetischen Linien, die der Prophet genial skizzierte, zur Ausführung gebracht.

Vor einigen Wochen haben wir einen guten Freund zu Grabe getragen, den Pastor und Motorradfahrerseelsorger Peter Langenstein. Er hatte sich in der Zeit als Militärseelsorger bei einem Einsatz im Nahen Osten durch die giftigen Dämpfe angezündeter Ölquellen eine schwere, unheilbare Krankheit zugezogen: Lungenfibrose. Sie brach im Herbst 2009 aus und war gleichbedeutend einem Todesurteil. Der Arzt meinte, er habe noch drei Jahre zu leben. Unser Freund begann seinen Abschied vorzubereiten. Er baute zusammen mit einem Zimmermann seinen Sarg und bemalte ihn. Am Fußende waren Abdrücke der Hände seiner Angehörigen zu sehen. Darüber malte er einen blauen Strich. Das sollte der „Jordan“ sein, ein Bild für unsere Lebensgrenze. Über diesen Jordan würde er in absehbarer Zeit gehen müssen. Am Kopfende sah man ein großes Kreuz, dessen Längsbalken sich von Oben bis zum Fußteil hindurch zog. Immer wieder, besonders bei den vielen Motorradgottesdiensten, die er hielt, sprach er von seinem Lebensende und erklärte die Bilder auf seinem Sarg. Seine wichtigste Aussage: „Ich weiß, dass ich nicht mehr lange unter euch sein werde. Ich weiß aber auch, wo ich hingehöre und wo ich hin will. Ich will zum Kreuz. Ich will zu Jesus. Und da werde ich auch sein. Dort habe ich mein Zuhause. Nicht lange, dann werdet ihr mir nachkommen. Ich habe keine Angst vor dem Sterben. Ich kenne den, der mich erlöst hat und bei dem ich Heimat habe”. Seine Trauerfeier hat er selbst vorbereitet. Er hat die Lieder ausgesucht und zum Teil eigene Texte verfasst. Neben seinem buntbemalten Sarg war sein Bild aufgestellt. Darunter stand: „Freut euch mit mir. Ich bin zu Hause.“ Auf dem Liedblatt fanden wir auch sein letztes Glaubensbekenntnis: „Am Anfang meines Lebens war Gott. Hier, auf der Erde, ist Gott. Und dort, wo ich hingehe, wird Gott sein”. „Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein!“ Während der Trauerfeier ging mir dieses Wort ständig durch den Kopf. Wie schön, dachte ich, dass ich einem Menschen begegnet bin, der diesen Trost und diese Hoffnung so glaubensstark gelebt hat. „Du bist mein!“ Unverlierbar Gottes Eigentum zu sein, von ihm mit Namen gekannt, wert geachtet, gerettet, erlöst und auf ewig geliebt zu sein: Gibt es einen schöneren und größeren Trost für unsere zuweilen so verzagten Herzen?!  Hören wir das Lied, das Peter Langenstein für seine Abschiedsstunde auf die Melodie „Amazing Grace“ getextet hat:

„O großer Gott, erhöre mich, ich bitte: Steh mit bei!
Schenk Gnade mir, das hoffe ich, mach mich vom Bösen frei.

Dein Kreuz, an dem du für mich starbst, soll Vorbild für mich sein.
Die Liebe die du mir schon gabst, hilft andern zu verzeihn.

Behütet hast du mich, ob Herr, geführet bis hierher.
Sei weiter bei mir, lieber Gott, im Leben und im Tod.

Die Hände falt ich zum Gebet, o Herr, erhör mein Flehn,
schenk Gnade mir, damit ich leb  und lass mich ruhig gehn.

Den Freunden in der Näh und Fern, schenk ihnen deine Gnad;
wenn sie durch Sturm und Regen gehen, zeig ihn’ den rechten Pfad.

O Herr, nimm mich an deine Hand, wenn ich nun Abschied nehm.
Geleite mich ins Heimatland, wo wir uns wiedersehn”.

 

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2 Kommentare on “Trost

  1. Pastor i.R. Heinz Rußmann

    Du bist mein, spricht Gott. Diesen wahren Trost predigt Pastor Krüger mit sehr warmen und eindringlichen, lebendigen und faszinierenden Worten. Schon gleich zu Beginn seiner Predigt “läßt er die Hoffnung erblühen”. Als guter Seelsorger spricht er dann aber zwischendurch auch eindringlich die Hörer an, die scheinbar keinen Trost brauchen oder die verzagt sind. Damit es nicht zu bitterernst wird, fügt er einen Predigtscherz ein. Dann spricht er über die Wirkung des Trostwortes zur Zeit der Israeliten im Exil. Durch Jesus erleuchtet und erwärmt die beglückende Botschaft die ganze Menschheit. Denn durch Jesus werden damals wie heute “die prophetischen Linien, die der Prophet genial skizzierte zur Ausführung gebracht!” Als anrührende und bewegende Bekräftigung spricht der Prediger zum Schluß über die Beerdigung eines befreundeten Pastors und sagt: “Unverlierbar Gottes Eigentum zu ein, von ihm mit Namen gekannt, wert geachtet, erlöst und auf ewig geliebt zu sein: Gibt es einen schöneren und größeren Trost ?” – Eine stimmige Predigt zu einem der tröstlichsten Bibelworte.

  2. Sabine Becker

    Eine wunderbare Predigt, die die Gewissheit vermittelt stets bei Gott gut aufgehoben zu sein. Vielen Dank dafür!

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