Himmelsbrot der Liebe
Wenn man Jesus folgen würde gäbe es keinen Hunger
Lukas 9:10-17
Predigttext: Lukas 9,10-17 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)
Die Speisung der Fünftausend
10 Und die Apostel kamen zurück und erzählten Jesus, wie große Dinge sie getan hatten. Und er nahm sie zu sich, und er zog sich mit ihnen allein in die Stadt zurück, die heißt Betsaida. 11 Als die Menge das merkte, zog sie ihm nach. Und er ließ sie zu sich und sprach zu ihnen vom Reich Gottes und machte gesund, die der Heilung bedurften. 12 Aber der Tag fing an, sich zu neigen. Da traten die Zwölf zu ihm und sprachen: Lass das Volk gehen, damit sie hingehen in die Dörfer und Höfe ringsum und Herberge und Essen finden; denn wir sind hier in der Wüste. 13 Er aber sprach zu ihnen: Gebt ihr ihnen zu essen. Sie sprachen: Wir haben nicht mehr als fünf Brote und zwei Fische, es sei denn, dass wir hingehen sollen und für alle diese Leute Essen kaufen. 14 Denn es waren etwa fünftausend Mann. Er sprach aber zu seinen Jüngern: Lasst sie sich setzen in Gruppen zu je fünfzig. 15 Und sie taten das und ließen alle sich setzen. 16 Da nahm er die fünf Brote und zwei Fische und sah auf zum Himmel und dankte, brach sie und gab sie den Jüngern, damit sie dem Volk austeilten. 17 Und sie aßen und wurden alle satt; und es wurde aufgesammelt, was sie an Brocken übrig ließen, zwölf Körbe voll.
Vorbemerkung: Die Geschichte von der Speisung der Fünftausend ist sehr bekannt. Gleichzeitig ist sie rätselvoll und merkwürdig. Über dieses gewaltige kerymatische Wunder zu predigen ist sehr anspruchsvoll !
Exegetische Besonderheiten: Ungewöhnlich ist, dass die Speisung der Fünftausend in allen vier Evangelien vorkommt. Zusammen mit der Speisung der Viertausend gibt es den Text sechs Mal und sogar auch im Johannes-Evangelium. Lukas hat den Text des Markus konzentriert. Hinzugefügt hat er die Stadt Bethsaida. Sie liegt außerhalb des Gebiets von Herodes. Nach dem Tod von Johannes dem Täufer weicht Jesus offensichtlich einer Verfolgung durch Herodes aus. s.V.9 Das Wunder ereignet sich außerhalb der Stadt. Eine interessante Parallele zum AT ist: Mose ist mit dem Volk Israel auf der Flucht vorm Pharao. Jesus flieht mit seinen Jüngern nach Bethaida. Bei Mose gibt es Manna vom Himmel, bei Jesus Brot von Gott. Bultmann macht in seinem Johannes-Kommentar darauf aufmerksam, dass nach jüdischem Glauben der zweite Erlöser und Messias dem Mose und seinem Manna – Wunder in der Wüste entsprechen muss. Ein Ausleger vermutet, dass die frühe Christenheit einigen Religionen begegnete mit großen Wunderheilern.. Christen waren überzeugt , den größten Wunderheiler zu verehren. Fünftausend Gesättigte erscheinen ihnen plausibel. - In V 16 gibt es Anklänge an das Abendmahl. In den Versen 10 ( Missionstätigkeit der Jünger) und 11 ( Predigt Jesu und Heilung aller Heilungsbedürftigen) leuchtet etwas auf vom Reich Gottes. Insgesamt ist Jesus das Brot des Lebens. für den Hunger des Körpers auch nach Linderung und Heilung, besonders aber für die Seele: Er verbreitet das Reich Gottes , er heilt, und er sättigt die Seelen und Körper derer , die bei ihm sind.
Predigtüberlegungen und -Ideen: Über den Text zu predigen, ist besonders schwierig, denn ein gewaltiges Wunder steht im Zentrum : Sättigung von fünftausend Menschen durch fünf Brote! Dass Jesus viele Kranke geheilt hat, das ist einfach wahr. Über das Vermehrungswunder zu predigen ist nicht einfach.
Nach bekannten Predigten und für eine neue Predigt ergeben sich sehr verschiedene Schwerpunkte und Predigt-Themen: Während viele Wunder Jesu nach Eugen Drewermanns Kommentar zum Markus-Evangelium und in seinem zwei Büchern: Tiefenpsychologie und Exegese psychologisch und symbolisch sehr einleuchtend erklärt werden können, ist die Sättigung der 5000 schwierig zu predigen. Manche Predigten vermitteln eine exakt dogmatische und christologische Denkweise: als Mensch, aber eben auch als „wahrer Gott“ kann Jesus wie Gott mit Schöpfermacht Nahrung wie Manna für das Gottesvolk herbeizaubern oder Brot vermehren. Skeptiker aber sind schwer zu beeindrucken. Der Aufruf an die Jünger – mittelbar auch an uns Wohlhabende - zum Brot-Teilen mit Hungernden ist heute auch ein recht verbreitetes aktuelles Predigt-Thema aus dem Text. Es gibt ja Millionen von Hungernden heute und genug Nahrung auf der Erde alle zu sättigen. Wenn man Jesus folgen würde gäbe es keinen Hunger. Immer wieder ist es vorgekommen, dass hungernde Christen in der Not zusammengehalten und ihre verborgenen Vorräte geteilt haben und satt wurden. Beim Abendmahl erleben viele Christen durch ein winziges Brotstück, die Oblaten , eine Sättigung, welche die Seele berührt. Es gibt heute eine große Sehnsucht nach Religion. Was gibt es nicht alles an Psycho – und Meditationsgruppen, Esoterik, Yoga , Wellness ! Leider geht viel von der religiösen Suche an der Kirche vorbei. Klar ist weiter für Christen, dass nur Jesus den religiösen Hunger wirklich sättigen kann. Jesus ist das Brot des Lebens welches er verteilt, um viele zu sättigen an Körper und Seele und ihnen das ewige Leben zu schenken. Es geht also darum, den Lukas-Text mit dem Johannes-Text im sechsten Kapitel, besonders Joh 6,48-54 zu erweitern und zu vertiefen. Ohne Brot droht der Tod, ohne Nahrung gehen wir zu Grunde. Die Macht des Todes wird aufgehoben im Zeichen des Brotes, das sich vermehrt, wenn wir einander uns gegenseitig das Himmelsbrot von Jesu Liebe schenken. Jesus als Brot des Lebens müssten wir Christen mehr verbreiten. Dieses Predigtthema möchte ich vorschlagen.
Jesus ist das Himmelsbrot des Lebens und er verteilt das Brot des Lebens. Deswegen ist unser Predigttext sehr aktuell. Denn es gibt einen neuen religiösen Hunger in Deutschland. Hunger nach Religion, Sehnsucht nach geistiger Nahrung, Sinn-Findung und seelischer Heilung. Was gibt es außerhalb der Kirchen nicht alles an Psycho– und Meditationsgruoppen, Esoterik, Yoga, Wellness! Leider suchen zu wenige, in der Kirche ihren seelischen Hunger zu stillen. Für uns Christen ist Jesus immer wieder das Brot des Lebens. Klar ist, dass Jesus den Hunger seiner Zeitgenossen gestillt hat durch die Macht des Vertrauens, welches die Angst überwindet. Seine Nähe und Liebe sättigt unsere Sehnsucht nach wahrem Leben und nach Gott und macht uns froh und frei. Er hat schon damals das Reich Gottes der Liebe und des Friedens verbreitet, welches die Seelen und Körper nährt und heilt. Er schenkt unseren Seelen auch Nahrung für die Hoffnung auf ewiges Leben. Schon damals schickte er seine Jünger aus, das Reich Gottes zu verbreiten und viele vielfach Hungrige zu sättigen. Als er sich aber bei dem Ort Bethsaida zurückziehen will, folgen ihm viele Menschen. Er sammelt sie und er predigt ihnen von Gottes Reich mit vielen bewegenden Worten und Gleichnissen und heilt sie an Körper und Seele. Er ist dadurch das Brot des Lebens. Er sagt: „Zersorge Dich nicht! Bei mir bekommst, was Du zum Leben brauchst!“ Er war damals schon so bekannt und als Heiler ersehnt, dass fünftausend Menschen ihm in die Nähe vom Ort Bethsaida folgten. Jesus sprach zu ihnen bis zum Abend vom Reich Gottes und heilte sie. Wir können es uns vor Augen malen wie das geschah! Welcher geistliche Reichtum ist in dieser knappen Angabe enthalten!
Aber dann gibt es am Abend das Problem, dass die fünftausend Predigt-Hörer Nahrung gebrauchen. Ein Wunder geschieht. Fünf Brote und zwei Fische reichen aus, um die Menschenmenge zu sättigen. Wie kann man es verstehen und was kann man damit anfangen? Von Gemeindefahrten ist bekannt, dass bei Pannen und Verzögerungen alle satt wurden, als alle aus ihren Taschen alle mögliche Nahrung und Süßigkeiten hervorgekramt und wie ein Wunder bereitwillig geteilt haben. Für viele strenggläubigen Christen ist Jesus wahrer Mensch und wahrer Gott. Wie der Schöpfer kann er wie bei der Auferstehung Gottes Naturgesetze durchbrechen. Für mich ist Jesus das Brot des Lebens, welches wunderbar unsere Seele ernährt und unseren seelischen Hunger sättigt. Wie kann man sich das heute vorstellen? Jeder müsste jetzt mal kurz aufstehen und persönlich erzählen, wie Jesus mal für ihn ein rettendes Lebensmittel war! (Falls es Sie nebenbei interessiert: Ich wurde entschiedener Christ als Jugendlicher mit hungrigem Freiheitsdrang und vielseitiger Wahrheitssuche. Es ergab sich bei mir ein chaotisches Seelenleben. Jesus schenkt mir bis heute das Lebensbrot einer seelischen Mitte und eines sinnvollen und glücklichen Lebensprogramms.)
Wie Jesus nicht nur einzelnen besonderen Personen, sondern allen Menschen seelisch helfen kann, könnte man mit den modernen Psychologen Professor Friedemann Schulz von Thun, Fritz Riemann und der Gesundheitskommission der UNO so beschreiben: Es gibt im Wesentlichen vier Charakter-Typen von Menschen. Anders als die zwölf Typen der Horoskope kann jeder Psychologe und Menschen-Kenner den seelischen Schwerpunkt nach einem Vierer -Schema bei jedem Zeitgenossen weltweit präzise feststellen: Ordnungstypen wie die Pharisäer haben eine großen Hunger nach Recht und Ordnung , nach Gesetzen, nach Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit. Wenn ihr Hunger nicht gestillt wird, überfressen sie sich an ihrem Ordnungssinn. Sie werden dann einseitig und extrem rechthaberisch und erscheinen lebensfeindlich. Jesus schenkt ihnen genügend Ernsthaftigkeit und Gebote zur Sättigung. Du sollst Gott lieben und Deinen Nächsten von ganzem Herzen. Mit dem Nachsatz: Du darfst Dich genauso auch selbst lieben, eröffnet Jesus Freiheit. Der Ordnungstyp wird durch das Lebensbrot Jesu ein gesättigter lieber ganzer Mensch mit der Balance von Freiheit und Ordnung. Freiheitstypen, wie die Sünder und Gesetzlosen, die sogenannten leichten Mädchen und korrupten Zöllner haben einen großen Hunger nach Zügellosigkeit und Freiheit, so groß, dass ihr Leben nicht mehr gelingen kann.
Unruhe und Chaos im Alltag, Ablehnung durch die Normal-Bürger. Jesus schenkt ihnen das Brot des Lebens, indem er sie zunächst liebevoll akzeptiert. Dadurch lernen sie durch ihn, dass alle Gemeinschaften zum gegenseitigen Wohl nur mit verlässlichen Regeln und Geboten funktionieren können und mit Ruhe, Zuverlässigkeit und Gelassenheit. Der Nähetyp, der sich meistens massiv sozial engagiert, hat einen so großen Hunger nach Liebe und Nähe zu seinen Mitmenschen, dass er sie im Extremfall mit Liebesarmen ständig klammert . Im übertragenen Sinn nimmt er anderen die Luft zum Atmen. Jesus schenkt ihnen das Brot des Leben, dass sie ausreichend geliebt werden von ihm, von Gott und Menschen. Durch ihn lernen sie loszulassen, Autonomie und Selbstbewußtsein zu wahren, Intimität zu geben und zu nehmen, sich und die anderen so zu lieben, dass die Freiheit und Selbständigkeit der anderen erhalten bleibt. Ein Distanztyp wie manche Philosophen und Grübler hat einen zu großen Hunger nach Selbstständigkeit, Distanz und Alleinsein. Andere scheinen seine Freiheit und Kraft zu bedrohen. . Menschen, die ihm jovial auf die Schulter klopfen mag er nicht. So aber dann droht lebensfeindliche Einsamkeit. Jesus schenkt ihm das Brot des Lebens indem er ihm vorlebt, dass Jesus sich manchmal in die Einsamkeit zurückgezogen hat, um wieder mit Freude bei den Menschen zu sein. Die richtige Balance von Nähe und Distanz ist wie ein Lebensbrot und lässt unser Leben gelingen.
In allem hat Jesus vorgelebt, wie jeder – so unterschiedlich wir auch sind – nach Gottes Willen, zum Wohl der Menschen und mit eigenem Lebensglück leben kann. Am Schluss der Predigt fragen wir meistens, welche Konsequenzen wir aus dem Predigttext ziehen ? Was fangen wir mit dem Bibeltext an ? Als erstes sollten wir immer wieder etwas spenden für Brot für die Welt gegen den realen Hunger. Darüber hinaus hat der jüdische Religionsphilosoph Martin Buber mal wunderbar formuliert: „Menschen reichen einander das Himmelsbrot der gegenseitigen Anerkennung und Liebe.“ Wenn Jesus für uns das Brot vom Himmel ist, das unsere Seele ernährt und unseren Körper heilt, dann sollten wir das weitergeben. Im Umgang mit anderen Menschen könnten wir noch feinfühliger und mitfühlender sein. Zum Beispiel verstehen , warum jemand so garstig ist ? Er will wahrscheinlich nur seine liebebedürftige und sehr sensible Seele schützen. Man frage sich immer wieder im Sinne Jesu: Wie fühlt sich der andere? Was bewegt ihn? Was geht in ihm vor ? Worunter leidet er gerade? Was möchte er? Was glaubt er? Was sind seine Absichten und Ziele? So könnten wir das Himmelsbrot von Jesus weitergeben und viele sättigen. Ein wenig wie Jesus könnten wir mit unseren Nächsten umgehen. So geben wir das Brot weiter, welches dem Nächsten die Freude am Leben bringt! Jesus ist das Himmelsbrot der Liebe und möchte, dass wir es weiterverteilen.
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Diese Predigt überwältigt den Leser durch die vielen Aspekte, die darin verarbeitet sind. Die verschiedenen Auslegungsmöglichkeiten gefallen mir. Es ist eine theologisch und intellektuell anspruchsvolle Predigt, die fast alle auftretenden Fragen bearbeitet. Ein hervorragendes Beispiel moderner Predigtarbeit, die besonders eine gebildete Gemeinde fasziniert.