Ein Gott der Lebenden
Totensonntag oder Ewigkeitssonntag - Was ist mit unseren Toten? Was bestimmt unser Vertrauen auf unserem Lebensweg? Was bedeutet uns die Botschaft von der Auferstehung der Toten?
Predigttext: Matthäus 22,23-33 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)
23 An demselben Tage traten die Sadduzäer zu ihm, die lehren, es gebe keine Auferstehung, und fragten ihn 24 und sprachen: Meister, Mose hat gesagt: »Wenn einer stirbt und hat keine Kinder, so soll sein Bruder die Frau heiraten und seinem Bruder Nachkommen erwecken.« 25 Nun waren bei uns sieben Brüder. Der erste heiratete und starb; und weil er keine Nachkommen hatte, hinterließ er seine Frau seinem Bruder; 26 desgleichen der zweite und der dritte bis zum siebenten. 27 Zuletzt nach allen starb die Frau. 28 Nun in der Auferstehung: wessen Frau wird sie sein von diesen sieben? Sie haben sie ja alle gehabt. 29 Jesus aber antwortete und sprach zu ihnen: Ihr irrt, weil ihr weder die Schrift kennt noch die Kraft Gottes. 30 Denn in der Auferstehung werden sie weder heiraten noch sich heiraten lassen, sondern sie sind wie Engel im Himmel. 31 Habt ihr denn nicht gelesen von der Auferstehung der Toten, was euch gesagt ist von Gott, der da spricht : 32 »Ich bin der Gott Abrahams und der Gott Isaaks und der Gott Jakobs«? Gott ist nicht ein Gott der Toten, sondern der Lebenden. 33 Und als das Volk das hörte, entsetzten sie sich über seine Lehre.
Vorbemerkung
Im Gegensatz zu den Pharisäern, deren Konstruktion einer mündlichen Tora sie strikt ablehnten, erkannten die Sadduzäer nur die schriftliche Tora als verbindlich an. Damit hing zusammen, dass sie die Hoffnung auf eine zukünftige Auferstehung der Toten und auf eine endzeitliche Vergeltung für die Gerechten nicht teilten. Vielmehr waren sie Anhänger einer innerweltlichen Vergeltungslehre, d.h. sie rechneten damit, dass der Mensch von Gott bereits im irdischen Leben Lohn und Strafe erhält. So schärften sie die Eigenverantwortlichkeit des Menschen für sein Tun ein. (H.-F. Weiß, Art. Sadduzäer, TRE XXIX, 589-594. Bibelwissenschaft.de)
Wir Menschen haben verschiedene Meinungen, wir vertreten diese und möchten andere Menschen davon überzeugen. Es tut gut, wenn andere ähnlich denken wie wir. Aber es ist auch ein hohes Gut in Dorf, Stadt und Land, überall wo Menschen zusammen leben, wenn wir unterschiedliche Meinungen zulassen. Müsste dies nicht gerade für religiöse Fragen gelten? Dies scheint leider bis heute nicht immer der Fall zu sein. Aber schon Jesus erlebte eine Vielfalt von religiösen Vorstellungen, wie wir aus dem heutigen Predigttext erfahren. Die Sadduzäer gehörten zu einer religiösen Gruppe, die überzeugt war: Schon im irdischen Leben werden Lohn und Strafe zugeteilt, nicht erst in einem zukünftigen, jenseitigen Leben. Im Gegensatz zu den Pharisäern glaubten die Sadduzäer nicht an die Auferstehung der Toten. Verschiedene Meinungen in der Religion sind tatsächlich ein hohes Gut. Denn in der Auseinandersetzung mit der anderen Sichtweise finden wir zu unserer eigene Sicht, entscheiden uns bewusst dafür, welchen Weg wir gehen wollen, was uns im Leben bestimmt, was uns der Glaube, das Gottvertrauen, bedeutet, das Vertrauen, dass unsere Verstorbenen in Gottes Hand geborgen und versorgt sind.
Die an Jesus herangetretenen Sadduzäer begründen ihre kritische Ansicht, dass mit dem Sterben eines Menschen alles aus sei, mit einem Beispiel. Es war in der damaligen Gesellschaft für eine Frau unmöglich alleine, ohne Mann zu leben. Sie brauchte den Schutz des Mannes und der ganzen Familie, denn ihre Aufgabe war, für den Fortbestand der Familie zu sorgen, und dies hieß, Kinder zu bekommen. Starb ihr Mann, so war dessen Bruder oder nächster Verwandter verpflichtet, die Witwe zu heiraten und für den Weiterbestand der Familie da zu sein. Es war ein Versorgungssystem, das damals sehr gut funktionierte. Die Sadduzäer machten es sich dadurch schwer, dass sie ihr gesellschaftliches System gleichsam „in den Himmel“ transportierten. Wenn nun einer Frau mehrere Männer wegstarben – wessen Frau wird sie in der Auferstehung sein? Weil sie keine vernünftige Lösung erkennen konnten, sahen sie für sich keine Möglichkeit, an eine Auferstehung der Toten zu glauben. Sie pochten auf Logik, auf eine vernünftige Sichtweise.
Können wir die Sadduzäer verstehen? Gibt es heute ähnliche Argumente? Wo ist dieser Himmel der Auferstehung? Wo hat er seinen Platz im für uns unfassbaren Universum? Wissenschaftlich ist dieser Himmel nicht beweisbar. Dieses Argument stimmt. Seltsamerweise stimmt es genauso wie das Argument der Sadduzäer, sie entsprechen diesem Weltbild und dem aktuelle Stand wissenschaftlicher Erkenntnis. Wir winken vielleicht die Sichtweise der Sadduzäer auf Grund unseres Glaubens schnell ab. Aber könnte es nicht sein, dass in einer zukünftigen Zeit Menschen unsere heutigen Sichtweisen belächeln und abwinken? Wir müssen erkennen, dass ein Schwarzweißdenken zu einfach ist und zu falscher Erkenntnis führt.
“Ihr irrt, weil ihr weder die Schrift kennt noch die Kraft Gottes”, antwortet Jesus. „Du kennst die Bibel nicht“ – denken wir so nicht auch als Christinnen und Christen, wenn ein anderer Mensch anders glaubt als wir? Ist die Bibel nicht ein unerschöpfliches Buch, für das unser kurzes Leben gar nicht ausreicht, um es zu verstehen? Welch eine Fülle von Schätzen enthält es! Es ist gut, wenn wir uns immer wieder an „das Wort Gottes“ erinnern, wie jetzt in diesem Gottesdienst. Es geht im Alltag schnell verloren. Es ist eine unschätzbare Hilfe, wenn wir darüber immer wieder ins Gespräch kommen und uns darüber austauschen, was es für unseren Glauben und unser Leben bedeutet.
Jesus antwortet den Sadduzäern: “…in der Auferstehung werden sie weder heiraten noch sich heiraten lassen, sondern sie sind wie Engel im Himmel. Habt ihr denn nicht gelesen von der Auferstehung der Toten, was euch gesagt ist von Gott, der da spricht (2.Mose 3,6): »Ich bin der Gott Abrahams und der Gott Isaaks und der Gott Jakobs«? Gott ist nicht ein Gott der Toten, sondern der Lebenden.” Will Jesus uns damit nicht sagen: Es ist alles so anders, dass eure Vorstellungskraft dafür nicht ausreicht. Die andere Welt existiert, auch wenn dies unsere menschliche Vernunft und Logik nicht fassen können. Jesus nutzt unsere Vorstellung vom Himmel als Wohnstatt der Engel in der Welt der Auferstehung, wo die Auferstandenen willkommen sind wie die Engel, Gottes Boten.
“Die Auferstandenen sind wie die Engel” – wie reagierten die Menschen damals auf diese Botschaft Jesu? “Und als das Volk das hörte, entsetzten sie sich über seine Lehre.” “Habt ihr denn nicht gelesen von der Auferstehung der Toten, was euch gesagt ist von Gott, der da spricht (2.Mose 3,6): »Ich bin der Gott Abrahams und der Gott Isaaks und der Gott Jakobs«? Gott ist nicht ein Gott der Toten, sondern der Lebenden.” Heißt dies: Es gibt gar keine Toten? Gott spricht: “Ich bin der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs”. Gott sagt nicht: Ich w a r der Gott, sondern: Ich b i n der Gott von Abraham, Isaak, Jakob, ich bin der Gott von Sara, Rebekka, Lea und Rahel, euren Vorvätern und Müttern. Dann ist Gott auch der Gott von dir, ganz gleich, ob du Sadduzäer oder Christ bist, ganz gleich, welche religiöse Auffassung du teilst, ganz gleich, welche Weltanschauung du hast. Darum sind wir einbezogen in die Kraft Gottes, die unseren menschlichen Verstand weit übersteigt. Gott ist dein Gott. Gott war nicht nur dein Gott in deinem Leben hier, Gott ist und bleibt dein Gott über dieses Leben hinaus, so wie er der Gott der Mütter und Väter im Glauben ist und bleibt. Gott ist und bleibt dein Gott (hier können die Namen der Menschen genannt werden, die im Kirchenjahr 2012/13 verstorben sind). Darauf zu vertrauen, ermutigt uns Jesus von Nazareth, der den Tod überwunden und das Leben, das wahre und beständige Leben, ans Licht gebracht hat.
Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.
Gott ist und bleibt Dein Gott , in diesem Leben und über Dein irdisches Leben hinaus! Sehr couragiert, überzeugend und ohne langweilige Umwege predigt die Pfarrerin, stellt den eigentlich heute modernen Glauben der Sadduzäer den Hörern vor Augen und kommt zu Kern und Ziel ihrer tröstlichen Predigt zum Ewigkeits-Totensonntag: Deine Beziehung zum allmächtigen Gott hört auch im Tod und danach nicht auf.