Licht ins Dunkel unserer Welt bringen

Die Bedürfnisse in unserer Gesellschaft erkennen, benennen und an den Anliegen der Menschen orientiert handeln

Predigttext: 2. Petrus 1, 16-21
Kirche / Ort: 69226 Nußloch / Ev. Landeskirche in Baden
Datum: 09.02.2014
Kirchenjahr: Letzter Sonntag nach Epiphania
Autor/in: Pfarrerin Alexandra Mager

Predigttext: 2. Petrus 1, 16-21 (Übersetzung nach Martin Luther, Rev. 1984)

16 Wir sind nicht ausgeklügelten Fabeln gefolgt, als wir euch kundgetan haben die Kraft und das Kommen unseres Herrn Jesus Christus; sondern wir haben seine Herrlichkeit selber gesehen.
17 Denn er empfing von Gott, dem Vater, Ehre und Preis durch eine Stimme, die zu ihm kam von der großen Herrlichkeit: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.
18 Und diese Stimme haben wir gehört vom Himmel kommen, als wir mit ihm waren auf dem heiligen Berge.
19 Um so fester haben wir das prophetische Wort, und ihr tut gut daran, dass ihr darauf achtet als auf ein Licht, das da scheint an einem dunklen Ort, bis der Tag anbreche und der Morgenstern aufgehe in euren Herzen.
20 Und das sollt ihr vor allem wissen, dass keine Weissagung in der Schrift eine Sache eigener Auslegung ist.
21 Denn es ist noch nie eine Weissagung aus menschlichem Willen hervorgebracht worden, sondern getrieben von dem heiligen Geist haben Menschen im Namen Gottes geredet.

Vorüberlegungen und kurze exegetische Gedanken

Wo finde ich ein Licht in den Dunkelheiten meines Lebens? In unserem Leben gibt es viele dunkle Orte: Trauer, Zukunftsangst, Existenzangst, gescheiterte Beziehungen. Falscher Trost hilft da wenig. Häufig verändert sich erst dann etwas, wenn jemand mal ohne Rücksicht auf Verluste die Dinge beim Namen nennt und anpackt. Das kann man prophetisches Reden nennen. Prophetie und Hoffnung – das sind die wichtigen Themen der Gegenwart. Die Bedürfnisse in unserer Gesellschaft erkennen, benennen und an den Anliegen der Menschen orientiertes Handeln.

Der 2. Petrusbrief ist geprägt von Abwehr und Polemik gegen „Irrlehrer“. Immer wieder wird erwähnt, dass die Gottessohnschaft Jesu Christi angezweifelt werde, da seine Wiederkunft ausbleibt. Das Verhalten derer, die Häme gegenüber Christinnen und Christen mit ihrer Parusie-Erwartung äußern, ähnelt häufig denen, die schon von den Propheten des Alten Testaments angegriffen wurden. Der Zweifel an der Wiederkunft und damit auch an der Gottessohnschaft hat zur Folge, dass die Menschen von Gott abfallen und nun Habsucht, Betrügerei, Ausbeutung und Ausschweifungen ihr Leben bestimmt. Dieses Verhalten kritisiert der 2. Petrusbrief und versucht die Hoffnung auf die Wiederkunft Christi zu stärken – wann immer diese sein wird.

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„Was ist eigentlich, wenn Jesus einfach nur ein Mensch war? – Wer kann sich denn so sicher sein, dass Jesus Christus überhaupt Gottes Sohn ist…“ Diese oder ähnliche Fragen tauchen immer wieder im Religionsunterricht oder im Konfirmandenunterricht auf.  Dass diese Fragen die Menschen bereits einige Zeit nach Christi Himmelfahrt beschäftigten, zeigt der 2. Petrusbrief. Petrus selbst, der Jünger und Apostel Jesu, musste sich mit der Meinung auseinandersetzen, dass Jesus nicht der Sohn Gottes sei, sondern ein ganz gewöhnlicher Mensch; dass Jesus Christus nicht wieder zurück komme und das Himmelreich daher auch nicht anbreche. Als Beweis dafür, dass er die Wahrheit sagt, führte Petrus das Erlebnis der Verklärung an.

(Lesung des Predigttextes)

Auf die Frage, ob man sicher wissen kann, dass Jesus Gottes Sohn sei, kann ich nicht wie Petrus von einer göttlichen Stimme aus dem Himmel berichten. Wir haben heute keine Augenzeugen mehr, die Jesus Christus in göttlicher Herrlichkeit gesehen haben. „…ihr tut gut daran, dass ihr darauf – auf das prophetische Wort – achtet als auf ein Licht, das da scheint an einem dunklen Ort…“, empfiehlt uns Petrus. Wir müssen nicht lange suchen, um die dunklen Seiten zu finden, in denen uns Gott verborgen bleibt: Da sind all die Menschen, alte und junge, die in Kriegen und Bürgerkriegen sterben müssen, weil Interessengruppen ihren Machtanspruch sichern wollen. Wir sehen Katastrophen, die das Leben zerstören, als sei es nichts. Das macht uns betroffen. Wie viel schlimmer ist es dann, wenn das Dunkel in unserem eigenen Leben um  sich greift. Da ist z. B. dieser Schmerz nach dem Tod eines geliebten Menschen. Dort scheitern plötzlich Ehen. Und es gibt die Menschen, die ihre Arbeit verlieren, die ihnen sozialen Halt und Lebenssinn gab. In solchen Momenten könnten wir hinausschreien: Wo ist denn diese leuchtende Wolke um den verklärten Christus? In unserem Leid sehen wir oft gar nichts davon. Gott scheint uns sehr fern.

Als Hilfe in solchen Situationen ruft uns der 2. Petrusbrief das prophetische Wort in Erinnerung. Das haben wir, und das bleibt uns. Mit dem „prophetischen Wort“ ist hier nicht die Vorhersage bestimmter Ereignisse gemeint. Das prophetische Wort kommt von Gott, geschieht in seinem Auftrag und Namen, und es geht auf die tiefsten Bedürfnisse der Menschen ein, es hat den ganzen Menschen im Blick. Jesus Christus hat gezeigt, wie Gott zu uns Menschen steht: liebevoll und uns zugewandt. Er nahm die Menschen in dem, was sie brauchten, wahr und half ihnen. Prophetische Rede beschreibt – wie die Propheten des Alten Testaments – die Widersprüche dieser Welt zwischen göttlichem Anspruch und menschlicher Wirklichkeit. Prophetische Rede, so betont es unser Predigttext, wird allen Menschen zugetraut und zugemutet: Benennt, was nicht stimmt, auch wenn ihr euch damit keine Freunde macht, und ändert etwas, wo es nötig ist. Wenn ihr so handelt, bringt das Licht ins Dunkel unserer Welt. Das Leid der Menschen sehen, hören und mitfühlen. Auf die Menschen zugehen und  ihnen helfen in ihrer Lebenssituation – ganz wie es uns Jesus Christus vorgelebt hat. Dann scheint etwas vom Licht Jesu in unsere Welt hinein.

Durch sein eigenes Leben und Leiden ist uns Jesus ganz nahe gekommen. Er hat es uns vorgelebt, die Menschen in ihrem Leid nicht nur zu sehen oder ihre Hilferufe zu hören, sondern ihnen auch wirklich zu helfen. In seinem Tod am Kreuz hat er Todesangst und schreckliche Schmerzen selbst gespürt und durchlitten. Dies zeigt uns, dass er gerade deshalb in unseren dunkelsten Zeiten bei uns ist. Das ist unsere Hoffnung, sie ist das helle Licht in allem Dunkel, der Vorschein des anbrechenden Reiches Gottes. Diese Hoffnung vertröstet nicht auf bessere Zeiten, sie kann unsere Gegenwart schon heute verändern. In ihr steckt eine enorme Kraft. Menschen, die für ihre Glaubensüberzeugungen sogar bereit waren zu sterben, haben sie erfahren – ich denke z.B. an Dietrich Bonhoeffer, der trotz eigener Todesangst andere Menschen stärken konnte.  Auch wir können tiefe Einschnitte unseres Lebens überstehen, wenn wir das Licht am Ende des Tunnels erkennen können. Manchmal liegt dies in unserer Hand: Eine gründliche Auseinandersetzung in einer Beziehung kann in solcher Hoffnung überstanden werden; oder nach dem Schock über den Verlust unseres Arbeitsplatzes kann sie uns zu einem neuen Anfang weiterhelfen.

Aber es gibt auch Situationen, in denen wir uns aus einer Ausweglosigkeit nicht mehr selbst befreien können. In solchen Momenten lasst uns auf Christus in seinem Leid schauen. Ob wir in unserer Verzweiflung über Alles fluchen, klagen und schreien und die Dunkelheit noch so sehr unsere Augen trüben mag – Gott ist gerade in diesem Augenblick bei uns. Es klingt widersprüchlich: Gott leuchtet uns dann am hellsten, wenn er uns am Dunkelsten erscheint. Einen Schlüssel zum Verständnis der Geschichte von der Verklärung Jesu erhalten wir durch die Worte, die Jesus danach zu seinen Jüngern Petrus, Jakobus und Johannes sagte: „Ihr sollt von dieser Erscheinung niemandem sagen, bis der Menschensohn von den Toten auferstanden ist“ (Matthäus 17,9). Verstehen kann man das, was da passiert ist, erst von Kreuz und Auferstehung her. Erst jetzt, nach dem Tod und der Auferstehung Christi, kann sich Petrus auf die Verklärung Christi berufen. Dies unterscheidet das Christentum von allen anderen Weltreligionen: Gott sitzt nicht nur auf dem Thron, weit weg und hoch über uns, er wird auch geschlagen und gedemütigt, jedem leidenden Menschen ist er ganz nahe. Der Petrusbrief will der Hoffnungslosigkeit der urchristlichen Gemeinde mit der Ankündigung entgegen treten: „Unser Herr kommt“. Leben wir darum, was Jesus Christus uns vorgelebt hat, und holen wir ein Stück vom Reich Gottes in unsere Welt hinein!

Die ersten Christen hofften fest darauf, dass Jesus, noch zu ihren Lebzeiten, wieder kommt. Aber mit jedem Tag, der verstrich, verlor diese Hoffnung immer mehr an Glanz. Je mehr das Licht zu verblassen schien, umso weiter entfernten sich die Menschen von dem, was Jesus Christus ihnen aufgetragen hatte. An einer solch negativen Spirale kann man tatsächlich leicht verzweifeln. Doch glücklicherweise ist Jesus Christus der, der uns begleitet. Er weiß selbst sehr genau, wie es ist, wenn wir verzweifeln. Dadurch kann die Leuchtkraft  seiner Gegenwart bis in unser Leben im Jetzt und Hier, auch in unsere Dunkelheit hinüberstrahlen. Weil Jesus Christus nicht nur der „Verklärte“ ist, uns weit überlegen, sondern mit den Narben, die ihm das Leben zugefügt hat, neben uns steht. Warum Christus nachfolgen? – Weil er beides ist: unser Gott und unser Bruder.

 

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2 Kommentare on “Licht ins Dunkel unserer Welt bringen

  1. Christoph Kühne

    Interessante Gedanken! Das prophetische Wort kann sich heute offenbaren in dem klaren Wort, der richtigen Tat und dem, was ich notwendig finde. So haben alle Menschen die „prophetische Rede“. Und das ist hilfreich an den vielen „dunklen Orten“ in unserer Welt, die gezeichnet sind von Trennung, Katastrophen, Bürgerkriegen. „Gott ist gerade in diesem Augenblick bei uns“. Mit diesem Bewusstsein „holen wir ein Stück vom Reich Gottes in unsere Welt hinein“, sodass Christus durch uns in diese Welt leuchten. So kommt einem der etwas hölzern Predigttext etwas näher!

  2. Pfarrer Hans-Dieter Krüger

    Worin besteht das „prophetische Wort“, von dem in diesem Text die Rede ist?
    Die Predigerin erklärt es überzeugend: „Mit dem „prophetischen Wort“ ist hier nicht die Vorhersage bestimmter Ereignisse gemeint. Das prophetische Wort kommt von Gott, geschieht in seinem Auftrag und Namen, und es geht auf die tiefsten Bedürfnisse der Menschen ein, es hat den ganzen Menschen im Blick.“ Das wird an den verschiedenen beklagenswerten Lebenssituationen deutlich gemacht. Die dabei auftauchende Theodizeefrage findet ihre Antwort im Leben und Leiden Jesu. Die Predigerin fasst diesen Gedanken dogmatisch korrekt und sprachlich gut ausbalanciert in Worte. Die stärkste Stelle der Predigt ist für mich: „In seinem Tod am Kreuz hat er (Jesus) Todesangst und schreckliche Schmerzen selbst gespürt und durchlitten. Dies zeigt uns, dass er gerade deshalb in unseren dunkelsten Zeiten bei uns ist. Das ist unsere Hoffnung, sie ist das helle Licht in allem Dunkel, der Vorschein des anbrechenden Reiches Gottes”.

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