Was tut gut?
Über Bibel, Glauben und Leben miteinander ins Gespräch kommen
Predigttext: 2.Petrus 1,16-21 (Übersetzung nach Martin Luther, Rev. 1984)
16 Denn wir sind nicht ausgeklügelten Fabeln gefolgt, als wir euch kundgetan haben die Kraft und das Kommen unseres Herrn Jesus Christus; sondern wir haben seine Herrlichkeit selber gesehen. 17 Denn er empfing von Gott, dem Vater, Ehre und Preis durch eine Stimme, die zu ihm kam von der großen Herrlichkeit: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe. 18 Und diese Stimme haben wir gehört vom Himmel kommen, als wir mit ihm waren auf dem heiligen Berge. 19 Um so fester haben wir das prophetische Wort, und ihr tut gut daran, daß ihr darauf achtet als auf ein Licht, das da scheint an einem dunklen Ort, bis der Tag anbreche und der Morgenstern aufgehe in euren Herzen. 20 Und das sollt ihr vor allem wissen, daß keine Weissagung in der Schrift eine Sache eigener Auslegung ist. 21 Denn es ist noch nie eine Weissagung aus menschlichem Willen hervorgebracht worden, sondern getrieben von dem heiligen Geist haben Menschen im Namen Gottes geredet.
Hinweise zu Predigttext und Predigt
"Simon Petrus, ein Knecht und Apostel Jesu Christi, an alle, die mit uns denselben teuren Glauben empfangen haben" - so beginnt der 2. Petrusbrief. Und kurz vor Beginn unserer Perikope ist zu lesen: "Ich halte es aber für richtig..., euch zu erwecken und zu erinnern (Vers 13). Den Gemeinden der frühen Christenheit wollte dieser Brief, der wie der Jakobus- und Judasbrief und die Johannesbriefe zu den sog. "Kirchenbriefen" gehört, den verlässlichen Grund des Glaubens in Erinnerung rufen und sie in den Auseinandersetzungen um die christliche Lehre stärken.
Wegen der dicht aneinandergefügten theologisch-dogmatischen Aussagen lasse ich den am Gottesdienst Teilnehmenden den Predigttext in die Hand geben. Um einmal zu veranschaulichen, wie jede Übersetzung bereits Auslegung der Bibel ist und jedes Hören ihrer Botschaft in ein Übersetzen ("Transfer") in die persönliche bzw. gesellschaftliche Lebenssituation münden will, stelle ich synoptisch z.B. die „Neue Genfer Bibel" daneben.
Mit dem letzten Sonntag nach Epiphanias schließt sich der weihnachtliche Festkreis. Der Wochenspruch, ein Prophetenwort aus dem Jesajabuch (60,2), ruft uns noch einmal das wunderbare Kommen Gottes in Erinnerung: Über dir geht auf der HERR/GOTT, und seine Herrlichkeit erscheint über dir.
I.
In der Mitte des Predigttextes heißt es (V.19): Ihr tut gut daran, dass ihr auf das prophetische Wort achtet als auf ein Licht, das da scheint an einem dunklen Ort… – und in der heutigen Schriftlesung aus dem Matthäusevangelium (17,1-9) hören wir von einer Stimme aus der Wolke von Jesus sagen: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe… – Worte, die auch in unserem Predigtwort vorkommen. Es ist der Abschnitt aus einem Brief, mit dem der Apostel Petrus auf kritische Einreden gegen die christliche Predigt reagiert. Wir sind nicht ausgeklügelten Fabeln gefolgt, als wir euch kundgetan haben die Kraft und das Kommen unseres Herrn Jesus Christus – diese Worte klingen wie eine Rechtfertigung, wie eine Verteidigung. Tatsächlich, die Apostel, die Botschafter des Evangeliums von Jesus Christus, mussten ihre Botschaft gegenüber kritischen und zweifelnden Anfragen rechtfertigen, verteidigen. Es galt, auf Einwände zu reagieren, argumentativ darauf zu antworten, Einwände etwa in dem Sinn: Ihr könnt uns ja viel von Jesus erzählen, von seiner Bedeutung, dass Gott ausgerechnet ihn erwählt habe, dass er der Messias, der Hilfe und Heil bringende König sei. Ihr könnt uns viel erzählen und predigen. Wer sagt uns denn, dass eure Botschaft nicht Spekulationen, schöne Phantasien und ganz menschliche Wunschträume sind, mit denen ihr euch selbst und uns nur etwas vormacht, uns und euch in Illusionen wiegt und damit eine, gerade in ethischer Hinsicht, unverantwortliche Weltflucht betreibt? – Sind das nicht auch unsere Einwände heute? Du Mann oder Frau der Kirche kannst mir viel erzählen. Und wer oder was gibt dir auf der Kanzel eigentlich das Recht, von Gott und seinem Wort, von Jesus und seiner göttlichen Mission, sogar in Gottes und Jesu und des Heiligen Geistes Namen zu reden? – Wie reden wir von Gott, Du und ich?
II.
Mich beeindruckt, dass sich die Apostel in dem, was sie predigten, in Frage stellen ließen und ebenso sachlich wie engagiert Stellung nahmen, Antwort gaben, sich bemühten, Rechenschaft abzulegen von dem, was sie in ihrem Aposteldienst leitete. Die stärksten und treibenden Gründe für die Wahrhaftigkeit des der Apostel, der Jünger und Jüngerinnen Jesu, waren nicht, was sie spekulierten, phantasierten oder erträumten, sondern was sie an und mit Jesus erlebt hatten. Sie waren Augenzeugen. Was sie an Jesus von Nazareth und in der Gemeinschaft mit ihm in Raum und Zeit erfahren hatten, wurde zur Grundlage ihres Glaubens. Dieses Erleben haben sie weitergegeben, auch an jede und jeden von uns in dieser Kirche. Die Apostel haben in der Begegnung mit Jesus eine Bestätigung und Bekräftigung der prophetischen Botschaft gefunden, die sie aus ihrer Bibel kannten. Jesus legte ihnen diese Botschaft, das Wort Gottes, aus. Die Bibelauslegung war für sie keine beliebige, keine “private” Angelegenheit. Was Jesus zu den Inhalten der Bibel sagte, erhellte, beleuchtete ihnen das Wort Gottes und ließ es sie erkennen. Darum ist dem Apostel Petrus der Aufruf an die Gemeinden so wichtig: Ihr tut gut daran, dass ihr auf das prophetische Wort achtet als auf ein Licht, das da scheint an einem dunklen Ort, bis der Tag anbreche und der Morgenstern aufgehe in euren Herzen. Der dunkle Ort ist unsere Welt. Dunkel ist sie, solange Gottes Herrlichkeit, sein Glanz, noch verborgen ist, d.h. solange wir blind sind, nicht sehen, nicht erkennen, wie Gott in der Welt wirkt.
III.
Kommen wir doch über Glauben und Leben miteinander ins Gespräch. Wenn der Glaube Gestalt annimmt in unserem Lebensalltag, in den persönlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen, dann wird es hell, und die Wirkung des Glaubens an Gott wird sichtbar. Die Apostel konnten Boten Gottes sein, weil sie aus der Bibel schöpften, den „Heiligen Schriften“, die auch Jesus heilig waren. In die Rede im Petrusbrief vom „Licht, das an einem dunklen Ort scheint“, klingen in den Ohren der damaligen Gemeinden vertraute Bibelworte an wie:
„Es wird ein Stern aus Jakob aufgehen und ein Zepter aus Israel aufkommen…“ (4.Mose 24,17)
„Es ist kein Fels wie unser Gott ist“ (1.Samuel 2,2)
„Die Freude an Gott ist eure Stärke“ (Nehemia 8,10)
„Aber ich weiß, dass mein Erlöser lebt“ (Hiob 19,25)
„Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht…“ (Jesaja 9,1)
„Mache dich auf, werde licht; denn dein Licht kommt, und der Glanz Gottes geht (wie die Sonne) auf über dir!“ (Jesaja 60,1)
„Dein Wort ist meines Fußes Leuchte und ein Licht auf meinem Wege“ (Psalm 119,105).
Weg weisende, prophetische, von Gott seinen Boten für sein Volk aufgetragene Worte! Sie setzten die Hörenden in eine heilsame Bewegung, gaben ihnen so etwas wie eine innere Sicherheit auf ihrem Weg, besonders wenn es für sie schwer wurde. Sie konnten sich, seit sie Jesus begegneten und mit ihm mitten in der Nacht den Anfang eines neuen Tages erlebten, bestimmter auf die Wahrheit der biblischen Botschaft berufen und mit kritischen Einwänden engagiert umgehen.
IV.
„Seid allezeit bereit zur Verantwortung vor jedermann, der von euch Rechenschaft fordert über die Hoffnung, die in euch ist“, heißt es im 1.Petrusbrief (3,15). Gut, im heutigen Predigttext daran erinnert zu werden, dass bei der Bibelauslegung kein einzelner Mensch die ganze Wahrheit hat. „Keine Weissagung in der Schrift ist eine Sache eigener Auslegung“, und kein Mensch bringt sie „aus eigenem Willen“ hervor, gibt Petrus zu bedenken (V.20-21). Mit „Weissagung“, wie Martin Luther übersetzte, ist „Prophetie“ gemeint, „das prophetische Wort“ (V.19), die Botschaft vom heilsamen Kommen Gottes. Sie bringt Licht in das Dunkel unserer Welt. Nicht jedes Licht ist ein gutes Licht. Mit Jesus, seinem Sohn, hat Gott ein gutes Licht aufleuchten lassen. Darum „wird es nicht dunkel bleiben über denen, die in Angst sind“ (Jesaja 8,23). Jesus – das prophetische Wort in Person, in ihm ist erfüllt, wonach sich die Propheten der Bibel sehnten, wonach sie gesucht und geforscht haben (1.Petrus 1,9). Jesus – das Wort Gottes ein für allemal, nachdem Gott „auf vielerlei Weise“ durch die Propheten gesprochen hat. Zu Ihm lasst uns aufschauen, persönlich und gemeinsam, „als auf ein Licht, das da scheint an einem dunklen Ort“. Helfen wir einander, in den Höhen und Tiefen unseres Lebens auf dieses eine Wort zu achten und diese Stimme in uns klingen zu lassen – als Gemeinde, die im Sinne Jesu auf das Wort Gottes hört und es bewahrt, bis der Tag anbricht und der Morgenstern aufgeht in unseren Herzen.
Die stärkste Stelle der Predigt ist für mich, wie der Gemeinde das prophetische Wort nahegebracht wird: Da werden die wunderbaren Verheißungsworte aus dem Alten Testament zitiert. Solche Worte brauchen wir. Sie tun dem Glauben gut. Gelungen finde ich auch, wie das Erlebnis der Verklärung Jesu als Erfüllung dieser Verheißungen gedeutet wird. Gut gefallen hat mir auch der schön formulierte Schluss der Predigt: „Helfen wir einander, in den Höhen und Tiefen unseres Lebens auf dieses eine Wort zu achten und diese Stimme in uns klingen zu lassen – als Gemeinde, die im Sinne Jesu auf das Wort Gottes hört und es bewahrt, bis der Tag anbricht und der Morgenstern aufgeht in unseren Herzen”.
Die Predigt beginnt im Stile einer Bibelstunde und fragt nach dem Verständnis des Textes. Der Aufforderung zum (Predigt-) Gespräch folgt eine interessante Aussage: „Wenn der Glaube Gestalt annimmt …, dann wird es hell“. Was bedeutet das für uns heute? Ein Appell, einander zu helfen, „in den Höhen und Tiefen unseres Lebens auf dieses eine Wort zu achten und diese Stimme in uns klingen zu lassen“. Das Gespräch wird zu einer Betrachtung, einer Mediation, die die Gedanken des Predigttextes aufnimmt: Das Licht, das Weihnachten angebrochen ist, soll auch in unseren Herzen aufgehen. Das ist Verheißung und Geleit durch unser Leben.