Erinnerungshilfen

Ungeteilte Liebe Gottes zu den Menschen

Predigttext: 5.Mose / Dtn 6,4-9
Kirche / Ort: 21640 Bliedersdorf
Datum: 22.06.2014
Kirchenjahr: 1. Sonntag nach Trinitatis
Autor/in: Pastorin Manuela Handelsmann

Predigttext: 5. Mose 6, 4-9 (Übersetzung nach Martin Luther, Rev. 1984)

Höre, Israel, der HERR ist unser Gott, der HERR allein. Und du sollst den HERRN, deinen Gott, lieb haben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all deiner Kraft. Und diese Worte, die ich dir heute gebiete, sollst du zu Herzen nehmen und sollst sie deinen Kindern einschärfen und davon reden, wenn du in deinem Hause sitzt oder unterwegs bist, wenn du dich niederlegst oder aufstehst. Und du sollst sie binden zum Zeichen auf deine Hand, und sie sollen dir ein Merkzeichen zwischen deinen Augen sein, und du sollst sie schreiben auf die Pfosten deines Hauses und an die Tore.

Vorbemerkungen

Beim ersten Lesen sehe ich vor meinem inneren Auge Betende mit blaugestreiftem Gebetsschal und den Lederriemen an den Händen. Ebenso eine Filmszene: Eine Haustür aus der eine Familie kommt, offenbar morgens als alle aufbrechen. Und jeder berührt mit der Hand die schon abgegriffene Stelle, an der die Mesusa eingemauert ist. Fremdes, befremdliches und faszinierendes Judentum! Den Theologen wird die Bedeutung des Textes für unsere Vorfahren im Glauben vertraut sein. Für meine Hörer kann und wird das nicht im Zentrum stehen. Die Information will ich den Hörern aber nicht vorenthalten.

Ich sehe im Text zwei Zentren: 1. Die ungeteilte Liebe Gottes zu den Menschen und umgekehrt (vgl die Epistel 1. Joh 4!) und 2. das Einüben der Grundfesten des Glaubens. Beide Punkte möchte ich in der Predigt zur Sprache bringen und anhand von Beispielen den Hörern nahebringen. Ich werde den Predigttext nach der Guten Nachricht lesen.

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Bei jeder Perle ein Ave Maria, bei jedem Silberplättchen ein Vater unser“ so erklärte mir meine Großmutter ihren Rosenkranz. Und dann legte sie los und betete in einem atemberaubenden Tempo das Ave Maria. Zehn Perlen für zehn Ave Maria und dann ein Silberplättchen also ein Vater unser und dann wieder zehn Mal das Ave Maria und so weiter. Wie lang der Rosenkranz meiner Großmutter war, weiß ich nicht mehr. Ich war ja evangelisch wie meine Mutter und war als Jugendliche über den Rosenkranz meiner Großmutter erhaben. So ein Runtergerassel von Worten, das konnte kein richtiges Beten sein. Dafür gab es nicht nur das Stirnrunzeln meiner Mutter als Beleg, sondern auch eine Bibelstelle: „Wenn ihr betet, dann leiert nicht Gebetsworte herunter wie die Heiden. Sie meinen, sie könnten bei Gott etwas erreichen, wenn sie viele Worte machen.“ Vierzig Jahre später sieht die Sache anders aus. Tägliche Rituale des Glaubens sind mir zur Gewohnheit geworden. Damit bin ich in Gesellschaft von vielen Menschen, die ganz bewusst ihren Glauben üben. Und auch dafür gibt es natürlich die passende Bibelstelle.

(Lesung des Predigttextes)

Diese Worte werden in jedem jüdischen Gottesdienst wiederholt. Sie sind das zentrale Bekenntnis des jüdischen Glaubens. Bindet sie euch zur ständigen Erinnerung an den Arm und auf die Stirn. Schreibt sie auf die Türpfosten eurer Häuser und auf die Tore eurer Städte. Die letzten Verse wurden und werden im jüdischen Glauben ganz wörtlich genommen. Genau die Worte unseres Predigttextes werden auf kleine Zettel geschrieben und sorgsam in Kapseln verpackt. Beim Gebet werden die Kapseln mit Lederriemen um Kopf und Handgelenke gebunden. Kleine Hülsen mit diesen Worten werden auch in die Türrahmen von Häusern eingelassen. Wer das Haus verlässt oder betritt, berührt kurz mit der Hand diese Stelle. Mit einem Handgriff erinnert sich der Mensch an Gott. Durch diesen Handgriff geht es in Fleisch und Blut über: Liebt Gott von ganzem Herzen, mit ganzem Willen und mit aller Kraft. Der Glaube an den einen Gott wird körperlich erfahrbar, „handgreiflich“ sogar. „Höre, Israel! Der Herr ist unser Gott, der Herr allein.“ Dieser grundlegende Text der hebräischen Bibel, gilt der eigentlich auch für uns? Höre, Israel! Sind wir nicht die falsche Adresse? „

“Ein Gesetzeslehrer fragte Jesus: »Lehrer, welches ist das wichtigste Gebot?« Jesus antwortete: »’Liebe den Herrn, deinen Gott, von ganzem Herzen, mit ganzem Willen und mit deinem ganzen Verstand!’ Dies ist das größte und wichtigste Gebot. Aber gleich wichtig ist ein zweites: ‘Liebe deinen Mitmenschen wie dich selbst!’“ Ganz klar: wir sind gemeint. Jesus hat bekräftigt: Wir sollen Gott lieben mit ganzem Herzen, mit ganzem Willen und mit aller Kraft. Das „Höre“ gilt auch uns. Du sollst Gott lieben. Ich höre Ihren Einwand: Liebe kann man nicht befehlen. Es ist irgendwie schräg, die Liebe zu Gott zu einem Gebot zu machen. Liebe kann man erfahren und erwidern. Aber Liebe gebieten? Doch es ist so: Gott hat uns zuerst geliebt. Das ist an Jesus besonders deutlich geworden: Gott macht sich klein. Gott wird Mensch und geht seinen Weg wie jeder Mensch. Von der Geburt bis zum Sterbebett. Gottes Sohn Jesus Christus geht durch Höhen und Tiefen bis in die Tiefen des Todes. So hat Gott die Welt geliebt. Und so weiß ich heute: ich bin als Mensch wertgeschätzt von Gott. Mein Leben ist nicht vergeblich. Gottes Liebe gilt. Ich kann gar nicht anders reagieren als Gott ungeteilt zu lieben – von ganzem Herzen, mit ganzem Willen und mit aller Kraft.

Ich erinnere mich an meinen Geburtstag vor einigen Jahren. Den Tag vorher hatte es geschneit und geschneit. Freunde, die dreißig Kilometer entfernt wohnen, riefen an. „Das schneit uns zu sehr, wir bleiben zu Hause. Das verstehst du doch.“ Klar, wer sollte das nicht verstehen. Aber am Geburtstag klingelte es doch an der Tür. Meine Schwester und mein Schwager standen da. Eine Überraschung für mich. Sie waren 300 km gefahren. Sie können sich denken, wie ich meine Schwester umarmt habe. So ähnlich sehe ich die Liebe zu Gott. Ihm habe ich alles zu verdanken. Dass ich Mensch geworden, dass es mich noch gibt. Und wie oft hat er mich behütet, mir den richtigen Weg gewiesen, mich durch die dunklen Täler geführt, mir meine Fehler vergeben. Und ich sollte Gott nicht lieben? Ich sollte ihn nicht umarmen von ganzem Herzen, mit allem Willen und all meiner Kraft? Aber wie hätte ich glauben sollen, dass ich von Gott geliebt bin, wenn ich die entscheidenden Worte nie gehört hätte. Es musste jemand kommen und sagen: „Du, hör mal. Es gibt einen Gott und er ist einer. Und er liebt dich. Und auch du sollst ihn lieben von ganzem Herzen, mit ganzem Willen und mit aller Kraft. Und das vergiss bloß nicht. Schreib dir das hinter die Ohren.“ Der Herr ist unser Gott, der Herr allein. Wer an Gott, den Herrn glaubt und weiter an ihn glauben will, der Mensch braucht einen Trick, den Glauben nicht zu vergessen.

Jelder Mensch muss daran erinnert werden, die Liebe nicht zu vergessen. Schreib es dir hinter die Ohren, das wurde früher gesagt, wenn Kinder etwas nicht vergessen sollten. Bindet sie auf den Arm und auf die Stirn, das ist die jüdische Variante. Gemeint ist immer das Gleiche: Lern das Wichtigste auswendig. Sag es immer wieder vor dich hin, damit du es nicht vergisst. Damit es dir in Fleisch und Blut übergeht. Und es aus deinem Inneren kommt, wenn du es brauchst. So hast du es immer dabei, wenn du in die Klemme gerätst, wenn Krankheit dich heimsucht oder die Freude dich überwältigt. Ich habe meinem letzten Konfirmandenjahrgang einen Fragebogen vorgelegt. Die Konfis sollten sich äußern: was war gut, was war nicht so gut am Unterricht. Einer schrieb: Gut war, dass wir nicht soviel auswendig lernen mussten. Was für ein zweifelhaftes Kompliment, dachte ich, als ich es las. Was wird hängen bleiben vom Glauben, wenn nichts auswendig gelernt wird? Die Zehn Gebote, das Abendmahl, die Taufe, das Glaubensbekenntnis. Mit diesen Themen haben wir uns ausführlich beschäftigt. Auswendig gelernt haben die Konfis davon wenig. Und es macht auch keinen Sinn, sich Texte in den Kopf zu hämmern, um sie im Unterricht aufzusagen und sie dann zu vergessen. Wenn es Sinn haben soll, Kernsätze des Glaubens zu lernen, dann müssen sie wirklich in Fleisch und Blut übergehen. Das Vater Unser, dass haben wir nach jeder Konfirmandenstunde gesprochen. Das hat niemand auswendig gelernt und es musste niemand aufsagen. Prägt die Worte euren Kindern ein und sagt sie euch immer wieder vor.

Es braucht nicht viele Worte, die ein Mensch sich einprägen sollte, um den Glauben nicht zu verlieren. Vielleicht reicht dieser Satz. Oder Sie wählen sich einen oder zwei andere Sätze, die Sie persönlich mehr ansprechen. Die Sie sich hinter die Ohren schreiben wollen. Alex war ein halbes Jahr in Neuseeland. Als Erinnerung hat sich ein Tattoo stechen lassen. Ein Pfeil auf dem Oberarm. Und auf dem Pfeil steht 1. Joh 4,16. Die Abkürzung für: Gott ist die Liebe, und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm. Bei jungen Leuten ist es heute sogar „in“ oder „cool“ sich ein Stück Glaube für immer auf den Arm zu schreiben. Und ich kann inzwischen meine Großmutter verstehen, die ihren Glauben gepflegt hat mit der ständigen Wiederholung ihrer Gebete.

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2 Kommentare on “Erinnerungshilfen

  1. Pastor Heinz Rußmann

    Zuerst plädiert Pastorin Handelsmann für tägliche Gebete und christliche Rituale. Dannn schlägt sie den Bogen zum Schema Israel “Höre Israel “, welches von frommen Juden mehrfach am Tag gesprochen wird. Wir sind keine Isaraeliten. Aber Jesus hat auf die Frage nach dem höchsten Gebot auch genau die Sätze übernemmen: Liebe den Herrn von ganzem Herzen. … Daneben gestellt hat er das Gebot der Nächstenliebe, das einzeln auch im Alten Testament vorkommt. Die Kombination beider stammt von Jesus. – Liebe kann man nicht befehlen , aber durch Jesus ist Gottes Liebe konkret in der Welt erschienen. Wir alle müssen immer wieder erinnert werden, die Gottes-Liebe und Nächstenliebe nicht zu vergessen. Kernsätze des Glaubens wie das Vaterunser sollten wir immer in uns tragen. So wie bei den Juden das Scheme Israel dabei ist. Originell ist heute bei Jugendlichen zum Beispiel, sich ein christliches Tatoo eintätowiieren zu lassen zum Beispiel 1.Joh 4,16 ( Gott ist die Liebe ) als ständige Erinnerung. – Eine anrührende Predigt, welche das zentrale Bekenntnis des Alten Testaments mit den beiden zentralen Geboten überzeugend verbindet.

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