Tragendes Fundament

Ein Lehrstück für Konkurrenzkonflikte

Predigttext: 1.Korinther 3,9-15
Kirche / Ort: St. Jürgen-Kapelle / Lübeck
Datum: 07.09.2014
Kirchenjahr: 12. Sonntag nach Trinitatis
Autor/in: Pastor em. Hans-Dieter Krüger

Predigttext: 1.Korinther 3,9-15 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)

Denn wir sind Gottes Mitarbeiter; ihr seid Gottes Ackerfeld und Gottes Bau. Ich nach Gottes Gnade, die mir gegeben ist, habe den Grund gelegt als ein weiser Baumeister; ein anderer baut darauf.

Ein jeder aber sehe zu, wie er darauf baut. Einen andern Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus. Wenn aber jemand auf den Grund baut Gold, Silber, Edelsteine, Holz, Heu, Stroh, so wird das Werk eines jeden offenbar werden.

Der Tag des Gerichts wird's klar machen; denn mit Feuer wird er sich offenbaren. Und von welcher Art eines jeden Werk ist, wird das Feuer erweisen. Wird jemandes Werk bleiben, das er darauf gebaut hat, so wird er Lohn empfangen. Wird aber jemandes Werk verbrennen, so wird er Schaden leiden; er selbst aber wird gerettet werden, doch so wie durchs Feuer hindurch.

Vorüberlegungen zum Predigttext

Das Interessante an dieser Textstelle steht zwischen den Zeilen und ergibt sich aus dem vorangehenden Zusammenhang. Die schöne Kernaussage, dass Christus das Fundament ist, verdanken wir dem unausgesprochenen Konflikt zwischen Apollos und seinen Anhängern und Paulus, der sich nur brieflich äußern kann, weil er sich gerade in Ephesus aufhält. Darum habe ich die vorangehenden Verse mit einbezogen. Ich will in der Predigt herausstellen, wie selbstbewusst Paulus seinen Anspruch behauptet, dass er es gewesen ist, und nicht Apollos, der das Glaubensfundament gelegt hat. Gleichzeit soll deutlich werden, wie freundlich und anerkennend er mit der Arbeit des Apollos umgeht, ja, die Einheit mit ihm hervorhebt (V. 6: Der Pflanzende und der Begießende sind eins). Dabei hat er sicher auch einige Kritik anzumelden, die sich aber nur bildhaft in der Nennung der brennbaren Materialien andeutet. Paulus hat an dieser Textstelle sein kämpferisches Temperament gezügelt und ist seinem „Konkurrenten“ einschließlich dessen Anhang mit Klarheit, aber vor allem mit Freundlichkeit, Sanftmut und Respekt entgegengekommen. Ein Lehrstück für Konkurrenzkonflikte in und zwischen christlichen Gemeinschaften.

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Immer wieder sah sich der Apostel Paulus herausgefordert in den Gemeinden, die er gegründet hatte, „die Möbel gerade zu rücken“. Das tut er auch hier. Die Gemeinde in Korinth, die er gegründet hatte, war eigentlich ein „Vorzeigeprojekt“. Es gab ein vielfältiges Gemeindeleben. „Ihr seid Gottes Ackerfeld und Gottes Bau.“ Das hört sich gut an. Ich stelle mir vor, dass es interessante Diskussionsrunden gab. Menschen mit außergewöhnlichen Begabungen, z.B. die Fähigkeit in „Zungen zu reden“, sorgten für Attraktivität. Die soziale Struktur war umfassend: Arme und Reiche, Sklaven und Sklavenbesitzer, Gebildete und eher schlichte Gemüter. Es gab gute Redner, die ihre Hörer faszinierten. Zu ihnen gehörte ein Mann mit Namen „Apollos“, der in den Versen vorher erwähnt wird. Mit seinen Reden und Predigten begeisterte er wohl viele. Ein hervorragender, hochgeschätzter Mitarbeiter der Gemeinde. Seine Verkündigung war in christlicher Hinsicht fundiert, was auch Paulus anerkennt. In V. 8 betont Paulus sogar die Einheit mit ihm. „Der Pflanzende und der Begießende sind eins.“

Leider war mit den Aktivitäten des Apollos eine sehr unschöne, aber menschlich verständliche Begleiterscheinung verbunden: Man verglich Paulus mit Apollos. Es gab Gemeindeglieder, die meinten: Apollos sei dem Paulus weit überlegen. Vielleicht klang das so: Apollos ist der bessere Prediger. Seine Verkündigung hat mehr Tiefgang. Er weiß, wie man philosophisches Gedankengut aufnimmt und mit der christlichen Botschaft verbindet. Ich halte mich an Apollos. Natürlich gab es auch andere, die Paulus die Treue hielten und sich zu ihm und seiner Art, den Glauben zu vermitteln, bekannten. Für die Gemeinde waren diese Parteinahmen unglücklich, ja schädlich. Klar, dass Freunde des Paulus, der sich gerade in Ephesus aufhielt, aufsuchten und ihm darüber berichteten. Verständlich auch, dass Paulus über diese Kontroverse nicht erfreut gewesen ist. Es musste ihn schmerzen, wenn man abfällig über ihn sprach. Und er wehrte sich. Er tat es, ohne ein einziges negatives Wort über seinen Konkurrenten Apollos zu verlieren.

Paulus räumt ein, dass seine eigene Verkündigung in Korinth recht schlicht gewesen ist. Das hatte man ihm wohl vorgeworfen. Er verteidigte die Form seiner Verkündigung: „Ich gab euch Milch, einfache, gut verdauliche Kost. Feste Speise konntet ihr noch nicht vertragen.“ Diese Art der Rechtfertigung ist bemerkenswert. Hier erweist sich Paulus nicht nur als souveräner Theologe, sondern hier kommt eine Persönlichkeit zum Vorschein, deren Charakter von Toleranz und einer bewundernswerten Großzügigkeit gekennzeichnet ist. „Ich gab euch Milch, weil ihr feste Speise noch nicht vertragen konntet.“ Kann es sein, dass er mit diesem Bild dem Apollos zugestand, der Gemeinde feste Speise gegeben zu haben? Ja, ich sehe es so. Aber Paulus sieht darin keinen Grund, wie ein geprügelter Hund das Feld zu räumen.

Paulus ist kein Verlierertyp, der so leicht aufgibt. Im Gegenteil: Er ist ein Kämpfer. Bei aller Toleranz, bei aller Liebe: Der Wahrheit muss die Ehre gegeben werden. Die Grundlagen des christlichen Glaubens müssen wieder herausgestellt werden. Es muss klargestellt werden, worin das Fundament christlichen Glaubens besteht. Und die Abweichungen davon, das von ihm so genannte „fleischliche“ Verhalten, Egoismus, Eitelkeit, Streitsucht, Parteilichkeit müssen benannt werden. Da muss es Orientierung geben. Da hilft keine zaghafte Leisetreterei, kein höfliches Drumherum Reden. Da muss Klartext gesprochen werden. Und das tat Paulus in seiner herzerfrischenden Art, untermalt und durchwirkt mit kräftigen, aussagestarken Bildern. Zunächst weist er sich und dem Apollo ihre Plätze zu, : „Paulus hat gepflanzt, Apollos hat begossen, aber Gott hat wachsen lassen“, so stellt er es kurz vorher (V. 6) dar. Da weist der Apostel auf ein wichtiges Gesetz im Reich Gottes hin: Jeder hat seine Aufgabe und muss seinen Auftrag erkennen und erfüllen. So würdigt er den Apollos und seine Anhänger als Mitarbeiter Gottes, die auf dem gleichen Feld ihre Arbeit tun wie Paulus und an demselben Haus bauen, wie er. Jeder auf seine Weise.

Als junger Pastor freute ich mich an einem florierenden Jugendbibelkreis, den ich aufgebaut hatte. Eines Tages kam keiner mehr. Was war geschehen? Die netten, liebenswerten Jugendlichen waren von anderen jungen Leuten einer freikirchlichen Gemeinde abgeworben worden. Da konnte ich wieder von vorne anfangen. Den freikirchlichen Kollegen, bei dem die Jugendlichen nun waren, stellte ich empört zur Rede. Der schmunzelte und meinte: „Lieber Bruder, lesen Sie doch mal den 1. Korintherbrief Kapitel 3. Das bedeutet für uns: „Sie haben gesät, und ich habe geerntet. So ist das nun mal bei der Arbeit im Reich Gottes“. Nachdem ich zuerst wohl etwas verdutzt geschaut habe, musste ich dann doch lachen und habe gesagt: „Bravo, der Punkt geht an Sie”. Wir haben uns noch oft gesehen, weil sein Sohn unseren Kindergarten besuchte. Wir wurden zwar keine besten Freunde, aber haben uns trotzdem gut verstanden.

Auch wenn Paulus seinem Konkurrenten Apollos großzügig, tolerant, ja in fast „edler Gesinnung“ begegnete, so hat er ihm und seinen Anhängern doch einige kritische Anmerkungen ins Stammbuch geschrieben, was auch für unsere Gemeindearbeit und unser persönliches Leben als Christ von Bedeutung ist. Der Grund unseres Glaubens ist Jesus Christus. Recht selbstbewusst stellt der Apostel fest: „Ich habe dieses Fundament gelegt. Ich habe es getan als weiser Baumeister. Einen andern Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus.“ Zwischen den Zeilen lese ich: Apollos, den manche anhimmeln und Paulus gegenüber den Vorzug geben, hat diesen Grund nicht gelegt. Das hat er, Paulus, getan. Apollos hat dieses Fundament genutzt, um darauf seine Arbeit zu tun, um darauf sein Werk zu errichten. Paulus will die Arbeit des Apollos zwar nicht offen schlecht reden, aber seine Bedenken und Vorbehalte sind unübersehbar. Ich will mit eigenen Worten sagen, was Paulus nach meiner Sicht zum Ausdruck bringen wollte: „Ich, Paulus, spreche Apollos und seinen Anhängern nicht den Glauben ab, ich bin auch froh, dass er Christus als Fundament anerkennt und für seine Arbeit nutzt. Aber ob seine Arbeit Bestand hat in dem Sinne, dass sie sich nicht nur äußerlich erfolgreich und glanzvoll darstellt, sondern dass sie auch gesegnet ist, das muss sich erst noch herausstellen.“

Paulus bringt sechs Bilder ins Spiel: Gold, Silber, kostbare Steine, Holz, Heu, Stroh. Eines Tages wird sich herausstellen, was Bestand hat. Holz, Heu und Stroh werden verbrennen. Gold, Silber und Edelsteine werden bleiben. Paulus verzichtet darauf, diese Materialien zu deuten. Aber wir können uns denken, was er meint: Die edlen Materialien beschreibt er an anderen Stellen, z.B. in der Liste, in der er die Früchte des Geistes aufzählt. Dazu gehören: Freundlichkeit, Liebe, Glaubensfreude, Sanftmut, Demut, Geduld, Toleranz und Vergebungsbereitschaft. Sind das Werte, denen wir in unseren Gemeinden und im persönlichen Leben folgen? Ich hoffe es und sehe da auch viel Gutes. Aber da ist auch bestimmt noch viel Luft nach oben. Und wie deuten wir die brennbaren Materialien Holz, Heu und Stroh? Paulus hält sich mit Beispielen vornehm und geschickt zurück. An dieser Stelle wollte er wohl kein Öl ins Feuer gießen und die Diskussion um seine Person und die des Apollos anheizen. Aber wir ahnen, was er meint. Es sind wohl Dinge, die er in Korinth beklagt: Zank, Streit, Parteienwirtschaft, Lieblosigkeit. Vor Gottes Augen haben diese Eigenschaften keinen Bestand.

Ich finde es tröstlich, wie Paulus die Materialien und die, die mit ihnen bauen, einordnet. Es gibt im Gericht zwar Beurteilungen. Es gibt Lohn oder man kann Schaden erleiden. Aber die Rettung ist für jeden, der das Fundament des Glaubens an Christus anerkennt, gesichert. Hier zeigt sich Paulus trotz allen Ärgers, der ihn bewegen, trotz aller Respektlosigkeit, die ihn verletzten mag, großmütig und versöhnlich. Es ist eine schöne, klare, Mut machende Feststellung, die Paulus in unserem Text trifft: Das Fundament ist Jesus Christus. Er ist das Fundament des Glaubens. Er ist das Fundament der Gemeinde, ja, er ist das Fundament der Welt, das Fundament des Kosmos und das Fundament meines persönlichen Lebens. Schon bei der Erschaffung der Welt hat Gott ihre Erlösung mitbedacht. Bei all den schrecklichen Dingen, die geschehen, bei all den Kriegen mit ihren Grausamkeiten, bei allen Katastrophen, die uns erschüttern, bleibt dieses Fundament der Liebe und Treue Gottes bestehen.

Ja, es gibt das Böse, aber es gibt auch Überwindung des Bösen, es gibt Erlösung. Ja, es gibt schlimme Krankheiten, schreckliche Schicksale, aber wir erleben auch Wunder, Linderung, Heilung. Ja, es gibt Absturz und Untergang, aber es gibt auch das Wunder des „Noch Einmal“, das Dietrich Bonhoeffer so wunderbar in Worte gefasst hat: „Und willst du uns noch einmal Freude schenken an dieser Welt und ihrer Sonne Glanz, dann lass uns des Vergangenen gedenken, und dann gehört dir unser Leben ganz.“ Ja, die Macht des Todes umstellt uns, und wir müssen uns eines Tages wie alle aus dieser Welt verabschieden. Aber da ist auch die Hoffnung auf jenes unverlierbare, unverwelkliche Erbe des ewigen Lebens, das Christus uns erworben hat. Ja, auch die Sünde hat Macht, leider zu oft auch über uns. Aber da ist auch Güte Gottes und seine Vergebung, die er uns in Jesus Christus zuspricht. Darauf setzen wir. Das ist unsere Hoffnung. Dafür sind wir dankbar. Das besingen wir in unseren Liedern. Wir tun es auch heute. Das Lied (EG 354), das wir gleich anstimmen, wurde gedichtet von Johann Andreas Rothe. Es ist das einzige Lied von ihm, das in unser Gesangbuch übernommen wurde. Aber schöner als er es getan hat, kann man den Kern unserer Paulusstelle, dass Christus das Fundament der Welt und unseres Lebens ist, wohl nicht in Worte fassen: „Ich habe nun den Grund gefunden, der meinen Anker ewig hält. Wo anders als in Jesu Wunden? Da lag er vor der Zeit der Welt, der Grund, der unbeweglich steht, wenn Erd’ und Himmel untergeht”.

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Ein Kommentar zu “Tragendes Fundament

  1. Pastor Heinz Rußmann

    Immer wieder gibt es Parteiungen in den Kirchengemeinden. Das war schon in Korinth so. Darüber predigt Pastor Krüger zu Beginn. Paulus hatte anfänglich bei der Gemeindegründung in Korinth sehr schlicht gepredigt, weil die Korinther ja Anfänger im Glauben waren. Als die Gemeinde sich etabliert hatte, waren auch gebildete Menschen zur Gemeinde gestoßen. Dann trat Apollos auf als ein großartiger Prediger auch für die gereiften Christen. Er begeisterte die Gemeinde. Eigentlich schön und gut. Leider wurde Paulus, der schon nach Ephesus weitergezogen, von der Apollos-Partei herabgesetzt Auch heute bekommen Prediger/innen zu hören: Von den Predigten Ihres Kollegen könnten Sie sich eine Scheibe abschneiden. Paulus hört von der Herabsetzung. Großartig ist, nach Pastor Krüger, wie Paulus mit der Kränkung umgeht. Er macht Apollos nicht schlecht und diffamiert dessen narzisstisches Auftreten. Er schreibt: Ich habe gepflanzt, Apollos hat begossen, Gott hat wachsen lassen. Er erinnert daran, dass allein Christus das Fundament der Gemeinde ist. Paulus vermeidet Neid und Feindschaft zum Konkurrenten Apollos, sondern kann ihn als Mitchristen anerkennen. Er erinnert daran, dass Christus das Fundament der Welt ist, schon bei der Schöpfung mitbedacht als kosmischer Christus heute. Er schenkt Hoffnung auf Überwindung des Bösen und auf das ewige Leben für uns. Mit einen schönen Liedvers dazu schließt diese tiefsinnige Predigt, welche den Text sehr gut erhellt und auf den Punkt bringt.

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