GottesDienst

Erntedank - Opfer, die Gott gefallen

Predigttext: Hebräer 4,15-16
Kirche / Ort: 09322 Penig
Datum: 05.10.2014
Kirchenjahr: 16. Sonntag nach Trinitatis
Autor/in: Pfarrerin em. Ursula Bürger

Predigttext: Hebräer 13,15-16 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)

So lasst uns nun durch ihn – Jesus – Gott allezeit das Lobopfer darbringen, das ist die Frucht der Lippen, die seinen Namen bekennen.
Gutes zu tun und mit andern zu teilen, vergesst nicht; denn solche Opfer gefallen Gott.

Gedanken zum Predigttext

Oft wird die Frage gestellt: Was gehen uns die alten Bibeltexte an? Wird da noch unsere Sache verhandelt? Zumal, wenn man mit Joh. Gottfried Herder der Meinung ist, dass die Bibel eine Sammlung religiöser Selbstkundgaben frommer Menschen vor langer Zeit ist. So suche ich in der vorbereitenden Meditation nach Existentialien, die auch uns heutige betreffen, menschliche Grundaussagen, Grundlagen, die unser Mensch- und Christsein ausmachen.

Die Ausleger sind weitgehend der Meinung, dass der „Brief an die Hebräer“ ein Mahn-und Trostschreiben an Christen in bedrängter Lage ist, Christen, die durch äußere Bedrängung in innere Not kamen und von der Gemeinde weggingen. Und daher macht es sich der Schreiber des Briefes zum ernsten Anliegen, aus Verantwortung für seine Mitchristen, sie zu mahnen, nicht wegzugehen, standzuhalten in den Ängsten vor dem Martyrium, da sie sonst dem Heil verlorengehen und der Bitternis verfallen. Das Exempel Esaus droht sich in der Kirche zu wiederholen.

Der Verfasser wartet auf die Ankunft des Timotheus, der entweder schon zu ihm abgereist ist, oder aber aus der Haft entlassen, wieder freigekommen und zu ihm – dem Verfasser - auf dem Wege ist. Nach seiner Ankunft will der Verfasser dann mit ihm zusammen zur Gemeinde reisen. Die Leser sind jedenfalls solche, die der Ermahnung bedürfen. (V.13,7) Die Leser, Empfänger des Briefes, wo auch immer, sind in hohem Maße gefährdet in ihrem Seelenheil – innerlich, äußerlich. Einige haben schon das Martyrium erlitten, andere sind davon Zeugen geworden und nun in Anfechtungen, in Angst auch hingerichtet zu werden. V.3,12: vor einigen steht noch die Gefahr des Abfalls, der ins endgültige Verderben führt, V.10,25: einige haben bereits die Versammlungen verlassen.

Die Verse 6,4-6 und 12,12-17 sprechen von der Unmöglichkeit einer zweiten Buße, einer erneuten Annahme, nach dem Abfall, dem Verlassen der Gemeinde. So muss der Verfasser die Christen erneut lehren und ermahnen, im Hören nicht stumpf zu sein. So ernst und endgültig schreibt nur der Verfasser des Hebräerbriefes im NT. Was war los? Zeit der Kirchenaustritte? Angst um den Bestand der christlichen Gemeinde? Und heute? Angst vor finanziellen Verlusten durch zuviel Kirchensteuer? Was ist mit den Gläubigen geschehen? Heute. Die Sehnsucht nach Erlösung ist heute genauso da wie vor 2000 Jahren. Aber „zieht“ die biblische Botschaft nicht mehr?

V.15: So laßt uns nun durch ihn Gott allezeit das Lobopfer darbringen, das ist die Frucht der Lippen, die seinen Namen bekennen. Verweis auf Ps50,14.23 und Hosea 14,3. Mir fallen dazu der „Lobgesang“ op.52 von Felix Mendelssohn Bartholdy und Verse von Paul Gerhardt ein, z.B. EG 503. Es geht einem unter die Haut, wie in der Sinfoniekantate von Mendelssohn mit Pauken und Trompeten, im wahrsten Sinne des Wortes, zum Gotteslob aufgefordert wird und mit Psalmtexten und Worten aus Eph 5,14, Jes 21, Röm 13,12, und dem Choral "Nun danket alle Gott“ ausgeführt wird. Offensichtlich muss der Mensch zum Lob und Dank aufgefordert werden. Es gehört zu einem Teil auch zur Erziehung, das dankende Annehmen einer Gabe. Was sich im Kindesalter in äußerlicher Haltung einübt, kann dann im erwachsenen Alter zu einer dankbaren Haltung dem Leben, Gott, gegenüber werden.

„So laßt uns nun durch ihn Gott allezeit das Lobopfer darbringen......“ Wie ist doch immer noch oder überhaupt der Opfergedanke in unserem Denken verankert? Verkehrsopfer, Kriegsopfer, Hungeropfer....Als ob Verkehr, Krieg, Armut... unabwendbare gottähnliche Mächte wären. Im jüdisch-christlichen Glauben wird dieser Opfergedanke immer weiter zurückgedrängt. Gott will solche Menschen-und Sachopfer nicht. Er freut sich an unserem Dankopfer. Merkwürdig nur, wenn im Gottesdienst zum „Dankopfer“ aufgefordert wird, greifen alle zum Portemonnaie, um Geld herauszuholen und es zu "opfern". Und dass Christus den Opfertod am Kreuz gestorben ist, ist paulinische Theologie.

Die Aufforderung zum Lobopfer als „Frucht der Lippen, die Gottes Namen bekennen“, hat seinen wichtigen Platz in der Verkündigung, gerade an einem Sonntag, der sich mit dem Dank für alle uns gegebenen Lebensnotwendigkeiten befasst. Und wie sieht der Dank in einer Überflussgesellschaft aus? Darauf antwortet der zweite Vers: V.16: Gutes zu tun und mit andern zu teilen, vergeßt nicht; denn solche Opfer gefallen Gott. Ist der V.15 Aufforderung zum Gotteslob und Nachdenken über den Opfergedanken, so ist V.16 die Aufforderung, den Mitmenschen nicht zu vergessen, zur Diakonie. So verknüpft der Hebräerbrief Gotteslob und Menschendienst. Danach ist Häretiker, wer über dem Dienst an Gott den Mitmenschen vergisst oder das eine gegen das andere ausspielt.

„Gutes zu tun......“ ist auch eine Möglichkeit, mit den Ängsten des Lebens fertig zu werden. "homogein"und "koinonia", Gott bekennen und Gemeinschaft mit Menschen, das sind die zwei Seiten des Christseins, die zum Erntedankfest die biblische Grundlage sind.

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“Wir sammeln jetzt das Dankopfer ein“ – jeder Gottesdienstteilnehmer weiß, was kommt. Er greift nach seinem Portemonnaie, um das Geld herauszunehmen, was er in die dann geben will. Am Erntedankfest liegen Brot und Weintrauben auf dem Altar, „Ur“lebensmittel, und Gemeindemitglieder haben noch andere gute Gaben gespendet. Alles ist schön im Altarraum aufgebaut, manchmal sind noch Garben, ein Erntekranz, Blumen als schmückende Beigaben dabei, als Anschauung, was uns alles als gute Gaben zum Leben von Gott geschenkt wird. „Es geht durch unsre Hände, kommt aber her von Gott“, so dichtet Matthias Claudius im 18.Jhdt. Dann die Aufforderung: „Drum dankt iund hofft auf ihn”. Offensichtlich war das Gotteslob und der Dank auch im 18.Jhdt nicht selbstverständlich. Zum Dank und Lob Gottes musste wohl zu allen Zeiten ermuntert und erinnert werden. Auch Martin Luther greift in seiner Auslegung der 4.Bitte im Vaterunser – unser tägliches Brot gib uns heute – im Kleinen Katechismus auf die Mahnung zur Danksagung für das täglich notwendige, das uns gegeben wird. „Gott gibt das tägliche Brot auch ohne unsere Bitte allen bösen Menschen; aber wir bitten in diesem Gebet, daß er`s uns erkennen und wir mit Danksagung empfangen unser tägliches Brot.“

So mahnt auch der Schreiber des Hebräerbriefes: So lasst uns nun Gott das Lobopfer darbringen. „Dem wandernden Gottesvolk“, wie ein Ausleger (Ernst Käsemann) schrieb, wird diese Mahnung mitgegeben. Wie ja überhaupt das ganze Schreiben von großem seelsorglichem Ernst getragen ist, die Sorge, dass Menschen, die einmal an Christus geglaubt haben, nun im Feuer des Alltags, in Ängsten und Sorgen um ihr Leben und das der ihnen anvertrauten, das Vertrauen auf Gott verlieren und aus der „Versammlung“, der Gemeinde, weggehen könnten. Dagegen setzt der Schreiber die Selbstaufforderung: Lasst uns Gott loben. Da fällt mir die Sinfoniekantate „Der Lobgesang“ von Felix Mendelssohn Bartholdy ein, der nach der Sinfonia mit dem Chor beginnt: „Alles, was Odem hat, lobe den Herrn“, ein gewaltiger Chor, Worte aus dem 150.Psalm. “Mit Pauken und Trompeten“ sollen alle lebendigen Wesen Gott loben. Oder, wer`s heutiger mag: Mahalia Jackson, die unvergleichlich bekennt: God is so good to me. Darin drückt sich die tiefe Erkenntnis und Weisheit aus, dass alles, was ich darstelle und leisten kann, Gaben sind, für die Gott gelobt und gedankt werden muß. Danksagung versteht sich nicht von selbst. Zum Dank muss erzogen, ermuntert sein, fluchen kann man von allein.

Die biblische Mahnung, alt- und neutestamentlich, zum Gotteslob und -dank weiß, dass Menschen danken lernen müssen, aufmerksam gemacht werden müssen, auf ihren wirklichen Stand in der Welt, dass es Hybris ist zu meinen, ich kann alles allein und verdanke mich niemandem, Gott nicht und meinem Mitmenschen nicht. So schließt sich logisch der letzte Vers unseres kurzen Predigtabschnittes an: „Gutes zu tun und mit andern zu teilen, vergeßt nicht; denn solche Opfer gefallen Gott.“ Opfer? Der uralte Opfergedanke wird im Laufe der Jahrtausende im jüdisch-christlichen Glauben umgewertet zu einem menschenfreundlichen Akt, der Gott gefällt. Wenn Menschen abgeben von ihrem Hab und Gut, den Nächsten im Blick haben, Gutes tun, das sind „Opfer“, die Gott gefallen, erklärt der Schreiber unseres Predigtabschnittes. Der Begriff “Opfer“ suggeriert blutiges, sinnloses Sterben, dem nachträglich durch die Bezeichnung „Opfer“ ein Sinn verliehen werden soll.

„…gestorben fürs Vaterland“- 100 Jahre nach Beginn des 1.Weltkrieges, dem dann auch noch der 2. Weltkrieg folge. Mit solchen Opfern hatte der biblische Gott nichts zu tun. Heute sind wir überzeugt, dass solche Opfer Gott nicht gefallen. Ich habe erlebt, dass Menschen, die zum Gotteslob fähig sind, auch bereit sind, von ihrem Eigentum, ihrer Zeit und Gesundheit, ihrem Gemüt abzugeben, ihr Leben mit anderen zu teilen, Handlungen, von denen die Menschheit lebt. Von daher verstehe ich den Ernst, mit dem der Schreiber des Hebräerbriefes mahnt, Gott und den Nächsten nicht zu vergessen. Er hat wohl Angst, was aus einer Menschheit werden soll, die gottvergessen ist und damit auch den Mitmenschen nicht mehr im Blick hat. Leider geschieht auch das andere, dass Menschen bigott sind und mit dem Hinweis auf Gott, sich ihrem Nächsten entziehen. „Ich brauche mehr Zeit für Gott, deshalb beende ich die Beziehung zu dir.“ Da spielt man Gott gegen den Menschen aus. Das ist Häresie,nweil das Opfer sind, die Gott nicht gefallen. Erntedankfest ist Gotteslob und Menschenliebe, beides gehört zusammen. Und das ist wirklich ein Fest wert.

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Ein Kommentar zu “GottesDienst

  1. Pastor Heinz Rußmann

    Nach einer sehr erhellenden Exegese und Predigtbesinnung beginnt Pfarrerin Bürger ihre Predigt mit der Erinnerung, dass Menschen zu allen Zeiten zum Dank und Lob Gottes erinnert werden mussten. Der Predigttext ist vom großen seelsorglichen Ernst getragen, von der Sorge, das Vertrauen auf Gott zu verlieren und aus der Gemeinde sich zu entfernen. Dagegen setzt der Hebräerbrief die Selbstaufforderung: Lasst uns Gott loben. Dafür nennt die Pfarrerin schöne Beispiele aus der Musik bis zu Mahalia Jackson. Gutes tun verlangt der Text und das sind unblutige Opfer, die Gott gefallen. Der Opfergedanke wird umgewertet zu einem menschenfreundlichen Akt, der Gott gefällt. Der Opfergedanke fürs Vaterland spielte eine Rolle in den Weltkriegen. Erntedankfest ist Gotteslob und Menschenliebe. Ein Grund zum Feiern. Prägnant und einleuchtend predigt Pfarrerin Bürger über den Text.

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