Feuer und Flamme
Kein Zurück ins alte Leben
Predigttext: Matthäus 28,16-20 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision1984)
Die elf Jünger gingen nach Galiläa auf den Berg, wohin Jesus sie beschieden hatte.
Und als sie ihn sahen, fielen sie vor ihm nieder, einige aber zweifelten.
Und Jesus trat herzu und sprach zu ihnen: Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Darum geht hin und macht zu Jüngern alle Völker:
Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes,
und lehrt sie halten alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.
Fast hatten sie sich schon wieder im normalen Alltag eingelebt. Der Schock war zunächst groß. Als das Abenteuer ihres Lebens begann, da waren sie buchstäblich „Feuer und Flamme“ gewesen. Manchmal loderte die Kraft Gottes so stark in ihnen, dass sie Kräfte spürten, von denen sie kaum glaubten, sie zu besitzen. Das Abenteuer ihres Lebens war die Zeit mit Jesus gewesen. Er war zu ihnen gekommen, mitten in ihren Alltag hinein. Er hatte sie aus ihrer Arbeit weggeholt. Den Fischern am See rief er zu: „Lasst die Netze liegen, Menschenfischer sollt ihr werden!“ Zum Zöllner Levi am Eingang der Stadt sagte er: „ Komm mit, folge mir nach!“ Zachäus war zunächst nur neugierig gewesen, aber Jesus hatte ihn erkannt und gesagt: „Heute will ich bei dir essen”. Und er bringt daraufhin sein Leben in Ordnung. Der Blinde in Jericho, Bartimäus, schreit laut und nennt Jesus „Sohn Davids“, erkennt ihn als Messias. Jesus sagt: „Dein Glaube hat dir geholfen!“, da springt Bartimäus geheilt auf und folgt Jesus. Wunder über Wunder, Zeichen des Reiches Gottes haben sie erlebt, mit eigenen Augen gesehen! Das Reich Gottes wurde sichtbar, sie hatten es erlebt! Und nun war es vorbei.
Der Alltag war eingekehrt. Sie hatten ihren Platz wieder im alten Leben eingenommen. Das große Abenteuer ihres Lebens lag hinter ihnen. Sie würden Kindern und Enkeln noch erzählen können: „Ja, damals… Weißt du, ich war einer von den Jüngern Jesu. Was wir alles erlebt haben! Aber das ist nun Geschichte”. Die traurigen Ereignisse in Jerusalem, der Tod Jesu und der vorausgegangene Verrat, das hatte sie erschüttert.mEr sei auferstanden, das hatten die Frauen berichtet, voller Freude, drei Tage nach der Grablegung sei es gewesen. Die Anführer der Jünger fanden widersprüchliche Zeichen. Wo der eine einen Engel gesehen hatte, fand der andere nur Binden und Laken. Nun gut, so meinten die gewesenen Jünger Jesu: Es wird Zeit, wieder daheim nach dem Rechten zu schauen. Das Abenteuer ihres Lebens, ein Jünger Jesu zu sein, liegt nun hinter ihnen. Wieder Fischer und Handwerker in Galiläa zu sein, ist auch kein schlechtes Leben. Mit allem hatten sie gerechnet – nur nicht mit Jesus! Denn der lässt nicht zu, dass sie ihr altes Leben wieder aufnehmen. Das Abenteuer, mit ihm durchs Land zu ziehen, war nur der Anfang. Jetzt sind die Jünger dran, im Geist Jesu weiter zu machen. Er gibt ihnen sozusagen eine Dienstanweisung: Klare und deutliche Handlungsaufforderungen.
Jesus ist auferstanden! Es war nicht bloß eine überhitzte Wunschvorstellung. Jesus ist wieder da, anwesend mitten in ihrem Alltag. Er begegnet den Jüngern als Gott selber. Den menschlichen Leib und seine Erscheinung hat er abgelegt, das Heilswerk am Kreuz ist geschehen. Die Jünger erfahren: Wer einmal mit Jesus gegangen ist, kann nicht wieder in sein altes Leben zurückkehren. Feuer und Flamme werden erneut entfacht, der Auftrag geht weiter. Und nun – und das ist der Unterschied zum vorherigen Abenteuer ihres Lebens: Sie sind jetzt selbst verantwortlich. Jesus gibt ihnen auf, von all dem zu berichten, was sie als Zeichen des Reiches Gottes erlebt haben. Sie sind Zeugen gewesen und sollen vor aller Welt bezeugen, wer Jesus ist: Mehr als ein Prophet, Gottes Liebe in Person. Und wie machen sie das nun? Damals mit Jesus glaubten sie, das alte Leben spiele keine Rolle mehr. Der Messias war da, das Reich Gottes schon fast mit Händen zu greifen. Warum sich dann noch mit den kleinen Dingen des täglichen Lebens abgeben? Würde das nicht bald alles überholt sein?
Wir wissen es heute, 2000 Jahre liegen zwischen dem erneuten Auftrag an die Jüngerinnen und Jünger Jesu, seine Botschaft mit Leben zu erfüllen. Zeiten voll des mühseligen Alltags mit allen Mühen und Sorgen. Die erste Generation der Christen glaubte damals noch, das „Ende der Welt“, von dem Jesus in seinem Auftrag redete, stehe unmittelbar bevor. Sie selbst würden Jesus, wenn er wiederkommt, noch mit eigenen Augen sehen. Sie waren, wie gesagt „Feuer und Flamme“ und verbreiteten die Botschaft von Gottes Liebe, Mensch geworden in Jesus Christus, rasch in alle Welt. Und doch waren und blieben sie in ihrem Alltag verhaftet. Beides musste miteinander in Einklang gebracht werden. Das Feuer der Botschaft brannte in ihnen, Jesus selber hatte sie ausgesandt. Es war nicht einfach für sie. Sie waren ausgesandt worden, um Zeugen und lebendiges Zeugnis zu sein. Eine Mission hatten sie.
“Mission” nennen wir es bis heute, wenn die Botschaft Gottes in die Welt getragen wird. Nach wie vor stellt sich die Frage: Wieviel Feuer und Flamme bringen wir mit der Botschaft mit? Wieviel mühsamer Alltag muss ausgehalten werden? Es gab und gibt noch den Typ des Missionars, der von vornherein genau weiß, was und wie er die Botschaft weiterzugeben hat. Seine persönlichen Bedürfnisse stellt er zurück, er geht ganz in seinem Auftrag auf. Er ist beseelt von der Aufgabe, genau das weiter zu geben, was ihn selber im Innersten berührt hat. Das ist nicht das Schlechteste, bewahre. Aber schon nach einiger Zeit kann sich bei einem solchen Missionar eine Gewöhnung einstellen, die sich im Festhalten am Überkommen, im Wiederholen des immer gleich Richtigen erschöpft.
Mission hat sich gewandelt im Lauf der letzten Jahrzehnte. Der Missionar bzw. die Missionarin, die von Gottes Liebe berichten, finden zunehmend selbstbewusste Partner vor Ort. Er findet sich in einem Alltag ein, der oft von kleinen Aufgaben erfüllt ist. Wer von Gottes Liebe spricht, begegnet mit eigener Liebe der Mühsal und der täglichen Sorge der Menschen. Er findet Strukturen, deren Ungerechtigkeit ihn zum Schreien bringen können. Beseelt von Gottes Geist, muss der Ausgesandte, der Christ im Alltag der Welt, Unrecht Unrecht und Gewalt Gewalt nennen. Wenn Gottes Wort in aller Welt gilt, wenn der Auferstandene selbst sagt, alles in dieser Welt ist ihm unterstellt, dann darf der Christ nicht schweigen. Ein sattes, gemütliches Sichzurücklehnen im Altgewohnten ist nicht mehr möglich. Genauso wenig ist es möglich, Althergebrachtes immer und immer wieder zu wiederholen. Jesus lebt mitten in dieser Welt, und wir, die Christen, sind aufgefordert, ihm nachzufolgen. So ist der Missionar nicht nur der Ausgesandte aus Europa, der armen Menschen hilft, zu Bildung und besserem Einkommen zu gelangen. Nein, Missionar kann man auch daheim sein – im Gewohnten, im Alltag, den Aufbruch versuchen. Und: Missionare gibt es, und es sind nicht wenige, die aus ihren Heimatländern aufbrechen, um uns in Europa oder Nordamerika an die Grundwerte des Christentums zu erinnern. Es ist nicht immer leicht, manchmal eine Zumutung, wenn das Wort Gottes in unser Land zurückkommt, in das Land, aus dem einmal Missionare ausgesandt worden waren.
Mission ist eine zentrale Aufgabe für Christen. Dem Auftrag gerecht zu werden, ist nicht leicht: zwischen Beharren und Bewahren des Alten und Aufbruch in unbekanntes Neues. Zum 200. Jubiläum der Basler Mission wurden engagierte Ausgesandte, in der Mission Erfahrene gefragt, was Mission heute für sie bedeutet. Vielfältige, aber doch im Kern übereinstimmende Auffassungen wurden geteilt: Der Student Joel Velimsky, der mehr als ein halbes Jahr in Indonesien lebte, sagt: „ Mission ist für mich aktuell, wenn ich meinem Glauben niemandem aufzwinge, sondern mich austausche. Das setze ich jetzt in Deutschland fort…“
Die Studentin Anna Habermann versteht Mission als “gemeinsames Zeugnis des christlichen Glaubens in Partnerschaft und Solidarität”. Genauso habe ich in Ghana Mission erlebt und gelebt, auch wenn beim wechselseitigen „Zeugnis ablegen“ zuweilen Spannungen aufgetreten sind. So wurde mir vorgeworfen, dass wir im globalen Norden gar keinen Glauben mehr hätten”. Dekanin Christiane Quincke betont: „Mission bedeutet für mich, Zeugnis von der Liebe Gottes zu geben, die allen Menschen gilt, und zugleich dem Geist Gottes Raum zu geben. Das befreit mich vom Druck, etwas von anderen erwarten zu müssen. Ich bin gespannt, was Gottes Geist beim anderen bewirkt und lasse mich davon anstecken”. Mission: Ausgeasndt werden und Ausgesandte zu sein, es ist und bleibt das große Abenteuer des Lebens mit Jesus.
(Quelle der Zitate: Ekiba intern, Mitarbeitendenzeitschrift der Evangelischen Landeskirche in Baden, Ausgabe 6/2015 Juli und August, S. 6f)
Früher wurde über den Predigt-Text am Sonntag Trinitatis gewöhnlich über den universalen Christus als Teil der Dreieinigkeit gepredigt. Am 6.Sonntag nach Trinitatis legt es sich nahe, über den Missionsbefehl des zur Rechten Gottes erhöhten Christus zu sprechen. Pfarrerin Lallathin erzählt zu dem Thema einleitend sehr lebendig und mitreissend, dass die Jünger “Feuer und Flamme”, begeistert, vom irdischen Jesus und seinen Worten und Werken gewesen waren. Nach der Auferstehung Jesu war bei Ihnen erstmal wieder der Alltag eingetreten. Mit der Erscheinung des erhöhten Jesu und seinen Worten wird die Flamme Jesu wieder neu entfacht. Der Auftrag an die Nachfolger geht weiter. Jesus ist weiter Gottes Liebe in Person. Die Jünger haben jetzt die Mission, die Sendung und den Aufrag, diese Botschaft in die Welt weiterzutragen. Pfarrerin Lallathin malt dann unterschiedliche Typen von Missionaren vor Augen. Der traditionelle Missionar, der seine Christusbotschaft mit Herz und Sinn eindringlich immer wieder verkündet, besonders in Ländern, welche Jesus noch nicht kennen. In einer selbstbewussten modernen Welt ist es die Aufgabe des Missionars, überall auch Unrecht und Gewalt im Namen Jesu zu kritisieren. Es bleibt dabei für die Predigerin, dass Mission eine zentrale Aufgabe für Christen ist. Sie zitiert dazu interessant und einleuchtend drei heutige junge Missionare. Ausgesandt werden und Ausgesandte sein ist das große Abenteuer des Lebens mit Jesus. Da die Predigerin zwischendurch viel Verständnis hat für des Leben der Normal-Christen in der Spannung von den alltäglichen Problemen, dem Zeitdruck und dem Wunsch, andere von Jesus zu überzeugen, wird der Hörer nicht überfordert, sondern freundlich motiviert zu seinen Möglichkeiten und Fähigkeiten zu missionieren.