Gerechtigkeit, Frieden, Freude

Jesus ist unser Messias des Friedens, er löste die Knoten in uns und befreit uns so zur Freude und zum Friedenstiften

Predigttext: Philipper 4,4-7
Kirche / Ort: Heiliggeistkirche / Heidelberg
Datum: 20.12.2015
Kirchenjahr: 4. Sonntag im Advent
Autor/in: Pfarrer Dr. Vincenzo Petracca

Predigttext: Philipper 4,4-7 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)

Freuet euch in dem Herrn allewege, und abermals sage ich: Freuet euch!
Eure Güte lasst kund sein allen Menschen! Der Herr ist nahe! Sorgt euch um nichts, sondern in allen Dingen lasst eure Bitten in Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kundwerden! Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.

Exegetische und homiletische Vorüberlegungen

Nachdem Paulus seine Lieblingsgemeinde in Philippi am Ende der ersten Mahnrede (Phil 1,27-2,18) in 2,18 zur Freude auffordert, wiederholt er es in 3,1: „Weiter, liebe Brüder: Freut euch in dem Herrn! Dass ich euch immer dasselbe schreibe, verdrießt mich nicht und macht euch um so gewisser.“ Diesen Faden nimmt er zu Beginn seiner Schlussmahnung wieder auf, ohne Angst mit dem Aufruf zur Freude zu langweilen: „Freuet euch in dem Herrn allewege, und abermals sage ich: Freuet euch!“ (4,4).

Der Apostel denkt dabei nicht an eine oberflächliche Freude. „Die Freude ,im Herrn‘ ist nicht mit einer lustig vergnügten Stimmung zu verwechseln. Natürliche Fröhlichkeit verfliegt rasch unter Beschwernissen und Drangsalen“ (Wilfried Eckey, Der Briefe des Paulus an die Philipper und an Philemon – Ein Kommentar, Neukirchen-Vluyn 2006, S.99). Gemeint ist vielmehr eine Freude, die in der gegenwärtigen Leidenssituation der Philipper Trost spendet und sich zugleich darin bewähren muss.

Die Proklamation „Der Herr ist nahe“ (Phil 4,5,) erinnert an den paulinischen Gebetsruf „Maranatha“ (1 Kor 16,22, vgl. Offb 22,20) und zielt auf die Nähe der Parusie Jesu. Paulus erwartete die Parusie zu seinen Lebzeiten (1 Thess 5,2-3, Röm 13,11-12; vgl. Phil 1,6). Im Blick auf die Gemeinde am 4. Advent wird in der Predigt dagegen die Nähe der Ankunft Jesu auf die unmittelbare Nähe des Weihnachtsfestes bezogen.

zurück zum Textanfang

Freuet euch!

„Gott ist der Gott der Freude. Die Freude ist also die echte religiöse Haltung.“ So sagte einmal Franz von Sales. In der katholischen Kirche ist er der Schutzpatron der Journalisten. Nun, den Nachrichten würden mehr positive Mitteilungen sicher auch gut tun. Und wir? Nietzsche schriebt: „Die Christen müßten erlöster aussehen, wenn ich an ihren Erlöser glauben sollte“. Erlöster müßten die Christinnen und Christen aussehen? Es ist sicher kein Zufall, dass Paulus gleich zweimal in einem einzigen Satz betont: Freuet euch! Indes, Paulus sagt nicht etwa „Freue dich!“. Er formuliert vielmehr im Plural: „Freuet euch!“ Wir sollen uns gemeinsam freuen, nicht jeder für sich allein. Freude will geteilt und mitgeteilt werden.

Albert Schweitzer brachte es treffend auf dem Punkt. Er sagte: „Die Freude ist das einzige, was sich verdoppelt, wenn man es teilt“. Freude ist eine religiöse Grundhaltung. Sie kommt aus der Dankbarkeit. Freude ist aber nicht allein eine Regung der Gefühle oder des Herzens. Für Paulus wird Freude zur Tat. Das Herz quillt vor Freude über und bringt Taten der Güte hervor. Der Güte gegenüber jedermann. Auch gegenüber dem Fremden, auch gegenüber dem Flüchtling. Daher fügt Paulus an die Aufforderung zur Freude direkt den Satz an: „Eure Güte werde allen Menschen bekannt“. Die Freude wird allgemein sichtbar nicht nur in erlösten Gesichtern, sondern in Taten der Güte und der Liebe, die aus dem dankbaren Herzen kommen.

Freuet euch in Jesus.
Freuet euch in dem Herrn.

Warum sollen wir uns überhaupt freuen? Paulus nennt einen Grund. Seine Freude hat einen Zielpunkt. Jesus, der Herr. Und genauer fügt er an: „Der Herr ist nahe!“ Paulus denkt dabei an die Wiederkunft Jesu. Er hat sie noch zu seinen Lebzeiten erwartet. Jesus kommt, um die Welt zu erlösen. Nun, Paulus hat sich geirrt, die Wiederkunft Jesu hat er nicht erlebt. Auch wir warten rund 2000 Jahren nach Paulus noch darauf. Auf den Tag, an dem Gott die Welt in Ordnung bringen wird. Und es gibt einiges in Ordnung zu bringen: Die 88 reichsten Menschen auf unserer Welt besitzen so viel Geld wie die 3,6 Milliarden ärmsten. Göttlicher Plan ist das nicht, sondern himmelschreiende Ungerechtigkeit!

Der Herr ist nahe! Wenn wir heute den Satz hören, denken wir vermutlich an das Weihnachtsfest in vier Tagen. Wir bereiten uns auf Weihnachten vor. Viel will gerichtet und bereitet sein. Aber zwischen Weihnachtsbraten, Tannenbaum, Einkaufstrubel und der Not, dass man kaum weiß, wem man welches Geschenk in welcher Farbe zu welcher Preisklasse schenken soll, dürfen wir das wichtigste nicht vergessen: An Weihnachten erinnern wir uns an das Kommen unseres Retters. Jesus ist unser Arzt. Er löste die Knoten in uns und befreit uns so zur Freude und zur Gerechtigkeit.
Übrigens, die Freude hat eine Zwillingsschwester. Der Friede ist die Zwillingsschwester der Freude. Aus diesem Grund fügt Paulus hinzu: „Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus”. Freude und Frieden gehören zusammen. Jesus ist unser Messias des Friedens. Er löste die Knoten in uns und befreit uns so zur Freude und zum Friedenstiften.

Freuet euch zu jeder Zeit
Freuet euch in dem Herrn allewege.

Freude ist nicht gleich Freude. Es gibt auch eine falsche Art der Freude und des Dankes. Wer Gott immer nur dankt, weil alles so gut, so schön und so einfach ist, dessen Freude ist oberflächlich. Ein solcher Dank verkennt, dass es auch Leid in der Schöpfung gibt. Paulus dagegen verklärt nichts. Er fügt an die Sätze über die Freude erklärend hinzu: „Sorgt euch um nichts, sondern in allen Dingen lasst eure Bitten in Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kundwerden!“ Da ist von Dankbarkeit und Gottvertrauen die Rede. Aber auch von Bitten und Flehen. Die Welt ist begrenzt und vergänglich. So wie wir Menschen auch. Leid und Tod sind Mächte, die in das Leben hineinragen. Aber, diese Mächte sind wie alle Gewalten begrenzt, das ist der tiefe Glaube des Paulus! Was dagegen unbegrenzt ist, ist die Liebe Gottes. Was für immer und ewig Bestand hat, sind nicht die Mächte und Herren des Todes, sondern allein Gottes Gütekraft. Aus diesem Grund kann man Gottvertrauen haben und sich von den Fesseln der Sorge lösen. Aus diesem Grund kann man Gott auch trotz Not und Niedrigkeit loben.

Die Lesung erzählt ein Beispiel. Wir hörten den berühmten Lobgesang der Maria (Lukas 1,46-55). Die schwangere Maria freut sich darüber, dass der Messias nicht von einer Dame aus der guten Gesellschaft zur Welt gebracht wird, sondern von einer Niedrigen. Später stellt sich heraus: Der Messias ist arm und niedrig, wie seine Mutter. Gott kehrt unten nach oben und oben nach unten. Er steht auf der Seite der Armen und Ausgegrenzten! Darüber singt Maria ein Loblied. Das ist ihr wildes Adventslied!
Von Paulus erzählt uns die Apostelgeschichte eine eigenartige Geschichte, die sich in der Stadt Philippi ereignet haben soll, an deren Gemeinde der Brief gerichtet ist (Apg 16, 22ff.). Paulus und sein Begleiter Silas werden auf Befehl der Stadtrichter mit Ruten ausgepeitscht, danach in den innersten Kerker geworfen, die Füße in den Block. Um Mitternacht aber beginnen die beiden zu singen. Mit ihren Liedern danken sie Gott.
Dank im Gefängnis. In diesem Jahr gedenken wir des 70. Todestages des großen Theologen Dietrich Bonhoeffer. Im Nazi-Gefängnis hat er ein Lied gedichtet: Von guten Mächten wunderbar geborgen. Er wusste sich nicht nur von einer Welt wunderbar geborgen, die sich in der engen Zellen unsichtbar um ihn weitet. Er meint sogar, den Lobgesang dieser unsichtbaren Welt zu hören. An Maria, Paulus, Silas und Bonhoeffer können wir sehen: Niedrigkeit und Leid muss das Danken nicht zum Verstummen bringen. Es kann dem Dank auch Tiefe verleihen …

Abermals: Freuet euch!
Freuet euch in dem Herrn allewege, und abermals sage ich:
Freuet euch!

Freude. Dank. Es ist unter uns selten geworden, das Wort „Danke“. Vielleicht auch bei Ihnen. Vom Meister Eckart stammt das Wort: „Wäre das einzige Gebet, das du in deinem Leben sprichst, ein „Danke!” – es würde genügen”. Danke. Seit einiger Zeit habe ich mir angewöhnt, abends vor dem Schlafen Gott für drei Dinge des vergangenen Tages zu danken. Oder für drei Ereignisse, Erlebnisse. Manchmal fallen mir viel mehr als drei Dinge ein. Manchmal muss ich lange nach einem dritten Ereignis suchen. Wie auch immer: Ich bin aufmerksamer für meinen Tag geworden. Und dankbarer. Ja, es tut mir gut zu danken. Gott für drei Dinge danken. Auch eine Idee für Sie? Das müssen keine großen theologischen Worte sein. Keine Dank-Litaneien. Oder gar salbungsvolle Dank-Floskeln. Es kann ein schlichtes „Danke“ sein. Dreimal gesprochen. Danke. Danke, mein Gott. Herzlichen Dank.

zurück zum Textanfang

Ein Kommentar zu “Gerechtigkeit, Frieden, Freude

  1. Pastor Heinz Rußmann

    Der Predigttext gehört zu den faszinierendsten und hoffnungsvollsten Texten des Paulus. Und Pfarrer Dr. Petracca schreibt dazu eine bemerkenswert frohmachende Predigt. Er spricht über die verschiedenen Aspekte der christlichen Freude. Eigentlich ist das ein gefährliches Unternehmen. Mein Vikarsleiter Pastor Dr. von Schlippe in HH hat mir damals schon gesagt: Sie predigen so überschwänglich von der Freude, dass Ihre Zuhörer verärgert werden. Der Prediger dieser Predigt aber erinnert daran, dass Paulus im Gefängnis saß, als er den Brief schrieb. Dort sang er auch Loblieder. Überzeugend ist dann auch seine Parallele zu Dietrich Bonhoeffer, der in der Todeszelle dennoch aus dem Glauben heraus dichtete: Von guten Mächten wunderbar geborgen … Die Predigt schließt mit einem anrührenden Dankgebet für die Freude, die Gott uns Weihnachten und immer wieder schenkt. Eine Predigt zum Ausdrucken und Verschenken.

Ihr Kommentar zur Predigt

Ihre Emailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert.